So, Dennis ist heil in Deutschland angekommen und der Urlaub ist vorbei. Und was mache ich jetzt? Ach, eigentlich könnte man die Zeit natürlich nutzen, um einer Sendaier Tradition zu folgen und mal wieder ein Festival anschauen. Ja, Sendai hat viele Festivals! Eigentlich kann man wöchentlich in den Stadtpark gehen und findet irgendein Fest. Viel schlimmer eigentlich, man muss noch nicht mal das Haus verlassen. So passierte es am Sonntag:
Sonntag, endlich Ruhe. Selbst die Bauarbeiter, die direkt an meinem Küchenfenster ein Haus bauen und dazu sogar am Samstag arbeiten, haben ein Einsehen und nehmen sich einen Tag frei. So sehr ich mich auch darauf gefreut habe, umso überraschter war ich, als auf einmal Festivalmusik vor der Haustür zu hören war. Der Hachiman-Schrein, unser örtlicher, dem Kriegsgott geweihter Schrein, hatte ein Festival. Eine Gruppe von Anwohnern, unter ihnen auch eine ganze Schulklasse, vollzog das Schreintragen, welches ich schon vor einigen Tagen mit Dennis in der Innenstadt bestaunen konnte. Nur wie es sich für einen der Hauptschreine in Sendai gehört, musste natürlich alles etwas anders ablaufen, als bei den anderen. Dementsprechend fuhren vor den Schreinen Transporter mit Bands, welche die ganze Nachbarschaft mit ihrer Musik beschallten. An normalen Tagen finde ich das toll, um acht Uhr morgens kann ich mir da aber schon etwas Besseres vorstellen, als lautstark Musik zu hören. Aber wenn man schon mal auf ist und sich den Umzug anschaut, dann kann man natürlich auch die Zeit gleich nutzen, um einen Abstecher in die Innenstadt zu machen. Dort wartete schon ein Jazz Festival auf uns und nicht nur irgendein Festival, nein, das größte Festivals für Jazz in Japan. Überall in Sendai wurden zu diesem Zweck Bühnen errichtet, insgesamt über dreißig an der Zahl. Lokale Bands sowie Amateure und Profis aus ganz Japan nutzen dort die Möglichkeit, um in jeweils 20 Minuten ihr Können zu zeigen.
Um das Festival richtig zu genießen entschieden wir uns, auch gleich Unterstützung in Form einer Japanerin mitzunehmen. Masami wollte sich mit uns treffen und zu einem Auftritt einer ihrer Freundinnen gehen. Der erste Schock war schon mal Masamis Auftritt. Ihre wirklich beeindruckenden langen Haare mussten seit unserem letzten Aufeinandertreffen vor drei Tagen einem Kurzhaar-Jungenhaarschnitt weichen. Wie sie uns erklärte, wurde ihr die Pflege zu viel. Aber besonders muss wohl auch das Problem gewesen sein, dass einige Japaner die Haare als Einladung verstanden und sie als Puppe ohne Entscheidungsgewalt behandelten. Als Reaktion entschied sie sich für einen komplett entgegengesetzten Haarschnitt, was natürlich traurig ist, wenn man das Verhalten der Japaner reflektiert.
Das Festival war auf jeden Fall beeindruckend. Es gab viel zu sehen und die Musik war sehr vielfältig, auch wenn mir nicht alles gefiel. So war ich der Einzige, der bei Regen eine Band unterstützte, deren Freunde sich alle unter ein Dach an der Seite geflüchtet hatten. Ich fand es einfach schade, dass sie ihren großen Auftritt hatten und zwar Zuhörer da waren, sie diese aber nicht sehen konnten. Die Anwesenheit von mir überzeugte dann auch einige anderen, sich dazuzugesellen, so dass ihr Auftritt noch ein richtiger Erfolg wurde. Highlight war aber Masamis Freundin. Ihre Band bestand aus acht Leuten und obwohl alle sich bemühten, die kleine zierliche Japanerin in der ersten Reihe war die Einzige, welche das ganze Publikum mitreißen konnte. Bei diesem kleinen Körper hätte man solch eine Stimme nicht erwartet und alle hatten ihren Spaß. Alle, nein, ein Japaner sichtlich nicht! Er hatte sich mit seiner Frau auf eine Stufe gesetzt und erwartete, von da aus das ganze Konzert sehen zu können. Als Masami nun rumlief und Fotos von ihrer Freundin machte, wagte er es, sie mit harschen Worten zu verjagen. Während Orsolya noch überlegte, mit ihm zu diskutieren, entschied ich auszuprobieren, ob der Herr das auch bei anderen Menschen macht, die sich besser verteidigen können. Kurzentschlossen machte ich auch ein paar Fotos. Ganze drei Minuten ertrug er es, bis er sich entnervt einen neuen Platz suchte, innerlich sichtlich auf Ausländer schimpfend. Trotzdem, es war nicht so, dass er sich nicht auf einen der offiziellen Plätze setzten konnte. Wer sich selber einen neuen Platz mit besserer Sicht sucht und dann nur weil er kräftiger ist barsch andere Leute vertreibt, hat es nicht besser verdient! Schließlich gibt es immer jemanden, der größer ist.
Zu schade, dass er sich nicht an mich herangetraut hat, ich hätte zu gerne einmal mit ihm diskutiert!
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