September 2014 Archiv

Hiraizumi

Sendai_04_2
Der heutige Tag hatte ein etwas entfernteres Ziel für uns zu bieten. Nachdem wir schon einiges in der direkten Umgebung von Sendai gesehen haben, galt unsere Aufmerksamkeit dieses Mal dem Weltkulturerbe Hiraizumi. Für mich war dabei besonders interessant zu sehen, was sich in der Stadt getan hat, seit sie in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde, befand sie sich bei meinem letzten Besuch doch noch in der Bewerbungsphase.

Hiraizumi selber war zwischen 800 bis 1100Sendai_04_4 eines der Zentren der Kultur des alten Japans. Aus archäologischer Sicht lässt sich feststellen, dass in Hiraizumi die drittgrößte Dichte an chinesischen Porzellanfunden in ganz Japans feststellbar ist. Chinesisches Porzellan ist dabei ein eindeutiges Zeichen für Reichtum. Mit den Jahren verfiel der Ruhm der Stadt aber zusehends und heute handelt es sich nur noch um einen sehr kleinen Ort, der eigentlich Sendai_04_3nur von seinen Sehenswürdigkeiten lebt. Diese Sehenswürdigkeiten sind der alte Kaiserpalast, der selber nicht mehr steht, aber der Palastteich und einige Tempel um ihn herum sind zu besichtigen. Weiterhin ist die größte Sehenswürdigkeit der sogenannte goldene Tempel, ein aus Gold hergestellter Tempel, welcher dank Restauration heute noch in einem Museum besichtigt werden kann.

Die Fahrt nach Hiraizumi war für uns Sendai_04_6ziemlich abenteuerlich, da wir komplett falsche Informationen hatten. Was laut Schaffner in Sendai ein durchfahrender Zug sein sollte, stellte sich als Fahrt mit drei Zügen und ewigen Umsteigezeiten in kleinsten Orten heraus. Hiraizumi war ziemlich schick anzusehen, aber seit der Ort Weltkulturerbe ist, ist kein deutscher Touristenführer mehr vorhanden. Den alten einfachen Touristenführer hatte meine Freund Thomas übersetzt Sendai_04_5und nach Aussage der Touristeninformation konnte er im Rahmen der Umgestaltung in eine hochwertigere Ausführung nicht übernommen werden. Das ist ein sehr schwerer Verlust, denn die Qualität dieser Übersetzung war doch ziemlich gut. Neben der Tatsache, dass die Sehenswürdigkeiten die Reise wert waren, machten wir uns in Hiraizumi aber auch neue Freunde. Orsolya ist in ihrer Eigenschaft als Englischlehrerin immer auf der Suche nach falschen englischen Aushängen,Sendai_04_1 von denen es in Japan viel zu viele gibt. Diese wertet sie dann mit ihren Schülern im Unterricht aus. Aus diesem Grund nahm ich beim Tempel ein Foto eines Ausgangsschildes auf, welches auf Japanisch erklärte, dass die Tür nur von einer Seite öffnet, also kann man nicht mehr in das Museum zurück. Auf Englisch dagegen sprach es nur davon, dass die Tür außen geschlossen sei. Eine Aussage, aus der man dasselbe schlussfolgern kann, aber halt nichtSendai_04_8 muss. Auf jeden Fall machte ich für sie ein Foto und wir gingen weiter zum Tempel. Nachdem wir mit dessen Besichtigung fertig waren, kam auf einmal eine Angestellte auf uns zugerannt. Sprecht ihr Japanisch? Ja, ein wenig. Wieso? Warum habt ihr vorhin ein Foto gemacht? Als ich noch dachte, was ich nun wiede angestellt habe, erklärte sie, dass sie Sendai_04_7gerne wissen würde, was falsch ist, damit sie es verbessern kann. So taten wir also unsere gute Tat des Tages und verbesserten das Englisch des Museums. Wir mussten es sogar noch niederschreiben, damit sie es auch ja verstehen. Schade eigentlich, dass ich mir das nicht gleich in den Lebenslauf schreiben lassen kann!

Im Anschluss ging es für uns ins Restaurant. Wir besuchten einen kleinen Laden mit mehreren älteren Damen. Sie boten Soba in sechs verschiedenen Schüsseln an, wobei man den Dip aus mehreren Zutaten selber zusammenstellen konnte. Dazu gab es noch selbstgemachten Reiskuchen, welcher das Geschmackserlebnis abrundete. Der Teil des Essens wir ziemlich gut. Sendai_04_9Problematischer war ein älterer Mann, der den Laden betrat, als Dennis mit dem Essen begann. Ich merkte schon, wie er sich uns immer mehr näherte. Auf einmal fing er im besten Dialekt an, uns Sachen zu erzählen und wir verstanden rein gar nichts. Auf unsere Hinweise reagierte er aber überhaupt nicht, schlimmer noch, er näherte sich Dennis immer mehr und war bald nur noch 10 Zentimeter von seinem Kopf und von seinem Essen entfernt. Die Besitzerin hatte sehr viel Mitleid mit uns und wies die Köchin an, das Essen des Mannes schneller zuzubereiten. Das warme Essen auf seinem Platz brachte ihn aber auch nicht aus der Ruhe. Mehr noch, er erklärte, er könne es ja auch kalt essen. Mehrfache Rettungsversuche liefen so ins Leere. Auf einmal hatte sie den richtigen Einfall: Als ich mir noch eine Ausrede einfallen überlegte, meinte sie auf einmal, dass er uns essen lassen soll, schließlich haben wir einen Zug zu erwischen. Zug, ja, das passte! Schnell sprangen wir auf, bezahlten und gingen los zu eben jenem. Eigentlich hatten wir zwar noch Zeit, aber die Penetranz des Herrn war einfach viel zu viel. Trotzdem nahmen wir einiges Positives mit von dem Ort und die vier Stunden im Zug haben sich auf jeden Fall gelohnt.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/hiraizumi/

Deutsche am Kochen

Es gibt Dinge in Japan, die will mein Verstand nicht verarbeiten. Wieso man unbedingt in vierzig Grad heißem Wasser oder wärmer baden muss, steht dabei mit ganz vorne auf der Liste. Trotzdem handelt es sich dabei etwas, dass Dennis und ich noch nie zusammen gemacht haben. Da Orsolya heute eh zur Uni musste, entschieden wir uns kurzerhand, einen Zug zu besteigen und die nahen Onsen in den Bergen um Sendai zu besuchen. Dabei ging es um genau zu sein nach Sakurami. Das ist ein Ort, der etwa 30 Minuten von Sendai entfernt liegt. Sakunami hat nicht viel mehr zu bieten, als ein paar Hersteller von traditionellen japanischen Puppen, welche hier per Hand bemalt werden, und drei Onsenhotels. Die Bedeutung des Ortes wird schon dadurch offenbart, dass der örtliche Bahnhof keine Mitarbeiter hat. Jeder noch so kleine Ort in Japan hat mindestens drei Mitarbeiter, da diese auch die automatischen Tore und die Fahrkartenautomaten überwachen müssen, nur Sakunami hat keinen einzigen. Noch nicht mal ein Automat ist zu finden, weshalb man an seinem Ziel erst einmal erklären muss, wieso man kein Ticket hat.

Am Bahnhof warten dann zwei Autos, Sendai_03_3welche die Besucher zu den örtlichen Onsen fahren. In den Onsen bekommt man dann erst einmal eine Yukata und muss sich umziehen. Hier schon beginnt eine Glaubensfrage: Lässt man die Unterwäsche an oder nicht? Eigentlich ist es jedenfalls nicht vorgesehen, aber die europäischen Gene wehren sich schon dagegen, nur in einem besseren Bademantel durch ein Hotel zu laufen. Im Erdgeschoss gibt es dann drei Bäder. Eines ist ein großes Indoorbad, welches zur Zeit unserer Sendai_03_2Ankunft nur durch Frauen nutzbar war. Das war uns ziemlich recht, denn dieses Bad bietet bis auf Platz auch rein gar nichts. Für die Männer standen dagegen zwei Außenbäder bereit. Eines davon war nur in einem Bereich mit dem Außenbereich verbunden und hatte mittlere Temperaturen. Vor dem Betreten des Bades muss man sich mit dem warmen Wasser reinigen und dann kann es schon losgehen. In Anbetracht meiner ganzen kleinen Mückenstichwunden war das Betreten schon eine Sache für sich. Gefühlt konnte ich jeden einzelnen Mückenstich, den ich Sendai_03_4dieses Jahr bekam, fühlen, aber der Körper gewöhnt sich doch schnell an die Hitze. Nur dass man das Bad nur nackt betreten kann, ist etwas ungewohnt, aber das gibt es in Saunas ja auch. Das zweite Bad war im Gegensatz zum ersten komplett im Freien und lag noch dazu direkt an einer Steilwand. Es schlägt einem schon beim Betreten des Areals eine Rauchwolke entgegen, welche durch das Treffen zwischen heißem Wasser und normaler Luft unweigerlich entsteht. Das Wasser hier war noch um einiges wärmer und nur Dennis schaffte es, dies für längere Zeit zu genießen, während ich mir eine kalte Dusche wünschte und nur noch die Beine ins Wasser halten konnte. Entspannend war das Ganze aber doch, auch wenn der Kreislauf nach einer Weile wirklich im Eimer war. Onsen sind also auch im Sommer eine Erfahrung und eigentlich empfehle ich es jedem, da es doch nicht mit deutschen Solebädern oder Ähnlichem zu vergleichen ist.

Nach einigen Stunden in der Onsen ging es zurück in die Stadt, wo wir dann erst einmal für Chaos sorgten. In einem Supermarkt war unser Calpis falsch im System hinterlegt und wir wagten es, die Verkäuferin darauf anzusprechen. 40 Yen sind schließlich auch Geld, wenn auch nur um die 30 Cent. Entsetzt schaute man uns an und rief verzweifelt nach dem Chef des Ladens, der aber beschäftigt war. Es entstand eine minutenlange Hektik, bei der die Verkäuferin ihre eigene Kasse demolierte und sie nicht wieder zusammengesetzt bekam. Erst mit meiner Hilfe gelang es, das Nummernpad der Kasse wieder an der selben zu befestigen. Das einfache Stornieren wurde zu einem reinen Chaos, da man mehr Angst vor uns hatte, als eigentlich nötig war. Ich vermute, die Verkäuferin fürchtete, dass sie uns etwas erklären müsse, wenn sie nicht schnell agiert und so verzettelte sie sich total und ließ die Prozedur immer länger dauern. Im Endeffekt mussten für die 40 Yen genau fünf Rechnungen ausgefüllt werden, ehe wir das Geld wiedererhalten konnten.

Sendai_03_5Im Anschluss an dieses Chaos, welches durch viele entschuldigende Verbeugungen beendet wurde, ging es für uns nach Hause. Auf dem Weg trafen wir auf eine rüstige Rentnerin in den Achtzigern, welche uns ansprach. Während Dennis aus unerfindlichen Gründen Fotos von einem langweiligen Hochhaus machte, fragte sie mich, was er denn da tue. Ich erklärte, keine Ahnung zu haben, und dass er ein seltsamer Deutscher sei. Diese Erklärung leuchtete ihr ein und wurde mit einem lauten Lachen quittiert. Im Anschluss liefen wir zusammen etwas in die selbe Richtung, was sie animierte, etwas mit uns zu reden. Dabei wurde sie immer schneller, weil ihr Bus gleich kommen sollte. Dennis staunte nicht schlecht, als die Dame auf einmal an ihm vorbeizog. Er behauptet zwar, dass er mit ihr mitgehalten hätte, wenn er gewollt hätte, aber im Endeffekt wurde er trotzdem kurz abgehängt. Während wir also so liefen, fiel der Dame auf einmal etwas auf: Wir sind ja riesig. Besonders ich müsse ja von meiner Mutter als Kind viel und gutes Essen gekocht bekommen haben, um solche Größe zu erreichen. Ich bestätigte ihre Ansicht, auch wenn ich darauf bestand, dass die Milch einen gewissen Anteil hatte. Sie lachte laut los und es war schade, dass wir bald die Haltestelle erreichten, denn Sendai_03_1mit der Dame zu scherzen hatte Spaß gemacht. Zu Hause angekommen ging es für uns dann noch in den Sushiladen. Bald will ich Dennis das beste Sushi von Sendai zeigen und dafür musste ich ihm erst einmal einen Vergleichswert bieten. Aber auch das einfache Sushi fand er sehr gut, was nicht verwunderlich ist, ist es doch besser als vieles Sushi, welches man in Deutschland erhalten kann.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/deutsche-am-kochen/

Mal wieder ein Fest

Sendai_02_0Nach dem Stadtfest am Vortag waren wir heute in eine Schule eingeladen. Schon seit Jahren reizt mich die Aussicht, einmal eine japanische Schule von innen zu sehen. Zu viel habe ich von den Lernmethoden und der fehlende Praxis im Unterricht gehört, aber auch von den außergewöhnlichen Bedingungen, auf die ein ehemaliger Schüler einer Schule im Erfurt II-Design nur andächtig schauen kann. So verfügen alle Schulen über separate Arztzimmer, wo kranke Schüler direkt behandelt werden können.

Eingeladen wurden wir von Orsolyas Sendai_02_1Arbeitskollegin, deren Sohn diese Schule besucht. So suchten wir zuerst diesen auf, um zu sehen, was sein Club so trieb. Sie verkauften Curry und er hatte gleich etwas Zeit, um uns das Gelände zu zeigen. Dabei kamen wir uns vor wie Zirkustiere. Jeder Japaner war begeistert, Ausländer zu sehen und man versuchte verzweifelt, uns vom Besuch der eigenen Stände zu überzeugen. So viel Einsatz sollte natürlich belohnt werden, so dass wir versuchten, möglichst viele Stände zu unterstützen. Das Fest verteilte sich dabei auf die 7 Etagen der Schule und ein Großteil der 1.000 Schüler war beteiligt. Neben Tanz- und Gesangsveranstaltungen in der Aula wurde in den wirklich gut ausgestatteten Klassenräumen einiges an Abwechslung geboten. Sendai_02_7Zu den Highlights für uns gehörte der Manga-Verkauf des Zeichenclubs. Die Clubmitglieder versuchten dort, selbst gemachte Comics an den Mann zu bringen. Weiterhin gab es beim Teeclub eine Teezeremonie zu besichtigen. Dennis erste Begegnung mit echtem japanischem Tee stand somit an. Ich persönlich fand es dabei eher bezeichnend, dass bei 10 Mädchen, welche uns bedienten, ich immer genau das eine vor mir hatte, welches als einziges einen blau-weißen Kimono anhatte. Selbst in Japan ist mein Geschmack bekannt! Weiterhin besorgten wir uns im Kalligrafieclub einen beschriebenen Fächer und von einem Kunstwerk im Kunstclub ließen wir uns ein signiertes Bild geben. Das Signieren war dabei eine Besonderheit unsererseits. Immer wieder überraschten wir die Japaner damit, dass wir an einer Sendai_02_9Personalisierung interessiert waren. Persönlich finde ich so etwas zwar sowieso immer besser, in Japan sind aber die Leistungen der Gesamtheit normalerweise im Vordergrund. Die Malerin des genialen Kunstwerkes, wovon wir ein Abbild kauften, wusste so zum Beispiel gar nicht, was sie denn bei einer Widmung so schreiben muss. Allen gemein war aber, dass sie sich sehr geehrt fühlten und sehr begeistert waren, dass die einzigen Ausländer auf dem Fest ihre Leistung anerkannten. Nur ein Stand sorgte bei mir für etwas Kopfzerbrechen: Es galt „Schere, Stein und Papier“ gegen Schüler zu spielen. Wer gewann, musste den Gegenüber mit einem Papierfächer schlagen, denn nur so galt der Sieg. Der Gegenüber konnte versuchen, den Schlag mit einer Flasche abzuwehren. Dabei wurde für uns auf Englisch Sendai_02_11gespielt, wobei nach den drei Formen noch einmal von eins bis drei gezählt wurde, ehe das Zeichen gezeigt wurde. Wir begannen alle gleichzeitig. Der erste Gewinner war ich. Dank meiner langen Arme war es ein Leichtes, die Abwehr meiner Gegnerin zu umgehen. Ich schlug so zu, dass sie kaum eine Chance hatte und das Spiel endete 2:1 für mich. Orsolya folgte mit einem weiteren 2:1, wobei bei ihrer Runde viel häufiger die Abwehr zum Einsatz kommen musste, da sich die beiden Kontrahentinnen nichts gönnten. Nur auf Dennis Ergebnis warteten wir vergeblich. Während wir uns noch fragten, was passiert, kam eine verzweifelte Schülerin zu uns und bat, ihm doch bitte die Regeln zu erklären. Dank der deutschen Version des Spiels zeigte er sein Zeichen immer direkt auf drei, wodurch er vor der Japanerin war und das Spiel wurde dadurch ungültig. Die japanischen Erklärungen verstand er nicht, aber auf Deutsch wurde es ihm langsam klar. Im Endeffekt gewann auch er, aber nur, weil die Japanerin aufgab und schnell nach ihm Sendai_02_10das passende Zeichen zeigte, so dass er gewinnen konnte. Trotzdem bedankten sie sich eifrig, dass wir mit ihnen gespielt haben. Im Endeffekt war für alle Gäste etwas dabei: Sport, Verkleidung, Livemusik, sogar kleine Cafés konnten besucht werden und es war nie im Leben genug Zeit, alles mitzumachen. Bei einem neuen Schulfest wäre ich aber auf alle Fälle dabei.

Sendai_02_5Nach dem Fest Sendai_02_4ging es für uns zu Fuß in die Innenstadt, was eine weise Entscheidung meinerseits war. Auf dem Weg fanden wir eine Gruppe von Menschen, welche einige Schreine durch die Innenstadt tragen sollten. Dadurch sollte die Essenz der Götter eingefangen werden. Sendai_02_2Da wir sehr Sendai_02_3interessiert waren und viele Fotos schossen, freundeten wir uns schnell mit den Trägern und den anderen Beteiligten an. Wir folgten ihnen auf der ganzen Strecke, wobei uns an der Seite die Teilnehmer den Umzug erklärten. Besonders beeindruckend war am Ende der Wettkampf. Während die Träger der richtig schweren Goldschreine nach vorne drangen, versuchten einige andere, sie zurückzudrängen. Ein echter Zweikampf entstand, wo es ein Wunder war, dass niemand verletzt wurde. Für die Zuschauer, aber auch für die Träger, war es aber ein riesen Spaß und zu gerne hätte ich auch persönlich mitgemacht.
Sendai_02_6
Den Abschluss des Tages verbrachten wir dann auf dem Stadtfest. Das Münzenbild war fertig und sah wirklich beeindruckend aus. Und japanisches Budenessen ist dem von deutschen Stadtfesten weitaus überlegen, weshalb wir es als Ersatz für ein traditionelles Abendessen nutzten.
Sendai_02_8

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/mal-wieder-ein-fest/

Fünf Tage und dann so etwas

Sendai_01_3Ich kann so nicht Arbeiten! Dennis ist jetzt erst fünf Tage da und schon muss ich ihn durch Sendai mit dem Rollstuhl rumfahren. Er ist auch nicht mehr, was er mal war…! Nein, so schlimm ist es nicht! Heute früh ging es für uns in die Innenstadt und dort fanden wir ein Stadtfest, veranstaltet durch einen TV-Sender. Dieser feiert jährlich seit 37 Jahren sein Bestehen. Als eine der Attraktionen Sendai_01_1traten regelmäßig ortsansässige Chearleader-Gruppen auf. Diese waren vermutlich alle Mitglieder der Unterstützergruppen ihrer High-Schools und sie waren ziemlich gut. Etwas fragwürdig waren nur die Benennungen der Gruppen, was aber ein allgemeines japanisches Problem ist. Ein weiteres Highlight war ein Medizinstand. Dieser wurde durch ein Medizinbüro der Universität betreut und sollte den Menschen ein Verständnis geben, wie es ist behindert, zu sein. Uns als Ausländer hatten sie dabei besonders im Blick, weil bei unserer Teilnahme natürlich auch die Japaner genauer hinschauen, ob man nicht auch mitmachen sollte. Erster im Bunde war dabei Dennis, der sich schwer begeistert von einem Rollstuhl zeigte und sich entweder selber rollte oder sich von mir Sendai_01_4schieben ließ. Am liebsten hätte er ihn behalten, im Endeffekt war auf der Teststrecke aber kein Hindernis, weshalb ihm das Ganze wohl leichter vorkam, als es für die Betroffenen sein wird. Weiterhin ließen er und Orsolya es sich nicht nehmen, den Schwangerschaftsbauch auszuprobieren, auch wenn Dennis damit nur wie ein leicht Übergewichtiger aussah und damit in Deutschland wohl noch nicht einmal auffallen würde. Sendai_01_5Als besonders interessant wäre dann wohl noch die Art des Spendens zu nennen, welche sich die Veranstalter ausgedacht hatten. Auf dem Boden hatte man ein Bild gezeichnet und verschiedene Stellen mit Zahlen gekennzeichnet. Wenn die Stellen mit Münzen dieser Art ausgefüllt wurden, konnte man im Anschluss eine farbliche und imposante Sendai_01_0Variante des Bildes sehen. Familien kamen so mit ganzen Kisten an Kleingeld, um das Bild zu legen und im Endeffekt kam so wohl einiges an Spenden zusammen, ohne dass es den Beteiligten wirklich auffiel, da vielen die wertlosen 1 Yen Stücken nicht wehtaten und die Meisten sich mehr über fertige Elemente des Bildes freuten.

Im Anschluss an das Fest ging es für uns dann aber weiter zu etwas weitaus Wichtigerem. Vegalta spielte gegen Yokohama. Dennis zeigte sich vorher wenig begeistert, denn Fußball sei ja langweilig. Zum Glück habe ich ja Vegalta, um seine Meinung zu ändern. Sendai_01_2Fußball in Japan ist bekanntlich anders als in Deutschland und im singenden Fanblock zu stehen, ist sowieso etwas anderes. Dank Kuma und den Anderen hatten wir das Glück, uns nicht um unseren Sitzplatz kümmern zu müssen und wir wurden wie immer sehr nett aufgenommen. Leider verlief das Spiel selber nicht ganz so sehr, wie ich es mir erhofft hatte. Vegalta ist nach dem Trainerwechsel immer noch in der Findungsphase. Das Team ist stabiler als in der Hinrunde, aber an die Siegesserie am Ende der Hinrunde konnte man noch nicht anknüpfen. Yokohama auf der anderen Seite geht es auch nicht besser. Mit dem Wunsch in die Saison gegangen, dieses Jahr Meister zu werden, war die Hinrunde ziemlich enttäuschend. Erst in der Rückrunde hat sich das Team stabilisiert und langsam wieder etwas seiner Angriffsstärke wiederentdeckt. Genauso zeigte sich das heutige Spiel. Sendai_01_7Als eines der besseren J-League Spiele, welches ich dieses Jahr gesehen habe, schenkten sich beide Teams nichts. Es entstand ein interessantes Spiel, welches bis zum Sechszehner von Yokohama bestimmt wurde, welche ihre individuelle Klasse des Öfteren ausspielten und technisch einfach stärker als Sendai waren. Sendai auf der anderen Seite machte seine Fehlpässe und Schwächen durch puren Kampf weg, weshalb Yokohama ab dem Sechszehner kaum Chancen generierte. Es kam, wie es kommen musste, und das erste Tor entstand durch eine Standardsituation. Shunsuke Nakamura, der 36jährige Spielmacher Yokohamas brachte eine butterweiche Ecke auf den Kopf eines Mitspielers, der gar nicht mehr anders konnte, als einzunicken. Wenn es um Standards geht, ist Nakamura halt doch noch auf Weltklasseniveau. Vegalta ließ sich aber nicht lange bitten und aus einer schön Sendai_01_6herausgespielten Chance, bei der endlich mal alle Pässe ankamen, entstand der 1:1 Halbzeitstand. Bis auf 2 Lattentreffer von Yokohama, welche aus Standards generiert wurden, und mehrere Chancen von Vegalta-Spielern, welche nach Kontern alleine vorm Torwart standen und diesen anschossen, sah es in der zweiten Halbzeit so aus, als ob es beim 1:1 bleiben sollte. Wenn, dann war Vegalta dem Sieg näher, als es Yokohama war. Leider kam es wie so häufig, wenn man das Tor nicht trifft: Yokohama hatte in der neunzigsten Minute die erste Chance seit 15 Minuten, welche zu einer Ecke führte. Diese wurde mal wieder vom alten Nakamura getreten und führte zum Siegtreffer von Yokohama. Enttäuscht mussten die Sendai-Fans nach Hause, während die Yokohama-Fans ihrem berühmten Regenschirmsiegesritual frönten.

Erwähnenswert ist übrigens noch einer unserer Zwischenstopps: In einer Spielhalle erinnerten Dennis und ich uns, dass wir ja Musik bis hoch in die Kursstufe hatten. Dementsprechend gut ausgebildet sollten doch simple Tanz- und Instrumentenspiele für uns kein Problem sein. So ging ich in einer Jamsession an der Gitarre als Sieger hervor, was aber auch nur daran gelegen haben könnte, dass ein einfaches Folgen von Farben nötig war und ich dafür über bessere Reflexe verfügte. Im Tanzwettbewerb wurden wir dagegen beide von Orsolya abgekocht, welche einfach mehr Eleganz aufs Parkett zauberte, als wir es je könnten. Viel mehr erinnerten unsere Versuche an Jean Reno aus Wasabi und genauso schnell endeten sie auch. Nach all der körperlichen Ertüchtigung entschieden wir, den Besuch der Spielhalle mit sinnlosen Zombiekämpfen ausklingen zu lassen. So viel kann ich verraten, das Spiel erlaubt kein Friendly Fire, wie ich schmerzhaft erfahren musste, als Dennis unser Spiel durch mangelnde Koordinierung scheitern ließ.
Sendai_01_8Sendai_01_01Sendai_01_9

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/fuenf-tage-und-dann-so-etwas/

Zurück nach Sendai

Es wird Zeit, den Standort zu wechseln. In den letzten Tagen haben wir in Tokyo genug erlebt und erlaufen, um weiterzufahren. Etwas Abwechslung muss ja sein. Aus diesem Grund standen wir früh am Morgen in Shinjuku und mussten entscheiden, wie wir unsere Koffer unterbekommen, bis unser Bus abfährt. Im Endeffekt vergeudeten wir so fast eine Stunde, bis wir im riesigen Bahnhof mit all seinen Schließfächern eines fanden, welches leer war.

Tokio_04_4Was macht man nun in sechs Stunden? Zu weit weg von Shinjuku sollte es nicht gehen, aber gestern hatten wir schon einiges gesehen von dem Stadtteil, weshalb uns nach Abwechslung war. Kurzerhand beschlossen wir, es so zu machen wie immer. Wir entschieden uns spontan für eine Himmelrichtung und folgten dieser so lange, wie uns unsere Beine tragen wollten. In diesem Fall entsprach dies der Station Waseda, sechs U-Bahn-Stationen von Shinjuku entfernt und Standort einer der besten Universitäten des Landes. Auf dem Weg dorthin sahen wir ein ganz anderes Tokyo, nicht die beschäftigten Hauptstandorte mit ihren Hochhäusern und Menschenmassen, sondern das Ruhige und Beschauliche, was die Stadt als Gegenentwurf auch zu bieten Tokio_04_1hat. Solche kurzen Spaziergänge kann ich jedem nur empfehlen, der die Möglichkeit dazu hat. Man hat einen ganz anderen Eindruck von einem Ort, als man den als Tourist bekommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Leben in diesen Stadtteilen gar nicht so ungemütlich wäre, wie ich es mir in Tokyo immer vorstelle. Im Endeffekt würden mich die weiten Strecken aber doch nerven, weshalb ich mit Sendai schon ziemlich zufrieden bin. Waseda dagegen hat etwas als Stadtteil, was ich mir von Sendai wünschen würde und in Göttingen noch viel mehr erwartet hätte: Es ist ein Standort, der komplett auf die Tokio_04_3Universität ausgelegt ist. An jeder Ecke gibt es kleine Gebrauchtbuchläden, all die Restaurants und Läden, die ein Student sich wünschen würde, sind in wenigen Metern von der Uni erreichbar und noch mehr auf die Bedürfnisse der Studenten angepasst, als das in Göttingen der Fall ist. Zusammen mit dem guten Universitätsgelände kann ich mir gut vorstellen, dass das Studieren hier erleichtert wird. Auf der anderen Seite gibt es wohl aber kaum genug Wohnungen in dem Stadtteil, was die Anreise für die Studenten dann doch komplizierter machen wird, was alles wieder ausgleicht.

Tokio_04_2Nach fünf Stunden Fußmarsch ging es dann zurück nach Shinjuku, wo uns unser Gepäck erwartete und wir uns zum Autobahnbus begeben wollten. Seit meiner letzten Busreise hat sich dabei einiges geändert. Früher war der Treffpunkt in der Nähe des Rathauses und alle Busse und Fahrer blockierten eine Straße. Heute haben die Unternehmen ein Reisebüro, wo man sich trifft. Im Anschluss muss man geschlossen in Zweierreihen durch Shinjuku laufen, um den Bus zu erreichen. In unserem Fall waren das 15 Minuten, was schon ziemlich nervig war. Meine Vermutung ist, dass die Busunternehmen Abmahnungen erhielten und jetzt etwas abseits und entfernt von der Polizei parken, aber das mag nur meine Interpretation sein. Die Busreise war aber dann ganz angenehm und wenn ich die Ersparnis sehe, die solche Busreisen bedeuten, dann werde ich ab jetzt wohl wieder öfter den Bus nehmen, wenn das möglich ist. So schlecht ist das Ganze nicht und die Extrazeit habe ich meist auch.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/zurueck-nach-sendai/