Oktober 2013 Archiv

Das Schwimmbad, zum Zweiten

Was man einmal bezahlt hat, das benutzt man auch. Zwar bin ich immer noch sehr angefressen von der Behandlung beim ersten Mal im Schwimmbad, aber da ich eine Testwoche habe entschied ich, dem Bad noch einmal eine Chance zu geben. So geschah es, dass ich in einem Sportladen stand, um das erste Mal seit meinem Schwimmunterricht im Kindergarten wieder eine Badekappe zu kaufen. Leider ist dieses Unterfangen nicht so einfach, wie man sich das wünschen würde. Japan verkauft derartige Objekte bis zur maximalen Größe ll, was ich als Kindergröße identifizieren würde, aber für meinen Kopf nur bedingt zu gebrauchen ist. Viel besser fand ich aber die direkt daneben ausliegenden Polsterungen für Badeanzüge. Die sind für die Japanerinnen, die im echten Leben so sehr mit ihrer Oberweite schummeln, dass es auch im Bad nicht auffliegen darf. Aber was solls, nach einer Weile war eine halbwegs geeignete Kappe in blau gefunden, also konnte es losgehen.

Mit der Mütze hatte ich meine erste Prüfung bestanden, ich durfte wirklich ins Bad. Blöd nur, dass dieses Bad durchorganisiert ist. Es gibt die Laufstrecke, die Langsamschwimmstrecke, die etwas schnellere Strecke, die noch schnellere und die sehr schnelle Strecke. Wehe dem, der nicht konstant eine Geschwindigkeit schwimmt, es wird sich sofort ein Bademeister finden, welcher einen in die jetzt gültige Bahn schicken wird. Meine Lieblingsstrecke war aber die Laufstrecke. In dieser befanden sich 3 japanische Rentnerinnen, welche mit Badekappe und Schwimmerbrille die gesamte Zeit von einer Seite zur anderen liefen. Für sie bedeutete dies eine große Anstrengung, reichte bei ihnen das Wasser immerhin bis zur Brust. Bei mir dagegen war noch nicht einmal die Badehose wirklich unter Wasser. Der größte Frust trat bei mir aber ein, als wir auf einer freien Strecke in einer Bahn einmal ein Wettschwimmen veranstalteten. Schon stand am Ende ein Japaner bereit, welcher sich um Orsolya besorgt zeigte und gleich noch mich zurechtwies, dass Nebeneinanderschwimmen nicht gestattet ist. Wir haben weder jemanden belästigt, noch sonst irgendwelche Probleme verursacht und trotzdem werde ich durch die Blume belehrt, dass ich derartiges nicht wiederholen sollte, da ich sonst duschen gehen kann. Nun egal, im schlimmsten Fall bekomme ich kein Monatsticket. Ich werde es verkraften können. Ein Schwimmbad, wo ich beim Umdrehen auf dem Boden langschramme, ist eh nicht unbedingt meins. Mal schauen, wie sich das Ganze noch entwickelt.

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Essen auf Rädern

Seit meinem letzten Aufenthalt in Japan hat sich viel verändert. Aber nicht nur bei Land und Leuten, sondern auch bei mir. So langsam habe ich mich den Japanern angepasst und esse öfter auswärts. Wer frühestens um 21 Uhr nach Hause kommt, der mag nicht mehr unbedingt kochen und so ein großer Preisunterschied ist aufgrund der örtlichen Gemüsepreise zwischen den beiden Optionen auch nicht festzustellen. Da verzichte ich dann doch lieber auf das Mittagessen in der Mensa und gehe lieber am Abend irgendwo billig essen.

Neben der Liebe zu Museen ist eine der wichtigsten Lehren, welche mir meine Eltern in unzähligen Urlauben mitgegeben haben, ein Restaurant nicht unbedingt nach dem Äußeren zu beurteilen. Ein Restaurant kann noch so toll aussehen, aber wenn der Koch sein Handwerk nicht beherrscht, dann schmeckt es am Ende doch wie in einer Burgerbude. Aus diesem Grund sind auch in meinen eigenen Auslandsaufenthalten bisher immer andere Faktoren ausschlaggebend gewesen, ob ich in einem Laden esse oder nicht. Eines der sichersten Zeichen dabei ist zum Beispiel die Frage, wie groß eine Karte ist. Eine riesen Karte mag aufgrund der Auswahl zwar den Kunden freuen, eine kleinere ist dagegen ein ziemlich sicheres Zeichen, dass sich das Restaurant bei diesen Gerichten auskennt. Ein anderer Punkt dagegen hat sich für mich erst in Japan ergeben. Je seltsamer ein Laden aussieht, desto mehr Lust verspüre ich, ihn zu besuchen. Wenn der Koch dann auch noch interessant erscheint, dann ist es eigentlich sicher, dass ich den Laden irgendwann besuche.

So geschah es nun, dass ich in den letzten Wochen öfter in der Innenstadt an unserem größten Kaufhaus vorbeigekommen bin und davor ein mobiler Laden steht. Mobile Läden sind dabei mit europäischen Imbissbuden nur bedingt vergleichbar, da sie im Prinzip eins zu eins Restaurantessen bieten, dank ihrer Mobilität aber sehr flexibel sind. Trotzdem sieht ein Laden mit Propangasflasche draußen und einer Höhe von ungefähr 1,90 Meter schon etwas seltsam aus. Trotzdem, ich wollte ihn ausprobieren, wäre da nicht ein kleines Problem gewesen: er verkauft Soba. Soba, Buchweizennudeln, sind sehr lecker, nur leider habe ich eine gewisse Überreaktion auf sie, welche mich nach dem Verzehr für einige Stunden außer Gefecht setzt. Trotzdem, der Laden reizte mich und nachdem ich zum wiederholten Mal um ihn herumschlich fragte Orsolya, ob sie nicht eventuell auch Udon anbieten. Udon, eine weitere Nudelspezialität aus Japan, vertrage ich dagegen gut und sie sind eine meiner Lieblingsspeisen. Warum hatte ich nicht selber dran gedacht? Dank meiner Körpergröße konnte ich auch durch das Dach schauen und was für eine Überraschung, sie bieten natürlich keine Udon an, aber auch keine Soba sondern Oden, in einer speziellen Soße gekochtes Gemüse und Fleisch. Da bin ich doch sofort dabei.

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So entschieden wir, den Laden zu betreten, sehr zur Überraschung der anwesenden Japaner. Der Laden war geräumiger als wir dachten. Der Koch und seine Ehefrau saßen uns gegenüber und neben uns saß ein Japaner, der sofort zum Koch meinte, er könne nicht mit uns sprechen, er verstehe nur etwas Deutsch, aber kein Englisch. Tja, da war er an den Richtigen geraten. Wir waren die Attraktion des Ladens und sowohl der Koch, als auch die nachfolgenden Kunden sprachen alle mit uns, aber auch über uns. Die Gespräche über uns fand ich ja schon etwas seltsam. Man dachte, wir würden in den Momenten nichts verstehen. Die Aussagen waren auch alle auf jeden Fall diskussionswürdig. So müssen wir ja extrem schlau sein, als ausländische Studenten hier studieren zu können. Auch den Fakt, wir wären so gutaussehend, muss ich für mich zurückweisen. Damit kann nur Orsolya gemeint gewesen sein. Der Tiefschlag kam aber später. Ich bin es ja gewohnt, dass mir in Deutschland niemand große Hoffnung für die Zeit nach meinem Geschichtsstudiium macht, dass aber nun auch schon Japaner mich bemitleiden, hat mich dann schon schwer getroffen. Aber wenigstens fanden sie gut, dass ich meinen Interessen folge.

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Der Vorteil des Ladens, neben den Gesprächen, war aber besonders das Essen. So oft hat man nicht die Gelegenheit, sich mit dem Koch zu unterhalten. Auf diesem Weg erfuhren wir seine Empfehlungen und gleichzeitig erfuhren wir seine Spezialitäten, welche nur er in Sendai anbietet. Nur bei den Getränken lagen wir etwas daneben. In Japan ist es Brauch, zum Essen kostenlos Wasser oder Tee zu bekommen. Als Orsolya nach etwas Trinkbarem fragte, entschuldigten sich der Koch und seine Frau, dass man nur Alkohol habe. Da wir aber genau neben einem Getränkeautomaten standen, holte die Frau auf einmal aus diesem eine Flasche Mineralwasser und gab uns diese. Das Essen war auf jeden Fall sehr lecker und gleichzeitig gelang es mir, den für Deutschland interessierten Japaner von der, für mich, schönsten Stadt Deutschlands zu begeistern. Bei seiner nächsten Reise möchte er nun Magdeburg bereisen. Hoffentlich verrät ihm bis dahin keiner, das dies ein für Japaner eher unübliches Ziel ist.

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Als wir uns nach über 1.5 Stunden entschieden langsam aufzubrechen, war der Koch auf einmal verschwunden, aber nicht für lange. Er hatte die Zeit genutzt, im benachbarten Supermarkt seine Hände zu waschen, um uns am Ausgang des Ladens noch einmal mit japanischem Handschlag, welcher ein Umfassen der Hände des anderen und viele tiefe Verbeugungen beinhaltet, für unseren Besuch zu bedanken. Das wir so mutig waren und uns in seinen Laden getraut haben, hat ihn sehr gefreut, da sonst die Ausländer einen großen Bogen um ihn machen. Ein großer Fehler, wie Orsolya und ich uns einig sind.

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Folienkartoffeln einmal anders

Der Winter steht an und so langsam sollte ich mich darauf vorbereiten. Im Gegensatz zu Deutschland verfügen Japaner weder über eine Zentralheizung noch über eine Dämmung des Hauses, welche diesen Namen verdient. Nein anstelle dieser verwendet man stromfressende Klimaanlagen, welche auch warme Luft erzeugen können. Dazu beliebt sind noch Kotasus, eine Art von Tisch, an die eine Decke angebracht ist und unter der eine Heizung läuft. Aus Erfahrung ist aber bekannt, dass eine Klimaanlage kein geeignetes Mittel für das Heizen ist und unser Kotatsu hat keine Heizung mehr und ist deswegen unbrauchbar, eine Alternative muss her. Aus diesem Grund ging es vor einigen Tagen los, um eine neue Heizung zu kaufen. Zwar haben wir schon eine Elektroheizung im Zimmer stehen, diese braucht aber ewig für normale Temperaturen und erwärmt auch nur kleine Gebiete. Meine Wahl fiel deswegen auf eine Kerosinheizung. Man muss sich dies wie eine Flamme auf einem Gasherd vorstellen, die ein Metallstück erwärmt und diese Wärme verbreitet sich dann in der Wohnung. Da Kerosin sehr günstig ist und die Flamme durch Batterien betrieben wird, ist man mit diesem Gerät unabhängig von Strom und es erwärmt sich sehr schnell. Der Nachteil ist, dass ein Umkippen schnell mal einen Zimmerbrand erzeugen kann. Egal, in Japan sind diese Heizungen die erste Wahl, deshalb will ich sie auch einmal testen.

Nachdem der einstündige Marsch zur nächsten Tankstelle überstanden war und ich mit 18 Litern Kerosin heimkam, konnte sie dann endlich getestet werden. Und was soll ich sagen – ich bin begeistert. Ok, sie verbreitet beim An- und Ausstellen einen nervigen Kerosingeruch, welcher aber schnell wieder verfliegt. Ich rieche ihn dabei gar nicht, aber Orsolya kann beim Anstellen nicht im Raum sein. Wenn man das Gerät aber einmal steuern kann, erzeugt es eine Spitzenwärme und der Deckel ist so gebaut, dass man auch gleich noch eine Kanne Tee auf ihm erwärmen kann. Die Japaner denken doch an alles. Wobei, den besten Tipp erhielten wir von dem Verkäufer. Als wir gerade den Laden verlassen wollten hielt er uns noch mal kurz an. Wir dachten schon, jetzt kommt sonst was für eine Ansprache, aber es ging ihm nur um einen Tipp. Wir sollten doch Karoffeln in Folie einwickeln und oben drauf legen. Nach 15 Minuten sind diese dann durch und sehr lecker. Was soll ich sagen, der Mann hatte recht. Und wozu braucht man einen Kamin, wenn man auch mit der Heizung kochen kann? Wenn mir jetzt noch eine Lösung zum Abdichten unserer breiten Fensterfront einfällt, dann steht dem Winter nichts mehr im Wege.

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Reik geht baden

Im Laufe von knapp 1.5 Jahren, welche ich mittlerweile schon in Japan verbracht habe, habe ich einiges gemacht: Ich bin an unerlaubter Stelle im Meer geschwommen, mit dem Rad bin ich in der falschen Stadt gelandet und mit Halbschuhen habe ich den Fuji-san und die Japanischen Alpen bezwungen. Eine der Sachen, die mir in meiner Beschäftigungsliste noch fehlen, ist das Schwimmengehen. Ich gebe offen zu, bis auf das Radfahren bin ich nicht gerade der größte Freund von Sport. Stupides Wiederholen von Übungen oder das Rennen ohne besonderen Grund sind mir ein Graus. Eine Ausnahme mache ich in dieser Angelegenheit nur beim Schwimmen. Durch das Wasser gleiten und die Seele baumeln lassen ist eine Beschäftigung, welcher ich nur zu gerne nachgehe. Um so größer war meine Freude als ich gefragt wurde, ob ich nicht mit zum Schwimmen gehen wollte.

Natürlich war ich sofort Feuer und Flamme für die Idee, hatte ich doch bei den letzten Aufenthalten verzweifelt und wenig erfolgreich nach Schwimmbädern gesucht. Die Japaner haben eine seltsame Art. Schwimmen bedeutet ja, den Körper fremden Leuten zu zeigen. In öffentlichen Bädern hat niemand Probleme damit, aber in einem Schwimmbad ist dies auf einmal verpönt. So findet man zum Beispiel kaum Bikinis hierzulande und in vielen Schwimmbädern sind sie wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses nicht gestattet. Da Japanerinnen in den meisten Fällen eh wie Schulmädchen aussehen und in Bikinis nichts zu präsentieren hätten, mag dieses Vorgehen ja noch verständlich sein. Was mich aber im Schwimmbad erwartete, überraschte mich schon sehr.

Zur Einführung muss man festhalten, dass das Schwimmbad kein öffentliches Bad war, sondern Teil eines Fitnessstudios ist. Dies schlägt sich auch im Preis nieder, wobei schon ein normales Schwimmbad Preise zwischen 8-10 Euro pro Besuch verlangt und ich spreche nicht von Spaßbädern, welche die Japaner noch nicht einmal kennen, sondern von normalen Schwimmbädern mit 25-Meter-Bahn. Im Verhältnis zu diesen Preisen ist das Fitnessstudio noch relativ preisgünstig, ich bin aber trotzdem froh, eine sehr günstige Probewoche gebucht zu haben. Schon die Umkleidekabine war eine erste Überraschung. Rennen wir Deutschen alle in abgetrennte Kabinen, um unsere Sachen zu wechseln, so ist in Japan nur eine große Halle mit Schlössern vorhanden, wo sich alle direkt umziehen. So kamen mir gleich beim Eintreten die ersten nackten Männer entgegen. Während ich mich im falschen Film wähnte, zog ich mich schnell um und betrat den Schwimmbereich. Für die ansonsten ach so prüden Japaner war sogar ein Zeichen befestigt, doch bitte von hier an die Badesachen zu tragen. Ich prüfte extra das Bild, ob ich richtig gekleidet war, aber es wurde nur ein Mann in Badehose oder in einem Neoprenschwimmanzug gezeigt, welchen man auch gleich vor Ort kaufen konnte.

Ok, das Problem ist umgegangen, also konnte es endlich ins kalte Nass, welches warme 28 Grad hatte, gehen. Nur was war das? Das ich im Eintrittsbereich des Beckens nur mit dem Beinen unter Wasser stehen kann verstehe ich ja noch, aber das ganze Becken war so. Was solls, schließlich bin ich ja zum Schwimmen da und so zog ich meine erste Bahn. Leider erwartete mich dort schon die Aufseherin. Wieso man 6 Rettungsschwimmerinnen für 1 Meter tiefes Wasser gebrauchen kann erschließt sich mir zwar nicht, aber das ist nicht Teil des Problems. Nein, ich hatte einen Fehler gemacht, denn ich erhielt die Nachfrage, ob ich meine Mütze verloren hätte. Mütze verloren? Nein, ich hab doch seit ich Schwimmen gelernt habe, keine Mütze gehabt. So durfte ich das Bad gleich wieder verlassen, denn ohne Badekappe schwimmen, das geht ja nun wirklich nicht. Ich könne mir aber gerne eine leihen und der Preis war auch wirklich anständig, wenn diese Mütze denn auch nur in Ansätzen für einen europäischen Kopf geeignet gewesen wäre. Mit dieser auf Japaner ausgelegten Mütze hätte ich aber maximal als Imam in einer Moschee auftreten können, für einen Schwimmer hätte sie ihren Nutzen verfehlt.

Egal, wenn ich nicht schwimmen darf, dann geht es halt in die Sauna. Sauna in Japan bedeutet, dass man zuerst in einen japanischen Waschbereich kommt. Dort duscht man sich, wäscht die Haare und dann geht es in ein japanisches Onsenbad bei Temperaturen zwischen 35-40 Grad. Für einige mir namentlich bekannte Damen mag diese Temperatur maximal lauwarm sein, für mich ist das aber schon die oberste Grenze des Zumutbaren. Trotzdem ging ich kurz hinein, nur um festzustellen, dass von den 8 Japanern, die vor mir drin waren, innerhalb von 30 Sekunden niemand mehr übrig blieb. Ich hatte mich ja eigentlich geduscht, deshalb kann ich nicht so gestunken haben. Deshalb fand ich das Verhalten schon unhöflich, aber was solls. Nach einer kurzen Pause ging es dann in die Sauna. Ich sah schon durch das Fenster, dass die Herren der Schöpfung eben so wie bei ihrer Schöpfung in der Sauna saßen – jedenfalls bis ich kam. Nach meinem Eintreten erinnerten sich auf einmal alle, wozu sie ihre Handtücher noch so benutzen könnten.

Nach einer Stunde hatte ich auf jeden Fall genug von der Show und ich bezweifele, dass man mich in diesem Laden noch einmal sehen wird. Das Schwimmbad ist seltsam und von allen Japanern ängstlich begafft zu werden, das brauche ich auch nicht unbedingt. Trotzdem war es mal eine Erfahrung.

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Die Erde bebt

Ich hoffe, euch geht es gut!? Diese Meldung erreichte mich in den letzten Tagen aus dem Ausland öfter. Die Medien verbreiteten einmal mehr das Märchen der riesigen Erbeben in Japan. Wer meinen Meldungen schon länger folgt, der wird bestimmt wissen, dass Erbeben hierzulande etwas Normales sind und ich diese, solange sie nicht die magische Grenze von 8 bis 9 auf der Richterskala überschreiten, relativ entspannt sehe. Bei dem letzten Beben war es genauso. Zwar melden die Medien ein Erbeben zwischen 6.8 und 7.4er Stärke, ich muss aber ehrlich sagen, bis auf einige Berichte von anderen auf Facebook, habe ich das Erbeben verschlafen. Es ist einfach so, ein Erdbeben ist ein kurzes Ruckeln der Erde, welches man am ehesten dadurch bemerkt, dass die Wände knacksende Geräusche von sich geben und einige Sachen eventuell umfallen. So schnell wie es kommt, geht es auch und da dieses Beben in der Mitte der Nacht vonstatten ging, habe ich es einfach nicht bemerkt. Zum Glück geht es aber nicht nur mir so, auch andere Leute wie Orsolya, können sich an nichts erinnern. Nun gut, als ob Erbeben nicht reichen würden, haben wir gleich auch noch einen zweiten Taifun gehabt, welcher die Stadt zwang, am Samstag früh alle Dienste einzustellen, diesmal war er aber weitaus ruhiger als der vor ein paar Tagen. Trotzdem kann es jetzt erst einmal für eine Weile genug mit den Naturkatastrophen sein, ich brauche sie nicht immer.

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Ich kann so nicht arbeiten

Es ist ein wunderschöner Montag, der Regen der letzten Tage ist endlich vergangen und nach einem erholsamen Wochenende bin ich vollkommen überzeugt, in der Uni weiterzuarbeiten. Leider kommt es wie so häufig und es wird versucht, den ehrenvollen Vorsatz durch nicht beeinflussbare äußere Umstände zum Scheitern zu bringen.

Um zehn Uhr, ich hatte mich gerade anständig in meine Quellen eingelesen, geht auf einmal eine Sirene los und eine japanische Stimme erzählt in sich überschlagenden Worten etwas. Was stört jetzt schon wieder meine Ruhe? Gibt es ein neues Erdbeben, kommt der Taifun zurück, hat Korea uns den Krieg erklärt oder wird Tokyo mal wieder von seltsamen Monstern angegriffen? Wobei, die letzten beiden Punkte sind eigentlich nur beliebte Themen in japanischen Filmen, also kann ich die schon mal ausschließen und sowieso, ich darf nach den Bedingungen für meine deutsche Lebensversicherung ja eh nicht aktiv an Kampfgeschehen teilnehmen. Langsam erheben sich meine Mitstudenten und laufen gelangweilt zur Treppe, wo uns Japaner mit Helmen und übergroßen Armbinden, wie sie in Deutschland seit 50 Jahren verpönt sind, mit großen Aufschriften „Sicherheitsbeauftragter“ den richtigen Weg weisen. Weil es ja so schwer zu verstehen ist, dass man sich bei einem Notfall nach unten bewegt, besonders wenn man eh im 8. Stock studiert. Nachdem sichergestellt war, dass wir auch den Unterschied zwischen hoch und runter wissen, gesellte sich auch gelangweilt einer unserer Professoren zu uns.

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Es handelte sich um eine Erdbebenübung und es wurde erwartet, dass wir uns alle auf einem großen Platz nahe der Fakultät treffen, wo wir irgendwelche Meldekarten ausfüllen sollten. Von der Idee ja sehr schlau, nur blöd, wenn keiner der Studenten einen Stift hat. Zum Glück hatte ich einen, so dass wir den Handel schlossen, dass ich den Stift gebe und die anderen mein Formular ausfüllen. Endlich, nach langweiligen 45 Minuten, sprach einer der Verantwortlichen in sein Sprachrohr, auch wenn ich wahrscheinlich ohne dieses lauter als er mit diesem gewesen wäre, und gab uns endlich frei – wir waren erfolgreich gerettet.

Nun gut, hoffen wir, dass ich das Wissen nie anwenden muss, aber es war schon ganz anschaulich, wie genau die Rettung hierzulande durchgeplant ist.

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Imoni-kai und die Deutschen

Für einen Universitätsstudenten sind natürlich das Forschen und die Qualität der Lehre sehr wichtig. Nach diesem Prinzip werden nicht umsonst jährlich die Bestenlisten der Universitäten erstellt, in denen die Universität Göttingen seit Jahren einen sehr guten Platz erreicht und nur mit den Münchenern um die Vormachtstellung in Deutschland kämpft. Ein Punkt, bei dem die Universitäten in Deutschland meines Erachtens etwas zurückbleiben und den sie zugunsten des Wettkampfes und der Leistungen zurückstellen, ist der Punkt der Gemeinschaft. Man kennt sich natürlich trotz allem, aber die Bekanntschaften sind in der Freizeit zu schließen und in mehr als einem Kolloquium habe ich erlebt, dass sie auch gerne mal nur bis zum Kursraum halten.

Hier in Japan sieht das Ganze etwas anders aus: Wir haben ein Kenkyushitsu, das ist eine Bibliothek, ein Aufenthaltsraum und eigentlich auch gleich das Zentrum des Studiums eines Studienganges. Dabei ist das ganze Leben wie bei einer Familie gegliedert. Die älteren Studenten kümmern sich um die Jüngeren, der Professor ist bestens über alle seine Studenten informiert. Ein Studium, wie es einige Studenten in Deutschland praktizieren, wo kein Professor ihren Namen kennt, wäre hier so nicht möglich. In unserem Büro ist das sogar noch weiter fortgeschritten. Professor Morimoto weiß wirklich alles über seine Studenten, ihre Beziehungen und ihr Privatleben. Sogar über den weiteren Lebensweg von Studenten, die vor 3 Jahren ihren Abschluss gemacht haben, ist er noch auf dem Laufenden.

 

Eines der Elemente, um die Studenten zueinander zu bringen, ist das Imoni-kai. Das ist ein Kochfest am Fluss, wo sich die Studenten und Professoren treffen und eine spezielle Gemüsesuppe kochen und diese je nach Herkunft mit Miso oder Sojasoße verfeinern. Dieses Festival stand nun mal wieder an. Die Zweitsemester, in der Hierarchie des Büros an der untersten Stelle, da man sich erst im zweiten Semester einem Büro anschließen kann, waren mit der Zubereitung beauftragt. Für mich ergab sich erst einmal die ausgezeichnete Möglichkeit, Professor Morimoto über meine Ziele und Erkenntnisse der Forschungen auf dem Laufenden zu halten. Gleichzeitig kam ich auch endlich wirklich mit den neuen und alten Gesichtern des Büros ins Gespräch. Als ausgezeichnete Hilfe erwies sich dabei der gute alte Norihiro. Der Arme, der selber gerade erst nach einem Jahr Göttingen nach Japan zurückgekehrt ist, hatte sich der Aufgabe verschrieben, sich mein gebrochenes Japanisch anzuhören, es zu verbessern und den Japanern zum Verständnis zu erläutern. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei meine Fleischverweigerung. Wie sich herausstellte, gab es eine Vegetarierin in der Gruppe, eine wirkliche Seltenheit. Verwunderlich an der Tatsache waren aber ihre Fragen und ihre Gründe für die Verweigerung von Fleisch und Eiern. Das Konzept, dass es in Deutschland wirklich Menschen gibt, welchen die Tiere leidtun, überraschte und faszinierte sie gleichzeitig. Für sie waren diese Menschen in Deutschland, besonders wenn sie noch Veganer waren, eine Religion. Natürlich gibt es auch unter den Veganern und Vegetariern einige, die es fast wie eine Religion zelebrieren, aber die sind doch bei weitem die Minderheit. Mich betrifft das Ganze aber ja sowieso nicht, schließlich mag ich einfach den Geschmack nicht. Wie es aussieht, gibt es aber auf alle Fälle mittlerweile eine Vegetarierbewegung in Japan, welche kein Fleisch und Ei isst, weil es doch so schlecht für die Haut und die Gesundheit ist und bekanntlich machen Japaner für das Aussehen alles.

Nach dem Imoni ging es dann noch zurück in das Büro und bei Pizza und Alkohol wurde weitergefeiert, auch wenn mir bald nach einer Neuigkeit die Lust verging. Die Insel, auf der Shimizus Verwandtschaft wohnt, wurde von dem Taifun stark beschädigt und es gab einige Tote. Zum Glück war keiner von Shimizus Verwandten betroffen, wie er mir mittlerweile mitteilen konnte. Aber trotzdem ist sein Haus leicht beschädigt und das Hotel von Shimizus Onkel muss komplett erneuert werden. Shimizu sieht das Ganze aber zum Glück sehr gelassen und meinte nur, so wird es wenigstens mal wieder sauber.

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Memo an mich

Es ist ein ganz normaler Dienstag. Da ich am Abend erst um 22 Uhr nach Hause kommen werde entscheide ich spontan, vor der Uni noch Shoppen zu gehen. Eigentlich ist die Idee nicht schlecht, schließlich muss ich noch ein paar Minuten warten, bis die neue Heizung und das neue Sofa heute geliefert werden. Schon bei diesem Shopping hätte mir auffallen sollen, dass sich die Japaner anders verhalten als normal. Es herrschte pures Chaos. Die Japaner deckten sich groß mit Lebensmitteln ein und alle Rentner verließen das Geschäft mit mehreren Körben. Gut, dieses Verhalten könnte man noch auf den Fakt schieben, dass am Vortag Feiertag war und Rentner zu viel Zeit haben, komisch war das Ganze aber schon. Aber was soll es, der Unitag beginnt, das Sofa ist mittlerweile auch da und ich hab eh ganz andere Probleme, als mir darüber Gedanken zu machen!

 

Machen wir einen zeitlichen Sprung: Es ist 17 Uhr und eigentlich hatte ich versprochen, den Leuten im MafuMafu bei einem Problem zu helfen. Außerdem hat ein Laden auf der anderen Seite des Bahnhofs einen Sonderverkauf und 50 Prozent Rabatt auf viele Sachen. Aber auf der anderen Seite ziehen die Wolken zu und ich bin wie immer nur im Hemd unterwegs, was mache ich nur? Egal, ich bin ja nicht aus Zucker und so ging es los zum Laden. Schon mein Großvater ist für kleinste Angebote durch ganz Magdeburg gefahren, da kann ich ja nicht nachstehen. So ging es in die Stadt und auf dem Weg wird sich beim Skypen mit dem Handy noch kurz über die deutsche Verwandtschaft lustig gemacht, welche sich über den anhaltenden Regen in Deutschland aufregt. Hätte ich es mal lieber nicht gemacht! Auf einmal öffneten sich alle Luken und das Unheil nahm seinen Lauf. Ich war mitten in einen Taifun geraten. So kämpfte ich mich durch den Regen zum MafuMafu, wo ich mein Versprechen einlöste. Dies war eigentlich nur möglich, da ich mein Hemd, welches zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zu gebrauchen war, im Handtrockner auf der örtlichen Toilette trocknen ließ. Der Heimweg dauert unter normalen Bedingungen aber auch noch mal 30 Minuten und die Bedingungen waren mittlerweile schon lange nicht mehr normal. Also hielt ich auf halber Strecke trotz nasser Sachen an einem Ramenrestaurant und wärmte mich dort auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ohne die warmen Ramen mit Sicherheit eine Lungenentzündung mitgenommen hätte. Jedenfalls fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt so. Glücklicherweise hatte ich als Überraschung gerade ein gebrauchtes Ajax-Trikot geschenkt bekommen, so dass ich im Restaurant erst einmal das Shirt wechselte. Im neuen Trikot und mit den unentwegten Wünschen einer sicheren Fahrt von den drei japanischen Köchen, ging es dann nach Hause. Dort konnte ich nach 3 Stunden im kalten Taifun endlich eine warme Dusche genießen.

Als ich am nächsten Tag aufwachte, hörte ich schon den Regen auf das Dach und meinen Balkon prasseln. Was mache ich nur? So komme ich doch nie trocken zur Uni! Als ich mich mental schon auf ein Rennen zur Uni einstellte, erreichte mich aber schon die Meldung, dass alle Uniaktivitäten für die Zeit des Taifuns eingestellt wurden. Genau so war es auch mit Zügen und den Geschäften in der Innenstadt. Gut vorbereitet und mit genug Calpis blieb ich da doch gerne im gemütlichen Heim, auch wenn ich dank der Abkühlung durch den Regen das erste Mal in diesem Jahr etwas Wärmeres anziehen durfte.

Bleibt die Frage meines Vaters im Raum stehen, ob man wirklich im Taifun Radfahren muss: Natürlich muss man! Ich bin ja kein Weichei und wenn das Memo, das mich ein Taifun erwartet, nicht erreicht, dann passieren halt solche Fehler. Vielleicht sollte ich ab jetzt besser der örtlichen Presse folgen?!

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Das wandelnde Bild der Japaner

Eine der Tatsachen, die mir seit meiner Rückkehr aufgefallen ist, ist, dass ich mittlerweile unhöfliche Japaner kennengelernt habe. Gut, das übertriebene Bild der immer freundlichen Japaner hatte ich eh noch nie, da ich bei meiner ersten Reise mit Dennis im Jahr 2006 noch regelmäßig auf die Aussage „Ausländer nicht erlaubt“ gestoßen bin. Heute kann man sich das kaum vorstellen, aber bis 2006 oder 2007 gab es hier vor Ort noch genug Geschäfte die es bevorzugten, nur von Japanern besucht zu werden. So aßen wir damals eine Woche lang Bento, was zwar billiger, aber nicht so von uns gewollt war. Seit 2007 hat sich dieses Problem aber eigentlich in Luft aufgelöst und die Japaner bleiben Ausländern gegenüber auch eigentlich immer superfreundlich. Diesmal fallen mir aber diese beiden unterschiedlichen Seiten stärker auf.

Auf der einen Seite hat man die unschlagbar freundlichen Japaner: So passierte es mir in den letzten Tagen, dass ich mit zwei Fahrrädern nach Hause laufen musste. An sich ist das kein Problem und ich bin gut in der Lage, auch das zu bewältigen. Nun fiel mir aber leider mein Kopfhörer runter und um ihn zu retten, stellte ich meine Räder etwas ungeschickt ab. Dieses reichte einer japanischen Rentnerin, ich habe sie auf ca. 80 geschätzt, mir eines der Räder abzunehmen. Ob denn alles in Ordnung sei? Natürlich, ich bin doch fast zu Hause! Nein, also, so geht das ja nicht! Und schon schob die resolute alte Dame das Rad und entschied, es für mich nach Hause zu bringen. Dass sie zu diesem Zweck an ihrem eigentlichen Ziel um mehrere hundert Meter vorbeischoss, störte sie dabei gar nicht. Beim Laufen erzählte sie mir vieles auf Japanisch und ich versuchte, so gut wie möglich zu antworten. Es entstand ein interessantes Gespräch, da sie Geschichte liebt. Was mich aber überraschte, war ihre Geschwindigkeit. Ich bin ja wahrlich nicht der Langsamste, wie meine eigenen Großmütter bestimmt bestätigen können, aber um mit dieser Dame mitzuhalten, musste ich schon mein schnellstes Schritttempo einlegen. Also, japanische Rentner haben auf jeden Fall einige Überraschungen auf Lager! Nach vielen Dankesworten stellte sie am Ziel endlich mein Rad ab und lief zurück zum Supermarkt.

Leider läuft es aber nicht immer so: Am Sonntag fand in Sendai ein großes Tanzfestival statt. Viele Bands versammelten sich, um dem begeisterten Publikum auf mehreren Bühnen ihre Künste zu zeigen. Dabei wurden Abarten traditioneller japanischer Tänze vorgeführt. Das Fest war auf alle Fälle gigantisch! Einige Bands waren unbeschreiblich und würden als Profibands und nicht als Hobbygruppen, die sie waren, durchgehen. Kein Wunder, dass ich aus der Schule nahe meiner Wohnung schon seit Tagen komische Gesänge gehört hatte, nahmen doch sogar Schulgruppen und teilweise auch Kindergartenkinder teil. Eines von diesen raubte dabei der ganzen Gruppe die Show. Die Aufgabe dieses Mädchens war es, in der ersten Reihe eine Laterne hochzuhalten. Leider war diese Aufgabe sehr langweilig, vor allem, wenn man nicht sieht, was die anderen machen und wenn die dann auch noch tanzen dürfen. Als die Kleine sah, dass die anderen tanzen, machte sie deshalb mit und schon hatte die Gruppe alle Aufmerksamkeit verloren. Zwar versuchte der neben ihr postierte Junge noch sie aufzuhalten, so recht gelang es ihm aber nicht.

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Aber nun zum eigentlichen Problem: Es gab für das Fest eine große Plane, auf der die Zuschauer sitzen konnten. Dazu gab es noch einige Stühle. Für die Leute, die fotografieren wollten, war dagegen der Platz hinter den Stühlen vorgesehen. In der letzten Reihe sollten dann die Herrschaften Platz nehmen, die mit ihren Trittleitern gekommen waren. Dieses Arrangement hatte aber nicht mit einem großen Ausländer gerechnet. Schon kurze Zeit nach meinem Erscheinen signalisierte mir ein Japaner auf unflätige Weise von seiner Leiter aus, dass ich mich doch gefälligst verziehen soll. Nun, so einfach mache ich es ihm nicht, wenn er nicht erst mal nett fragen kann und so knipste ich fröhlich weiter. Außerdem hatte ich den Platz schließlich von einem der Ordner zugewiesen bekommen, weil ich dadurch den wenigsten Leuten die Sicht genommen habe. Auf einmal stand der „nette Herr“ neben mir und stellte erst einmal die Leiter auf Orsolyas Fuß ab, ohne sich auch nur im Geringsten zu entschuldigen. Das Verhalten fand ich schon frech, als er dann aber noch mit seiner Leiter auf einmal genau vor mir stand, da war der Bogen dann doch schon leicht überspannt. Er versuchte immer genau so zu stehen, um mir den besten Fotorahmen zu nehmen und nahm damit den Leuten hinter uns, die vorher keine Probleme hatten, auch noch die Sicht. Gleichzeitig postierte er noch seine Tasche und sein Prospekt so, um mir damit bei jeder seiner Bewegungen aus Versehen eine zu verpassen. Nun, solch ein Spiel kann ich auch spielen! Der nette Herr hatte bestimmt nicht damit gerechnet, dass ich die Kamera über seinen Kopf halten ich und die Fotos machen konnte, obwohl er auf der Leiter stand. Und wer meint, mich bei meinen Fotos anstoßen zu wollen, dessen Leiter steht auch nicht am stabilsten, wenn er trotz total freier Sicht vor ihm noch auf der obersten Stufe stehen muss. Sagen wir einfach so, wenn mehr als 50 Prozent seiner Fotos etwas geworden sind, dann hat er Glück gehabt. Eigentlich hatte ich keine Lust auf so einen Wettstreit, aber nachdem normale Worte nicht halfen und er sich nicht mal bei den Damen um uns herum für sein rüpelhaftes Verhalten entschuldigte, da musste ich ihm zeigen, dass seine Spiele auch von mir gespielt werden können. Am interessantesten war dann aber der Punkt, dass genau in dem Moment, als ich ging, der werte Herr auch auf einmal nach Hause ging. Er blieb also wirklich nur dort, um mich zu ärgern. Die Japaner um uns herum bestätigten mich mit meiner Meinung.

Egal, nach der Aktion wurde es wieder ein tolles Fest und im Vergleich zu Europa sind solche Fälle doch die absolute Ausnahme.

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Bitte die Krankenversicherung

Wer kennt es nicht? Man geht in den Laden, um einen neuen Handyvertrag zu machen und man muss alle seine Unterlagen vorlegen: Kontodaten, Ausweis, Krankenversicherung…. Halt! Krankenversicherung? Diese Frage haben jetzt bestimmt einige Leser im Kopf, aber es stimmt. Hier in Japan benötigt man seine Krankenversicherung, um einen Vertrag abzuschließen. Vermutlich betrifft dieser Fall nur Ausländer, aber trotzdem ist man ohne aufgeschmissen. Wieso das so ist, haben wir leider bis heute nicht so wirklich erfahren können. Meine Vermutung geht aber dahin, dass eine Krankenversicherung der endgültige Beweis ist, dass man wirklich unter seiner Adresse wohnt. Die Alienkarte bekommt man immerhin schon am Flughafen und man kann damit machen, was man will. Aber für die Krankenversicherung muss man sich an einem festen Wohnsitz bei der Stadt anmelden. Für mich, der eine deutsche Auslandskrankenversicherung besitzt und kurz davor war, hier gar keine Versicherung abzuschließen, ist das Vorzeigen der selbigen deshalb immer wieder eine Überraschung.

Wofür benötige ich aber jetzt gerade die Karte? Die Bankkonten habe ich doch schon eröffnet, was könnte ich jetzt noch benötigen? Die Antwort ist einfach: Ich brauche ein neues Handy. Seit meiner Ankunft laufe ich mit meinem alten, kaum noch lesbaren Handy von 2010 herum und habe dafür eine Prepaidkarte. Die Zeiten haben sich aber geändert und ein Smartphone kann ziemlich hilfreich sein. Man verläuft sich seltener, ist immer erreichbar und das Wörterbuch ist auch gleich eingebaut. Außerdem, so teuer kann das doch gar nicht sein…. Doch, kann es, ich bin schließlich in Japan! Die Entscheidung für ein Smartphone fiel für mich ziemlich schnell, und dass es ein Android werden soll, war mir eigentlich auch von Anfang an klar. Zwar ist das iPhone wie in Europa auch hier ein Statussymbol und unglaublich beliebt, aber ich konnte mich nie damit anfreunden. Um mal meinen alten Betreuer Kawamura zu zitieren: „Was gefällt ihnen nicht am iPhone? – Alles!“. Ich würde es zwar nicht so extrem ausdrücken, mit Android komme ich aber besser zurecht. Nach langer Suche entschied ich mich dann auch für zwei Modelle. Die meisten Android Telefone hier besitzen ein fieses Branding, welches dem Telefon alle Funktionen nimmt, die es für mich so besonders interessant machen. Zum Glück fand ich aber zwei Telefone der letzten Generation, die meinen Ansprüchen genügten und dazu auch noch billig (1 Yen à 0.5 Cent oder so) waren. Leider hatte aber in der letzten Woche niemand Zeit für mich und so einen Vertrag schließe ich dann doch nicht alleine ab. Also wurde am Sonntag Orsolya bekniet, mit mir auf Handysuche zu gehen. Aufgrund des schlechten Wetters entschieden wir, in Richtung eines abseits gelegenen Shoppingviertels mi t dem Bus zu fahren. Die Handyläden hierzulande sind alle direkt unter der Kontrolle der Netzbetreiber und selbst in einem großen Elektronikladen haben sich die Betreiber nur eingemietet und betreiben dort  ihren eigenen Laden. In diesem Viertel  befand sich nun ebenfalls ein großer Elektronikladen und der sollte auch Handys haben. Mit dieser Einschätzung hatten wir zwar recht, aber wirklich freundlich waren die Leute dort nicht. Zwei Ausländer, noch dazu an einem Sonntagabend, die kann man doch nur abspeisen. Also das Handy gibt es nur noch bei einem Händler in Sendai und meinen Vertrag, den ich möchte, gibt es sowieso nicht mehr. Man könne mir aber das Handy zu dem Laden, in dem wir jetzt waren, schicken lassen und dann kann ich einen anderen Vertrag abschließen. Zu allem Überfluss wäre ich angeblich mit meinem Visum auch nicht in der Lage, einen Vertrag abzuschließen. Das müsse schon über zwei Jahre sein und nicht genau zwei Jahre, aber ich könne natürlich den ganzen Vertrag mit meiner Visakarte aus Deutschland bezahlen, dann wäre es eventuell doch noch möglich. Die ganze Art der Mitarbeiter regte mich auf jeden Fall richtig auf und wäre ich besser in der Lage, meiner Stimmung auf Japanisch Luft zu machen, hätte ich den Laden wohl unter dem Hinweis verlassen, dass ich sie nicht zwinge, mit mir einen Vertrag zu machen und ich mir einen anderen Anbieter suche. Orsolya beruhigte mich aber und wir entschieden, erst einmal das Handy zu dem Laden liefern zu lassen und dann den Vertrag eventuell zu machen.

Zu meinem großen Glück hatten wir aber am Montag auf einmal doch spontan Zeit und entschieden uns zu einem Treffen in der Innenstadt von Sendai. Dort ging es zum Shoppen zu Labi, einem anderen Elektronikgroßhandel und siehe da, der Laden hatte doch wirklich mein  gewünschtes Handy. Auch das Abschließen eines Vertrages lief einfacher. Den Vertrag erhielt ich natürlich und wozu solle man denn meine Kreditkarte nutzen? Natürlich beeilte ich mich, einen Vertrag abzuschließen und eine Stunde später hatte ich mein Gerät in der Hand. Nur eine Sache störte mich: Ich bin ja ein Freund von Technologie, aber ich finde, einen Vertrag komplett auf einem iPad aufzusetzen, inklusive Unterschriften, geht dann doch etwas zu weit. Die Dokumente wurden mit dem iPad fotografiert und die Unterschrift wurde mit einem Smartphonestift direkt in den elektronischen Vertrag gesetzt. Aber vermutlich ist das eh die Zukunft, ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen.  Auf jeden Fall müssen wir jetzt irgendwie dem ersten Laden erklären, dass wir sein Handy nicht mehr wollen. Aber bei der Freundlichkeit haben sie es auch nicht anders verdient! Am besten gefiel mir aber im Anschluss die Zufriedenheitsumfrage. Es wurde nicht etwa gefragt, wie ich mit dem Provider zufrieden bin, sondern ob ich beim Betreten des Geschäftes begrüßt wurde, die Haare des Angestellten ordentlich lagen und ob er auch genug gelächelt hat. Hier in Japan wird so etwas halt noch großgeschrieben. Da können sich einige Angestellte in den Shops in Deutschland, die sich gelangweilt am Tisch herumflätzen, noch ein paar Scheiben von abschneiden.

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