Oktober 2013 Archiv

Reik vs. die falschen Stöcke

Ich gebe es offen zu: Seit ich in Japan lebe, bin ich unvorsichtiger geworden. Das ist auch nicht groß verwunderlich. Kriminalität in Japan ist relativ gering. Diese gibt es zum Beispiel kaum und die meisten verlorenen Gegenstände bekommt man auch  gut erhalten zurück. Auch die Natur hat mich bis dato noch nie enttäuscht. So haben weder meine Reisen mit Dennis zu Vulkanseen und durch die Nationalparks Japans noch meine Wanderungen und Bergsteigeaktionen mit Melanie mich wirklich in Gefahr gebracht. Ok, in der Nachbetrachtung verkläre ich das Besteigen eines Dreitausenders mit Halbschuhen vermutlich, aber eigentlich ist für mich bisher die einzige Gefahr das Radfahren gewesen. Wobei böse Stimmen meiner Fahrweise die Schuld dafür geben, aber dem verweigere ich mich. Apropos Fahrradfahren: Dank einer netten Stiftung durch meinen Großvater werde ich mich demnächst mit einem richtigen Fahrrad ausstatten. Bis es aber soweit ist, muss ich erst einmal meine Finanzen durch mein Stipendium unterstützen, welches wohl in der zweiten Hälfte des Monats auf meinem Konto erscheinen soll. Danke auf jeden Fall noch einmal dem edlen Spender, ich werde das Geld gut anlegen!

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Solange ich dieses Rad noch nicht habe, muss ich mich mit einem von Orsolyas alten Rädern behelfen. Dieses erhielt schon vor einem Jahr von mir den Namen „Kamikaze“, da seine Bremsen alles machen, außer das, was sie sollen. Momentan ist es so, dass es während der Fahrt von sich aus bremst. Da ich aber nur die Wahl zwischen diesem Status oder gar keiner Bremse hatte, entschied ich mich für diese Konfiguration und komme deshalb etwas langsamer voran. Dementsprechend verlangsamt wird mein Fahren aber, weshalb ich mich bisher mit meinen berüchtigten Radtouren zurückhielt. Am Mittwoch ging es aber nicht mehr. Der Winter steht vor der Tür und diese Wohnung ist mehr als schlecht gedämmt. Zwar besitzen wir schon einen elektrischen Heizkörper, die Lösung für den Winter ist dieser aber leider noch nicht. Kurzerhand stieg ich auf mein Rad und machte eine Tour um die Stadt und besuchte die mir bekannten Gebrauchtwarenläden. Auf dem Weg durch Izumi geschah es dann: Ich radelte auf einem schmalen Fahrradweg, rechts von mir eine Schnellstraße und die Ausläufer der Stadt, links von mir Reisfelder und die freie Natur, als vor mir auf dem Weg ein „Ast“ lag. Nun hatte der Weg nur etwa ein Meter Breite und mein Rad ist trotz allem ein Mountainbike und dementsprechend hat es breite Räder. Kurzerhand entschied ich, über den Ast zu fahren. Je näher ich aber nun an ihn herankam, desto höher erschien er und im letzten Moment entschied ich glücklicherweise, doch auszuweichen. Das war die richtige Entscheidung, denn nur aufgrund dieses Schlenkers entging ich dem hochschnellenden Maul des „Astes“. Wie sich herausstellte, hatte ich gerade die erste Begegnung mit einer Schlange in freier Wildbahn gemacht und dazu war es auch noch eine beißende. Erwähnte ich, wie ich Schlangen hasse? Es handelte sich um ein rund ein Meter großes, 6 bis 7 Zentimeter breites, grüngeschecktes Tier. Als das Maul der Schlange auf mich zu schnellte, sah ich mich schon am Telefon und einem Arzt irgendwie erklärend, was gerade geschehen war.   Zum Glück verfehlte sie aber mein Bein um einige Zentimeter. Es ist aber sehr beeindruckend, welche Geschwindigkeit die Viecher haben. Mein Bein hätte ich ohne Rad nicht rechtzeitig wegbekommen. Erste Forschungen bei Japanern ergaben immerhin, dass die Schlange zwar giftig war, aber nicht lebensbedrohend. Trotzdem werde ich ab jetzt wohl die japanische Natur besser vorbereitet betreten, auf derartige Begegnungen kann ich gut verzichten!

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Reik, der Donnerpalast, und der „hinterlistige“ Professor

Eines meiner Mottos lautet normalerweise, nie zwei Dinge genau gleich betreiben. Normalerweise bin ich mit dieser Einstellung bisher auch gut gefahren. Für Japan habe ich diesmal aber eine Ausnahme gemacht und gleich zeigt sich die Problematik, die damit einhergeht: Mein Professor kann mich gut einschätzen. Aber fangen wir von vorne an: Wie schon beschrieben, ist die Situation in meinem Kenkyushitsu noch nicht ganz so, wie ich mir das bisher vorgestellt habe. Interessanterweise habe ich für fast jeden meiner alten Freunde jemanden mit exakt den gleichen Charaktereigenschaften gefunden, aber trotzdem könnte es besser laufen. So geschah es nun, dass ich heute später am Tag das Büro betrat. Leider besitze ich immer noch keinen Schlüssel und am Vormittag war das Büro abgeschlossen. So verbrachte ich meine Zeit beim Japanisch-Lernen in der Bibliothek des internationalen Centers.

So betrat ich das Büro und meine Lieblingsprofessorin beehrte mich immerhin mit einem kurzen guten Tag, aber ansonsten geschah nicht viel. Die Japaner sprachen untereinander, besagte deutsche Professorin verschwand kurzerhand aus dem Büro und ich setzte mich in die Ecke. Zum Glück gibt es Sato, einen  jungen Masterstudenten, dessen Deutsch schon nicht schlecht ist. Sein einziges Problem ist, dass er etwas an seinem Selbstvertrauen arbeiten muss. Ausländer, die ihn kennen, vergleichen ihn gerne mit einem erschrockenen Tier, welches sich im Gebüsch versteckt. Die Einschätzung ist noch nicht mal weit hergeholt. So ergab es sich im Mai, dass Shimizu, ein sehr von sich überzeugter Japaner, seine Freundin, Orsolya und ich lautstark beschlossen, die Mensa zu besuchen und auch rumfragten, wer denn noch mit will. Plötzlich, als wir schon gehen wollten, stand Sato hinter uns und fragte mit kaum hörbarer Stimme, ob er denn mitkommen dürfe, wenn es denn keine Umstände mache. Dafür, dass wir gerade lautstark gefragt hatten, war diese Nachfrage natürlich ziemlich befremdlich für uns und wir nahmen ihn gerne mit. Dieses Verhalten beschreibt ihn aber sehr gut und auch im Unterricht wird es durch Professoren als  Nachteil für ihn ausgenutzt. Eines meiner Ziele im Büro ist es deshalb, sein Selbstbewusstsein etwas aufzubauen. Im momentanen Zustand kann ich ihn mir nicht in der Arbeitswelt vorstellen und er ist zu nett, als dass er das verdient.  Auf jeden Fall sprachen wir etwas über sein Masterarbeitsthema „Ökobewegung in Deutschland und in der deutschen Literatur“ und er machte uns erst einmal einen Kaffee. Hier in Japan schmeckt dieser aber zum Glück nicht wie Kaffee, so dass ich ihn auch trinken konnte. So verging die Zeit und auf einmal stand Professor Morimoto in der Tür und erklärte den überraschten Japanern, dass sie mich willkommen heißen sollen, schließlich bin ich Teil des Büros. Scheinbar hatte diese Aussage befreiende Wirkung auf die Anwesenden und ich wurde von mehreren bedrängt und über meine Größe, Herkunft und mein Wissen über Japan und Shimizu ausgefragt.

Nur einer sagte diese Unterhaltung nicht zu, meiner Sekretärin. Diese startete an einem Freitag um 18 Uhr mit ihrer Arbeit und kam genau richtig an, um die Ansage von Professor Morimoto zu vernehmen. Als es Verständigungsprobleme zwischen mir und den Japanern gab, wurde sie befragt und endlich kam heraus, weshalb sie so abweisend zu mir ist. Auf Japanisch erklärte sie den Japanern, dass sie mich nicht verstehe. Sie war für einige Zeit in Bayern und da wo ich herkomme, würde man komisches Deutsch sprechen. So sagen wir angeblich nicht „ich“, sondern „icke“. Nur mit Mühe und Not konnte ich an mich halten und nicht zu einer langanhaltenden Ansprache ansetzen, dass wenn dann die Bayern komisch reden und ich wenn schon Magdeburger Mundart und nicht Berlinerisch rede. Wir sprechen zwar das G nicht richtig aus, aber das ist noch lange nicht das Selbe, was in Berlin gesprochen wird. Auf jeden Fall ist es interessant: Kawamura, Shimizu, Yuki, Sato, Rieko und all die anderen japanischen Studenten haben mich verstanden, aber eine Postdoktorandin, die eine längere Zeit in Deutschland, wenn auch „nur“  in Bayern, gelebt hat, tut es nicht? Na mal schauen, was wir da machen können.

Während ich noch auf eine mögliche Antwort spekulierte, kam auf einmal ein Pizzabote. Professor Morimoto hatte für uns alle Pizza bestellt und als herauskam, dass ich da bin, hatte er kurzerhand das Essen als Willkommensfeier für mich deklariert. Da konnte ich natürlich nicht gehen. Wer jetzt denkt, unser Professor tat dies nur aus reinster Menschenliebe, der hat nur teilweise recht. Als ich nach dem Essen in die Innenstadt wollte, hielt er mich auf einmal auf und verwies darauf, dass einige Erstsemester doch gleich kommen würden. Wenn ich schon mal da wäre, dann könnte ich doch auch etwas Werbung für das Büro machen, schließlich hat sonst keine Sprache einen Muttersprachler als Studenten. Tja, so war es also und da bekannt ist, dass ich als guter Student zu kostenlosem Essen nie nein sagen würde, wurde dies genutzt, mich lange genug dazubehalten, um etwas Werbung zu machen. Wenigstens haben sich die Studenten mal wieder daran gemacht, meinen Namen in Kanji umzuschreiben und ich muss sagen, ich mag das Ergebnis mehr als beim ersten Mal. Nach der neuen Umschrift lautet mein Vorname „Donnerpalast“. Damit kann man schon mal angeben, falls ich in Deutschland mal wieder  nach der Bedeutung meines Namens gefragt werde. Viele Grüße auch an Herrn Pfordte, der einst, weil er meinen Namen als einziges nicht in seinem Bedeutungsbuch finden konnte, behauptete, dass es eindeutig ein Schimpfwort sein müsse. Da muss ich erst 10.000 km reisen, um endlich in der Bedeutung meines Namens jedem Deutschen mit himmlischen Bedeutungen überlegen zu sein.

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Zeiten ändern sich

Ende 2010, wann immer ich ein Problem hatte, wusste ich, ich brauche nur in das Kenkyushitsu gehen und die Lösung sitzt schon bereit. Für offizielle Dokumente war Kawamura-san immer zur Stelle. Der Sekretär verfügte über sehr gute Deutschkenntnisse, eine sehr soziale Ader und versprühte einen Charme, der es ihm erlaubte, sehr gut mit den Studenten umzugehen. Jeder wusste, gibt es ein Problem steht Kawamura bereit und sei es aus einer Postbox einen Computer zu bauen, er konnte es. War er mal nicht zur Stelle, gab es da noch meinen Tutor Shimizu, der 24 Stunden im Lab zu sitzen schien und sowieso für jeden Spaß zu haben war. Und dann gab es immer noch das Ass im Ärmel in Form von Rieko, die gegen ein Stück Schokolade förmlich als meine Sekretärin zu arbeiten schien.

Kehren wir zurück in das Jetzt, dann hat sich die Situation gewandelt. Kawamura ist mittlerweile ein Professor in  Morioka, Shimizu in Wien Student und Rieko genießt das Leben als Mutter in Akita. Nur ein Punkt hat sich seit damals nicht geändert und zwar, dass ich immer noch einen Haufen Probleme habe, die es zu lösen gilt. Das Rückspiel bei der Bank erwies sich als sehr einfach. Am Morgen verbrachte ich etwa 45 Minuten dort, bis das Bankbuch geändert wurde und der Hinweis kam, dass ich meine Karte einfach mit dem falschen Namen nutzen soll. Man stelle sich das Bild in Deutschland vor, wenn eine falsche Bankkarte herausgegeben würde. Gut, die Karte ist nur zum Abheben gedacht, aber selbst dann hätte ich erwartet, eine neue Karte zu bekommen. Wie soll man bitte bei Nachfragen belegen, dass man berechtigt ist, die Karte zu nutzen? Die meiste Zeit des Wartens in der Post verbrachte ich aber damit, Kinder zu unterhalten. Zwar sind japanische Postfilialen modern und verfügen über Spielzeug und Lesebücher für Kinder, die Eltern sind aber doch immer beschäftigt. So fing neben mir ein Kind im Kinderwagen an zu weinen und jedes Mal, wenn ich mich kurz mit ihm beschäftigte, hörte es auf. Besser war aber eine grobgeschätzte 5 jährige, die sich neben mich setzte und lautstark verlangte, ich solle ihr doch bitte vorlesen. Man stelle sich mal vor, ein Land, in dem viele Erwachsene sich in die Hosen machen, wenn sie einen Ausländer nur sehen und die Kinder stürmen auf einen los und wollen unterhalten werden. Diese Abschottung in den Köpfen der Japaner scheint also erst in der Schule antrainiert zu werden, wie es meine Begegnungen mit jungen Japanern zeigen.

Auf jeden Fall war ein Problem beseitigt. Nun wollte die Verwaltung nur noch einen Zettel haben, in dem mein Forschungsziel  auf Japanisch erklärt werden sollte. So weit – so klar, außer dass ich den Zettel nicht so wirklich verstand. Nun gut, Probleme sind dafür da, gelöst zu werden. Also ging ich ins Kenkyoshitzu, es wird sich schon jemand finden, welcher mir helfen kann. Weit gefehlt!  Erste Ansprechperson war die neue Sekretärin. Diese unterscheidet sich schon in ihrer ruhigen Art und der Abschottung durch Trennwände von den Studenten sehr stark von Kawamura. Noch schlimmer war ihr Abwiegeln. Ich zeigte ihr mein Schreiben und sie stellte nur lapidar fest, sie habe keine Ahnung und ich solle doch gefälligst jemanden anderes fragen. Eventuell wisse die Verwaltung ja mehr. Diese Antwort hatte ich nicht erwartet, also Versuch Nummer 2: Eine junge Studentin saß bereit und ich hielt ihr mein Schreiben unter die Nase. Sie wusste zwar auch nicht wirklich, was gefordert war, übersetzt mit mir zusammen aber die einzelnen Teile, bis zur eigentlichen Beschreibung des Projekts. Das sei doch etwas für die Sekretärin und kurzerhand fragte sie diese erneut, nur um wieder abgewiegelt zu werden. Als ich mich schon langsam fragte, wie ich nur an diesen Teil käme und immer noch eine Standpauke der Sekretärin erhielt, öffnete sich die Tür und vor mir stand die Rettung. Professor Morimoto war aus Yokohama zurückgekommen.  Seine Nachfrage, wie lange ich schon in Japan sei, war in Anbetracht der Tatsache, dass er den Flug organisierte hatte, zwar etwas seltsam, aber er nahm sich gleich meines Problems  an und löste es selber. Auch die Sekretärin erhielt erst einmal den Hinweis, dass ich jetzt Student dieses Kenyoshitsus sei und sie sich um mich kümmern soll. Widerwillig sagte sie zu. So ging es in die Verwaltung, welche höchst erfreut war, alle Unterlagen so stressfrei und schnell zu haben. Studenten, die sich um sich selbst kümmern, sind ihnen doch am liebsten. Bei meiner Rückkehr ins Kenkyoshitzu stand mir dann auch schon die nächste freudige Überraschung bevor. Norihiro war endlich da! Norihiro, Shimizus bester Freund, und teilweise mein Schützling bei seinem einjährigen Göttingenaufenthalt begrüßte mich gleich überschwänglich und auf Deutsch, sehr zur Überraschung der anderen, die ihn nicht so kennen. Mit ihm und Morimoto, welchen ich jetzt schon mehr gesehen habe, als im ganzen Jahr 2010 zusammen, sollte es kein Problem werden, alle Hürden zu überstehen und mir einen neuen Kern an Studenten aufzubauen, mit denen es Spaß macht, im Kenkyushitsu nicht nur zu forschen, sondern auch den Alltag zu verbringen.

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Japaner und die Wohnung

Eine schöne Sache an Auslandsaufenthalten ist die Tatsache, dass man am eigenen Leib die verschiedenen Weltanschauungen erlebt, welche je nach Kultur auftreten. So sieht es auch im Moment aus. Orsolya hat im Laufe der Jahre viele Freunde kennengelernt. Viele davon kenne ich ebenfalls schon eine ganze Weile. Aufgrund ihrer Kochkünste waren deshalb Besuche bei ihr auch an der Tagesordnung, aber dies hat sich von einem zum anderen Tag geändert. Der erste Fall war Fumiyo. Fumiyo, eine Mitte dreißigjährige Japanerin, deren genauere Lebensumstände niemand so wirklich kennt, hat nur ein Hobby: Sie verbringt gern Zeit mit Ausländern, besonders gerne mit Nordeuropäern. Mir persönlich erschien sie schon immer etwas seltsam, da man über sie nie etwas erfährt, aber sie im Gegenzug über alle Ausländer in Sendai bestens Bescheid weiß. Im Gegensatz dazu wird Orsolya zwar nicht gerade schlauer aus ihr, ist in diesem Zusammenhang aber toleranter und trifft sich regelmäßig mit ihr, gerne auch zum Kochen in unserer WG hier. Als klar wurde, dass ich es schaffe, nach Japan zu kommen, trat Fumiyo nun mit einer etwas seltsam erscheinenden Bitte an sie heran. Könne sie nicht noch einmal vorbei kommen vor meiner Ankunft und am besten bei ihr übernachten? Auf die Frage, warum unbedingt davor, gab es nur die Antwort, na ja, danach ist doch Reik da. Was man als persönliche und auch vollkommen vertretbare Angst oder Respekt vor mir sehen könnte, erwies sich am Samstag dann als japanische Kultur.

Den Samstag verbrachte Orsolya als Lehrerin. Da ich persönlich nicht so viel zu tun hatte, verbrachte ich etwas Zeit in der Innenstadt und besuchte dann die MafuMafu Sprachschule. Seit meinen Tagen als Englischlehrer beim Kidscamp bin ich dort bekannt und gern gesehener Gast. Nach einigen Gesprächen und dem sachten Hinweis, dass Japaner eventuell nicht ein Buch lesen wollen, welches in ihrer Bibliothek liegt und den Titel „Warum Japaner nerven“ trägt, wurde ich kurzerhand zu einer Geburtstagsfeier einer der Angestellten am Abend im Cafe eingeladen. Zuvor blieb aber an mir die ehrenvolle Aufgabe des Unterrichtens hängen. Eine Gruppe von Studenten hatte Konversationsunterricht und hatte explizit gefragt, ob ich nicht mal kurz mit ihnen sprechen könnte. Kurz war es natürlich nicht, was jedem, der mich kennt, bekannt vorkommen dürfte. Wir sprachen über Gott und die Welt und besonders als ich über meine Doktorarbeit befragt wurde, hielt ich einen kürzeren Monolog, der dazu führte, dass die Japaner freiwillig auf ihre Pause zwischen den Stunden verzichteten und mich mit immer neuen Nachfragen malträtierten. Am Abend war es dann soweit, der Einzug ins MafuMafu Cafe, meiner alten Heimat, für die Geburtstagsfeier stand an. Ich fühlte mich zwar leicht fehl am Platz, kam aber mit einem der führenden Köpfe der Sprachschule ins Gespräch. Wenn ich möchte, könnte ich wohl Kinder unterrichten. Interessanter war aber der Teil über das Cafe. Es schließt! Eine Welt brach für mich zusammen. Das Cafe, in dem ich unzählige schöne Stunden verbrachte, wird geschlossen und neu ausgerichtet, weil es sich nicht rechnet. Kein Wunder, seit Thomas weg ist, sind die Öffnungszeiten nur noch zwei Tage in der Woche und die Preise des Cafés sind für ein heruntergefahrenes Sortiment zu gering. Seit dieser Situation bleiben besonders die japanischen Gäste weg und es rechnet sich nicht mehr. Ich legte gleich mündlich Verbesserungsvorschläge ein, welche man dem obersten Chef mitteilen wolle und meine Chancen, falls es zu der vom obersten Chef angedachten Neuausrichtung kommt, einen Platz als Kellner zu bekommen, sind sehr gut. Leider wäre das wohl erst im nächsten Frühjahr der Fall.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Als das Geburtstagskind sich verabschiedete, sie ist jetzt 26 Jahre alt und lebt noch bei den Eltern und musste deswegen bald nach Hause, wurde von Orsolya das Angebot unterbreitet, man könne ja mal zusammen kochen. Quittiert wurde dies durch eine Nachfrage ihrerseits, ob dies denn überhaupt möglich wäre, da ich jetzt da sei. Es liegt also offensichtlich nicht an meiner Art, die sie nicht wirklich kennenlernen konnte. Angestachelt durch diese Erkenntnis fragte ich in meinem Lab nach und es stimmt wirklich, normalerweise ist es sowieso unüblich, jemanden zuhause zu besuchen. Nun, da ich aber auch in dieser WG lebe, ist die Gefahr, die Ruhe des Hauses zu stören, natürlich noch größer und ein normaler Japaner überlegt sich zweimal, ob er noch zu Besuch kommen kann. Die Aussage, dass die Einladung ja von uns beiden käme und dass dies für Europa total normal sei, wurde mit großen Augen und einem „ohhhh, Europa ist so komisch“ quittiert.

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