Essen auf Rädern

Seit meinem letzten Aufenthalt in Japan hat sich viel verändert. Aber nicht nur bei Land und Leuten, sondern auch bei mir. So langsam habe ich mich den Japanern angepasst und esse öfter auswärts. Wer frühestens um 21 Uhr nach Hause kommt, der mag nicht mehr unbedingt kochen und so ein großer Preisunterschied ist aufgrund der örtlichen Gemüsepreise zwischen den beiden Optionen auch nicht festzustellen. Da verzichte ich dann doch lieber auf das Mittagessen in der Mensa und gehe lieber am Abend irgendwo billig essen.

Neben der Liebe zu Museen ist eine der wichtigsten Lehren, welche mir meine Eltern in unzähligen Urlauben mitgegeben haben, ein Restaurant nicht unbedingt nach dem Äußeren zu beurteilen. Ein Restaurant kann noch so toll aussehen, aber wenn der Koch sein Handwerk nicht beherrscht, dann schmeckt es am Ende doch wie in einer Burgerbude. Aus diesem Grund sind auch in meinen eigenen Auslandsaufenthalten bisher immer andere Faktoren ausschlaggebend gewesen, ob ich in einem Laden esse oder nicht. Eines der sichersten Zeichen dabei ist zum Beispiel die Frage, wie groß eine Karte ist. Eine riesen Karte mag aufgrund der Auswahl zwar den Kunden freuen, eine kleinere ist dagegen ein ziemlich sicheres Zeichen, dass sich das Restaurant bei diesen Gerichten auskennt. Ein anderer Punkt dagegen hat sich für mich erst in Japan ergeben. Je seltsamer ein Laden aussieht, desto mehr Lust verspüre ich, ihn zu besuchen. Wenn der Koch dann auch noch interessant erscheint, dann ist es eigentlich sicher, dass ich den Laden irgendwann besuche.

So geschah es nun, dass ich in den letzten Wochen öfter in der Innenstadt an unserem größten Kaufhaus vorbeigekommen bin und davor ein mobiler Laden steht. Mobile Läden sind dabei mit europäischen Imbissbuden nur bedingt vergleichbar, da sie im Prinzip eins zu eins Restaurantessen bieten, dank ihrer Mobilität aber sehr flexibel sind. Trotzdem sieht ein Laden mit Propangasflasche draußen und einer Höhe von ungefähr 1,90 Meter schon etwas seltsam aus. Trotzdem, ich wollte ihn ausprobieren, wäre da nicht ein kleines Problem gewesen: er verkauft Soba. Soba, Buchweizennudeln, sind sehr lecker, nur leider habe ich eine gewisse Überreaktion auf sie, welche mich nach dem Verzehr für einige Stunden außer Gefecht setzt. Trotzdem, der Laden reizte mich und nachdem ich zum wiederholten Mal um ihn herumschlich fragte Orsolya, ob sie nicht eventuell auch Udon anbieten. Udon, eine weitere Nudelspezialität aus Japan, vertrage ich dagegen gut und sie sind eine meiner Lieblingsspeisen. Warum hatte ich nicht selber dran gedacht? Dank meiner Körpergröße konnte ich auch durch das Dach schauen und was für eine Überraschung, sie bieten natürlich keine Udon an, aber auch keine Soba sondern Oden, in einer speziellen Soße gekochtes Gemüse und Fleisch. Da bin ich doch sofort dabei.

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So entschieden wir, den Laden zu betreten, sehr zur Überraschung der anwesenden Japaner. Der Laden war geräumiger als wir dachten. Der Koch und seine Ehefrau saßen uns gegenüber und neben uns saß ein Japaner, der sofort zum Koch meinte, er könne nicht mit uns sprechen, er verstehe nur etwas Deutsch, aber kein Englisch. Tja, da war er an den Richtigen geraten. Wir waren die Attraktion des Ladens und sowohl der Koch, als auch die nachfolgenden Kunden sprachen alle mit uns, aber auch über uns. Die Gespräche über uns fand ich ja schon etwas seltsam. Man dachte, wir würden in den Momenten nichts verstehen. Die Aussagen waren auch alle auf jeden Fall diskussionswürdig. So müssen wir ja extrem schlau sein, als ausländische Studenten hier studieren zu können. Auch den Fakt, wir wären so gutaussehend, muss ich für mich zurückweisen. Damit kann nur Orsolya gemeint gewesen sein. Der Tiefschlag kam aber später. Ich bin es ja gewohnt, dass mir in Deutschland niemand große Hoffnung für die Zeit nach meinem Geschichtsstudiium macht, dass aber nun auch schon Japaner mich bemitleiden, hat mich dann schon schwer getroffen. Aber wenigstens fanden sie gut, dass ich meinen Interessen folge.

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Der Vorteil des Ladens, neben den Gesprächen, war aber besonders das Essen. So oft hat man nicht die Gelegenheit, sich mit dem Koch zu unterhalten. Auf diesem Weg erfuhren wir seine Empfehlungen und gleichzeitig erfuhren wir seine Spezialitäten, welche nur er in Sendai anbietet. Nur bei den Getränken lagen wir etwas daneben. In Japan ist es Brauch, zum Essen kostenlos Wasser oder Tee zu bekommen. Als Orsolya nach etwas Trinkbarem fragte, entschuldigten sich der Koch und seine Frau, dass man nur Alkohol habe. Da wir aber genau neben einem Getränkeautomaten standen, holte die Frau auf einmal aus diesem eine Flasche Mineralwasser und gab uns diese. Das Essen war auf jeden Fall sehr lecker und gleichzeitig gelang es mir, den für Deutschland interessierten Japaner von der, für mich, schönsten Stadt Deutschlands zu begeistern. Bei seiner nächsten Reise möchte er nun Magdeburg bereisen. Hoffentlich verrät ihm bis dahin keiner, das dies ein für Japaner eher unübliches Ziel ist.

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Als wir uns nach über 1.5 Stunden entschieden langsam aufzubrechen, war der Koch auf einmal verschwunden, aber nicht für lange. Er hatte die Zeit genutzt, im benachbarten Supermarkt seine Hände zu waschen, um uns am Ausgang des Ladens noch einmal mit japanischem Handschlag, welcher ein Umfassen der Hände des anderen und viele tiefe Verbeugungen beinhaltet, für unseren Besuch zu bedanken. Das wir so mutig waren und uns in seinen Laden getraut haben, hat ihn sehr gefreut, da sonst die Ausländer einen großen Bogen um ihn machen. Ein großer Fehler, wie Orsolya und ich uns einig sind.

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