Geibikei

Ich bin zu Hause und es ist Golden Week! Wieso muss ich also schon so früh wieder das Haus verlassen? Diese Frage stellte sich mir heute früh, als ich auf dem Rad in Richtung Bahnhof unterwegs war, um meine Eltern zu treffen. Diese schafften es währenddessen in ihrem Hotel das Kunststück zu vollbringen, die wohl einzige deutschsprachige Person im Hotel zu finden und zur Abwechslung von einer Japanerin über das Land belehrt zu werden.

Ziel der heutigen Reise sollten die Schluchten Geibikei und Gembikei sein. Die beiden Schluchten hören sich nur fast gleich an, sind aber völlig unterschiedlich. Dazu kommt noch, dass selbst die hier in Sendai lebenden Japaner diese Orte nicht kennen. Der normale Tourist besucht den nahe gelegenen Ort Hiraizumi (was wir bereits 2010 taten), welcher vor wenigen Jahren in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde, und verpasst dadurch zwei der schönsten Gebiete Miyagis.

Aber erst einmal zum Eigentlichen: Geibikei ist eine spektakulär anzusehende Schlucht mit dem Gebirgsfluss Satetsu, welcher bei einer 90-minütigen Fahrt mit einem gondelähnlichen Boot befahren werden kann. Dabei schlängelt sich der Fluss an hohen Kliffs und schönster Natur entlang. Am Wendepunkt der Tour befindet sich ein Fels, welcher wie eine Löwennase geformt sein soll. Touristen können dort kleine Steine kaufen mit welchen sie versuchen können, ein Loch im Felsen auf der anderen Seite des Flusses zu treffen. Das soll angeblich Glück bringen. An dieser Bootsfahrt nahmen wir natürlich teil.

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Anschließend ging es per Bus zur Gembikei Schlucht westlich von Ichinoseki. Dort gibt es den Fluss Iwai, welcher mit zahlreichen Stromschnellen durch den Ort fließt. Als besondere Spezialität haben sich die Ortsansässigen entschieden, eine lokale Spezialität, Dangos (Reismehlbällchen in Soße), per „Seilbahn“ (genauer gesagt ein kleines Körbchen an einem Seil) über den Fluss zu liefern. Das ist ein Event, welches die Anwesenden verleitete, in Schlangen für etwas anzustehen, was sie auf der anderen Seite des Flusses mit wohl weniger Zeitaufwand hätten haben können. Trotzdem war es auf jeden Fall sehr spektakulär. Besonders interessant war es auch, als Orsolya und ich auf einen der Felsen geklettert sind und so die Naturgewalt des Stroms mit eigenen Augen aus nächster Nähe sehen konnten.

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Am Abend ging es zurück nach Sendai. Dort konnte die nächste Stufe des Kurses „Alle Sorten japanisches Essen in 17 Tagen“ in Angriff genommen werden. Zwar war das eigentlich vorgesehene Restaurant für gegrillte Fleischspezialitäten überfüllt, in einem zweiten Fleischrestaurant machte man uns aber Platz und bewirtete uns fürstlich. Die Besorgnis dabei war beachtlich. So wurden unsere Plätze auf dem Fußboden extra für die Ausländer mehrmals gepolstert und bei jeder Kleinigkeit wurde mehrmals nachgefragt, ob es uns gut geht. Als nach über dreißig Minuten Sitzen zum Beispiel ein Tisch mit Stühlen frei wurde wurden wir sofort gefragt, ob wir nicht lieber anständig sitzen wollen. Extra für uns wurde auch ein neues Getränk auf die Karte gesetzt und Extras auf Kosten des Hauses gab es auch noch einige. Das eigentliche Highlight des Restaurants ist aber ein im Tisch eingebauter Grill, auf dem das beste Fleisch der Region gegrillt wurde.

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Mir als Vegetarier sagte zwar mehr das Gemüse zu, aber meinen Eltern schmeckte es und nur darauf kam es an. Nur wie die Kellner auf die Idee kommen konnten, Orsolya und ich seien Geschwister, das traf mich schon sehr. Wir sehen nun wirklich nicht ähnlich aus!

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Ab in die Heimat

Warten auf den Zug, ordentlich angestellt

Warten auf den Zug

Jede noch so schöne Rundreise hat ein Ende und genau so auch unsere. Aus diesem Grund galt es heute, die Koffer zu packen und mit dem Shinkansen durch halb Japan zurück nach Sendai zu fahren. Den ersten Schock erlebten wir aber schon vor der Zugfahrt: Die Golden Week beginnt. Das ist eine Woche mit mehreren Feiertagen. Zwischen diesen Feiertagen hat ein Großteil der Japaner Urlaub. Da ein Japaner normalerweise von seinen ihm zustehenden Urlaubstagen eh nur durchschnittlich sieben Tage nimmt, entwickelt sich so in dieser Zeit eine riesige Reisewelle. Wir hatten aber leider vergessen, schon am Anfang der Woche Platzkarten für die Züge nach Sendai zu buchen. Im schlimmsten Fall konnte das also bedeuten, dass wir die gesamten sechs Stunden Zugfahrt stehen müssen. Auf der ersten Strecke hatten wir aber Glück, wir bekamen einen Sitzplatz. Aber trotzdem verlief nicht alles wie geplant. Meine Eltern fahren mit einem Railpass, welcher ihnen das kostenlose Fahren mit allen Zügen der japanischen Zuggesellschaft ermöglichen soll. Leider dachte sich die Schaffnerin im Zug etwas anderes und erwartete auf einmal Geld von uns. Ohne nähere Erklärung sagte sie immer wieder, wir sollen doch bezahlen. Während ich schon verzweifelt versuchte, mit dem Handy irgendwie Hilfe zu rufen, fand sich dann doch die Lösung: Unsere Strecke ging über ein kurzes Stück einer anderen Gesellschaft. Die Kartenverkäuferin am Vortag hatte es Sendai01leider nicht für notwendig erachtet, uns darüber zu informieren. Nach dieser Schrecksekunde verlief auf den ersten zwei Teilstücken aber alles nach Plan. Wir ergatterten Sitzplätze und alles blieb ruhig. Nur beim letzten Teilstück, den letzten 45 Minuten von Omiya nach Sendai, passierte es dann: Wir mussten in einem total überfüllten Zug stehen. Die Bahnmitarbeiter gingen so weit, die letzten Passagiere hineinzudrücken und wir standen in einem vollen Zug in den Gängen, ohne die kleinste Möglichkeit, sich gescheit festzuhalten. Zu guter Letzt erreichten wir aber Sendai und was soll ich sagen, zu Hause ist es doch am schönsten! Und um das zu unterstreichen, fanden meine Eltern das wohl beste Hotelzimmer ihres Urlaubs vor.

Nach dem Reinfall gestern mit den Ramen hatte ich mir für heute etwas Besonderes ausgedacht: Zuerst ging es kurz in meine Wohnung, um den Eltern zu zeigen, wie man so wohnt und dann ging es schon zu meinem Sushimeister. Was ihnen dort geboten wurde, das hatten sie wohl auch nicht erwartet. In guter Tradition hatten wir dem Sushimeister einen Preis genannt, welchen wir investieren wollten. Wir hatten erklärt, dass es die erste Begegnung meiner Eltern mit echtem guten Sushi ist und er solle sich etwas einfallen lassen. Am Anfang musste er erst etwas überlegen, denn er wollte uns ja etwas besonders Gutes bieten. So oft hat er keine ausländischen Sushianfänger bei sich im Laden zu Gast. Für jeden, der sich jetzt über das „Anfänger“ beschweren möchte sei gesagt, dass ich jeden, der nicht schon in Japan an der Quelle Sushi gegessen hat, als solchen sehe.

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Wer einmal „echtes“ Sushi gegessen hat, wird es auf jeden Fall sehr schwer haben, in Deutschland noch einmal das Sushi im Laden zu loben. Auf jeden Fall ließ er sich etwas einfallen und versorgte uns mit einer reichhaltigen Auswahl an Sashimi und Sushi. Auch seine sonst noch angebotenen Köstlichkeiten wie der grüne Tee oder der selbst eingelegte Rettich schmeckten ausgezeichnet. Dass mein Vater ihn über uns noch nach einer Sakeempfehlung fragte, freute den Meister so sehr, dass er von ihm ein handgefertigtes Sakeglas als Geschenk erhielt. So verbrachten wir drei Stunden im Laden, unterhielten uns mit dem Sushimeister, schauten Baseball und genossen das Essen. Die Scharte vom letzten Abend sollte ich damit auf jeden Fall weggemacht haben!

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Tempeltour

Es geschah vor fast sieben Jahren: Dennis und Reik sitzen im Zug mit einer kleinen amerikanischen Reisegruppe, bestehend aus einer Studentin und ihrer Tante und man unterhält sich so:
Tante: „Ach, wenn man einen Tempel kennt, kennt man alle und meine Begleitung zwingt mich, in immer neue zu gehen und dann ist sie auch noch Vegetarierin und ich darf keinen Burger essen.“
Dennis blickt sie mitleidig an und erwiedert nur: „Ich kenne das, mir geht es mit ihm genauso und ich werde von Tempel zu Tempel geschleift.“
Mein freundliches Angebot, dass er mit der Dame geht, während ich mit der Studentin reise, schlug Dennis damals aus. Wie man sieht, kommt er trotzdem noch heute gerne mit in das Land der aufgehenden Sonne und genießt es hier genauso wie ich.

Eine Sache hat sich aber nicht geändert: Die Anzahl der von mir besichtigten Tempel dürfte mittlerweile schon im hohen dreistelligen bis fast vierstelligen Bereich sein und trotzdem besichtige ich sie gerne. Dies durfte meine Mutter heute wieder einmal schmerzlich erfahren.

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Das heutige Ziel unserer Reise war Takayama. Takayama ist eine Stadt in einer Bergregion nahe Nagano, welche sich dank ihrer Position für einige Jahrhunderte fast unbeeinflusst durch den Rest von Japan entwickeln konnte. Besonders der Glauben ist hier noch viel stärker vertreten, als das in anderen Städten in Japan der Fall ist. Sehr anschaulich ist das anhand von 15 haushohen mobilen Schreinen zu sehen, welche zweimal im Jahr durch die Stadt gezogen werden. Einige sind eigentlich zum Tragen gedacht, nur finden sich in der heutigen Zeit keine 40 Leute, welche fast die gleiche Körpergröße haben, um diese Monstren zu transportieren.

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Neben den Wagen gibt es noch rund 20 große Tempelanlagen, welche sich in der ganzen Stadt verteilen. Durch die geografische Lage ist Takayama dabei im Sommer im Schnitt mit dreißig Grad ziemlich warm und wir hatten das Glück, den perfekten Sonnentag zu erwischen. Deshalb ging es, sehr zur „Freude“ meiner Mutter, welche bestimmt noch nach diesem Urlaub Albträume von all den Treppenstufen zu den einzelnen Tempeln bekommt, stundenlang von Tempel zu Tempel.

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Nur am Abend hatten wir etwas Pech. Da in Takayama in der Nähe des Bahnhofs kaum etwas Essbares angeboten wurde waren wir gezwungen, uns abends in Kanazawa noch etwas zu suchen. Da wir nicht lange suchen wollten, nahmen wir gleich ein Ramenrestaurant in der Nähe des Bahnhofs. Doch leider sollte man hier in Japan die Tatsache beherzigen, dass rote Soßen immer sehr scharf sind. Mein Vater hörte meinen Warnhinweis nicht richtig und erhielt so eine Soße, die selbst für Leute, die es scharf mögen, ziemlich anstrengend zu essen war. Aber ich verspreche, die nächsten Tage werden ihn versöhnen!

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Der schönste Garten Japans

Vielleicht erinnert sich einer der geneigten Leser ja noch an meine Ausführungen zum Thema Okayama. Okayama stand in den Bestenlisten von Japan auf Platz Nummer 2 beim Thema „Schönster Park von Japan“. Nachdem es gestern in den Schnee ging und die Natur aufgrund der Wetterbedingungen so ziemlich gar nicht zu sehen war, galt es deshalb für heute wieder näher an diese zu kommen. Was liegt da näher, als den ersten Platz auf der Liste der schönsten Parkanlagen Japans zu besichtigen? Und zu unserem Glück befindet sich dieser Park natürlich in Kanazawa!

Kanazawa01Trotz leichtem Nieselregen machten wir uns heute also auf, um die Stadt Kanazawa zu erkunden. Zuerst ging es zu diesem Zweck in den örtlichen Geishadistrikt. Nun hat Kanazawa an verschiedenen Stellen in der Stadt davon gleich zwei und doch gelang es uns leider nicht, einen Blick auf die örtlichen Amüsierdamen zu werfen. Amüsierdame ist dabei nicht unbedingt aus deutscher Sicht zu sehen, sondern im eigentlichen Sinne des Wortes zu betrachten. Geishas, das Bild Japans in westlichen Medien, sind lange ausgebildete Unterhalterinnen. Sie sollen das zumeist männliche Klientel bei deren Dienstbesprechungen mit Musik und weitreichender Allgemeinbildung, Kanazawa02aber auch mit Spielen, welche in Europa kein Erwachsener mehr spielen würde, unterhalten. In Anbetracht der Jahrhunderte alten Tradition der Geishas werden die Stadtbezirke, in denen sie agieren, auch in einem möglichst traditionellen Kontext belassen und man kann sich ein Bild davon machen, wie Japan vor 100 Jahren im Allgemeinen ausgesehen hat.

Im Anschluss an den Geishadistrikt hatte sich das Wetter endlich so weit entwickelt, dass wir uns in den Park begeben konnten. Die Informationen waren nicht verkehrt, er ist wirklich ein Unikat und einer der schönsten Parks, welche ich in Japan bisher sehen konnte. Ob der Park deshalb aber auf Platz eins gewählt werden muss? Ich kann es nicht sagen, für mich und den europäischen Geschmack war der Park in Okayama schöner. Dies mag aber an den unterschiedlichen Herangehensweisen liegen.

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War Okayama eine echte Parkanlage, welche zum Flanieren in der Natur einlud, so setzt der Park in Kanazawa die Grundprinzipien eines japanischen Gartens auf kleinstem Raum um. Es sind wirklich alle Dinge vorhanden, welche von solch einem Park erwartet werden. Durch diese Ballung wirkt der Park aber auch stark überladen und man weiß nicht unbedingt, was man zuerst bestaunen soll. Ich würde aber jedem Touristen empfehlen, der Japan mal abseits des Mainstreams zwischen Tokyo, Kyoto und Osaka erkunden will, den beiden Parks eine Chance zu geben und sich selbst ein Bild zu machen.

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Am Abend ging es dann noch in ein Restaurant. Nach all meinen Erfahrungen vor zwei Tagen war ich schon leicht nervös. Ob ich wieder weggeschickt werde oder ob ich dieses Mal gleich im ersten Restaurant etwas Essbares erhalte? Ich hatte Glück. Die Karte war zwar ziemlich kompliziert zu lesen, denn wer kennt schon all die japanischen Fischuntersorten und ihre Kanjis. Der Kellner hatte am Anfang Angst vor einem Fiasko aufgrund der Sprache. Nachdem dies aber von mir geklärt werden konnte und er mich gut verstand, fand er Gefallen an uns. Er empfahl uns einige örtliche Fischspezialitäten, die ich so noch nie gegessen habe. Wir wussten zwar nicht immer ganz genau, was wir jetzt gerade essen, aber das ist ja auch nebensächlich, solange es schmeckt. So wurde der Tag in Kanazawa schön abgerundet und wir konnten uns auf die nächste große Fahrt am morgigen Tag vorbereiten.

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Die japanischen Alpen

Zwar habe ich es in Europa erst einmal in die Alpen geschafft, aber in Japan ging es dafür heute schon das zweite Mal dort hin. Vor Monaten schon sahen meine Eltern im Fernsehen die Bilder einer Schneise im Schnee, durch welche sich die Busse den Weg durch die Alpinroute bahnen. Die Entscheidung war also gefallen, wir mussten dort hin. Zu diesem Zweck ging es von Kanazawa nach Toyama. Von dort ging es weiter nach Tateyama, wo die Route in die Berge begann, welche uns auf knapp 2400 Meter Höhe bringen sollte. Zuerst ging es per Kabelbahn das erste Stück hinauf, wo wir die Bahn mit einem Bus tauschten, welcher uns wiederum für eine Stunde durch die Berglandschaft der Gegend führte.
Alpen1Alpen2Alpen7Leider hat der hohe Schnee in den Alpen auch den Nachteil, dass die normalerweise atemberaubende Sicht durch den Schnee stark eingeschränkt wurde. Letztendlich erreichten wir aber unser erstes Etappenziel – die Schneewand. Es ist ein wirklich beeindruckender Anblick, wenn man vor einer 15 Meter hohen Wand aus Schnee steht. Zwar bestehe ich darauf mich erinnern zu können, dass die Grundvoraussetzung für diese Wand eine Schneise aus Stein ist, welche ich bei meinem letzten Besuch sehen konnte, trotzdem muss der Schnee erst einmal so hoch fallen und es ist trotz allem ein beeindruckender Anblick. Der Schnee durfte auch genutzt werden, um Nachrichten zu hinterlassen. Während die meisten das typische Herz wählten, entschieden wir uns für Werbung für den örtlichen Fußballverein aus Magdeburg.
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Mit der Schneewand war der Trip aber noch nicht überstanden. Noch galt es, mit dem Bus durch den Berg zu fahren, mit einer Seilbahn und einer weiteren Kabelbahn die Berge wieder herunterzukommen um dann einen Stausee zu überqueren, um zwei weitere Busfahrten bis zum Bahnhof zu überstehen. Die Aussicht sollte für diese Anstrengungen entschädigen. Trotzdem zeigte sich leider schon hier, was zu meinem großen Feindbild auf dieser Tour werden sollte: Reisegruppen – und in diesem Fall chinesische. Erst einmal muss ich sagen, ich habe wirklich gar nichts gegen Chinesen. Einige meiner besten Freunde wie Jie und Zhen sind Chinesen, aber in diesem Fall waren 90 Prozent der Menschen auf der Stecke Chinesen und sie zeichneten sich durch eine sehr hohe Lautstärke, unhöfliches und rücksichtsloses Verhalten und Egoismus aus. Es begann schon beim Einsteigen in den Bus durch den Berg. Vier Busse gleichzeitig sollten zwei Reisegruppen und die Individualreisenden zur nächsten Station bringen. So etwas kann natürlich nicht zivilisiert abgehen, sondern alle drängelten und drückten. Endlich wollten mein Vater und ich in den letzten Bus einsteigen, als plötzlich von hinten ein Herr angestürmt kam, der meinte, sich da noch vorbeidrängeln zu können und dabei mit Armeinsatz nachzuhelfen. Da hatte er aber die Rechnung ohne die Deutschen gemacht. Mein Rücken hielt ihm gepflegt stand und meinen Vater konnte er auch nicht so einfach aus dem Weg stoßen, wie er es gewünscht hätte. Aber auch nach diesem unschönen Erlebnis wurde es nicht besser. Am Aussichtspunkt der nächsten Station war die Plattform zwar überfüllt, eine Dame war aber der Meinung, sie bräuchte den Platz, damit sie fotografiert werden könne. Deshalb jagte sie alle Menschen aus den Weg, die neben ihr versuchten, über die Balustrade zu schauen. Nachdem sie mir dadurch schon negativ aufgefallen war, rief ihr Gruppenleiter zum Abmarsch und ich hatte das Glück, gerade ebenfalls auf der Treppe zu sein. Mit vollem Körpereinsatz stürzte die Dame in mich hinein, als ob sie die Treppe für sich alleine gepachtet hätte. Das eigentliche Ergebnis eines Sturzes die Treppen herunter kam aber nicht zustande, da ich mein Gleichgewicht rechtzeitig wiederfand und dann dagegenhielt. Ganz gefiel ihr das offensichtlich nicht. Als wir anschließend bei der Kabelbahn anstanden, stand sie neben uns am Gruppeneingang und beschwerte sich lautstark bei ihrem Mann über mich. Mich persönlich anzusprechen, wagte sie dann aber doch nicht. Ein Japaner, welcher das ganze Schauspiel beobachtete, meinte nur entschuldigend zu mir, das seien Chinesen – Japaner wären nicht so. Ich soll als Gast im Land also kein schlechtes Bild von den Japanern bekommen. Da brauchte er sich aber keine Sorgen machen, die Gefahr bestand nicht und auch die Chinesen können nichts für die paar Ausnahmen. Reisegruppen in Europa sind genauso peinlich, wie ich zum Beispiel vor zwei Jahren am Balaton in Form von Deutschen feststellen durfte.
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Nach sieben Stunden auf der Tour erreichten wir dann endlich den Bahnhof und konnten uns auf den Heimweg machen. Das einzige Problem war die Tatsache, dass Kanazawa eigentlich relativ ungünstig lag. Um genau zu sein, mussten wir für die Rückkehr die Alpen komplett umrunden, was natürlich Zeit kostete. So mussten wir über 200 km und drei Stunden fahren, um wieder zum Hotel zu kommen. Die Aussicht und die schöne Natur waren es aber auch wert!

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Es geht nach Kanazawa

Kanazawa? Dieser Ort sagt den meisten Ausländern erst einmal reichlich wenig. Kanazawa ist eine Großstadt an der Westküste Japans, welche kurz vor den japanischen Alpen liegt. Da ich schon alle möglichen Seiten von Japan, aber noch nie die Westküste gesehen habe, kam mir dieser Ort als Ausflugsziel sehr gelegen. Da meine Eltern sich zudem noch die japanischen Alpen als Reiseziel wünschten, stand heute der große Umzug auf dem Programm.

Gut 600 km später kamen wir endlich an. Zwar regnete es leicht, aber der Tag war noch jung und etwas sehen wollten wir schon und essen ist auch nie verkehrt. So machten wir uns auf zu einem 10 km Spaziergang, wobei wir den örtlichen Schlosspark besichtigten und uns den Weg in das Einkaufs- und Essenviertel bahnten. Da Kanazawa relativ langgezogen ist, sind die Orte leider etwas weit auseinandergelegen. Hier passierte es dann. Der Eine oder Andere erinnert sich bestimmt noch, wie ich in Hiroshima die Offenheit und Freundlichkeit der Japaner hervorhob. Dem war nicht immer so und bei meiner ersten Reise im Jahr 2006 ergab sich die Situation, dass Dennis und ich einige Probleme hatten, etwas Essbares zu finden. Seit diesem Urlaub ist mir das Problem nie wieder untergekommen. Der eine oder andere Kellner zitterte zwar, als er mich sah, bewirtet wurde ich aber immer und einen Weg der Kommunikation gab es auch immer. Im blinden Vertrauen auf meine Fähigkeiten ging es so also in ein interessant aussehendes Restaurant, nur um von einer sichtlich eingeschüchterten Kellnerin aufgefordert zu werden, doch bitte zu gehen. Auf Japanisch fragte ich warum und sie erklärte mir, wir können kein Japanisch. Dass ich ihr gerade auf Japanisch zuhörte und ihr auch in der Sprache antwortete, ignorierte sie. Ich versuchte freundlich zu erklären, dass ich lesen könne und auch sprechen, worauf nur ein „nicht genug“ und „bitte gehen sie“ kam. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und ging. So etwas ist mir wirklich lange nicht passiert und Zweifel nagten an mir. War mein Japanisch so schlecht? Habe ich etwas Falsches gesagt? Zum Glück existierte gegenüber gleich ein genauso interessant aussehendes Shabu Shabu Restaurant. Shabu Shabu ist eine heiße Brühe, in die rohes Fleisch, Fisch oder Gemüse geschmissen und dann gekocht gegessen werden. Durch die Brühe nimmt es dann gleich noch den Geschmack an. Schon beim Eintritt nagten die Zweifel an mir. Es gab eine komplett japanische Karte mit vielen Kanjis und Personal, das wirklich nur Japanisch kann. Sollte es etwa so geschehen, wie in dem Restaurant zuvor? Nein, diesmal lief alles glatt. Auf Japanisch erklärte ich dem Kellner, was ich möchte und auch die Karte war kein Problem. Das Essen wurde ein Gaumenschmaus, auch wenn die Brühe verdammt scharf war. Für Japanreisende kann ich also nur sagen, wenn doch mal ein schwarzes Schafdabei ist, ignoriert es. Es gibt so viele Gegenbeispiele, die einem für etwas Bemühen einen schönen Abend bereiten. Da braucht niemand Angst zu haben zu hungern und niemand ist gezwungen, nur in Fastfoodläden zu gehen. Man würde nur einen der wichtigsten Punkte der japanischen Kultur verpassen.
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Onomichi

„Wir haben drei Ziele, welche wir besuchen könnten, aber in dem dritten Ort gibt es eigentlich nicht so viel.“ Mit diesen Worten besprachen wir am Vorabend den nächsten Tag. Am letzten Tag in Hiroshima war das wichtigste Ziel, das Atombombenmuseum zu besuchen. Im Anschluss, so fiel die Entscheidung am Vorabend, sollte es zum Zug gehen und zu dem Ort mit der ältesten noch erhaltenen Pagode Japans. Nun kommt es ja bekanntlich meist anders als man hofft und so auch an diesem Tag. Wir hatten die benötigte Zeit für den Besuch des Friedensmuseum etwas unterschätzt und verpassten so den angepeilten Zug. Von unseren drei möglichen Zielen des Tages waren zwei nun nicht mehr möglich und das dritte Ziel Namens Onomichi sollte laut unseren Recherchen nicht wirklich viel zu bieten haben. Ehe wir aber unsere Zeit nur einfach vergeuden entschieden wir, Onomichi trotzdem eine Chance zu geben. Es sollte sich lohnen. Der Ort ist eine schon in die Jahre gekommene Kleinstadt in der Nähe von Hiroshima. Wenn der geneigte Leser noch nichts davon gehört hat, ist dies also nicht wirklich verwunderlich. Anhand des Zustandes der Stadt kann man leicht ablesen, dass er nicht unbedingt durch Touristen überlaufen wird. Alles erscheint einfach etwas älter und farbloser, als man es von Touristenhotspots wie Tokyo, Kyoto und Hiroshima gewöhnt ist. Trotzdem macht dies auch einen der Reize aus. In Japan ist er dagegen besonders dadurch bekannt, dass einige Künstler hier geboren wurden.
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Der eigentliche Grund für unsere Reise war aber der Tempelrundgang. Onomichi hat im Stadtzentrum über dreißig kleine Tempel. Da die Stadt selber in den Bergen liegt, sind alle zwar zu Fuß, aber durch kleine Seitenstraßen und viel Treppensteigen, erreichbar. So machten wir uns auf den Weg und schafften es wirklich, allen wichtigen Tempeln des Ortes einen Besuch abzustatten. Diese sind zwar nicht unbedingt auf einem Level mit Kyoto, aber auf jeden Fall eine Reise wert, wodurch der Tag sich auf jeden Fall gelohnt hat. Highlight war aber die Auslegung eines japanischen Tempelmottos aus Nikko, wo drei Affen die Ohren, Mund beziehungsweise Augen zuhalten. In Onomichi dagegen wurde eine Skulptur mit dem gegensätzlichen Motto veröffentlicht.
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Im Park von Okayama

Die Japaner lieben Bestenlisten. Es gibt hierzulande Listen für so ziemlich alles. So gibt es die drei schönsten Orte Japans, die drei schönsten Inselorte mit Sendais Matsushima und Hiroshimas Miyajima oder Listen für die Orte mit den schönsten und hässlichsten Frauen Japans, wo Sendai unverständlicherweise auf letzterer genannt wird. Einer Eingebung meines Vaters folgend, ging es diesmal einen anderen Punkt dieser Bestenlisten abzuarbeiten – die der drei schönsten Parkanlagen Japans. Auf dieser Liste ist ein Park in Okayama, einer kleineren Stadt östlich von Hiroshima, verzeichnet.

Bevor wir aber den Park besichtigen konnten, gab es erst einmal ein anderes Ziel. Okayama verfügt noch über ein intaktes Schloss, welches besichtigt werden kann. Das Schloss ist auf jeden Fall eine Reise wert. Zwar sind japanische Schlösser von innen sehr klein, das Museum versucht aber, seine Besucher durch Interaktion zu versöhnen. So gibt es einen Kurs, um Teller in der örtlichen Technik selber herzustellen und ein Kostümfundus erlaubt das Verkleiden als japanischer Adeliger. Da nun offensichtlich nicht allzu viele Ausländer Okayama1in der Stadt vorbeikommen, wurden meine Eltern und ich sofort erst einmal aufgehalten und gefragt, ob wir nicht einmal angestrengt auf eine Karte schauen können. Der Zweck dieser Übung waren Fotos für den neuen Flyer des Museums. Aus diesem Grund kann ich jedem Leser nur raten, Okayama aufzusuchen und bei Gelegenheit eventuell gleich noch einen Flyer mitzubringen.

Okayama6Der Park selber zeigte sich bei bestem Sonnenschein auch von seiner guten Seite. Überall blühte es. Es gab echte Teepflanzen zu bestaunen und viele Japaner beim sonntäglichen Parkbesuch im Kimono. Einige führten sogar einen traditionellOkayama4 japanischen Tanz auf, wobei wir aus der Entfernung zuschauen konnten. Highlight war aber eine Teezeremonie, welcher wir beiwohnten. Japanisches Teetrinken ist eine zelebrierte Kunst und der Tee selber eine Wohltat. Während mein Vater und ich direkt an der Zeremonie teilnahmen, machte meine Mutter Fotos und die Bekanntschaft mit einer japanischen Dame, welche ihr die Zeremonie auf Englisch erkläre. Als sie hörte, dass wir aus Deutschland stammen, musste sogar ihr armer Mann, welcher am anderen Ende des Parks auf sie wartete, zu uns kommen, um mit uns auf Deutsch zu reden. Er selber ist Übersetzter für chemische Texte vom Deutschen ins Japanische und seine Frau wollte so einmal sehen, ob er denn auch die Sprache wirklich kann. So schnell kommt man hierzulande ins Gespräch. Aber was soll ich noch groß reden, schaut euch die Bilder an und seht selber, wie ein echter japanischer Park aussieht.
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Die Insel mit dem Tor gegen das Stadion mit zwei Toren

Tor1Nach dem gestrigen üppigen Okonomiyakimahl könnte ich über den heutigen Tag viel berichten, zum Beispiel über die Reise per Schiff nach Miyajima, der sogenannten Schreininsel. Sie ist berühmt durch ein im Meer stehendes Tor, welches eines, wenn nicht sogar das meist fotografierte Motiv von Japan darstellt. Miyajima liegt eine Stunde von Hiroshima entfernt und galt früher als so heilig, dass niemand die Insel betreten sollte. Um dies zu sichern, wurde ein Tempel und der dazugehörige Eingang in Form des Tors in das Wasser gestellt. Noch heute gilt die Regel, dass man nicht auf der Insel geboren werden und auch nicht sterben soll. Sollte es doch passieren, wird man auf jeden Fall auf dem Festland bestattet.

Ich könnte auch über die Muschelsucher am Tor berichten, welcheTor2 am Wochenende bei Ebbe den Sand rund um das Tor nach lebenden Muscheln durchsuchen, um diese am Abend zu verspeisen, denn diese gelten dank der Nähe zum Tor auch als heilig. Zu guter Letzt bliebe noch der Besuch des örtlichen Berges zu erwähnen, welcher einen 2.5 km langen Aufstieg über Stock und Stein bedeutete – und das bei hohen Temperaturen. Tor3Mutig kämpften sich meine Eltern hoch und das trotz ihres fehlenden Trainings in einer ziemlich guten Zeit. Oben angekommen kann man das ewige Feuer besichtigen, welches auch die Flamme am Atombombendenkmal in Hiroshima entzündete und angeblich vor tausend Jahren entzündet wurde.



Wie man merkt, es gäbe eine Menge Dinge von dieser schönen Insel zu berichten, welche immer eine Reise wert ist. Aber wie könnte ich das tun, wenn sie doch von einem viel wichtigeren Ereignis überschattet wurden, dem Besuch eines Fußballspiels! Nach dem Besuch der Insel sollte es für uns in die Stadt zurück gehen und von dort direkt in die Außenbezirke in den Hiroshima Big Arch. Tor4 Nach dem Unentschieden von Vegalta bei der Saisoneröffnung 2011 war diese Reise mein zweiter Besuch des Stadions, doch dieses Mal sollte alles anders sein. Ich saß dieses Mal auf der Seite von Hiroshima. Hiroshima ist seit meinem letzten Besuch zweimaliger japanischer Meister und auch ansonsten zu einer Fußballmacht in Japan geworden. Da wir am Vortag einen weiblichen Hiroshima-Ultra kennengelernt hatten, wurden wir nun eingeladen, das Spiel mit ihr zu schauen. Zum einen muss man Hiroshima loben. Das Stadion war gut gefüllt und die Fans trugen alle die lila Vereinsfarben. Es wurde aber auch klar ersichtlich, dass ein neues Stadion dringend notwendig ist. Das Big Arch ist ein riesiges Stadion mit Laufbahn und ohne Überdachung. Der trotz des Spielverlaufs fortwährende Support der Fans verblasste aufgrund der Bedingungen aber ziemlich, was schade war in Anbetracht der Unterstützung.

Tor5Das Spiel selber verlief dagegen nicht so gut für Hiroshima. Als Tabellenzweiter spielte man gegen die Kashima Autlers und fand zu keinem Zeitpunkt ein Mittel gegen diese. Fortlaufend waren die Abwehrspieler mehrere Schritte zu langsam und die Angriffe durch Läufe zur Grundlinie und anschießender Flanke verliefen gegen um einen Kopf größere Verteidiger im Sande. Im Endeffekt gab es deshalb für Hiroshima eine verdiente Niederlage, auch wenn unsere Begleitung uns versicherte, dass die Niederlage nur an dem Champions League Spiel zwei Tage zuvor lag. Trotz allem war es ein netter Abend. Unsere Bekanntschaft stellte uns ihrem Ehemann und ihren Freunden vor und als neutraler BetrachterTor6 kann man ja auch Niederlagen überstehen. Besonders beeindruckten uns aber die Fans. In den Reihen der wirklichen Ultras war der Kleinkinderanteil gigantisch. Wo in Magdeburg ein extra Familienblock existiert, sitzen hier die Ultras an ihren gewohnten Stellen und bringen ihren Kindern frühzeitig das Unterstützen bei. Zu vergleichen mit Fußball in Deutschland ist der Sport hier aber noch nicht.

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Endlich mal wieder Okonomiyaki

Weiter geht es. Nun sind meine Eltern schon fünf Tage hier in Japan und es wird Zeit, die Großstadt zu verlassen. Nach der Metropole Tokyo soll es in eine etwas beschaulichere Stadt gehen, nach Hiroshima. Neben Sendai ist Hiroshima meine Lieblingsstadt in Japan. Innerhalb von acht Jahren besuche ich die Stadt nun schon zum dritten Mal und mein Lieblingsessen, Okonomiyaki, ist gleichzeitig die Spezialität des Ortes. Die Gründe, warum ich die Stadt mag, sind dabei vielfältig. Im Vergleich zu Tokyo ist die Stadt grüner, die Wege kürzer und die Menschen freundlicher.
ShikhansenNach fünf Stunden Fahrt hatten wir es dann auch geschafft und erreichten die Stadt. Nach einem kleinen Fußmarsch waren wir dann auch endlich im Hotel. Das Hotel hat schöne große Zimmer, auch wenn es wohl alles vor ein paar Jahren modern war und der Zahn der Zeit ein wenig genagt hat. Trotz allem lässt es sich hier aushalten. Nach kurzem Auspacken ging es auch schon los, Hiroshima zu erkunden. Ich schaffte es, den Atombombenpark vorzuführen und auch noch einen Abstecher zur Burg von Hiroshima einzuplanen, ehe die Sonne unterging. Hiroshima1 Das eigentliche Highlight sollte aber später kommen.
Es war Abend und unsere kleine Reisegruppe bekam langsam Hunger. Was isst man nun, wenn man schon mal im schönen Hiroshima ist? Natürlich gibt es da nur eine Antwort: Es wurde Zeit, meinen Eltern das gute alte Okonomiyaki-Viertel zu zeigen. Dabei handelt es sich um ein mehrstöckiges Haus, in dem sich Okonomiyaki-Restaurant neben Okonomiyaki-Restaurant reiht. Schon in der ersten Etage entschieden wir uns für eine der kleinen Buden, wo zwei ältere Damen und eine junge Angestellte arbeiteten. Hiroshima3Sie hatten nur drei Sorten im Angebot, aber das hörte sich gut genug an und wir speisten auch ziemlich gut. Nun sind japanische Essensgrößen nicht unbedingt groß genug für einen Standardeuropäer, weshalb mein Vater und ich uns einigten, dass wir uns noch ein Okonomiyaki teilen. Noch einmal wollte ich aber nicht in der gleichen Bude essen, weshalb wir eine Etage höher noch einmal nach etwas gut aussehendem suchten. Auf Anhieb fiel mir ein Laden mit Fußballartikeln von Sanfrecce Hiroshima auf.Keine Frage, hier wollte ich essen oder gar nicht! Diese Entscheidung entpuppte sich als goldrichtig. Im hinteren Bereich saßen drei Japaner, wovon zwei Geschäftsmänner schon gut angeheitert waren. Sie erklärten mir, dass ihre Begleiterin Englisch sprechen wollte und nur zu gerne mit mir sprechen würde. Mit meinem besten Japanisch erklärte ich, dass ich nur zu gerne Englisch antworten würde, aber im Zweifel kann man natürlich auch in der eigenen Landessprache mit mir reden. In einem von Touristen nur so überfüllten Gebiet hatte ich einen Nerv getroffen. Ein Ausländer mit Japanisch-Kenntnissen, der musste befragt werden. Um uns länger an sie zu binden, wurde erst einmal uns allen dreien Bier auf Kosten eines der Männer versprochen. Ohne es mitzubekommen wurde das große Bier, welches mein Vater gerade bestellte hatte, in ein Freibier umgewandelt.

Danke dem  Spender - der Herr mit Krawatte!

Danke dem Spender – der Herr mit Krawatte!

Ehe ich überhaupt groß zum Bestellen kam, entschied der freundliche Herr, uns gleich auch noch zum Essen einzuladen. So wurde uns erklärt, wir sollen uns auf seine Kosten doch drei Okonomiyaki bestellen. So viel zum Thema Kleinigkeit und nur satt werden! Es entwickelte sich ein Gespräch, in dem ich kaum zum Essen kommen sollte. Die Dame, welche die Übersetzerin spielte, stellte sich als Ultra des örtlichen Fußballteams heraus, welche uns für das morgige Spiel prompt in den Supporterbereich einlud. Die anderen waren mehr an meinem Interesse an Japan interessiert. So stellte einer der Herren fest, ich sei sein Erzfeind, da ich die Meiji-Zeit untersuche. Als ich versuchte, die Zusammenhänge zu verstehen, erklärte er mir, dass es eine Meiji Milchfirma gibt und er arbeitet bei deren Konkurrenz.

Hatte ich bei der Befragung und mit meinen Japanisch-Kenntnissen schon einige Pluspunkte gesammelt, verblüffte ich die Anwesenden dann vollständig, als ich auf Nachfrage nach meinem Namen gekonnt meine Visitenkarten herausholte und diese fachmännisch in bester japanischer Tradition verteilen konnte. Meine Gesprächspartner waren perplex und die Köchinnen lagen vor Lachen fast auf dem Boden. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß. Damit meinen Eltern der ebenfalls nicht vergeht, wurde die Bestellung des Absackerbiers für meinen Vater nach dem Okonomiyaki ungefragt auch gleich noch einmal von einer kleinen in eine große Portion umgewandelt. Dazu gab es den Hinweis, dass ein so großer Mensch wie er doch nicht so eine kleine Portion trinken könnte, das wäre doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Was soll ich noch groß sagen? Es war eine legendäre Nacht, welche man kaum richtig beschreiben kann. Wir haben sehr gut gespeist, dafür noch nicht einmal bezahlen müssen, neue und auch noch freundliche Leute kennengelernt, wovon wir morgen eine mit ziemlicher Sicherheit beim Fußball treffen werden. Hiroshima hat einmal mehr gezeigt, warum ich es so mag. Und wer auch immer behauptet, Japaner wären immer ernst und korrekt, der hat sich noch nie auf die Kultur eingelassen und die herzliche Seite des Landes kennengelernt!

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