Endlich mal wieder Okonomiyaki

Weiter geht es. Nun sind meine Eltern schon fünf Tage hier in Japan und es wird Zeit, die Großstadt zu verlassen. Nach der Metropole Tokyo soll es in eine etwas beschaulichere Stadt gehen, nach Hiroshima. Neben Sendai ist Hiroshima meine Lieblingsstadt in Japan. Innerhalb von acht Jahren besuche ich die Stadt nun schon zum dritten Mal und mein Lieblingsessen, Okonomiyaki, ist gleichzeitig die Spezialität des Ortes. Die Gründe, warum ich die Stadt mag, sind dabei vielfältig. Im Vergleich zu Tokyo ist die Stadt grüner, die Wege kürzer und die Menschen freundlicher.
ShikhansenNach fünf Stunden Fahrt hatten wir es dann auch geschafft und erreichten die Stadt. Nach einem kleinen Fußmarsch waren wir dann auch endlich im Hotel. Das Hotel hat schöne große Zimmer, auch wenn es wohl alles vor ein paar Jahren modern war und der Zahn der Zeit ein wenig genagt hat. Trotz allem lässt es sich hier aushalten. Nach kurzem Auspacken ging es auch schon los, Hiroshima zu erkunden. Ich schaffte es, den Atombombenpark vorzuführen und auch noch einen Abstecher zur Burg von Hiroshima einzuplanen, ehe die Sonne unterging. Hiroshima1 Das eigentliche Highlight sollte aber später kommen.
Es war Abend und unsere kleine Reisegruppe bekam langsam Hunger. Was isst man nun, wenn man schon mal im schönen Hiroshima ist? Natürlich gibt es da nur eine Antwort: Es wurde Zeit, meinen Eltern das gute alte Okonomiyaki-Viertel zu zeigen. Dabei handelt es sich um ein mehrstöckiges Haus, in dem sich Okonomiyaki-Restaurant neben Okonomiyaki-Restaurant reiht. Schon in der ersten Etage entschieden wir uns für eine der kleinen Buden, wo zwei ältere Damen und eine junge Angestellte arbeiteten. Hiroshima3Sie hatten nur drei Sorten im Angebot, aber das hörte sich gut genug an und wir speisten auch ziemlich gut. Nun sind japanische Essensgrößen nicht unbedingt groß genug für einen Standardeuropäer, weshalb mein Vater und ich uns einigten, dass wir uns noch ein Okonomiyaki teilen. Noch einmal wollte ich aber nicht in der gleichen Bude essen, weshalb wir eine Etage höher noch einmal nach etwas gut aussehendem suchten. Auf Anhieb fiel mir ein Laden mit Fußballartikeln von Sanfrecce Hiroshima auf.Keine Frage, hier wollte ich essen oder gar nicht! Diese Entscheidung entpuppte sich als goldrichtig. Im hinteren Bereich saßen drei Japaner, wovon zwei Geschäftsmänner schon gut angeheitert waren. Sie erklärten mir, dass ihre Begleiterin Englisch sprechen wollte und nur zu gerne mit mir sprechen würde. Mit meinem besten Japanisch erklärte ich, dass ich nur zu gerne Englisch antworten würde, aber im Zweifel kann man natürlich auch in der eigenen Landessprache mit mir reden. In einem von Touristen nur so überfüllten Gebiet hatte ich einen Nerv getroffen. Ein Ausländer mit Japanisch-Kenntnissen, der musste befragt werden. Um uns länger an sie zu binden, wurde erst einmal uns allen dreien Bier auf Kosten eines der Männer versprochen. Ohne es mitzubekommen wurde das große Bier, welches mein Vater gerade bestellte hatte, in ein Freibier umgewandelt.

Danke dem  Spender - der Herr mit Krawatte!

Danke dem Spender – der Herr mit Krawatte!

Ehe ich überhaupt groß zum Bestellen kam, entschied der freundliche Herr, uns gleich auch noch zum Essen einzuladen. So wurde uns erklärt, wir sollen uns auf seine Kosten doch drei Okonomiyaki bestellen. So viel zum Thema Kleinigkeit und nur satt werden! Es entwickelte sich ein Gespräch, in dem ich kaum zum Essen kommen sollte. Die Dame, welche die Übersetzerin spielte, stellte sich als Ultra des örtlichen Fußballteams heraus, welche uns für das morgige Spiel prompt in den Supporterbereich einlud. Die anderen waren mehr an meinem Interesse an Japan interessiert. So stellte einer der Herren fest, ich sei sein Erzfeind, da ich die Meiji-Zeit untersuche. Als ich versuchte, die Zusammenhänge zu verstehen, erklärte er mir, dass es eine Meiji Milchfirma gibt und er arbeitet bei deren Konkurrenz.

Hatte ich bei der Befragung und mit meinen Japanisch-Kenntnissen schon einige Pluspunkte gesammelt, verblüffte ich die Anwesenden dann vollständig, als ich auf Nachfrage nach meinem Namen gekonnt meine Visitenkarten herausholte und diese fachmännisch in bester japanischer Tradition verteilen konnte. Meine Gesprächspartner waren perplex und die Köchinnen lagen vor Lachen fast auf dem Boden. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß. Damit meinen Eltern der ebenfalls nicht vergeht, wurde die Bestellung des Absackerbiers für meinen Vater nach dem Okonomiyaki ungefragt auch gleich noch einmal von einer kleinen in eine große Portion umgewandelt. Dazu gab es den Hinweis, dass ein so großer Mensch wie er doch nicht so eine kleine Portion trinken könnte, das wäre doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Was soll ich noch groß sagen? Es war eine legendäre Nacht, welche man kaum richtig beschreiben kann. Wir haben sehr gut gespeist, dafür noch nicht einmal bezahlen müssen, neue und auch noch freundliche Leute kennengelernt, wovon wir morgen eine mit ziemlicher Sicherheit beim Fußball treffen werden. Hiroshima hat einmal mehr gezeigt, warum ich es so mag. Und wer auch immer behauptet, Japaner wären immer ernst und korrekt, der hat sich noch nie auf die Kultur eingelassen und die herzliche Seite des Landes kennengelernt!

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