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Reise in die Hauptstadt

Vor dreihundert Jahren musste eine Gesandtschaft der Holländischen Faktorei in Dejima ein bis zwei Mal im Jahr nach Eddo, dem heutigen Tokyo, reisen, um dem Shogun über die neuesten Ereignisse in Europa Bericht zu erstatten. Glücklicherweise sind diese Zeiten lange vorbei, doch lässt sich feststellen, dass immer noch viele Wege nur über Tokyo laufen, besonders was meine Forschungen anbelangt. Dank der durch die Tokugawa Dynastie eingeführten Zentralisierung in die östliche Hauptstadt sah sich auch der Kaiser nach der Rückübernahme der Herrschaft gezwungen, seinen Sitz nach Tokyo zu verlegen.

Dementsprechend wurde Tokyo immer größer und die Anpassung des Landes an die Bedingungen der restlichen Welt gingen zentral von Tokyo aus. Aus diesem Grund gibt es drei Orte, an denen sich die Ausländer nach der Zwangsöffnung Japans sammelten. Tokyo, Yokohama und Kobe waren diese Zentren und die Orte, an denen ich mit meinen Forschungen beginnen muss.

Zu diesem Zweck ging es in der letzten Woche nach Tokyo. Normalerweise ist das eine Reise für das sehr gut ausgebaute Fernbusnetz Japans, aus Zeitgründen genoss ich aber einmal den Luxus eines Shinkansen. Mit 300 km/h erreicht man die Stadt doch um einiges schneller und bequemer. Besonders die Beinfreiheit der Züge hat es mir angetan, denn bequem Reisen ist in Deutschland selbst in den Luxuszügen nicht immer gegeben.

Mein Ziel der Reise war die Ostasiatische Gesellschaft. Sie wurde im neunzehnten Jahrhundert durch die Leute gegründet, die ich derzeit erforsche. Diese Organisation hat eine der besten Bibliotheken über die deutschen Tätigkeiten in Japan. Da ich diese Bibliothek noch einige Zeit nutzen möchte und es im Allgemeinen auch nicht schadet, Kontakte mit den einzelnen Institutionen zu unterhalten, wurde ich gleich im ersten Schritt Mitglied. Begeistert davon erklärte man mir die Bibliothek noch genauer und die Untersuchungen konnten beginnen. Man muss sagen, die erste Person, die ich erforschen will, Max Fesca, scheint dabei ein interessanter Fall zu werden. Fesca veröffentlichte mehrere Artikel in der Vereinszeitschrift und hielt einige Vorträge, aber in der heutigen Zeit hat keiner der Angestellten seinen Namen bisher gehört. Auch die Untersuchung der dazugehörigen Materialien ergaben ein interessantes Bild. So wird er von Bälz, dem vermutlich bekanntesten und wichtigsten Deutschen in Japan zu der betrachteten Zeit, als einer der drei wichtigsten Autoren über Japan genannt. Auch in den Tagebüchern von einigen wichtigen Persönlichkeiten taucht er wie selbstverständlich auf und war die Person, welche man vor dem Verlassen Japans noch einmal treffen musste. Trotz allem ist sein Wirken in den deutschen Quellen auf Nebensätze beschränkt. Der nächste Gang ist deshalb in das Archiv der Tokyo Universität, um seine Akten zu suchen. Diese Anfrage, welche sich als komplizierter erwies, als es in einem deutschen Archiv der Fall sein würde, ist dann im Zusammenhang mit Fesca der nächste Schritt. Trotz allem erweist sich Fesca als eine sehr interessante Person. So konnte ich ein Zitat von ihm auffinden, welches im Zusammenhang eines Vortrags über Landwirtschaft in Japan als Abschlusswort fiel. Er stellte fest, dass, wenn den Japanern eines fehlen würde, dies eindeutig ein anständiger Misthaufen sei. Aber auch neben Fesca war die Bibliothek ziemlich interessant. So ergaben sich Ansätze zu neuen Personen, welchen ich in meinen weiteren Untersuchungen mehr Gewicht einräumen werde.

Auch neben den Forschungen hatte ich eine sehr gute Zeit in Tokyo, wobei ich fast auf dem Bahnhof nächtigen durfte. Als ich erschöpft abends mein Hotel erreichte, konnte der Azubi an der Rezeption meinen Namen in den Buchungen nicht finden. Dieses Problem hätte man leicht aus der Welt schaffen können, wenn er mir einfach mal auf Japanisch berichtet hätte, wo es Probleme gibt. Leider war der Herr der Meinung, ich verstehe nur Englisch und da er nur die Worte „Sorry“, „Thank you“ und „Please wait“ konnte, wurden dies sehr anstrengende 15 Minuten, in denen er sich tausendmal entschuldigte und mich immer wieder alleine ließ, ohne dass ich auch nur den Hauch einer Ahnung hatte, was er denn überhaupt wollte. Als es mir dämmerte, dass er meinen Namen nicht findet, erklärte ich ihm, dass meine Buchungswebsite auf eine japanische Umschrift bestand. Also suchte er auf Japanisch, ohne mich aussprechen zu lassen, dass eine Umschrift immer eine Lautumschrift ist und deshalb anstelle eines „re i“ ein „ra i“ zu suchen ist. So vergingen wieder kostbare Minuten, bis ich ihm dann doch meine Registrierung unter die Nase hielt. Aber er konnte mich immer noch nicht finden. Langsam reichte es mir und ich überlegte schon, welcher Japaner mir um diese Uhrzeit noch Asyl anbieten würde, als ich ihm eine letzte Chance gab und auf Japanisch meinen Namen noch einmal laut nannte. Jetzt kapierte er, dass ich besagte Person auf der Reservierung war. Meinen Nachnamen konnte er finden, aber da ja ein anderer Vorname da war, konnte ich das ja nicht sein. Schon alleine, dass er lieber mit seinem Vorgesetzten sprach, als einfach mich zu fragen, ließ mich nur ungläubig zurück. Zum Glück war es aber endlich in Ordnung und ich erhielt für einen super Preis ein perfektes Zimmer, auch wenn ich der Meinung war, dass ein Manga über die Geschichte des Hotels auf dem Zimmer doch etwas übertrieben war.

Damit war mein Tag aber noch nicht zu Ende. Nun ging es zum angenehmen Teil des Lebens über. Ich traf meine alte Freundin Yuka und wir hatten einen tollen Abend in einem Fischrestaurant. Neunzig Prozent der Leute, die ich kenne, hätten zwar bei dem Essen etwas geschluckt, denn zum Beispiel frittierte Tintenfischsaugnäpfe ist nicht gerade Standardessen in Europa, aber es war sehr lecker und wir hatten eine schöne Zeit.

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So verbrachte ich drei Tage über Büchern, bis es wieder in das beschaulichere Sendai ging, wo ich jetzt einige Tage brauchen werde, um mich mit dem Gefundenen auseinanderzusetzen. Auf jeden Fall werde ich die Tour nach Tokyo nun häufiger machen, denn nur so kann ich die Resultate erreichen, welche ich für meine Forschungen benötige.

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Wer braucht schon Schlüssel?

Wir merken, mein Weihnachten war nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber es kann ja nicht immer so laufen. Es gibt ja noch das Neujahr und das ist auch viel wichtiger, als Weihnachten. Der Finger ist halb verheilt, mit Norihiro, meinem alten Kumpel, ist ausgemacht, dass wir uns im Büro treffen und dann eventuell etwas zusammen unternehmen. Nachdem Professor Morimoto sich am Vortag erst lustig gemacht hatte, dass wir uns doch gefälligst ein Leben suchen sollen, weil wir abends noch im Büro saßen, war dieser Punkt eigentlich Ehrensache. Wobei, mein werter Professor soll sich nicht beschweren, schließlich saß er auch am 30.12. um 18 Uhr noch im Büro, wenn das keine Arbeitsmoral ist, weiß ich es auch nicht. Meine Spiegelreflexkamera war auch eingepackt und bereit, um Mitternacht die besten Fotos vom Tempel zu knipsen, die ich je gemacht habe. Was könnte schon schiefgehen?

Eigentlich alles, schließlich wäre das Leben ja auch viel zu langweilig, wenn alles nach Plan verläuft. Da muss man schon selber für etwas Stimmung sorgen. Als ich gegen drei Uhr das Büro betrat, gab es die erste Überraschung: Norihiro war nicht da. Bis heute weiß ich nicht genau, was ihm dazwischen gekommen ist, aber ich hatte ja eh noch Zeit und wollte sowieso  noch ein paar Dokumente lesen. Doch plötzlich klingelte das Telefon. Lars rief aus Deutschland an und in meinem Büro saß noch eine Person, welche ausgiebig an ihrer Masterarbeit schrieb. Ich entschuldigte mich für das Klingeln, ließ meine Sachen liegen und begab mich in den gegenüber liegenden Nachbarraum, den man nur mit einem Schlüssel aus dem Hauptbüro betreten kann. Es ist hinlänglich bekannt, dass die meisten Leute, die dort hingehen, ihre Sachen im Büro liegen lassen und man nachfragt, bevor man das Hauptbüro abschließt, aber leider war es Silvester und normale Dinge zählen nicht. Nach einer halben Stunde Gespräch mit Lars erinnerte ich mich an meinen Schlüssel und beschloss, ihn lieber zu holen. Ich wollte ja nicht, dass noch ein Unglück geschieht, aber es war zu spät. Die Dame war gegangen und meine Tasche, mein Büro- und Haustürschlüssel und natürlich meine Kamera lagen allesamt im Büro und ich hatte kein Mittel, um sie zu erreichen. Ich tat das einzig Logische und rief bei Norihiro an, der leider nicht heranging und den ganzen Abend nicht zurückrief. Da stand ich nun, mit einer Strickjacke, einem Schlüssel für das falsche Büro und Lars am Telefon, welcher mir moralischen Beistand leistete. Was sollte ich machen?

Nachdem nach über einer Stunde noch kein Lebenszeichen von meinen Mitstudenten auftauchte entschied ich, bei Temperaturen um 0 Grad nach Hause zu laufen und den dort auf der gegenüberliegenden Straßenseite ansässigen Norihiro direkt aufzusuchen. Es kam, wie es kommen musste, er öffnete natürlich nicht. Ich holte mein Rad und fuhr wieder zurück zu meinem Büro. Mittlerweile waren drei Stunden vergangen, Lars war immer noch nahe des Telefons, meine Suche nach einem Hausmeister erwies sich auch nicht als erfolgreich und eine leichte Unterkühlung hatte ich mir auf dem Rad auch noch zugezogen. Perfekt, warum sollte nach dem blutigen Weihnachten auch mein Neujahr klappen? Ich konnte ja im Büro schlafen. Langsam genervt von der Situation fing ich an, bei anderen Laboren zu klopfen. Die meisten mit Licht hatten natürlich vergessen, das Selbige beim Verlassen auszumachen und das, wo ich besonders Hoffnung in die englische Literatur gesetzt hatte, die eventuell ja meine Erklärung des Problems verstanden hätte. Schweren Herzens versuchte ich es bei den Franzosen. Man kennt ja die Bereitschaft der echten Nation, Englisch zu sprechen und nach den Erfahrungen mit meinem Lab hatte ich kaum Hoffnung, dass sie mich verstehen würden. Zu meiner Überraschung war eine Studiengruppe von 6 Leuten da, welche mich mit Tee aufwärmten, gutes Englisch sprachen und dazu ihren Professor zuhause rausklingelten, der ihnen erklärte, wo ein Zentralschlüssel zu finden sei. Zusammen ging es also zum Wachmann, der mich endlich an meine Sachen kommen ließ. Eigentlich hatte ich für mein Lab eine große Packung von Süßigkeiten von der MafuMafu-Weihnachtsparty mitgebracht, nach der Aktion hatten sie es aber nicht mehr verdient und die rettenden Franzosen bekamen die Sachen. Mein Büro kann sich dagegen schon mal freuen, wenn die Feierlichkeiten zu Ende sind. Das muss noch mal ausgewertet werden.

Auf jeden Fall schaffte ich es gegen 19 Uhr nach Hause und anstelle meines geplanten Ganges in die Innenstadt, blieb ich zuhause und verbrachte die nächsten Stunden in Ruhe und Gemütlichkeit. Erst um 23.30 Uhr ging es los in den benachbarten Tempel, wo schon eine ewig lange Schlange bereitstand, um in den Tempel zu gehen. So wichtig ist mir das Beten nicht, denn ich will ja Bilder machen, also schlich ich mich auf Umwegen nach vorne, um einige Fotos zu machen, nur um bei den Neujahrstrommeln in den Tempel geschliffen zu werden und nach fünf Minuten schon meine Neujahrsglocken zu klingeln. Nach all den Erlebnissen des Tages musste ich mir natürlich auch eine Zukunftsvorhersage besorgen, schließlich kann es nach den letzten zwei Wochen nur vorwärts gehen und was soll ich sagen, mittleres Glück steht im nächsten Jahr an. Da ich letztes Neujahr eine Vorhersage für schlechtes Glück hatte, welches mir nur versicherte, dass ich dorthin komme, wo ich hin möchte, ist das eine klare Steigerung.

Ich freue mich auf das neue Jahr und wünsche allen ein frohes und gesundes Jahr 2014!

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Es weihnachtet sehr

Wir schreiben den 24. Dezember 2013 und nach europäischen Standards steht Weihnachten vor der Tür. Während in Europa die Weihnachtsbäume geschmückt werden und die Kinder auf die Geschenke starren, ist hierzulande Weihnachten nur das Fest für Verliebte. Man geht mit der Freundin aus, schenkt den Kindern eventuell eine Kleinigkeit, aber ansonsten läuft das Fest ganz normal ab. Zu allem Überfluss ist auch nur Silvester das wirklich wichtige Fest, das man mit seiner Familie verbringt. Da man als guter Student natürlich nicht in der gleichen Stadt wohnt wie die Eltern, verschwinden so langsam alle Japaner in Richtung der Heimat, um mit ihren Familien zu feiern. Da es gleichzeitig auch die Ausländer wie Orsolya in  Richtung Heimat zu ihren Familien zieht, ist das Leben in Sendai ruhiger geworden, wenn nicht eventuell sogar etwas langweilig. Was liegt also näher, als selber für etwas Spannung zu sorgen.

Es ist Weihnachtsmorgen, eigentlich habe ich nur zwei Pläne: Erst einmal will ich die Fahrräder von Orsolya und mir wintertüchtig machen und dann Weihnachten mit den wenigen verbliebenen Japanern in meinem Büro verbringen. Was ich bei dieser Planung nicht bedacht habe war, dass die Gangschaltung von Orsolyas Fahrrad etwas dagegen haben könnte. Auf unerklärliche Weise schnitt ich mir den halben linken Zeigefinger beim Reparieren auf. An sich finde ich derartige Wunden nicht weiter tragisch, sie bluten halt nur ein wenig. Aber ist Weihnachten nicht eh mit der Farbe Rot verbunden? Kurzerhand suchte ich etwas Küchenpapier und das „Ilka mega-deluxe Survival-Paket“ für Unfälle aller Art heraus, welches meine Mutter mir für den Notfall in meine Tasche gesteckt hat. Mit einer interessanten Konstruktion verband ich den Finger, nicht ohne wunderschöne rote Handabdrücke auf der Tür zu hinterlassen, um die mich jeder Horrorfilm beneidet hätte und welche ich noch tagelang entfernen durfte.

Gut, das Blut wurde aufgefangen, aber die Lust auf Fahrrad war mir herzlich vergangen. Dann gehe ich halt zum zweiten Tagespunkt über, das Büro. Auf dem Weg dorthin rief noch Orsolya an und meinte, ob ich nicht doch lieber einen Arzt besuchen wollte. Kein Problem, ein wenig desinfizieren kann ich bestimmt auch im Büro, so ein Gebäude sollte doch ein Erste Hilfe Set rumstehen haben. Dem war leider nicht so, aber eine sehr besorgte 25jährige Japanerin opferte sehr besorgt ihre Bärchenpflaster für meinen Finger. Man stelle sich das mal vor: 25jährige Japaner benutzen Pflaster, für dich sich bei uns im Lande jedes Kind über zehn schämen würde! Anbringen musste das Pflaster ein Kommilitone, der halb in Ohnmacht fiel und blind arbeitete. Na gut, die Reaktion überzeugte mich, ich beschloss doch mal meinen Arzt aufzusuchen. So konnte ich auch wenigstens die seltsamen Pflaster wieder loswerden. Vorher musste aber noch für die Anwesenden eine Entschuldigung für das Nichterscheinen beim Unterricht am nächsten Tag erstellt werden, da die Anwesenden einen Tag vorher in die Heimat wollten. So viel Zeit muss sein!

Kurzerhand ging ich zu meinem alten Hausarzt, welcher mich gleich fachmännisch versorgte und sich sehr freute, mit einem Deutschen zu arbeiten. Bei jedem Schritt erklärte er seiner Schwester die deutschen Fachbegriffe wie „Schnittwunde“ und freute sich wie ein Kind, dass er nach vierzig Jahren sein Universitätsdeutsch noch konnte. Auf jeden Fall ist ansonsten nichts Schlimmes geschehen und am Abend konnte ich noch mein Weihnachtsgeschenk aus Deutschland öffnen, für welches ich mich auf diesem Weg noch einmal herzlich bedanken will. Ich versuche die nächsten Tage dann mal, etwas vorsichtiger zu sein.

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Weihnachtsfeier, die II.

Eine Sache, die sich in drei Jahren nicht geändert hat, ist meine Verbandelung mit dem MafuMafu. Zwar hat das Cafe zugemacht und meine wirklichen Freunde haben mittlerweile andere Berufe, aber doch kennt man sich und hilft einander. Trotzdem war die Mail, welche Orsolya vor einigen Tagen erhielt, schon etwas seltsam. Dort hieß es doch wirklich, dass man gerade zu wenige Helfer habe und ob Orsolya nicht mich schicken könnte, um zu helfen. Normalerweise lasse ich mich ja ungerne herumkommandieren und solche plumpen Versuche ignoriere ich erst recht, aber die alte Verbundenheit zu Yusukes und Thomas alter Arbeitsstelle überwog dann doch und so machte sich Orsolya auf zu einem Heimaturlaub in Ungarn und ich zu besagter Weihnachtsfeier. Es ist nun schon meine dritte Weihnachtsfeier mit dem MafuMafu und ich muss sagen, ich wurde sehr enttäuscht. Vor drei Jahren war es eine Feier mit dreihundert Teilnehmern und einem bunten Programm unter Thomas Leitung. Letztes Jahr gab es eine Liveband, rund 250 Teilnehmer und eine super Stimmung unter Yusukes Leitung und ich dachte, das MafuMafu hat endlich gelernt, wie man Feiern veranstaltet. Aber dieses Jahr hat mich auf den Boden der Realität zurückgebracht.

Der größte Fehler war wohl, dass das Cafe zugemacht hat. Auch wenn es ein Zuschussgeschäft war, so hat es doch ein Alleinstellungsmerkmal für die Sprachschule ausgemacht, welches wohl nicht zu ersetzen sein dürfte. Man war nahe an den Ausländern dran und konnte diese zu Veranstaltungen gewinnen. Wenn also hundert Ausländer für eine Sprachfeier gewonnen werden konnten, so war es sicher, dass die dreifache Anzahl an Japanern bereit war, für die Veranstaltung Geld auszugeben und auch zu erscheinen. Genau dieses fehlte diesmal und die Feier verlief ziemlich klein mit rund 23 Ausländern, von denen noch 8 Leute gar nicht auftauchten und rund 70 Japanern. Auch die Feier verlief so ab, wie vor drei Jahren die kleinen monatlichen Sprachpartys abliefen. Nur diese waren damals monatlich und keine Besonderheit, so dass sich zu Weihnachten die Anzahl der Teilnehmer stark erhöhte.

Aber genug davon. Meine Aufgabe war es, beim Aufbau und Abbau zu helfen und die Rezeption zu übernehmen. Ein sehr dankbarer Job, konnte ich doch immer wieder Leute von drinnen überzeugen, mir etwas Essbares zu besorgen und bevor ich mein Getränk auch nur schräg anschauen konnte, hatte ich auch schon ein neues Bier in der Hand.  Besser hätte es für mich eigentlich nicht laufen können. Nur der Abbau zeugte von fehlender Organisation. Während 4 Japaner einen Tisch trugen, tat ich selbiges allein. Dementsprechend ließen sie mich gleich den ganzen Abbau machen, während sie die Kisten einpackten. Nur einmal wurde ich in meiner Ehre gekränkt. Wir hatten 4 große Paletten als Bühne. Während wiederum 4 Leute eine trugen, hielt es die zierliche Mitarbeiterin des Hauses nicht aus und trug eine alleine. Als ich das sah, konnte ich natürlich nicht nachstehen und tat es ihr gleich, auch wenn ich dazu die Dame vertreiben musste, als sie dann bei mir helfen wollte.

Insgesamt war es aber ein lustiger Abend, da ich mich gerne mit den Japanern unterhalte und ich so einige nette Bekanntschaften machte. Trotzdem tat es mir, wie man glaube ich auch im Text erkennen kann, in der Seele weh zu sehen, wie mein alter Lieblingstreff in nur drei Jahren abgebaut hat. Vielleicht sollte ich doch noch mal bei Gelegenheit einwerfen, dass sie sich doch vertrauensvoll an mich wenden sollen, wenn sie einen Ersatz für Thomas bei einer etwaigen Neueröffnung des Cafés benötigen. Aber eins kann ich sagen, es wird Zeit, dass Weihnachten vorbei ist. Ich kann die schlechten Coverversionen von europäischen und amerikanischen Weihnachtsliedern auf Japanisch nicht mehr hören.

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Der unhöfliche Koch und die zwei Russen

Wenn ich eine Sache hier in Sendai bereue, dann, dass ich eigentlich im Verhältnis zu 2010 relativ wenig Ausländer kenne. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen will sich das Kameradschaftsgefühl nicht so wirklich einstellen, da ich nicht in einem Wohnheim wohne und auch nicht wirklich in einem Programm bin und zum anderen hat sich in den letzten Jahren die Ausländeranzahl stark erhöht, weshalb man nicht mehr jeden kennt, sondern nur noch in seinem Programm vernetzt ist. Als jemand, der kein Programm hat, bin ich in solchen Zirkeln dann natürlich etwas außen vor. Aber das ganze Problem lässt sich ja leicht umgehen, solange regelmäßig Besuch aus Deutschland kommt und genau diesen gab es diese Woche. Mein guter alter „Senpai“ Daniel war in Japan und welcher Ort wäre besser für eine Reise geeignet, als das gute alte Sendai. Keine Frage also, dass wir uns unbedingt treffen mussten.

Das erste Treffen verging dabei relativ ruhig, die neuesten Nachrichten wurden mitgeteilt und man sprach über Gott und die Welt. Bei unserem zweiten Treffen gingen wir aber eigentlich mit einem direkten Plan vor. Daniel hatte schon vor mir für ein Jahr in Sendai gelebt und mich damals auf meinen ersten Aufenthalt vorbereitet und wenn ich nervös wurde, auch mal wieder aufgebaut. Dementsprechend gibt es natürlich viele Läden und Orte, die man mal wieder besuchen muss. Zu diesem Zweck fuhr Daniel nach Yamadera, dies ist ein Bergtempel und einer meiner Lieblingsorte in Japan und nach Sakunami in eine Onsen. Danach sollte es nahe des Wohnheims in ein Restaurant gehen, das die besten Gyoza herstellt. Dabei handelt es sich um eine Art von Maultaschen, welche mit Fleisch gefüllt und dann in der Pfanne scharf angebraten werden. Gerade Sendai ist für diese Spezialität berühmt und der kleine Laden nahe des Wohnheims wirbt nicht unbedingt zu Unrecht mit dem Titel der besten Gyozas der Stadt. Trotzdem oder gerade aufgrund des Erfolges ist dem Besitzer offensichtlich die japanische Höflichkeit abhanden gekommen. Aber wer will es ihm verübeln, sind seine besten Kunden doch die Ausländer, welche nicht unbedingt für ihre Höflichkeit bekannt sind. Auf jeden Fall erreichten wir im strömenden Regen den Laden und suchten erst einmal vor der Tür die Öffnungszeiten. Da es keine gab und die Tür auf und Licht an war, betraten wir den Laden, nur um herrisch angefahren zu werden, dass ja schließlich noch nicht offen sei und wir in einer Stunde wieder kommen sollen. Da das Wohnheim nicht weit von meiner Wohnung entfernt liegt, gingen wir kurzentschlossen zu mir und warteten die Stunde. Nach unserer Rückkehr wurde sein Verhalten nicht besser. Da seine Karte nur besagtes Gyosa kennt beschlossen wir, dass nur Daniel etwas isst und ich warte. Selbst wenn der Inhaber des Restaurants etwas gegen einen nur rumsitzenden Gast hätte, hätte er uns ohne weiteres die Teigtaschen mitgeben können, schließlich bietet er dies groß vor seinem Laden an. Leider entschied er kurzerhand, dass er solche Kunden gar nicht braucht und erklärte uns kurz angebunden, dass er nur für einen nicht kocht und dass wir so nichts bekommen. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und schon hatten wir den Laden wieder verlassen. Schade für Daniel, dass er nun bei diesem Besuch nicht in diesem Restaurant essen wird, aber das müssen wir uns ja nicht gefallen lassen.

Während wir noch angeregt über diesen untypischen, da so unhöflichen Japaner aufregten, hörten wir auf einmal hinter uns zwei Stimmen. Zwei Grundschüler folgten uns auf Schritt und Tritt und versuchten herauszufinden, wo wir herstammen. Mit unserer komischen Sprache können wir doch nur Russen sein, erklärte der eine selbstsicher. Keine Frage, dass wir uns bei dieser Diskussion beteiligen mussten und kurzerhand lautstark die paar Fetzen Russisch herausholten, die wir noch können. Aber mal wirklich, sehen wir denn so russisch aus? So viele davon hat Sendai doch gar nicht, da wäre französisch doch schon viel wahrscheinlicher…

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Alle Jahre wieder

Der Dezember hat begonnen und ich habe es noch nicht einmal wirklich bemerkt. Während in Deutschland schon zu meiner Abreise die ersten Lebkuchen und Stollen verkauft wurden, ist die sogenannte „besinnliche“ Zeit des Jahres in Japan zum Glück genau das, besinnlich. Während in Deutschland schon alle Geschäfte mit Weihnachtsmusik beschallt werden, merkt man den Dezember in Sendai eigentlich nur an zwei Sachen: Auf der einen Seite hat in der Innenstadt die Straße des Sternenlichtes angefangen. Das ist eine Straße, auf der alle Bäume mit Lichtern geschmückt werden, damit die Stimmung der Japaner auch im tristen Dezember hochgehalten wird. Auf der anderen Seite mehren sich die Diskussionen, ob man wie ich im Dezember wirklich nur T-Shirt und Windjacke benötigt. Für Japaner sind die rund zehn Grad, die wir hier momentan im Durchschnitt haben, so viel wie bei uns in Deutschland minus zehn sein würden. Umso häufiger finden auch die Nachfragen statt. Meine Erklärung, für mich sei das hier Sommer, will man dabei nicht gelten lassen und die Spekulationen über meine Herkunft (ob ich nun ein Roboter, ein Dämon oder vielleicht doch ein echter Samurai bin) schießen dabei immer mehr in die Höhe. Dabei scheine ich ja alles richtig zu machen. Während mittlerweile schon mein gesamtes Kenkyushitsu von Krankheiten befallen wurde, bin ich der Einzige, der bisher durchgehalten hat. Dafür, dass ich bei 10 Grad noch nicht mit drei Pullovern rumrenne, wie zum Beispiel Norihiro und Orsolya, habe ich später bei wirklich schlechten Temperaturen noch mehr Möglichkeiten, mich warm zu halten. Auf der anderen Seite kann ich versichern, dass mein Auftreten auf jeden Fall ein Eisbrecher ist. So viele Japaner haben mich aus dem Grund schon angesprochen.
Aber egal, es sollte hier ja nicht um meine angeblich seltsame Kleidungsordnung oder die wirklich seltsame der Japaner gehen, sondern um den Dezember. Zwar genieße ich die Ruhe hierzulande, indem ich vom Weihnachtsstress verschont bleibe, schließlich macht meine Forschung schon genug Mühe, aber auf der anderen Seite kann man manchen Sachen nie ganz entfliehen. So geschah es, dass vor einigen Tagen eine Einladung zu einer deutschen Weihnachtsfeier bei mir einflatterte. „Deutsche Weihnachtsfeier?“ werden einige Leser jetzt fragen, da ich bekanntlich bisher nur bedingt Kontakt zu Deutschen in Sendai hatte. Aber die Antwort ist einfach: Frau Wilhelm, die Leiterin der Japanisch-Deutschen Gesellschaft erinnerte sich daran, dass ich mittlerweile wieder in Japan bin und fragte an, ob ich nicht Lust hätte, zu erscheinen. Bekanntlich sagt man bei kostenlosem Essen nie nein und schon befand ich mich auf dem Weg zu der Feier. Wie sich herausstellte, war der verwendete Name „Party“ aber ziemlich optimistisch gewählt. Zum Schock der Anwesenden 4 Deutschen und des einen Österreichers befanden wir uns in feinster Gesellschaft mit rund 40 Leuten, wovon etwa 30 über 70 Jahre alt gewesen sein dürften. Der allgemeine Altersdurchschnitt wurde nur durch den Österreicher und mich gesenkt und dürfte wohl gut und gerne bei ca. 60 Jahre gelegen haben. Die Anwesenden waren dementsprechend auch sehr fein angezogen und alle im Anzug erschienen. Gut, wir waren Ausländer, also stachen wir ja eh hervor, da fällt so ein kleiner Fauxpas schon gar nicht mehr auf.
Die Feier selbst fand in einer edlen Bar mit zwei Etagen statt, in der normalerweise Hochzeiten gefeiert werden. Etwas verwunderte der Name der Bar, denn „Palinka“ ist ja eigentlich ein hochprozentiger ungarischer Obstbrand, aber der Laden machte an sich keine Anzeichen, etwas mit Ungarn zu tun zu haben. Das zeigte sich auch schon bei den Anwesenden bei unserer Ankunft, als ein Japaner versuchte, uns eine Flasche Palinka anzudrehen, um mit uns zu trinken. Schließlich sei Palinka ja „polnisch“ und damit fast deutsch. In diesem Satz fanden sich so viele Fehler, dass ich froh war, dass er wegen unserem Desinteresse aufgab und von dannen zog. Schade, dass Orsolya nicht anwesend war, um den Herrn zu berichtigen. So begann die Feier glücklicherweise trocken und mit einer Ansprache von Frau Wilhelm, wo wir öffentlich vorgestellt wurden. Schon hier stellten wir unseren größten Fehler fest: Während der japanerfahrene Professor sich aus der Affäre gezogen hatte und gleich den oberen Rang besuchte, standen wir unten bei Frau Wilhelm und der „über 60 Gesellschaft“. Uns wurde erklärt, dass hier nur Leute über 60 seien und die jüngeren oben wären. Dummerweise mussten wir uns durch die Masse der älteren Herrschaften kämpfen, die uns mit Fragen löcherten und den 2-Minuten-Gang zu einem halbstündigen Spießrutenlauf verkommen ließen. Besonders vorsichtig wurde ich, als ich es mit Professor Morimotos Vorgänger zu tun bekam, denn man möchte ja kein falsches Wort verlieren. Immerhin stellte sich heraus, dass der österreichische Japanologe weniger Japanisch sprach als ich, was schon einmal ein kleiner innerer Vorbeimarsch für mich war. Nach einer Weile retteten wir uns aber nach oben, wo wir mit einigen Japanern und allen Deutschen eine Lästergruppe über die deutsche Terrorpresse und unsere Japanerfahrungen aufmachten. Allgemein war es sehr angenehm, mich mit einigen Professoren mit Geschichtsinteresse zu unterhalten und so meine Netzwerke für meine Doktorarbeit zu verbessern. Aber auch einige Japaner fanden sich als Gesprächspartner. So wollen zwei Damen unbedingt mal mit mir zum Fußball gehen. Wie lange habe ich auf solche Worte in Deutschland gewartet, wo noch nicht mal Lars mit mir auf der gleichen Seite ein Magdeburgspiel besuchte. Auf diesem Weg nebenbei mal kurz noch ein „gute Besserung“ an ihn, ich hoffe deine Schuler ist nach der OP bald wieder normal. Aber nicht nur in Deutschland gibt es medizinische Notfälle, auch unter den Anwenden Rentnern kippte auf einmal einer um und der Notarzt musste gerufen werden. Eine sehr lustige Szene ereignete sich dabei nach der Frage, wer Arzt ist, da eine Vielzahl der Anzugträger früher in diesem Gebiet agierte und sich dann eine Traube von ihnen um ihn drängelte und über die Behandlung diskutierte. Währenddessen ließen sich die Veranstalter aber nicht beirren und mit einer Seelenruhe wurde das Programm durchgezogen. Ein Teil des Programms war dabei ein Theaterstück über Frau Wilhelms Deutschunterricht und eine Sängerin gab erst japanische Lieder und dann deutsche Weihnachtslieder zum Besten, wo dann alle aufgefordert wurden, doch bitte bei „O Tannenbaum“ einzustimmen.

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So erlebte ich nun für einige Stunden ein deutsches Weihnachtsfest, inklusive des ersten Weihnachtsbaums mit echten Kerzen in meinem Leben, am anderen Ende der Welt, wo ich doch eigentlich froh war, dem Chaos in Deutschland entkommen zu sein. Trotzdem war es ein interessanter und aus Sicht der neuen Bekanntschaften auch erfolgreicher Abend.

 

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Der Sucht erlegen

Während der ruhmreiche 1. FC Magdeburg sich in Deutschland von Sieg zu Sieg kämpft, um sich noch Chancen auf einen möglichen Aufstieg zu erhalten, sitzt im fernen Sendai ein Treueringbesitzer am Liveticker und leidet an Entzugserscheinungen. So kann das nicht weitergehen! Zwei Monate ohne Fußball, das ist ja fast wie Sommerpause. Das halte ich nicht ewig aus. Aus diesem Grund überzeugte ich Orsolya, mich am Samstag zum Fußball zu begleiten. Sendai spielte gegen die Shimizu S-Pulse. Dies war das letzte Spiel der Saison in Sendai, deshalb wurden die Tickets schon frühzeitig besorgt und seit Wochen fieberte ich dem Spiel entgegen. Um so schlimmer war die Nachfrage, ob ich bei dem schon erwähnten Sprachkurs teilnehmen könnte. Erst nach der Versicherung, dass es eine Stunde vor dem Spiel endet und ich so noch rechtzeitig im Stadion sein würde, überzeugte mich. Der erste Schock kam aber schon im Sprachkurs – man überzog. Orsolya bemerkte, wie ich nervös auf die Uhr und die Tasche starrte und bot mir schon frühzeitig an nachzukommen, während ich schon mal vorgehe. So sehr mich das Angebot reizte, ich blieb bis zum Ende und rannte später zum Stadion, das ich gerade noch so zum Anpfiff das Stadion erreichte.

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Aufgrund all dieser Probleme im Voraus hatte ich natürlich auch nicht Kuma und meine anderen Freunde informiert. Zum Glück standen die aber leicht findbar nahe ihres üblichen Platzes und freudestrahlend wurden wir von ihnen in ihrer Mitte aufgenommen. Wenn ich jetzt noch über ein Jahr bleibe, ob ich nicht gleich eine Dauerkarte kaufen möchte? Eigentlich ist das eine berechtigte Frage, ich sollte diesem Thema mal einige Gedanken widmen.

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Erst aber ging das Spiel los. Vegalta tut sich diese Saison ziemlich schwer. Nachdem im letzten Jahr die Meisterschaft am vorletzten Spieltag noch äußerst unglücklich verloren wurde, spielt man nicht zuletzt dank der Doppelbelastung mit dem internationalen Wettbewerb nur im Mittelfeld der Tabelle und belegt den 11. Platz. Ähnlich ergeht es den S-Pulse, welche eigentlich hofften, um die internationalen Plätze mitzuspielen, aber auch nur einen enttäuschenden 8. Platz belegten. Das Spiel selber offenbarte auch die Gründe für den Saisonverlauf. Vegalta erspielte sich eine Überlegenheit von rund 70 Prozent Ballbesitz. Leider reichte dies nur bis zum gegnerischen Strafraum. Anstelle einmal aus der zweiten Reihe abzuziehen, ging man jedes Mal den Weg zur Eckfahne, um eine Flanke auf die zwei Stürmer zu schlagen, welche den Ball nicht verwerten konnten. S-Pulse dagegen verlegte sich aufs Kontern und in bester Magdeburger Tradition führten zwei dieser Konter, welchen von Vegalta nur Geleitschutz gegeben wurde anstelle einfach mal dazwischen zu grätschen, zu einer 2:0 Führung zur Halbzeit. Nach der Halbzeit kamen die S-Pulse nun fast gar nicht mehr aus ihrer Hälfte heraus, aber für Vegalta reichte es nur noch zum Anschlusstreffer durch einen Elfer. Dieser Spielverlauf entspricht eigentlich der gesamten Saison und erklärt das schlechte Abschneiden der ansonsten stark besetzten Sendaier Mannschaft. Eventuell gibt es aber in der nächsten Saison neue Impulse, nachdem der alte Trainer nach 6 Jahren das Team für die Olympiamannschaft Japans verlässt und ein neuer Trainer das Amt übernimmt.

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Aber das Spiel ist nicht alles, wenn man in Japan zum Fußball geht. Den meisten Spaß hatten wir mit meinen Freunden. Orsolya tauschte fleißig Rezepte mit der anwesenden Mutter aus, während Kuma mich zu einer Neujahrsparty einlud und mir erklärte, dass ich ihn anrufen soll, wenn Orsolya über die Weihnachtszeit nach Europa reist und ich darum einsam bin bzw. verhungere. Seine Frau und er würden sich schon darum kümmern. Auch ansonsten lernte ich wieder mal einige neue und sehr sympathische Menschen kennen und kann nur jedem den Rat geben, wenn man Japaner kennen lernen will, einfach zum Fußball zu gehen. Nur ob ich die Neujahrsparty bei Kuma mitmache, muss ich mir noch überlegen. Ohne Übersetzer wird das bestimmt ziemlich kompliziert. Mein Japanisch ist noch nicht so perfekt.

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Du bist doch Deutscher

Es gibt viele Fragen, welche ich bei dem alljährlichen Kochfestival vor einigen Wochn erwartet hatte. Die beliebtesten sind da zum Beispiel: Wo liegt eigentlich Ungarn? Ich war schon mal in Ungarn, können wir uns über meine Erlebnisse unterhalten? Und besonders kommt natürlich die Frage: Ist das wirklich ungarisches Essen? Womit ich hingegen nicht gerechnet hatte war eine Japanerin, welche mich mit gebrochenem Deutsch fragte, ob ich denn ein Deutscher sei. Wie sich herausstellte, war die Dame eine Bekannte von Marisabel und die Leiterin einer Sprachgruppe. Die wirklichen Zusammenhänge verstand ich beim Kochfest aber noch nicht, außerdem waren die Palatschinken eh viel wichtiger. So erklärte man mir, dass eine Bekannte dringend Hilfe für einen Deutschlandaufenthalt benötigte und ob ich nicht aushelfen könnte. Im Vorbeigehen sagte ich zu und vergab meine Visitenkarte. Damit war für mich das Thema eigentlich erledigt und geriet in Vergessenheit, besonders da in den nächsten zwei Wochen keine Rückmeldung kam. Vor ein paar Tagen änderte sich die Situation aber schlagartig.

Mittwochmorgen fand ich eine Mail vor, die mich bat, doch am Samstag an einer Sprachveranstaltung teilzunehmen. Im Falle meiner Zusage sollte das ganze Event unter das Motto „Deutschland“ gestellt werden. Da ich nicht schnell genug antwortete, erhielt ich schon 24 Stunden später einen Anruf mit der gleichen Bitte, worauf ich zusagte, obwohl ich eigentlich am Samstag etwas später noch wichtigere Pläne hatte. Aber wenn man sich schon so um mich bemüht, dann will ich ihnen auch zur Hand gehen. Orsolya wurde kurzerhand auch noch zur „Deutschen ehrenhalber“ ernannt, damit es nicht zu seltsam wird und der Samstag konnte kommen.

Leider erwies es sich schon als erste Hürde, die Veranstaltung zu finden. Die Ortsangaben, welche ich vorher erhielt, waren ungenau, so dass ich erst einmal 15 Minuten zu spät ankam. Was mir als Feier vorgestellt wurde, war dann zu allem Überfluss keine. Es handelte sich um eine Art Sprachgruppe für die ganze Familie, welche versucht, das Erlernen von Sprachen durch Kinder zu simulieren und damit Fremdsprachen zu erlernen. Damit erklärte sich auch das seltsame gebrochene Deutsch der Dame beim Kochfestival. Die Spracherlernung scheint dabei auch ziemlich sinnvoll durch Spaß und Spiel zu erfolgen, aber trotzdem habe ich so meine Probleme damit. Wie sich herausstellte, erfolgt die Übung neuer Worte besonders durch CDs im normalen deutschen Gesprächstempo. Dabei hören die Teilnehmer die Gespräche und sprechen Worte, welche sie sich merken können, nach. Nur kenne ich es zu gut, dass selbst Deutsche ihre Probleme bekommen, wenn ich zu schnell spreche und diese CDs fühlten sich an, als ob jemand aus Versehen auf die doppelte Geschwindigkeit beim Abspielen gedrückt hat. Selbst ich hatte zu schwitzen, um den ganzen Dialog nachzusprechen. Aber nur, wenn ich oder der zweite anwesende Deutsche (ein Aserbaidschaner, welcher sein ganzes Leben in Berlin lebte) die Sätze nachsprachen, verstanden die Anwesenden überhaupt etwas. So war es nicht verwunderlich, dass bei der Vorstellung der einzelnen Personen am Anfang der Sitzung, durch alle Teilnehmer bei jeder Gelegenheit das „Bitte“ und „Danke“ verwendet wurde, weil sie den Dialog zur Vorstellung nur zur Hälfte gehört hatten und dadurch das „Darf ich mich setzen? Bitte. Oh, Danke!“ als Teil der Vorstellung und ohne die eigentliche Frage verstanden hatten. Die Methode mag also ziemlich gut sein, die Frage, die sich stellt ist aber, ob man auf diese Weise ohne einen Experten diese Sprache lernen kann. Ich habe meine Zweifel. So ist es im Endeffekt auch nicht verwunderlich, dass die Frage, welche eine japanische Schülerin für ihren Deutschlandaufenthalt hatte, in Wirklichkeit komplette Unkenntnis über Deutschland und die Bitte um die Hilfe bei dem Ausfüllen aller ihrer Unterlagen war.

Trotz allem war es aber spaßig und vielleicht verbessert sich durch diese Übungen ja auch das schon ziemlich gute Deutsch der „Aushilfsdeutschen“ Orsolya, weshalb ich wohl von nun an öfter aushelfen werde.

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Die Gebete von Tsunenaga (oder von Reik?)

Wo bin ich denn jetzt schon wieder reingeraten? Ich sollte wirklich lernen „nein“ zu sagen, wobei, eigentlich hatte ich das ja zuvor gemacht. Wer möchte den Papst spielen? So stand es in mehreren Nachrichten, welche Orsolya und mich direkt nach meiner Ankunft erreichten. Eine Schauspielgruppe aus Japan suchte verzweifelt einen Ausländer, welcher bereit war, in  einem Theaterstück als Papst auf der Bühne zu stehen. Meine Begeisterung für die Katholiken oder irgendeine der kirchlichen Fraktionen halten sich bekanntlich in Grenzen und obwohl mehrere Freunde mich fragten, ob ich nicht perfekt für die Rolle wäre, musste ich doch bedauernd ablehnen. Einem Bekannten aus den Niederlanden gelang das Ablehnen dagegen nicht. Er wurde überzeugt, die Rolle anzunehmen und die drei Zeilen der Rolle aufzusagen. Als wir das erfuhren war natürlich klar, dass Orsolya und ich bei der Aufführung nicht fehlen dürfen. Auch eine seiner Arbeitskolleginnen, eine Japanerin mit sehr guten Englischkenntnissen, schloss sich uns begeistert an.

So saß ich nun in einem Theaterstück über japanische Geschichte, ohne mich bei diesem Teil der Geschichte wirklich auszukennen, in einer Sprache, die dank regionaler Dialekte und alter Sprachanleihen selbst für unsere Japanerin kaum zu verstehen war und zu allem Überfluss, wurde auch noch der katholische Glauben glorifiziert. Ich fühlte mich wie in einem falschen Film. Zum Glück gab es aber auch Lichtblicke. Als Gegenpart kommt Orsolya nächste Woche mit zum Fußball und es bestand immer noch die Chance, dass es eine lustige Panne gibt und wir danach Gesprächsstoff haben. Zum Glück trat dies dann aber doch nicht ein, auch wenn der Papst auf einmal mit seiner Robe tanzen musste und dabei mehrmals beinahe über seine Beinkleider stolperte. Es zeigte sich aber der Vorteil von modernen Medien. Unsere kleine Gruppe, bestehend aus drei Leuten, stand in der Halbzeit zusammen und versuchte verzweifelt, einen Sinn aus der Geschichte zu ziehen. Zum Glück gibt es mittlerweile Handys mit Internet, so dass wir endlich etwas davon verstanden, was auf der Bühne ablief und so das Theaterstück sogar ziemlich gut wurde. Tsunenaga war dabei ein wenig bekannter Samurai, welcher um 1600 von Date Masamune, unserem örtlichen wichtigsten Herrscher, auf eine diplomatische Mission über Mexiko nach Spanien und Italien geschickt wurde, um dort mit dem König und dem Papst über die Christianisierung des Landes und einen Handelsvertrag zu beraten. Auf der Reise wurde er zu einem Christen und einige seiner Crewmitglieder blieben in Europa. Das Ganze gilt als erste Mission Japans nach Europa und hat aus japanischer Sicht einiges an Wichtigkeit. Da die Reise aber scheiterte, weil genau während dieser Zeit die absolute Abrieglung Japans begann, ist die Geschichte nur hier in Sendai wirklich präsent. Tsunenaga kehrte daraufhin nach Japan zurück und über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Nur einige Christen behaupteten später, er sei als Märtyrer für den Glauben in Japan gestorben. Diese Variante wurde auch für das Stück angenommen, auch wenn vieles dafür spricht, dass dies christliche Propaganda ist, um die neu einsetzende Christianisierung nach der Öffnung des Landes zu rechtfertigen.

Ich muss sagen, für ein Theaterstück, bei dem ich dank des fiesen Dialektes fast nichts von den Dialogen verstanden habe, hatte ich schon Spaß. Ich bleibe im Großen und Ganzen aber wohl doch lieber bei meinen Sportveranstaltungen. Das sagt mir dann doch mehr zu als japanischer Tanz und Gesang.

Gruppenfoto

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Typisch Japanisch Essen

Als ich als Doktorand anfing meinte meine Professorin zu mir, ich möge mir doch noch einen zweiten Professor suchen, der auf Japan spezialisiert ist. Unter normalen Umständen hätte ich nun durch die Universität rennen und jemanden finden müssen, der Japan als Thema hat. Aber ich entschied mich für eine alternative Herangehensweise und fragte freundlich bei Masami an, ob sie nicht jemanden kennen würde, welcher Geschichte in Sendai unterrichtet und dazu noch Deutsch kann. Kurzerhand stellte sie mir im letzten Dezember Herrn Yamada vor. Das ist ein junger Professor, der in Deutschland studiert hat und ausgezeichnet Deutsch  kann. Da Masami ihn nicht vorbereitet hatte, überfiel ich ihn zwar etwas mit meiner Bitte, mich doch zu betreuen, aber dankbarerweise sagte er nach kurzer Bedenkzeit zu, mir zu helfen. Seit meiner Rückkehr nach Japan hatte ich leider noch keine Möglichkeit, ihn wieder zu treffen, was sich am letzten Samstag glücklicherweise ändern sollte.

Herr Yamada hatte Masami, Orsolya und mich in ein Restaurant in der Innenstadt eingeladen und es sollte eines der seltsamsten Restaurants sein, welches ich bis dato in Japan besucht habe. Der Treffpunkt war vor dem Restaurant angesetzt, was leichter gesagt als getan war. Bei meinem Eintreffen in der Gegend des Restaurants konnte mir niemand den Weg weisen und auch Masami, welche gleichzeitig eintraf, hatte keine Idee, wo wir suchen sollten. Glücklicherweise fand uns aber Herr Yamada und führte uns zu einer Wand mit großen Sakefässern. Für uns war dies eine Zierde, welche für die benachbarten Restaurants gedacht ist. Wie sich herausstellte, war aber eine vielleicht 1,50 Meter große Tür in eines der Fässer eingelassen, welche den Eingang in das Restaurant erlaubte.

restaurant

In Japan ist es wohl Sitte, dass man das Restaurant gebeugt und als Bittsteller betritt und den Koch damit um eine gute Mahlzeit bittet. An einen ungefähr 50 cm größeren Ausländer hatte bei der Konstruktion aber wohl niemand gedacht. Das Restaurant selber ist um eine große offene Feuerstelle gebaut, auf der die Sendaier Spezialität Kuhzunge gegrillt und auf traditionelle Weise Misosuppe angerührt wird. Dazu stehen alle Arten von regionalen Alkoholika bereit, um den Gast in Stimmung zu bringen. Man merkte schon jetzt, das Restaurant ist auf regionale und historische Spezialitäten ausgelegt. Dazu kam noch ein Stuhl, welcher nur eine Seitenlehne hat, damit man ihn nicht unschicklich verschieben muss, während die andere Seite zum Setzen gedacht ist.

Zum Essen im Restaurant kann man eigentlich nicht groß etwas sagen. Es war richtig gut und man merkt, dass es wohl ein Geheimtipp für Japaner ist, da wir die einzigen Ausländer waren. Es entwickelte sich auf jeden Fall ein toller Abend, sowohl aus menschlicher Sicht, als auch aus fachlicher Sicht.

essen

Das Highlight kam aber beim Abschied: Wir waren schon fast weg, als uns einer der Angestellten einholte, um uns noch unsere wohlverdiente Verabschiedung zu geben. Zu diesem Zweck werden mit einem Feuerstein ein paar Funken über dem Rücken der Gäste gemacht, damit sie befreit von bösen Dämonen den Heimweg antreten können. So wirklich hat das aber nicht funktioniert, schließlich zogen mich Masami und Orsolya nach unserer Verabschiedung von Herrn Yamada in den nächsten Karaokeladen, wo wir noch zwei Stunden sangen. Vor diesen Dämonen schützte das reinigende Feuer dann doch nicht, oder meine sind einfach zu groß. Alles in allem war es aber ein klasse Abend und eigentlich ist es schade, dass man solche Geheimtipps nicht selber finden kann, sondern immer gezeigt bekommen muss. Zum Glück kenne ich mittlerweile fast nur noch Japaner in Sendai, wodurch es doch etwas leichter fällt.

karaoke

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