Der unhöfliche Koch und die zwei Russen

Wenn ich eine Sache hier in Sendai bereue, dann, dass ich eigentlich im Verhältnis zu 2010 relativ wenig Ausländer kenne. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen will sich das Kameradschaftsgefühl nicht so wirklich einstellen, da ich nicht in einem Wohnheim wohne und auch nicht wirklich in einem Programm bin und zum anderen hat sich in den letzten Jahren die Ausländeranzahl stark erhöht, weshalb man nicht mehr jeden kennt, sondern nur noch in seinem Programm vernetzt ist. Als jemand, der kein Programm hat, bin ich in solchen Zirkeln dann natürlich etwas außen vor. Aber das ganze Problem lässt sich ja leicht umgehen, solange regelmäßig Besuch aus Deutschland kommt und genau diesen gab es diese Woche. Mein guter alter „Senpai“ Daniel war in Japan und welcher Ort wäre besser für eine Reise geeignet, als das gute alte Sendai. Keine Frage also, dass wir uns unbedingt treffen mussten.

Das erste Treffen verging dabei relativ ruhig, die neuesten Nachrichten wurden mitgeteilt und man sprach über Gott und die Welt. Bei unserem zweiten Treffen gingen wir aber eigentlich mit einem direkten Plan vor. Daniel hatte schon vor mir für ein Jahr in Sendai gelebt und mich damals auf meinen ersten Aufenthalt vorbereitet und wenn ich nervös wurde, auch mal wieder aufgebaut. Dementsprechend gibt es natürlich viele Läden und Orte, die man mal wieder besuchen muss. Zu diesem Zweck fuhr Daniel nach Yamadera, dies ist ein Bergtempel und einer meiner Lieblingsorte in Japan und nach Sakunami in eine Onsen. Danach sollte es nahe des Wohnheims in ein Restaurant gehen, das die besten Gyoza herstellt. Dabei handelt es sich um eine Art von Maultaschen, welche mit Fleisch gefüllt und dann in der Pfanne scharf angebraten werden. Gerade Sendai ist für diese Spezialität berühmt und der kleine Laden nahe des Wohnheims wirbt nicht unbedingt zu Unrecht mit dem Titel der besten Gyozas der Stadt. Trotzdem oder gerade aufgrund des Erfolges ist dem Besitzer offensichtlich die japanische Höflichkeit abhanden gekommen. Aber wer will es ihm verübeln, sind seine besten Kunden doch die Ausländer, welche nicht unbedingt für ihre Höflichkeit bekannt sind. Auf jeden Fall erreichten wir im strömenden Regen den Laden und suchten erst einmal vor der Tür die Öffnungszeiten. Da es keine gab und die Tür auf und Licht an war, betraten wir den Laden, nur um herrisch angefahren zu werden, dass ja schließlich noch nicht offen sei und wir in einer Stunde wieder kommen sollen. Da das Wohnheim nicht weit von meiner Wohnung entfernt liegt, gingen wir kurzentschlossen zu mir und warteten die Stunde. Nach unserer Rückkehr wurde sein Verhalten nicht besser. Da seine Karte nur besagtes Gyosa kennt beschlossen wir, dass nur Daniel etwas isst und ich warte. Selbst wenn der Inhaber des Restaurants etwas gegen einen nur rumsitzenden Gast hätte, hätte er uns ohne weiteres die Teigtaschen mitgeben können, schließlich bietet er dies groß vor seinem Laden an. Leider entschied er kurzerhand, dass er solche Kunden gar nicht braucht und erklärte uns kurz angebunden, dass er nur für einen nicht kocht und dass wir so nichts bekommen. Das lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und schon hatten wir den Laden wieder verlassen. Schade für Daniel, dass er nun bei diesem Besuch nicht in diesem Restaurant essen wird, aber das müssen wir uns ja nicht gefallen lassen.

Während wir noch angeregt über diesen untypischen, da so unhöflichen Japaner aufregten, hörten wir auf einmal hinter uns zwei Stimmen. Zwei Grundschüler folgten uns auf Schritt und Tritt und versuchten herauszufinden, wo wir herstammen. Mit unserer komischen Sprache können wir doch nur Russen sein, erklärte der eine selbstsicher. Keine Frage, dass wir uns bei dieser Diskussion beteiligen mussten und kurzerhand lautstark die paar Fetzen Russisch herausholten, die wir noch können. Aber mal wirklich, sehen wir denn so russisch aus? So viele davon hat Sendai doch gar nicht, da wäre französisch doch schon viel wahrscheinlicher…

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