Der Sucht erlegen

Während der ruhmreiche 1. FC Magdeburg sich in Deutschland von Sieg zu Sieg kämpft, um sich noch Chancen auf einen möglichen Aufstieg zu erhalten, sitzt im fernen Sendai ein Treueringbesitzer am Liveticker und leidet an Entzugserscheinungen. So kann das nicht weitergehen! Zwei Monate ohne Fußball, das ist ja fast wie Sommerpause. Das halte ich nicht ewig aus. Aus diesem Grund überzeugte ich Orsolya, mich am Samstag zum Fußball zu begleiten. Sendai spielte gegen die Shimizu S-Pulse. Dies war das letzte Spiel der Saison in Sendai, deshalb wurden die Tickets schon frühzeitig besorgt und seit Wochen fieberte ich dem Spiel entgegen. Um so schlimmer war die Nachfrage, ob ich bei dem schon erwähnten Sprachkurs teilnehmen könnte. Erst nach der Versicherung, dass es eine Stunde vor dem Spiel endet und ich so noch rechtzeitig im Stadion sein würde, überzeugte mich. Der erste Schock kam aber schon im Sprachkurs – man überzog. Orsolya bemerkte, wie ich nervös auf die Uhr und die Tasche starrte und bot mir schon frühzeitig an nachzukommen, während ich schon mal vorgehe. So sehr mich das Angebot reizte, ich blieb bis zum Ende und rannte später zum Stadion, das ich gerade noch so zum Anpfiff das Stadion erreichte.

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Aufgrund all dieser Probleme im Voraus hatte ich natürlich auch nicht Kuma und meine anderen Freunde informiert. Zum Glück standen die aber leicht findbar nahe ihres üblichen Platzes und freudestrahlend wurden wir von ihnen in ihrer Mitte aufgenommen. Wenn ich jetzt noch über ein Jahr bleibe, ob ich nicht gleich eine Dauerkarte kaufen möchte? Eigentlich ist das eine berechtigte Frage, ich sollte diesem Thema mal einige Gedanken widmen.

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Erst aber ging das Spiel los. Vegalta tut sich diese Saison ziemlich schwer. Nachdem im letzten Jahr die Meisterschaft am vorletzten Spieltag noch äußerst unglücklich verloren wurde, spielt man nicht zuletzt dank der Doppelbelastung mit dem internationalen Wettbewerb nur im Mittelfeld der Tabelle und belegt den 11. Platz. Ähnlich ergeht es den S-Pulse, welche eigentlich hofften, um die internationalen Plätze mitzuspielen, aber auch nur einen enttäuschenden 8. Platz belegten. Das Spiel selber offenbarte auch die Gründe für den Saisonverlauf. Vegalta erspielte sich eine Überlegenheit von rund 70 Prozent Ballbesitz. Leider reichte dies nur bis zum gegnerischen Strafraum. Anstelle einmal aus der zweiten Reihe abzuziehen, ging man jedes Mal den Weg zur Eckfahne, um eine Flanke auf die zwei Stürmer zu schlagen, welche den Ball nicht verwerten konnten. S-Pulse dagegen verlegte sich aufs Kontern und in bester Magdeburger Tradition führten zwei dieser Konter, welchen von Vegalta nur Geleitschutz gegeben wurde anstelle einfach mal dazwischen zu grätschen, zu einer 2:0 Führung zur Halbzeit. Nach der Halbzeit kamen die S-Pulse nun fast gar nicht mehr aus ihrer Hälfte heraus, aber für Vegalta reichte es nur noch zum Anschlusstreffer durch einen Elfer. Dieser Spielverlauf entspricht eigentlich der gesamten Saison und erklärt das schlechte Abschneiden der ansonsten stark besetzten Sendaier Mannschaft. Eventuell gibt es aber in der nächsten Saison neue Impulse, nachdem der alte Trainer nach 6 Jahren das Team für die Olympiamannschaft Japans verlässt und ein neuer Trainer das Amt übernimmt.

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Aber das Spiel ist nicht alles, wenn man in Japan zum Fußball geht. Den meisten Spaß hatten wir mit meinen Freunden. Orsolya tauschte fleißig Rezepte mit der anwesenden Mutter aus, während Kuma mich zu einer Neujahrsparty einlud und mir erklärte, dass ich ihn anrufen soll, wenn Orsolya über die Weihnachtszeit nach Europa reist und ich darum einsam bin bzw. verhungere. Seine Frau und er würden sich schon darum kümmern. Auch ansonsten lernte ich wieder mal einige neue und sehr sympathische Menschen kennen und kann nur jedem den Rat geben, wenn man Japaner kennen lernen will, einfach zum Fußball zu gehen. Nur ob ich die Neujahrsparty bei Kuma mitmache, muss ich mir noch überlegen. Ohne Übersetzer wird das bestimmt ziemlich kompliziert. Mein Japanisch ist noch nicht so perfekt.

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