Du bist doch Deutscher

Es gibt viele Fragen, welche ich bei dem alljährlichen Kochfestival vor einigen Wochn erwartet hatte. Die beliebtesten sind da zum Beispiel: Wo liegt eigentlich Ungarn? Ich war schon mal in Ungarn, können wir uns über meine Erlebnisse unterhalten? Und besonders kommt natürlich die Frage: Ist das wirklich ungarisches Essen? Womit ich hingegen nicht gerechnet hatte war eine Japanerin, welche mich mit gebrochenem Deutsch fragte, ob ich denn ein Deutscher sei. Wie sich herausstellte, war die Dame eine Bekannte von Marisabel und die Leiterin einer Sprachgruppe. Die wirklichen Zusammenhänge verstand ich beim Kochfest aber noch nicht, außerdem waren die Palatschinken eh viel wichtiger. So erklärte man mir, dass eine Bekannte dringend Hilfe für einen Deutschlandaufenthalt benötigte und ob ich nicht aushelfen könnte. Im Vorbeigehen sagte ich zu und vergab meine Visitenkarte. Damit war für mich das Thema eigentlich erledigt und geriet in Vergessenheit, besonders da in den nächsten zwei Wochen keine Rückmeldung kam. Vor ein paar Tagen änderte sich die Situation aber schlagartig.

Mittwochmorgen fand ich eine Mail vor, die mich bat, doch am Samstag an einer Sprachveranstaltung teilzunehmen. Im Falle meiner Zusage sollte das ganze Event unter das Motto „Deutschland“ gestellt werden. Da ich nicht schnell genug antwortete, erhielt ich schon 24 Stunden später einen Anruf mit der gleichen Bitte, worauf ich zusagte, obwohl ich eigentlich am Samstag etwas später noch wichtigere Pläne hatte. Aber wenn man sich schon so um mich bemüht, dann will ich ihnen auch zur Hand gehen. Orsolya wurde kurzerhand auch noch zur „Deutschen ehrenhalber“ ernannt, damit es nicht zu seltsam wird und der Samstag konnte kommen.

Leider erwies es sich schon als erste Hürde, die Veranstaltung zu finden. Die Ortsangaben, welche ich vorher erhielt, waren ungenau, so dass ich erst einmal 15 Minuten zu spät ankam. Was mir als Feier vorgestellt wurde, war dann zu allem Überfluss keine. Es handelte sich um eine Art Sprachgruppe für die ganze Familie, welche versucht, das Erlernen von Sprachen durch Kinder zu simulieren und damit Fremdsprachen zu erlernen. Damit erklärte sich auch das seltsame gebrochene Deutsch der Dame beim Kochfestival. Die Spracherlernung scheint dabei auch ziemlich sinnvoll durch Spaß und Spiel zu erfolgen, aber trotzdem habe ich so meine Probleme damit. Wie sich herausstellte, erfolgt die Übung neuer Worte besonders durch CDs im normalen deutschen Gesprächstempo. Dabei hören die Teilnehmer die Gespräche und sprechen Worte, welche sie sich merken können, nach. Nur kenne ich es zu gut, dass selbst Deutsche ihre Probleme bekommen, wenn ich zu schnell spreche und diese CDs fühlten sich an, als ob jemand aus Versehen auf die doppelte Geschwindigkeit beim Abspielen gedrückt hat. Selbst ich hatte zu schwitzen, um den ganzen Dialog nachzusprechen. Aber nur, wenn ich oder der zweite anwesende Deutsche (ein Aserbaidschaner, welcher sein ganzes Leben in Berlin lebte) die Sätze nachsprachen, verstanden die Anwesenden überhaupt etwas. So war es nicht verwunderlich, dass bei der Vorstellung der einzelnen Personen am Anfang der Sitzung, durch alle Teilnehmer bei jeder Gelegenheit das „Bitte“ und „Danke“ verwendet wurde, weil sie den Dialog zur Vorstellung nur zur Hälfte gehört hatten und dadurch das „Darf ich mich setzen? Bitte. Oh, Danke!“ als Teil der Vorstellung und ohne die eigentliche Frage verstanden hatten. Die Methode mag also ziemlich gut sein, die Frage, die sich stellt ist aber, ob man auf diese Weise ohne einen Experten diese Sprache lernen kann. Ich habe meine Zweifel. So ist es im Endeffekt auch nicht verwunderlich, dass die Frage, welche eine japanische Schülerin für ihren Deutschlandaufenthalt hatte, in Wirklichkeit komplette Unkenntnis über Deutschland und die Bitte um die Hilfe bei dem Ausfüllen aller ihrer Unterlagen war.

Trotz allem war es aber spaßig und vielleicht verbessert sich durch diese Übungen ja auch das schon ziemlich gute Deutsch der „Aushilfsdeutschen“ Orsolya, weshalb ich wohl von nun an öfter aushelfen werde.

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