April 2014 Archiv

Die japanischen Alpen

Zwar habe ich es in Europa erst einmal in die Alpen geschafft, aber in Japan ging es dafür heute schon das zweite Mal dort hin. Vor Monaten schon sahen meine Eltern im Fernsehen die Bilder einer Schneise im Schnee, durch welche sich die Busse den Weg durch die Alpinroute bahnen. Die Entscheidung war also gefallen, wir mussten dort hin. Zu diesem Zweck ging es von Kanazawa nach Toyama. Von dort ging es weiter nach Tateyama, wo die Route in die Berge begann, welche uns auf knapp 2400 Meter Höhe bringen sollte. Zuerst ging es per Kabelbahn das erste Stück hinauf, wo wir die Bahn mit einem Bus tauschten, welcher uns wiederum für eine Stunde durch die Berglandschaft der Gegend führte.
Alpen1Alpen2Alpen7Leider hat der hohe Schnee in den Alpen auch den Nachteil, dass die normalerweise atemberaubende Sicht durch den Schnee stark eingeschränkt wurde. Letztendlich erreichten wir aber unser erstes Etappenziel – die Schneewand. Es ist ein wirklich beeindruckender Anblick, wenn man vor einer 15 Meter hohen Wand aus Schnee steht. Zwar bestehe ich darauf mich erinnern zu können, dass die Grundvoraussetzung für diese Wand eine Schneise aus Stein ist, welche ich bei meinem letzten Besuch sehen konnte, trotzdem muss der Schnee erst einmal so hoch fallen und es ist trotz allem ein beeindruckender Anblick. Der Schnee durfte auch genutzt werden, um Nachrichten zu hinterlassen. Während die meisten das typische Herz wählten, entschieden wir uns für Werbung für den örtlichen Fußballverein aus Magdeburg.
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Mit der Schneewand war der Trip aber noch nicht überstanden. Noch galt es, mit dem Bus durch den Berg zu fahren, mit einer Seilbahn und einer weiteren Kabelbahn die Berge wieder herunterzukommen um dann einen Stausee zu überqueren, um zwei weitere Busfahrten bis zum Bahnhof zu überstehen. Die Aussicht sollte für diese Anstrengungen entschädigen. Trotzdem zeigte sich leider schon hier, was zu meinem großen Feindbild auf dieser Tour werden sollte: Reisegruppen – und in diesem Fall chinesische. Erst einmal muss ich sagen, ich habe wirklich gar nichts gegen Chinesen. Einige meiner besten Freunde wie Jie und Zhen sind Chinesen, aber in diesem Fall waren 90 Prozent der Menschen auf der Stecke Chinesen und sie zeichneten sich durch eine sehr hohe Lautstärke, unhöfliches und rücksichtsloses Verhalten und Egoismus aus. Es begann schon beim Einsteigen in den Bus durch den Berg. Vier Busse gleichzeitig sollten zwei Reisegruppen und die Individualreisenden zur nächsten Station bringen. So etwas kann natürlich nicht zivilisiert abgehen, sondern alle drängelten und drückten. Endlich wollten mein Vater und ich in den letzten Bus einsteigen, als plötzlich von hinten ein Herr angestürmt kam, der meinte, sich da noch vorbeidrängeln zu können und dabei mit Armeinsatz nachzuhelfen. Da hatte er aber die Rechnung ohne die Deutschen gemacht. Mein Rücken hielt ihm gepflegt stand und meinen Vater konnte er auch nicht so einfach aus dem Weg stoßen, wie er es gewünscht hätte. Aber auch nach diesem unschönen Erlebnis wurde es nicht besser. Am Aussichtspunkt der nächsten Station war die Plattform zwar überfüllt, eine Dame war aber der Meinung, sie bräuchte den Platz, damit sie fotografiert werden könne. Deshalb jagte sie alle Menschen aus den Weg, die neben ihr versuchten, über die Balustrade zu schauen. Nachdem sie mir dadurch schon negativ aufgefallen war, rief ihr Gruppenleiter zum Abmarsch und ich hatte das Glück, gerade ebenfalls auf der Treppe zu sein. Mit vollem Körpereinsatz stürzte die Dame in mich hinein, als ob sie die Treppe für sich alleine gepachtet hätte. Das eigentliche Ergebnis eines Sturzes die Treppen herunter kam aber nicht zustande, da ich mein Gleichgewicht rechtzeitig wiederfand und dann dagegenhielt. Ganz gefiel ihr das offensichtlich nicht. Als wir anschließend bei der Kabelbahn anstanden, stand sie neben uns am Gruppeneingang und beschwerte sich lautstark bei ihrem Mann über mich. Mich persönlich anzusprechen, wagte sie dann aber doch nicht. Ein Japaner, welcher das ganze Schauspiel beobachtete, meinte nur entschuldigend zu mir, das seien Chinesen – Japaner wären nicht so. Ich soll als Gast im Land also kein schlechtes Bild von den Japanern bekommen. Da brauchte er sich aber keine Sorgen machen, die Gefahr bestand nicht und auch die Chinesen können nichts für die paar Ausnahmen. Reisegruppen in Europa sind genauso peinlich, wie ich zum Beispiel vor zwei Jahren am Balaton in Form von Deutschen feststellen durfte.
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Nach sieben Stunden auf der Tour erreichten wir dann endlich den Bahnhof und konnten uns auf den Heimweg machen. Das einzige Problem war die Tatsache, dass Kanazawa eigentlich relativ ungünstig lag. Um genau zu sein, mussten wir für die Rückkehr die Alpen komplett umrunden, was natürlich Zeit kostete. So mussten wir über 200 km und drei Stunden fahren, um wieder zum Hotel zu kommen. Die Aussicht und die schöne Natur waren es aber auch wert!

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Es geht nach Kanazawa

Kanazawa? Dieser Ort sagt den meisten Ausländern erst einmal reichlich wenig. Kanazawa ist eine Großstadt an der Westküste Japans, welche kurz vor den japanischen Alpen liegt. Da ich schon alle möglichen Seiten von Japan, aber noch nie die Westküste gesehen habe, kam mir dieser Ort als Ausflugsziel sehr gelegen. Da meine Eltern sich zudem noch die japanischen Alpen als Reiseziel wünschten, stand heute der große Umzug auf dem Programm.

Gut 600 km später kamen wir endlich an. Zwar regnete es leicht, aber der Tag war noch jung und etwas sehen wollten wir schon und essen ist auch nie verkehrt. So machten wir uns auf zu einem 10 km Spaziergang, wobei wir den örtlichen Schlosspark besichtigten und uns den Weg in das Einkaufs- und Essenviertel bahnten. Da Kanazawa relativ langgezogen ist, sind die Orte leider etwas weit auseinandergelegen. Hier passierte es dann. Der Eine oder Andere erinnert sich bestimmt noch, wie ich in Hiroshima die Offenheit und Freundlichkeit der Japaner hervorhob. Dem war nicht immer so und bei meiner ersten Reise im Jahr 2006 ergab sich die Situation, dass Dennis und ich einige Probleme hatten, etwas Essbares zu finden. Seit diesem Urlaub ist mir das Problem nie wieder untergekommen. Der eine oder andere Kellner zitterte zwar, als er mich sah, bewirtet wurde ich aber immer und einen Weg der Kommunikation gab es auch immer. Im blinden Vertrauen auf meine Fähigkeiten ging es so also in ein interessant aussehendes Restaurant, nur um von einer sichtlich eingeschüchterten Kellnerin aufgefordert zu werden, doch bitte zu gehen. Auf Japanisch fragte ich warum und sie erklärte mir, wir können kein Japanisch. Dass ich ihr gerade auf Japanisch zuhörte und ihr auch in der Sprache antwortete, ignorierte sie. Ich versuchte freundlich zu erklären, dass ich lesen könne und auch sprechen, worauf nur ein „nicht genug“ und „bitte gehen sie“ kam. Ich war wie vor den Kopf geschlagen und ging. So etwas ist mir wirklich lange nicht passiert und Zweifel nagten an mir. War mein Japanisch so schlecht? Habe ich etwas Falsches gesagt? Zum Glück existierte gegenüber gleich ein genauso interessant aussehendes Shabu Shabu Restaurant. Shabu Shabu ist eine heiße Brühe, in die rohes Fleisch, Fisch oder Gemüse geschmissen und dann gekocht gegessen werden. Durch die Brühe nimmt es dann gleich noch den Geschmack an. Schon beim Eintritt nagten die Zweifel an mir. Es gab eine komplett japanische Karte mit vielen Kanjis und Personal, das wirklich nur Japanisch kann. Sollte es etwa so geschehen, wie in dem Restaurant zuvor? Nein, diesmal lief alles glatt. Auf Japanisch erklärte ich dem Kellner, was ich möchte und auch die Karte war kein Problem. Das Essen wurde ein Gaumenschmaus, auch wenn die Brühe verdammt scharf war. Für Japanreisende kann ich also nur sagen, wenn doch mal ein schwarzes Schafdabei ist, ignoriert es. Es gibt so viele Gegenbeispiele, die einem für etwas Bemühen einen schönen Abend bereiten. Da braucht niemand Angst zu haben zu hungern und niemand ist gezwungen, nur in Fastfoodläden zu gehen. Man würde nur einen der wichtigsten Punkte der japanischen Kultur verpassen.
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Onomichi

„Wir haben drei Ziele, welche wir besuchen könnten, aber in dem dritten Ort gibt es eigentlich nicht so viel.“ Mit diesen Worten besprachen wir am Vorabend den nächsten Tag. Am letzten Tag in Hiroshima war das wichtigste Ziel, das Atombombenmuseum zu besuchen. Im Anschluss, so fiel die Entscheidung am Vorabend, sollte es zum Zug gehen und zu dem Ort mit der ältesten noch erhaltenen Pagode Japans. Nun kommt es ja bekanntlich meist anders als man hofft und so auch an diesem Tag. Wir hatten die benötigte Zeit für den Besuch des Friedensmuseum etwas unterschätzt und verpassten so den angepeilten Zug. Von unseren drei möglichen Zielen des Tages waren zwei nun nicht mehr möglich und das dritte Ziel Namens Onomichi sollte laut unseren Recherchen nicht wirklich viel zu bieten haben. Ehe wir aber unsere Zeit nur einfach vergeuden entschieden wir, Onomichi trotzdem eine Chance zu geben. Es sollte sich lohnen. Der Ort ist eine schon in die Jahre gekommene Kleinstadt in der Nähe von Hiroshima. Wenn der geneigte Leser noch nichts davon gehört hat, ist dies also nicht wirklich verwunderlich. Anhand des Zustandes der Stadt kann man leicht ablesen, dass er nicht unbedingt durch Touristen überlaufen wird. Alles erscheint einfach etwas älter und farbloser, als man es von Touristenhotspots wie Tokyo, Kyoto und Hiroshima gewöhnt ist. Trotzdem macht dies auch einen der Reize aus. In Japan ist er dagegen besonders dadurch bekannt, dass einige Künstler hier geboren wurden.
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Der eigentliche Grund für unsere Reise war aber der Tempelrundgang. Onomichi hat im Stadtzentrum über dreißig kleine Tempel. Da die Stadt selber in den Bergen liegt, sind alle zwar zu Fuß, aber durch kleine Seitenstraßen und viel Treppensteigen, erreichbar. So machten wir uns auf den Weg und schafften es wirklich, allen wichtigen Tempeln des Ortes einen Besuch abzustatten. Diese sind zwar nicht unbedingt auf einem Level mit Kyoto, aber auf jeden Fall eine Reise wert, wodurch der Tag sich auf jeden Fall gelohnt hat. Highlight war aber die Auslegung eines japanischen Tempelmottos aus Nikko, wo drei Affen die Ohren, Mund beziehungsweise Augen zuhalten. In Onomichi dagegen wurde eine Skulptur mit dem gegensätzlichen Motto veröffentlicht.
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Im Park von Okayama

Die Japaner lieben Bestenlisten. Es gibt hierzulande Listen für so ziemlich alles. So gibt es die drei schönsten Orte Japans, die drei schönsten Inselorte mit Sendais Matsushima und Hiroshimas Miyajima oder Listen für die Orte mit den schönsten und hässlichsten Frauen Japans, wo Sendai unverständlicherweise auf letzterer genannt wird. Einer Eingebung meines Vaters folgend, ging es diesmal einen anderen Punkt dieser Bestenlisten abzuarbeiten – die der drei schönsten Parkanlagen Japans. Auf dieser Liste ist ein Park in Okayama, einer kleineren Stadt östlich von Hiroshima, verzeichnet.

Bevor wir aber den Park besichtigen konnten, gab es erst einmal ein anderes Ziel. Okayama verfügt noch über ein intaktes Schloss, welches besichtigt werden kann. Das Schloss ist auf jeden Fall eine Reise wert. Zwar sind japanische Schlösser von innen sehr klein, das Museum versucht aber, seine Besucher durch Interaktion zu versöhnen. So gibt es einen Kurs, um Teller in der örtlichen Technik selber herzustellen und ein Kostümfundus erlaubt das Verkleiden als japanischer Adeliger. Da nun offensichtlich nicht allzu viele Ausländer Okayama1in der Stadt vorbeikommen, wurden meine Eltern und ich sofort erst einmal aufgehalten und gefragt, ob wir nicht einmal angestrengt auf eine Karte schauen können. Der Zweck dieser Übung waren Fotos für den neuen Flyer des Museums. Aus diesem Grund kann ich jedem Leser nur raten, Okayama aufzusuchen und bei Gelegenheit eventuell gleich noch einen Flyer mitzubringen.

Okayama6Der Park selber zeigte sich bei bestem Sonnenschein auch von seiner guten Seite. Überall blühte es. Es gab echte Teepflanzen zu bestaunen und viele Japaner beim sonntäglichen Parkbesuch im Kimono. Einige führten sogar einen traditionellOkayama4 japanischen Tanz auf, wobei wir aus der Entfernung zuschauen konnten. Highlight war aber eine Teezeremonie, welcher wir beiwohnten. Japanisches Teetrinken ist eine zelebrierte Kunst und der Tee selber eine Wohltat. Während mein Vater und ich direkt an der Zeremonie teilnahmen, machte meine Mutter Fotos und die Bekanntschaft mit einer japanischen Dame, welche ihr die Zeremonie auf Englisch erkläre. Als sie hörte, dass wir aus Deutschland stammen, musste sogar ihr armer Mann, welcher am anderen Ende des Parks auf sie wartete, zu uns kommen, um mit uns auf Deutsch zu reden. Er selber ist Übersetzter für chemische Texte vom Deutschen ins Japanische und seine Frau wollte so einmal sehen, ob er denn auch die Sprache wirklich kann. So schnell kommt man hierzulande ins Gespräch. Aber was soll ich noch groß reden, schaut euch die Bilder an und seht selber, wie ein echter japanischer Park aussieht.
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Die Insel mit dem Tor gegen das Stadion mit zwei Toren

Tor1Nach dem gestrigen üppigen Okonomiyakimahl könnte ich über den heutigen Tag viel berichten, zum Beispiel über die Reise per Schiff nach Miyajima, der sogenannten Schreininsel. Sie ist berühmt durch ein im Meer stehendes Tor, welches eines, wenn nicht sogar das meist fotografierte Motiv von Japan darstellt. Miyajima liegt eine Stunde von Hiroshima entfernt und galt früher als so heilig, dass niemand die Insel betreten sollte. Um dies zu sichern, wurde ein Tempel und der dazugehörige Eingang in Form des Tors in das Wasser gestellt. Noch heute gilt die Regel, dass man nicht auf der Insel geboren werden und auch nicht sterben soll. Sollte es doch passieren, wird man auf jeden Fall auf dem Festland bestattet.

Ich könnte auch über die Muschelsucher am Tor berichten, welcheTor2 am Wochenende bei Ebbe den Sand rund um das Tor nach lebenden Muscheln durchsuchen, um diese am Abend zu verspeisen, denn diese gelten dank der Nähe zum Tor auch als heilig. Zu guter Letzt bliebe noch der Besuch des örtlichen Berges zu erwähnen, welcher einen 2.5 km langen Aufstieg über Stock und Stein bedeutete – und das bei hohen Temperaturen. Tor3Mutig kämpften sich meine Eltern hoch und das trotz ihres fehlenden Trainings in einer ziemlich guten Zeit. Oben angekommen kann man das ewige Feuer besichtigen, welches auch die Flamme am Atombombendenkmal in Hiroshima entzündete und angeblich vor tausend Jahren entzündet wurde.



Wie man merkt, es gäbe eine Menge Dinge von dieser schönen Insel zu berichten, welche immer eine Reise wert ist. Aber wie könnte ich das tun, wenn sie doch von einem viel wichtigeren Ereignis überschattet wurden, dem Besuch eines Fußballspiels! Nach dem Besuch der Insel sollte es für uns in die Stadt zurück gehen und von dort direkt in die Außenbezirke in den Hiroshima Big Arch. Tor4 Nach dem Unentschieden von Vegalta bei der Saisoneröffnung 2011 war diese Reise mein zweiter Besuch des Stadions, doch dieses Mal sollte alles anders sein. Ich saß dieses Mal auf der Seite von Hiroshima. Hiroshima ist seit meinem letzten Besuch zweimaliger japanischer Meister und auch ansonsten zu einer Fußballmacht in Japan geworden. Da wir am Vortag einen weiblichen Hiroshima-Ultra kennengelernt hatten, wurden wir nun eingeladen, das Spiel mit ihr zu schauen. Zum einen muss man Hiroshima loben. Das Stadion war gut gefüllt und die Fans trugen alle die lila Vereinsfarben. Es wurde aber auch klar ersichtlich, dass ein neues Stadion dringend notwendig ist. Das Big Arch ist ein riesiges Stadion mit Laufbahn und ohne Überdachung. Der trotz des Spielverlaufs fortwährende Support der Fans verblasste aufgrund der Bedingungen aber ziemlich, was schade war in Anbetracht der Unterstützung.

Tor5Das Spiel selber verlief dagegen nicht so gut für Hiroshima. Als Tabellenzweiter spielte man gegen die Kashima Autlers und fand zu keinem Zeitpunkt ein Mittel gegen diese. Fortlaufend waren die Abwehrspieler mehrere Schritte zu langsam und die Angriffe durch Läufe zur Grundlinie und anschießender Flanke verliefen gegen um einen Kopf größere Verteidiger im Sande. Im Endeffekt gab es deshalb für Hiroshima eine verdiente Niederlage, auch wenn unsere Begleitung uns versicherte, dass die Niederlage nur an dem Champions League Spiel zwei Tage zuvor lag. Trotz allem war es ein netter Abend. Unsere Bekanntschaft stellte uns ihrem Ehemann und ihren Freunden vor und als neutraler BetrachterTor6 kann man ja auch Niederlagen überstehen. Besonders beeindruckten uns aber die Fans. In den Reihen der wirklichen Ultras war der Kleinkinderanteil gigantisch. Wo in Magdeburg ein extra Familienblock existiert, sitzen hier die Ultras an ihren gewohnten Stellen und bringen ihren Kindern frühzeitig das Unterstützen bei. Zu vergleichen mit Fußball in Deutschland ist der Sport hier aber noch nicht.

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Endlich mal wieder Okonomiyaki

Weiter geht es. Nun sind meine Eltern schon fünf Tage hier in Japan und es wird Zeit, die Großstadt zu verlassen. Nach der Metropole Tokyo soll es in eine etwas beschaulichere Stadt gehen, nach Hiroshima. Neben Sendai ist Hiroshima meine Lieblingsstadt in Japan. Innerhalb von acht Jahren besuche ich die Stadt nun schon zum dritten Mal und mein Lieblingsessen, Okonomiyaki, ist gleichzeitig die Spezialität des Ortes. Die Gründe, warum ich die Stadt mag, sind dabei vielfältig. Im Vergleich zu Tokyo ist die Stadt grüner, die Wege kürzer und die Menschen freundlicher.
ShikhansenNach fünf Stunden Fahrt hatten wir es dann auch geschafft und erreichten die Stadt. Nach einem kleinen Fußmarsch waren wir dann auch endlich im Hotel. Das Hotel hat schöne große Zimmer, auch wenn es wohl alles vor ein paar Jahren modern war und der Zahn der Zeit ein wenig genagt hat. Trotz allem lässt es sich hier aushalten. Nach kurzem Auspacken ging es auch schon los, Hiroshima zu erkunden. Ich schaffte es, den Atombombenpark vorzuführen und auch noch einen Abstecher zur Burg von Hiroshima einzuplanen, ehe die Sonne unterging. Hiroshima1 Das eigentliche Highlight sollte aber später kommen.
Es war Abend und unsere kleine Reisegruppe bekam langsam Hunger. Was isst man nun, wenn man schon mal im schönen Hiroshima ist? Natürlich gibt es da nur eine Antwort: Es wurde Zeit, meinen Eltern das gute alte Okonomiyaki-Viertel zu zeigen. Dabei handelt es sich um ein mehrstöckiges Haus, in dem sich Okonomiyaki-Restaurant neben Okonomiyaki-Restaurant reiht. Schon in der ersten Etage entschieden wir uns für eine der kleinen Buden, wo zwei ältere Damen und eine junge Angestellte arbeiteten. Hiroshima3Sie hatten nur drei Sorten im Angebot, aber das hörte sich gut genug an und wir speisten auch ziemlich gut. Nun sind japanische Essensgrößen nicht unbedingt groß genug für einen Standardeuropäer, weshalb mein Vater und ich uns einigten, dass wir uns noch ein Okonomiyaki teilen. Noch einmal wollte ich aber nicht in der gleichen Bude essen, weshalb wir eine Etage höher noch einmal nach etwas gut aussehendem suchten. Auf Anhieb fiel mir ein Laden mit Fußballartikeln von Sanfrecce Hiroshima auf.Keine Frage, hier wollte ich essen oder gar nicht! Diese Entscheidung entpuppte sich als goldrichtig. Im hinteren Bereich saßen drei Japaner, wovon zwei Geschäftsmänner schon gut angeheitert waren. Sie erklärten mir, dass ihre Begleiterin Englisch sprechen wollte und nur zu gerne mit mir sprechen würde. Mit meinem besten Japanisch erklärte ich, dass ich nur zu gerne Englisch antworten würde, aber im Zweifel kann man natürlich auch in der eigenen Landessprache mit mir reden. In einem von Touristen nur so überfüllten Gebiet hatte ich einen Nerv getroffen. Ein Ausländer mit Japanisch-Kenntnissen, der musste befragt werden. Um uns länger an sie zu binden, wurde erst einmal uns allen dreien Bier auf Kosten eines der Männer versprochen. Ohne es mitzubekommen wurde das große Bier, welches mein Vater gerade bestellte hatte, in ein Freibier umgewandelt.

Danke dem  Spender - der Herr mit Krawatte!

Danke dem Spender – der Herr mit Krawatte!

Ehe ich überhaupt groß zum Bestellen kam, entschied der freundliche Herr, uns gleich auch noch zum Essen einzuladen. So wurde uns erklärt, wir sollen uns auf seine Kosten doch drei Okonomiyaki bestellen. So viel zum Thema Kleinigkeit und nur satt werden! Es entwickelte sich ein Gespräch, in dem ich kaum zum Essen kommen sollte. Die Dame, welche die Übersetzerin spielte, stellte sich als Ultra des örtlichen Fußballteams heraus, welche uns für das morgige Spiel prompt in den Supporterbereich einlud. Die anderen waren mehr an meinem Interesse an Japan interessiert. So stellte einer der Herren fest, ich sei sein Erzfeind, da ich die Meiji-Zeit untersuche. Als ich versuchte, die Zusammenhänge zu verstehen, erklärte er mir, dass es eine Meiji Milchfirma gibt und er arbeitet bei deren Konkurrenz.

Hatte ich bei der Befragung und mit meinen Japanisch-Kenntnissen schon einige Pluspunkte gesammelt, verblüffte ich die Anwesenden dann vollständig, als ich auf Nachfrage nach meinem Namen gekonnt meine Visitenkarten herausholte und diese fachmännisch in bester japanischer Tradition verteilen konnte. Meine Gesprächspartner waren perplex und die Köchinnen lagen vor Lachen fast auf dem Boden. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß. Damit meinen Eltern der ebenfalls nicht vergeht, wurde die Bestellung des Absackerbiers für meinen Vater nach dem Okonomiyaki ungefragt auch gleich noch einmal von einer kleinen in eine große Portion umgewandelt. Dazu gab es den Hinweis, dass ein so großer Mensch wie er doch nicht so eine kleine Portion trinken könnte, das wäre doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Was soll ich noch groß sagen? Es war eine legendäre Nacht, welche man kaum richtig beschreiben kann. Wir haben sehr gut gespeist, dafür noch nicht einmal bezahlen müssen, neue und auch noch freundliche Leute kennengelernt, wovon wir morgen eine mit ziemlicher Sicherheit beim Fußball treffen werden. Hiroshima hat einmal mehr gezeigt, warum ich es so mag. Und wer auch immer behauptet, Japaner wären immer ernst und korrekt, der hat sich noch nie auf die Kultur eingelassen und die herzliche Seite des Landes kennengelernt!

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2 Harajukus

Harajuku, die Nennung dieses Stadtteils lässt mich normalerweis erschaudern. Es handelt sich um den Treffpunkt und die Einkaufsmeile japanischer Jugendlicher, welche normalerweise so überfüllt ist, dass ein Vorankommen gegen die Strömung rein unmöglich wird. Umso überraschter war ich, als ich durch meinen Vater etwas über das „Harajuku für Omas“ hörte, wo heute Jahrmarkt sein sollte. Wie soll ich mir das bitte vorstellen? Geschäfte für Menschen in dem Alter meiner Eltern oder gar eine Einkaufsstraße für Rentner? So ganz erschloss sich das Bild nicht, schließlich können Ältere doch nie so schlimm sein, wie es die Jugend in besagter Straße ist. Oh, lag ich falsch!

Straße der alten Frauen

Straße der alten Frauen

Schon auf dem Weg zu dieser Straße wurden wir aufgeklärt, dass es sich wirklich um ein Rentnerparadies handelt. Zur sprachlichen Unterstützung hatten wir Orsolya mitgenommen, welche kurzerhand in der Metro von einer alten Dame am Rücken gepackt wurde und ihre Sachen gerichtet bekam. Richtig so! Wenn man mit uns reist, sollte man auch anständig angezogen sein! Die Dame erklärte uns auf dem Weg zum Ausgang dann auch schon einmal, was uns erwartet.
Jahrmarkt

Jahrmarkt

So wirklich vorbereiten konnte sie uns aber trotzdem nicht. Die Straße ist fast einen Kilometer lang und wirklich überrannt von Rentnern. Diese sind dabei noch nicht mal frische Rentner, sondern ein Großteil der Anwesenden steckte meine Großeltern locker in die Tasche und maximal meine Urgroßmütter hätten wohl da konkurrieren können. Die Geschäfte waren aber auch dementsprechend angepasst. Es gab lange Unterwäsche, Gehstöcke oder Medizin, alles was das Rentnerherz
Schlange für Tayaki

Schlange für Tayaki

begeistern könnte war vorhanden und wurde wiederum von Rentnern vertrieben. So genehmigten wir uns auf der Straße ein Tayaki, eine mit roter Bohnenpaste gefüllte Teigtasche. Diese Teigtaschen habe ich schon zu Hunderten gegessen und noch nie haben sie so geschmeckt wie in diesem Laden, welcher vom Aussehen wohl schon seit der Eröffnung in den Fünfzigern nicht renoviert wurde und noch immer die Erstbesitzer als Köche hatte. Dafür wurde die beste Paste verwendet und der Teig war perfekt.
Guten Appetit

Guten Appetit

Kein Wunder also, dass es eine ewig lange Schlange gab und viele der alten Rentner gleich zwanzig bis dreißig Stück kauften.

Es war ein Schauspiel zu beobachten, wie fit die Anwesenden noch waren und mit welchem Elan sie die Zeit in der Straße genossen. Trotzdem war es uns etwas unangenehm, das Alter so zu senken. Als Ausgleich ging es im Anschluss in das echte Harajuku, welches wirklich Oma5bis auf die Altersklasse der Anwesenden dem für die Alten in nichts nachsteht. Der in Harajuku liegende Meijitempel konnte von uns dagegen nicht besichtigt werden, da der gerade über uns einfliegende Präsident Obama leider die gleiche Idee hatte. Aus diesem Grund ging es für uns erst noch zu einem Blumenfest in einen Tempel und auf die 350 Meter hohe Plattform des Skytrees. Ein Tag mit so vielen Gegensätzen ist wohl auch nur in Tokyo möglich.
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Der Fuji

Am heutigen Tag ging es für mich und meine Eltern zu einem der fünf Seen rund um den heiligen Berg der Japaner, den Fuji. In einem japanischen Sprichwort heißt es, man muss den Berg einmal im Leben bezwungen haben. Dementsprechend verging ein Großteil der Reise mit meinem Spott, dass ich meine Mission ja schon vor drei Jahren erfüllt habe. Trotzdem ist es verwunderlich, wie unbekannt eigentlich der See ist, zu dem wir gefahren sind. Normalerweise reisen alle Ausländer nach Hakone. Dort gibt es zwar neben dem See, von dem man mit viel Glück bei gutem Wetter den Fuji sieht, noch andere Dinge, wie heiße Quellen und Schwefelberge. Wenn man aber ein Gefühl dafür haben möchte, warum die Japaner den Berg so verehren, dann sollte man zu diesem Ort kommen. Noch nie habe ich den Berg so majestätisch aus der Ferne gesehen und gleichzeitig sind hier die Chancen ihn zu sehen weitaus höher, als in Hakone. Da aber Bilder mehr als tausend Worte sagen, schweige ich jetzt lieber und präsentiere ein paar Bilder.
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Im Museum

Wer in den letzten Tagen meinem Facebookaccount gesehen hat, wird den Eintrag schon gesehen haben: Eine japanische Seite schreibt über meine Eltern und mich! Wie konnte es so weit kommen? Gestern erreichten meine Eltern Japan, um nach allen meinen Provokationen in Form von Bildern, endlich auch mal wieder das Land zu bereisen. Zu diesem Zweck bleiben sie jetzt 17 Tage hier und wir werden eine kleine Rundreise – von Tokyo über Hiroshima und Kanazwa nach Sendai – unternehmen.

Erster Stopp dabei ist Tokyo und hier stand noch eine Rechnung offen. Vor drei Jahren hatte ich entdeckt, dass der japanische Fußballverband zur WM 2002 ein Fußballmuseum eröffnet hatte. Dieses Museum ist in so gut wie keinem Guide enthalten, aber auf jeden Fall eine Reise wert – besonders, nachdem ich dort den echten Asia Cup anheben durfte. Am Eingang gab es aber ein Problem, welches auf das gesamte Museum zurückfällt: Der Tresen wurde mit einer Vielzahl von Anstecknadeln der verschiedensten Vereine verziert. Das ist ein Unterfangen, welches ziemlich beachtlich aussieht, aber die berechtigte Frage aufwirft, wo die Nadel des ruhmreichen Europapokalsiegers von 1974 ist. Komische Vereine aus Dortmund und Köln, ja die sind vertreten, selbst Uerdingen findet Erwähnung, aber aus dem Osten der Republik fehlt da etwas. Um diesen Umstand zu ändern, hatten wir extra eine Anstecknadel besorgt und begaben uns so zum Museum. Bevor aber die Übergabe erfolgen sollte, musste erst einmal das Museum besichtigt werden.

Tokyo1Schon am Eingang fiel uns auf, dass ein Japaner uns auf Schritt und Tritt folgte. Während wir noch die Aufstellungen der Mannschaften besichtigten, sprach er uns endlich an. Er wollte wissen, wo wir denn her sind. Aus Deutschland? Da steht doch eine Wachsfigur mit dem echten Trikot von Oliver Kahn, inklusive Unterschrift und Foto von ihm! Das müssen wir uns als Deutsche doch anschauen! Unsere Begeisterung hielt sich zwar in Grenzen, da ich ihm zum einen in echt gesehen habe, unter anderem bei einer Niederlage Bayerns in Magdeburg und da wir zum anderen in einem Museum der japanischen Fußballgesellschaft waren, um etwasTokyo2 über Japan zu hören, nicht über Kahn. Während wir also noch mehr oder weniger interessiert das Trikot anschauten, verschwand der Herr, nur um einige Augenblicke später mit einer Kamera aufzutauchen und uns zu fragen, ob er für die Webseite des Museums ein Foto machen könnte. Als gute Gäste sagten wir natürlich umgehend zu und so wurden wir für die Ewigkeit festgehalten. Der restliche Rundgang war sehr ansprechend. Unter anderem hinterließen wir die besten Wünsche für die japanische Nationalmannschaft für Brasilien und besichtigten die Pokale der Frauenmannschaft. Das Museum ist sehr modern gemacht und für Sportbegeisterte eine Reise wert.

Wie selten aber ausländische Gäste sind, Tokyo3offenbarte sich einige Stunden später, als wir beim Abendbrot saßen. Das Museum hatte uns als Gäste des Tages ausgewählt und präsentierte uns mit der Frage, wie wir den Weg in das Museum gefunden hätten und ob man denn jetzt etwa im Ausland bekannt werden würde. Dann müsste man ja auch noch mehr an der internationalen Präsentation des Museums machen.

Ach und bevor die Frage aufkommt: Unsere diplomatische Mission haben wir natürlich ebenfalls erfüllt! Zwar hatte die Sekretärin bisher noch nie eine Nadel von Ausländern erhalten und die dazugehörigen Fragezeichen standen ihr ins Gesicht geschrieben, aber freudig übernahm sie den Pin und verewigte damit endlich auch Magdeburg in der Anstecknadelwand. Wieder ein Punkt Guerillawerbung mehr für den Club!

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Von japanischen Hausfrauen und deren Wochenendbeschäftigung

Es ist Wochenende, die perfekte Zeit für Ruhe, Entspannung und längeres Schlafen. Leider machte ich einmal mehr nicht die Rechnung mit der Technik und der Langeweile von japanischen Hausfrauen. Ich erhielt einen Anruf von Yoko vom Hippo Family Club, einer Sprachgruppe, mit der ich schon vor einigen Monaten meine Bekanntschaft gemacht hatte. Sie fragte, ob ich nicht nächste Woche zu ihrem Treffen kommen will. Im Januar hatte ich doch schließlich die Bewerbung eines Mitgliedes für einen Schulaustausch geschrieben. Die Schule des Mädchens fängt jetzt wieder an und sie möchte mir noch Fragen stellen. Da meine Eltern mich hier in einer Woche beehren wollen, ist es eigentlich eine ziemlich blöde Zeit, aber wenn der Austausch bald ansteht, will man ja nicht so sein. Wie sich herausstellte, hatte sich die Welt aber gegen mich verschworen. Orsolya, welche auch eingeladen wurde, wurde spontan krank und eigentlich gab es noch viele andere Sachen zu erledigen, welche viel wichtiger gewesen wären. Da es aber mit dem Absagen zu kurzfristig wurde, entschieden die sichtlich angeschlagene Orsolya und ich, uns trotzdem auf den Weg zu machen.

So ganz geheuer ist mir der Club ja immer noch nicht. Es handelt sich um einen Sprachlernclub, welcher davon ausgeht, dass man mindestens 7 Sprachen auf einmal lernen kann, wenn man die Lernmethoden von kleinen Kindern verwendet und versucht, Worte zu lernen und viele Texte nachzusprechen. Der Spaß soll dabei aber im Vordergrund stehen. Da dieses starke Wiederholen der abstrusen Texte aber etwas absonderlich anmutet, wird der Club von uns auch gerne als Sekte bezeichnet, wenn auch die Idee dahinter nicht schlecht ist, wie sich herausstellen sollte. Zwar ist es das Motiv des Clubs, eine Sprache zu lernen, aber eigentlich geht es wohl darum, dass japanische Hausfrauen die Wohnung zur Abwechslung verlassen und Zeit mit den Kindern und im Idealfall auch mit den Ehemännern verbringen können. Bei den Spielen, welche oftmals an Kindergartenspiele erinnern, haben die sonst stark in festen Regeln und Verhaltensweisen eingebundenen Japaner einmal die Möglichkeit, sich komplett zu entfalten. Normalerweise sieht man ja nicht, dass sich ein japanischer Geschäftsmann im Anzug mit den Kindern auf dem Boden wälzt und ringt oder sie auf seinem Rücken reiten lässt. Wie stark die japanischen Regeln dabei auf den Menschen lasten, konnte man sehr gut an einem Kind sehen. Ein Mädchen, die Tochter der Leiterin Yoko, spielte komplett verrückt. Sie lief, konnte keine Sekunde still sitzen und ließ sich nicht einmal von den Ermahnungen ihrer Eltern aufhalten. Auf unsere Nachfrage berichtete man, dass die Kleine die erste Schulwoche hatte. Unterricht und Schulverpflichtungen bis spät am Abend waren zu viel für sie und ihr Verhalten stellte einfach ihren stillen Protest dar. Was dagegen traurig ist, ist der Umstand, dass man sich trotz bestem Wetter und Beschäftigungen, die bestens für den benachbarten Park geeignet gewesen wären, in einem relativ kleinen Raum ohne offenes Fenster aufhielt, so dass keiner in der Außenwelt das Verhalten kritisieren konnte.

Vom eigentlichen Inhalt des Clubs bin ich aber immer noch nicht überzeugt. Lieder wie „Ich bin ein Nilpferd (Hippo), du bist ein Nilpferd“ finde ich genauso fehl am Platz wie den Umstand, dass die Kids zum Auswendiglernen eine Geschichte über die USA nutzen müssen, welche ins Deutsche übersetzt wurde. Ein wenig Mühe, um Dinge wie American Football durch Fußball zu ersetzen, hätte ruhig sein können. Auch dass bei Anfängern das Wort „Delikatessenfachgeschäft“ verwendet wurde, fand ich schon gewagt. Ich nutzte auf jeden Fall meine Vorbereitungen für den Unterricht, welchen ich in der Uni gebe, und brachte ihnen praktische Sachen bei, wie man sich zum Beispiel vorstellt und richtig die Hand gibt.

Nach der Veranstaltung ging es zusammen mit all den Kindern und mehreren Familien zum örtlichen Spirituosenfachgeschäft um die Ecke, um deutsches Bier und andere alkoholhaltige Getränke und Süßigkeiten für die Kleinen zu kaufen. Ein 3jähriger war von der Sache so überfordert und sein Vater und seine Mutter waren so mit den anderen Kindern beschäftigt, dass er in der Ecke saß und nichts mit sich anfangen konnte. Deshalb freundeten wir uns an und ich musste ihn auf den Schultern durch das Geschäft tragen, auch wenn er mich gegenüber Orsolya in Ermangelung meines Namens einfach einen seltsamen Deutschen nannte.

Anschließend ging es zusammen in drei Autos zur Familie der Schülerin, welche zur Party einlud und dafür groß gekocht hatte. Wie sich herausstellte, war ihre Tochter aber noch da und die Information über ihre Abreise falsch. Wir hätten also alles etwas später machen können. Trotzdem wurde es ein interessanter Abend. Da das gesamte Essen (eine Suppe mit gekochten Paprikaschoten und Fleisch, Lachs mit Rettich und Reis mit Zitrone und Fleisch) ziemlich fleischhaltig wurde, musste ich in unbeobachteten Momenten den Teller mit Orsolya tauschen, man möchte ja nicht die Gastgeber verärgern. Anschließend gaben wir viele Tipps über Deutschland und Orsolya war so beliebt, dass Yuko, die besagte Tochter, sich jetzt unbedingt mit ihr treffen und shoppen gehen will. Aus dem aufgrund Orsolyas Gesundheit geplanten kurzen Aufenthalt wurde es natürlich auch nichts und erst um 23.30 Uhr machten wir uns auf den Heimweg. Natürlich nicht, ohne fast noch einen Eklat zu verursachen. Um ihre Englischkenntnisse zu belegen, rezitierte Yuko uns die Englisch CD des Clubs. Dabei sprach sie so schnell und ohne Betonung, dass wir nichts verstanden. Da man dachte, dass dieses Rezitieren schon gutes Englisch wäre, wurde unser wirklich vorsichtiger Einwurf schon als Kritik am Club ausgelegt und nur mit Engelszungen konnten wir darlegen, dass es ja nicht schlecht war, sondern nur noch besser sein könnte. Auch ansonsten muss ich sagen, dass mir das Auswendiglernen auf die Nerven ging. Im Rahmen ihrer Bewerbung hatte Yuko einen langen Text schreiben müssen, warum sie in Deutschland zur Schule gehen möchte. Die komplette für die Bewerbung geschriebene Begründung wollte sie jetzt auswendig lernen, um sie in Deutschland vortragen zu können, falls sie die gleiche Frage erhält – und ich sollte es ihr für eine Aufnahme vorsprechen. Das Gesicht der deutschen Schüler hätte ich zu gerne gesehen, wenn die junge Japanerin versucht zu erklären, dass die japanische Religion ja Buddhistisch sei und Deutschland in einer christlichen Tradition stehen würde und sie deshalb mit ihren eigenen Augen den Unterschied zwischen diesen religiösen Kulturen sehen möchte. Diese Aussage war dabei noch die am wenigsten Hochtrabende. Kurzentschlossen verfassten wir ihr ein Set von Antworten, welche sie als 15jähriges Mädchen auch wirklich verwenden kann. Auch allgemeine Regeln, dass ihr 4 cm Minirock, mit nicht ganz knielangem durchsichtigen Überrock, eventuell nicht die perfekte Schulkleidung in Deutschland darstellt, sind wir mit ihr durchgegangen.

Es war auf jeden Fall ein lustiger Abend, auch wenn ich befürchte, von Yuko habe ich noch nicht zum letzten Mal berichtet. Das wird noch wirklich lustig. Trotzdem habe ich nach der Feier jetzt einen besseren Eindruck von dem Klub und freue mich schon darauf, mal wieder dort vorbeizukommen.

Hippo FamilieEssenHippo Family Club

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