April 2014 Archiv

Der erste Arbeitstag

Endlich ist er da, mein erster Arbeitstag. Die guten Sachen sind rausgesucht, die besten Wünsche und Tipps von Professor Morimoto habe ich mir anhören dürfen und ich stehe bereit, um den Japanern die Schönheit der deutschen Sprache näherzubringen. Leider sollte es nicht so einfach werden, wie ich dachte, aber von Anfang an:

Im Rahmen meiner Arbeit werde ich zwei Klassen betreuen: Zum einen ist das eine Gruppe von Medizinern und zum anderen eine Naturwissenschaftler-Gruppe. Als Lehrerin steht dabei Frau Fujita im Raum. Frau Fujita ist eigentlich Professorin für interkulturelle Studien mit Schwerpunkt Deutschland. Für mich ist das höchst interessant, da ihr letzter Doktorand das Thema meiner Masterarbeit (nur 100 Jahre früher) untersucht hatte und sie uns jetzt in Kontakt bringen möchte. Unwissend habe ich mit der Annahme des Jobs also gleichzeitig etwas für meine Doktorarbeit getan. In der ersten Semesterwoche findet hier in Japan auf jeden Fall eine Orientierungswoche statt. Man muss sich also nicht, wie in Deutschland üblich, online für einen Sprachkurs einschreiben. Man kann sich erst einmal anhören, was sie anbieten und dann entscheiden. Aus diesem Grund ergab es sich, dass die Studenten in 5 Gruppen durch unseren Klassenraum geführt wurden und wir immer wieder den Kurs vorstellen mussten. Dabei waren Professor Morimotos Tipps nicht gerade hilfreich. Wir hatten vorher abgesprochen, dass ich ja nur Deutsch sprechen brauche und Japanisch gar nicht brauche. Nun sollte ich aber auf einmal mich und meine Spezialitäten auf Japanisch vorstellen. In der ersten Vorstellung war ich von der Sache so überrascht, dass ich erst unbewusst auf Deutsch antwortete, aber mit der Zeit wurde es um einiges besser. Der größte Kampf war dabei, dass ich nicht mit meinem Nachnamen angesprochen werden wollte. Ein Japaner hatte damit solche Probleme, dass er erst einmal die Professorin ansprach und sie fragte, ob er mich richtig verstehe und wie er reagieren soll. Da die Professorin mich aber eh so anspricht, erklärte sie dem Studenten, warum er denn nicht direkt mich fragt. Ansonsten war es eine entspannte Runde, wo einige Japaner etwas verstört auf den großen Ausländer reagierten, aber ansonsten klappte mit der Zeit alles ganz gut.

Der Kurs wird auf jeden Fall sehr lustig werden, aber nervös bin ich immer noch. Wir haben es geschafft, in den einen Kurs 17 Leute und in den anderen rund 10 Leute zu bekommen. Damit sind die beiden Kurse jetzt schon besser besucht, als die Kurse, welche durch Professor Morimoto und die deutsche Professorin zusammen durchgeführt werden. Auf Wunsch von Frau Fujita wird das erste Segment von mir in der nächsten Woche dann eine Vorstellung meiner Heimatstadt beinhalten. Zusätzlich „muss“ ich bald mein Fußballteam vorstellen, da ich aus mir unbegreiflichen Gründen als großer Fußballfan vorgestellt wurde. Ich freue mich drauf!

Klassenraum gesamtTafelKlassenraum 1

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/der-erste-arbeitstag/

Die Arbeit

Endlich ist es geschafft! Ich verdiene etwas Geld und kann Japanern über die beste Stadt der Welt erzählen, eine win-win Situation, leider war der Weg dahin sehr lang. Letzte Woche Donnerstag befand ich mich im strömenden Regen gerade am anderen Ende der Stadt in Izumi, als plötzlich das Telefon klingelte und ich eine Nachricht erhielt. Professor Morimoto schrieb mir, er habe wichtige Unterlagen für meinen Job und ich muss die heute noch unterschrieben in der Verwaltung der Geisteswissenschaften abgeben. Nun ist es so, dass ich von dieser Stelle selbst an sonnigen Tagen und beim Ignorieren aller Verkehrsregeln etwa eine Stunde benötigen würde. Und genau diese eine Stunde hatte ich vom Erhalten der Nachricht, bis zum Schließen der Verwaltung. Da saß ich den ganzen Vormittag in der Uni bis ich entschied, mit dem Fahrrad noch einige Besorgungen in Izumi zu machen und dann so etwas! Zu allem Überfluss hatte auf einmal der Regen eingesetzt und ich stand auf der Landstraße und durfte mir eine Lösung für das Problem einfallen lassen. Das erste Problem war: Wen anrufen? Professor Morimotos Nummer war nicht in der Nachricht enthalten und die Verwaltung verstand mich nicht. Kurz entschlossen rief ich Norihiro an, das Telefon war natürlich ausgeschaltet. So ging ich meine Kontakte durch: Orsolya, das Kenkyoshitzu, Masami, Sato – niemand hatte sein Telefon an. Langsam war ich am Verzweifeln und hatte nur noch 10 Minuten bis zur Schließzeit, als Sato mich auf einmal zurückrief. Er wollte mir dann die Nummer von Professor Morimoto schicken. Aber anstatt einfach nur die Nummer zu schreiben, rief er mich noch zwei Mal an – einmal, um zu sagen, er hat die Nummer und schreibt die Nachricht jetzt und dann, um zu sagen, dass er die Nachricht jetzt geschickt hat. Warum könnte man es einfach machen, wenn es auch kompliziert geht? Zum Glück erreichte ich endlich meinen Prof und konnte die Unterschrift auf den nächsten Tag verschieben. Wie es aussieht, scheint das aber Standard zu sein. Sowohl Morimoto als auch Masami bestätigten mir, dass unsere Verwaltung sich immer in der letzten Sekunde meldet.

Natürlich konnte man es mir auch am nächsten Tag nicht leichter machen. Ich brauchte 4 Stunden, um alle Unterlagen auszufüllen und immer fehlte irgend etwas. Bürokratie in Japan ist das Schlimmste, aber immerhin kann ich jetzt endlich arbeiten. Nur kurzzeitig entstand noch eine unschöne Stille: Nach den 4 Stunden hatten wir alle Unterlagen abgegeben und es sollte noch einmal mein Studentenausweis kopiert werden. Leider habe ich nur einen Behelfsausweis und auf einmal stammelte die Verantwortliche vor sich hin und starrte mich entsetzt an. Da holte ich schnell meine Aliencard heraus und belegte damit, dass ich eine Arbeitserlaubnis habe. Ihr Gesicht entspannte sich und als sie zum Kopierer ging stellte sie lautstark fest, dass ich ja auch ein Visum für 2 Jahre habe. In diesem Moment schaute mich Professor Morimoto überrascht an und meinte nur: Du hast 2 Jahre? Es ist ja nicht so, als ob mein Betreuer so etwas wissen sollte, aber der Gesichtsausdruck mit seiner Frage im Verbund brachten mich echt zum Lachen.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/die-arbeit/

Vegalta vs. Tokyo

Es ist einfach nicht zum Aushalten, als Fußballfan im Ausland zu sein ist grausam! Entweder nur am Liveticker zu sitzen und auf Meldungen zu warten oder, wenn man Glück hat, wird das Spiel online übertragen und der Stream bricht regelmäßig zusammen. Wirklich Spaß macht das nicht! Zu allem Überfluss muss man sich dann noch anhören, man würde zu laut jubeln und nach Niederlagen zu niedergeschlagen sein. Es wurde Zeit, etwas zu ändern und zu diesem Zweck entschied ich am Mittwoch, dass ich schon zu lange Vegalta ferngeblieben bin.

Mein Fernbleiben hat dabei mehrere Gründe. Neben den normalen Gründen wie zum Beispiel Zeitproblemen, erhöhten Kartenpreisen und dem Wetter, lag es aber auch nicht zuletzt an Vegalta selber. Seit dieser Saison hat der Verein einen neuen Trainer, ein Australier, und mit ihm ist das Unglück bei Vegalta eingetreten und man schießt kaum Tore und verliert meist mit einem Gegentreffer. Solche Umstellungsprobleme sind nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Spieltaktik von Vegalta für sechs Jahre darin bestand, aus einer felsenfesten Abwehr heraus den Gegner auszukontern. Mittlerweile versucht der neue Coach, das Team mit einer modernen 4-2-3-1er Taktik auflaufen zu lassen. Bei Spielern der japanischen Größe ist das eine ziemlich gewagte Entscheidung, wenn man sieht, dass man versucht bis zur Grundlinie durchzubrechen und dann per Flanke den Kopf des Stürmers zu treffen. Da ich aber diesmal auftauchen wollte, hoffte ich natürlich auf eine Steigerung und den ersten Sieg in der Saison.

Nach einer schönen Tour durch die Außenbezirke der Stadt erreichte ich das Stadion und war erst einmal etwas überrascht. Vegalta, ein Verein mit sehr treuen Anhängern, schaffte es an einem Mittwoch nicht einmal, das halbe Stadion zu füllen. Das ist ein eindeutiges Zeichen, dass die japanischen Arbeitszeiten so hart sind, wie es immer in den Vorurteilen berichtet wird. Natürlich waren aber meine Freunde komplett da. Kuma und die anderen kenne ich jetzt mittlerweile schon seit über 3 Jahren und das macht sich stark bemerkbar: Die Kinder werden immer größer. Für mich ist das immer sehr bemerkenswert, merkt man doch sonst den Zeitverlauf von immerhin 4 Jahren seit meiner Ankunft 2010 sonst äußert selten. Natürlich wurde ich aber freundlich wie immer aufgenommen und man besprach gleich die Entwicklung in den Familien und die Entwicklung des Vereins. Ohne Kuma und die anderen hätte ich beim Fußball in Sendai auf jeden Fall nicht mal halb so viel Spaß. Wie sich herausstellte, blieb das Stadion auch nicht so leer wie es anfänglich aussah, denn die Sendaier machten stark Gebrauch von der Halbzeiteintrittskarte, mit der ebenfalls Orsolya auftauchte, welche dann auch eine wertvolle Verständigungshilfe mit der Familie war.

Zum Spiel selber war in der ersten Halbzeit nicht viel zu sagen. Vegalta und auch Tokyo spielten schlechter, als ich es jemals von ihnen gesehen hatte. Wenn in Magdeburg auf unser Mittelfeld geschimpft wird will ich nicht sehen, was die Leute bei diesem Spiel gesagt hätten. Kaum ein Ball erreichte mal mehr als zwei Stationen und die neuen australischen Spieler reihten sich in dieses Festival nahtlos ein. Nur der Torwart wusste zu gefallen, schaffte er doch punktgenaue Abstöße in die gegnerische Hälfte, aber die Spieler konnten daraus leider nichts machen. Als Fußballfan bin ich immer überrascht, wie selbst talentierte Spieler es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit wie Amateurspieler auszusehen. Zwar dachte ich, ich wäre überkritisch, wenn aber selbst Orsolya feststellt, dass das Spiel nicht viel mit dem Sport gemein hat, dann liegt wirklich etwas im Argen. Und dabei hat sich das Spiel in der zweiten Halbzeit sogar etwas verbessert. Da auch von Tokyo noch weniger kam als von Vegalta, fiel aus einem Freistoß, welcher im Gewühl ins Tor geköpft wurde, in der zweiten Halbzeit das 1:0 für Vegalta. Wenn es keine Mannschaft schafft, den Ball weiter als 2 Stationen zu spielen, ist es auch kein Wunder, dass man Standards benötigt. Zu keinem Zeitpunkt sah es in der Folgezeit so aus, als ob noch ein Team etwas am Spiel drehen würde oder überhaupt noch einmal gefährlich vor dem Tor auftauchen würde. Dann schafften es fünf Vegalta-Verteidiger nicht, zwei Tokyo-Spielern den Ball ohne Foul abzunehmen. Da das Foul im Strafraum stattfand, schaffte der FC Tokyo den Ausgleich durch einen in Deutschland sehr bekannten Spieler, den Ex-Schalker Edu. So trennten sich die Mannschaften mit einem verdienten Unentschieden, wobei Vegalta immerhin noch in der letzten Minute so etwas ähnliches wie eine Torchance hatte. Dabei war es eigentlich schwerer, den Ball am Tor vorbei zu schießen, als das Tor zu treffen. Aber wenn es schlecht läuft, läuft ja garantiert alles schlecht und so war es kein Wunder, dass es der Spieler schaffte.

Trotz allem war es ein schöner Tag. Wir hatten viel Spaß auf der Tribüne, auch wenn mir keiner glauben wollte, dass man bei den Temperaturen schon ohne Jacke, nur im Trikot, rumlaufen kann. Immerhin habe ich meine Eltern jetzt schon bei allen angemeldet und gegen Kobe gibt es in einem Monat dann ein Familientreffen. Hoffentlich gibt es dann aber auch einen Sieg!
Fans Vegalta SendaiAnzeigetafel Vegalta Sendai

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/vegalta-vs-tokyo/