Fünf Tage und dann so etwas

Sendai_01_3Ich kann so nicht Arbeiten! Dennis ist jetzt erst fünf Tage da und schon muss ich ihn durch Sendai mit dem Rollstuhl rumfahren. Er ist auch nicht mehr, was er mal war…! Nein, so schlimm ist es nicht! Heute früh ging es für uns in die Innenstadt und dort fanden wir ein Stadtfest, veranstaltet durch einen TV-Sender. Dieser feiert jährlich seit 37 Jahren sein Bestehen. Als eine der Attraktionen Sendai_01_1traten regelmäßig ortsansässige Chearleader-Gruppen auf. Diese waren vermutlich alle Mitglieder der Unterstützergruppen ihrer High-Schools und sie waren ziemlich gut. Etwas fragwürdig waren nur die Benennungen der Gruppen, was aber ein allgemeines japanisches Problem ist. Ein weiteres Highlight war ein Medizinstand. Dieser wurde durch ein Medizinbüro der Universität betreut und sollte den Menschen ein Verständnis geben, wie es ist behindert, zu sein. Uns als Ausländer hatten sie dabei besonders im Blick, weil bei unserer Teilnahme natürlich auch die Japaner genauer hinschauen, ob man nicht auch mitmachen sollte. Erster im Bunde war dabei Dennis, der sich schwer begeistert von einem Rollstuhl zeigte und sich entweder selber rollte oder sich von mir Sendai_01_4schieben ließ. Am liebsten hätte er ihn behalten, im Endeffekt war auf der Teststrecke aber kein Hindernis, weshalb ihm das Ganze wohl leichter vorkam, als es für die Betroffenen sein wird. Weiterhin ließen er und Orsolya es sich nicht nehmen, den Schwangerschaftsbauch auszuprobieren, auch wenn Dennis damit nur wie ein leicht Übergewichtiger aussah und damit in Deutschland wohl noch nicht einmal auffallen würde. Sendai_01_5Als besonders interessant wäre dann wohl noch die Art des Spendens zu nennen, welche sich die Veranstalter ausgedacht hatten. Auf dem Boden hatte man ein Bild gezeichnet und verschiedene Stellen mit Zahlen gekennzeichnet. Wenn die Stellen mit Münzen dieser Art ausgefüllt wurden, konnte man im Anschluss eine farbliche und imposante Sendai_01_0Variante des Bildes sehen. Familien kamen so mit ganzen Kisten an Kleingeld, um das Bild zu legen und im Endeffekt kam so wohl einiges an Spenden zusammen, ohne dass es den Beteiligten wirklich auffiel, da vielen die wertlosen 1 Yen Stücken nicht wehtaten und die Meisten sich mehr über fertige Elemente des Bildes freuten.

Im Anschluss an das Fest ging es für uns dann aber weiter zu etwas weitaus Wichtigerem. Vegalta spielte gegen Yokohama. Dennis zeigte sich vorher wenig begeistert, denn Fußball sei ja langweilig. Zum Glück habe ich ja Vegalta, um seine Meinung zu ändern. Sendai_01_2Fußball in Japan ist bekanntlich anders als in Deutschland und im singenden Fanblock zu stehen, ist sowieso etwas anderes. Dank Kuma und den Anderen hatten wir das Glück, uns nicht um unseren Sitzplatz kümmern zu müssen und wir wurden wie immer sehr nett aufgenommen. Leider verlief das Spiel selber nicht ganz so sehr, wie ich es mir erhofft hatte. Vegalta ist nach dem Trainerwechsel immer noch in der Findungsphase. Das Team ist stabiler als in der Hinrunde, aber an die Siegesserie am Ende der Hinrunde konnte man noch nicht anknüpfen. Yokohama auf der anderen Seite geht es auch nicht besser. Mit dem Wunsch in die Saison gegangen, dieses Jahr Meister zu werden, war die Hinrunde ziemlich enttäuschend. Erst in der Rückrunde hat sich das Team stabilisiert und langsam wieder etwas seiner Angriffsstärke wiederentdeckt. Genauso zeigte sich das heutige Spiel. Sendai_01_7Als eines der besseren J-League Spiele, welches ich dieses Jahr gesehen habe, schenkten sich beide Teams nichts. Es entstand ein interessantes Spiel, welches bis zum Sechszehner von Yokohama bestimmt wurde, welche ihre individuelle Klasse des Öfteren ausspielten und technisch einfach stärker als Sendai waren. Sendai auf der anderen Seite machte seine Fehlpässe und Schwächen durch puren Kampf weg, weshalb Yokohama ab dem Sechszehner kaum Chancen generierte. Es kam, wie es kommen musste, und das erste Tor entstand durch eine Standardsituation. Shunsuke Nakamura, der 36jährige Spielmacher Yokohamas brachte eine butterweiche Ecke auf den Kopf eines Mitspielers, der gar nicht mehr anders konnte, als einzunicken. Wenn es um Standards geht, ist Nakamura halt doch noch auf Weltklasseniveau. Vegalta ließ sich aber nicht lange bitten und aus einer schön Sendai_01_6herausgespielten Chance, bei der endlich mal alle Pässe ankamen, entstand der 1:1 Halbzeitstand. Bis auf 2 Lattentreffer von Yokohama, welche aus Standards generiert wurden, und mehrere Chancen von Vegalta-Spielern, welche nach Kontern alleine vorm Torwart standen und diesen anschossen, sah es in der zweiten Halbzeit so aus, als ob es beim 1:1 bleiben sollte. Wenn, dann war Vegalta dem Sieg näher, als es Yokohama war. Leider kam es wie so häufig, wenn man das Tor nicht trifft: Yokohama hatte in der neunzigsten Minute die erste Chance seit 15 Minuten, welche zu einer Ecke führte. Diese wurde mal wieder vom alten Nakamura getreten und führte zum Siegtreffer von Yokohama. Enttäuscht mussten die Sendai-Fans nach Hause, während die Yokohama-Fans ihrem berühmten Regenschirmsiegesritual frönten.

Erwähnenswert ist übrigens noch einer unserer Zwischenstopps: In einer Spielhalle erinnerten Dennis und ich uns, dass wir ja Musik bis hoch in die Kursstufe hatten. Dementsprechend gut ausgebildet sollten doch simple Tanz- und Instrumentenspiele für uns kein Problem sein. So ging ich in einer Jamsession an der Gitarre als Sieger hervor, was aber auch nur daran gelegen haben könnte, dass ein einfaches Folgen von Farben nötig war und ich dafür über bessere Reflexe verfügte. Im Tanzwettbewerb wurden wir dagegen beide von Orsolya abgekocht, welche einfach mehr Eleganz aufs Parkett zauberte, als wir es je könnten. Viel mehr erinnerten unsere Versuche an Jean Reno aus Wasabi und genauso schnell endeten sie auch. Nach all der körperlichen Ertüchtigung entschieden wir, den Besuch der Spielhalle mit sinnlosen Zombiekämpfen ausklingen zu lassen. So viel kann ich verraten, das Spiel erlaubt kein Friendly Fire, wie ich schmerzhaft erfahren musste, als Dennis unser Spiel durch mangelnde Koordinierung scheitern ließ.
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Zurück nach Sendai

Es wird Zeit, den Standort zu wechseln. In den letzten Tagen haben wir in Tokyo genug erlebt und erlaufen, um weiterzufahren. Etwas Abwechslung muss ja sein. Aus diesem Grund standen wir früh am Morgen in Shinjuku und mussten entscheiden, wie wir unsere Koffer unterbekommen, bis unser Bus abfährt. Im Endeffekt vergeudeten wir so fast eine Stunde, bis wir im riesigen Bahnhof mit all seinen Schließfächern eines fanden, welches leer war.

Tokio_04_4Was macht man nun in sechs Stunden? Zu weit weg von Shinjuku sollte es nicht gehen, aber gestern hatten wir schon einiges gesehen von dem Stadtteil, weshalb uns nach Abwechslung war. Kurzerhand beschlossen wir, es so zu machen wie immer. Wir entschieden uns spontan für eine Himmelrichtung und folgten dieser so lange, wie uns unsere Beine tragen wollten. In diesem Fall entsprach dies der Station Waseda, sechs U-Bahn-Stationen von Shinjuku entfernt und Standort einer der besten Universitäten des Landes. Auf dem Weg dorthin sahen wir ein ganz anderes Tokyo, nicht die beschäftigten Hauptstandorte mit ihren Hochhäusern und Menschenmassen, sondern das Ruhige und Beschauliche, was die Stadt als Gegenentwurf auch zu bieten Tokio_04_1hat. Solche kurzen Spaziergänge kann ich jedem nur empfehlen, der die Möglichkeit dazu hat. Man hat einen ganz anderen Eindruck von einem Ort, als man den als Tourist bekommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Leben in diesen Stadtteilen gar nicht so ungemütlich wäre, wie ich es mir in Tokyo immer vorstelle. Im Endeffekt würden mich die weiten Strecken aber doch nerven, weshalb ich mit Sendai schon ziemlich zufrieden bin. Waseda dagegen hat etwas als Stadtteil, was ich mir von Sendai wünschen würde und in Göttingen noch viel mehr erwartet hätte: Es ist ein Standort, der komplett auf die Tokio_04_3Universität ausgelegt ist. An jeder Ecke gibt es kleine Gebrauchtbuchläden, all die Restaurants und Läden, die ein Student sich wünschen würde, sind in wenigen Metern von der Uni erreichbar und noch mehr auf die Bedürfnisse der Studenten angepasst, als das in Göttingen der Fall ist. Zusammen mit dem guten Universitätsgelände kann ich mir gut vorstellen, dass das Studieren hier erleichtert wird. Auf der anderen Seite gibt es wohl aber kaum genug Wohnungen in dem Stadtteil, was die Anreise für die Studenten dann doch komplizierter machen wird, was alles wieder ausgleicht.

Tokio_04_2Nach fünf Stunden Fußmarsch ging es dann zurück nach Shinjuku, wo uns unser Gepäck erwartete und wir uns zum Autobahnbus begeben wollten. Seit meiner letzten Busreise hat sich dabei einiges geändert. Früher war der Treffpunkt in der Nähe des Rathauses und alle Busse und Fahrer blockierten eine Straße. Heute haben die Unternehmen ein Reisebüro, wo man sich trifft. Im Anschluss muss man geschlossen in Zweierreihen durch Shinjuku laufen, um den Bus zu erreichen. In unserem Fall waren das 15 Minuten, was schon ziemlich nervig war. Meine Vermutung ist, dass die Busunternehmen Abmahnungen erhielten und jetzt etwas abseits und entfernt von der Polizei parken, aber das mag nur meine Interpretation sein. Die Busreise war aber dann ganz angenehm und wenn ich die Ersparnis sehe, die solche Busreisen bedeuten, dann werde ich ab jetzt wohl wieder öfter den Bus nehmen, wenn das möglich ist. So schlecht ist das Ganze nicht und die Extrazeit habe ich meist auch.

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In Chinatown

Tokio_03_0Nach dem Nostalgietrip am gestrigen Tag erinnerten Dennis und ich uns an eine Aussage, welche wir vor acht Jahren trafen: Wenn wir in Japan sind, wieso sollten wir dann bitte nach Chinatown? Aus diesem Grund entschieden wir damals, einen großen Bogen um Chinatown in Yokohama zu machen, obwohl uns die Stadt ansonsten sehr gefiel. In acht Jahren ändern sich da ja aber doch die Prioritäten und deshalb entschieden wir, dass wir dem Viertel eine Chance geben. Zu diesem Zweck ging es heute früh los in Richtung Yokohama.

Tokio_03_1Dort endlich angekommen, konnte ich die Wirkung von mehrjährigem Konditionstraining erleben. Früher hat sich Dennis gerne über meine nicht immer sehr kurzen Laufpläne beschwert. Heute entschied er von sich aus, dass wir ja unseren morgendliche Elan nutzen und zum anderen Endes der Innenstadt laufen Tokio_03_2könnten, anstatt mit der U-Bahn zu fahren. Was sind schon so um die 15 km? Das lasse ich mir ja nicht zweimal sagen und so ging es in einem kleinen Spaziergang (laut Dennis ein Gewaltmarsch, wie auch immer er darauf kommt…) durch die Stadt. Yokohama ist wirklich eine schöne Stadt und mir persönlich gefällt sie etwas besser als Tokyo. Leider wurde der Eindruck heute durch einen leichten Nieselregen etwas getrübt. Tokio_03_3Chinatown ist ein interessantes Gebiet in der Stadt. Während Yokohamas Geschäfte eher organisiert und die Verkäufer sehr zurückhaltend sind, stellt Chintown den kompletten Gegenentwurf dazu dar. Überall stehen Verkäufer, welche lautstark ihre Produkte an den Mann oder die Frau bringen wollen. Im Endeffekt muss man sich eine Straße vorstellen, welche durch Menschen, die wie Marktschreier ihre Waren anpreisen, belebt wird. Auch die Geschäfte selber sind verkramter Tokio_03_5und interessanterweise sehr auf Pandas fixiert, welche als das universelle Symbol Chinas sterilisiert werden. Für eine Stunde stellt Chinatown so einen angenehmen Gegenpart zu Japan dar, welcher durch die Japaner auch ausgiebig angenommen wird. Mir selber reichte es aber sehr schnell damit. Die japanische Mentalität liegt mir dann doch mehr.

Tokio_03_9Im Anschluss an Chinatown ging es zu Fuß in Richtung Hafen und von da aus wieder zum Bahnhof. Auf dem Weg stellten wir fest, dass dank des Regens am Hafen fast nichts auf dem Meer zu sehen war, aber immerhin fanden wir einiges Interessantes auf dem Weg. In den letzten Jahren hat sich Yokohama seiner Geschichte erinnert und Gedenktafeln zu Ehren der Öffnung des Landes aufgestellt. Für jemanden, der sich mit genau dieser Zeit beschäftigt, hatte ich so eine interessante Tour. Auf halber Strecke entschieden wir uns dann für einen kurzen ZwischenstoppTokio_03_4 in einem Vergnügungspark. Dennis beschloss, dass er unbedingt mit der Achterbahn fahren muss. Zu seinem Glück schaffte er es gerade so, seine Beine im Wagen unterzubringen. Bei mir wäre es unmöglich gewesen, weshalb er auch auf mich als Beifahrer verzichten musste. Obwohl die Fahrt für den Preis etwas zu kurz war, hatte er doch seinen Spaß.

Im Anschluss an die Gewaltmärsche ging es zurück nach Tokyo, wo wir uns in Shinjuku etwas Essbares suchten. Dabei stießen wir in dem Viertel mit den meisten Hochhäusern der Stadt auf eine sehr kleine Straße, dem Aussehen nach gebaut in den Sechzigern, in der kleinste Imbissbuden Essen anboten. Auf Komfort oder gar Hygienestandards wie in Deutschland musste man dabei zwar verzichten, dem Ambiente und Geschmack tat das aber keinen Abbruch. Aufgrund der Vielfalt des Angebotes suchten wir uns die ältesten Köche, die wir finden konnten. So landeten wir in einer kleinen Bude, geführt von drei alten Menschen, welche wohl im Schnitt siebzig Jahre alt waren.
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Laut den Geschichten, die wir mithören konnten, waren die drei Betreiber seit der Errichtung dieser kulinarischen Straße in diesem Laden und betreiben den Stand täglich. Der Mann ist dabei für das Kochen zuständig, während die beiden weiblichen Mitarbeiter den Rest übernehmen. Diese Erfahrung konnte man dabei sehr genau schmecken. Es waren mit die besten Tsukemen, die ich bisher in Japan hatte. Ich bin mir sicher, dass ich mich auch in Zukunft noch öfter in diese Straße verirren werde.

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Acht Jahre älter und immer noch nicht weiser

Tokio_02_1Nach einer langen Nacht, in der Dennis hoffentlich seinen Jetlag wegschlafen konnte, hieß das heutige Ziel Asakusa. Aufgrund des Wetters sind wir im Moment mit unseren Besichtigungszielen etwas eingeschränkt, aber der Regen hält uns ja nicht auf. Aus diesem Grund ging es von Asakusa mit dem Schiff in Richtung Hafen, wo wir am Tokio_02_2Hamarikyu Park ausstiegen. Dieser Park wurde vor dreihundert Jahren durch den Auftrag eines Shoguns der Tokugawa-Familie angelegt und ist aus diesem Grund eine der schönsten Parkanlagen Tokyos. Dabei umfasst der Park ein Teehaus, einen Entenjagdteich, mehrere kleine Seen und das alles ist umrahmt von japanischer Tokio_02_3Gartenbaukunst. Im Anschluss daran ging es gleich noch zum japanischen Fischgroßhandel, wo wir noch das Verladen einiger riesiger Fische beobachten konnten. In diesem Moment fiel uns eine Sache auf: Das letzte Mal waren wir bei unserer allerersten Reise im Jahr 2006 Tokio_02_4in diesem Stadtbezirk. Kurzerhand folgten wir einigen Spuren, fanden unser erstes Hotel und einige der alten Restaurants, welche wir vor acht Jahren auf der Suche nach vegetarischem Essen verrückt gemacht haben. Nachdem wir nun zu Fuß im Rahmen dieses Nostalgietrips schon zwei Stadtteile Tokio_02_8durchquert hatten, ging es gleich weiter zum Tokyo Tower, welcher nicht weit vom Hotel gelegen ist. Dabei gelangten wir in einen Park, welcher so dicht verwachsen war, dass man in ihm Fotos für jede Urwaldtour hätte machen können und die Tiergeräusche-Untermalung tat ihren Anteil dazu. Solche Parks in Tokyo zu finden, erwartet wohl niemand.

Der Tokyo Tower selber ist eines der Tokio_02_5Wahrzeichen der Stadt, auch wenn er dank des Tokyo Skytree leider etwas in Vergessenheit gerät. Mit seinen 333 Metern ist der 56 Jahre alte Turm immer noch das zweithöchste Gebäude der Stadt und wird ikonisch in jedem Film über Tokyo gezeigt. Besonders gerne nebenbei in Monster- und Katastrophenfilmen, wo seine Zerstörung den Schrecken der Situation verdeutlichen soll.

Tokio_02_9Nachdem wir den Turm besichtigt hatten, ging es dann per Bahn auf eine Odyssee durch Tokyo. Eigentlich hatten wir das Ganze sehr einfach geplant: Schnell in den Zug einsteigen, irgendwo, wo es etwas zu Essen gibt, wieder raus und danach zum Hotel. Leider berechneten wir die Rushhour nicht. Es passierte zum ersten Mal etwas, was wir bisher immer vermeiden konnten: Wir wurden getrennt. Dennis gelangte in einen Strom von Menschen und wurde in eine Bahn gedrückt, in die ich trotz Drückens von außen nicht mehr hineingelangen konnte, während Dennis sich auch nicht aus ihr befreien konnte. Kaum in der Lage, anständig zu Atmen, fuhr er so nach Shibuya, wohin ich ihm mit der nächsten Bahn folgte. Nur mit Tokio_02_7Mühe und Not gelang mir dies überhaupt, war die nächste Bahn doch auch so überfüllt, dass schon Bahnmitarbeiter nachhalfen, um dem Zug das Schließen der Türen zu ermöglichen. In Shibuya fanden wir uns zu allem Überfluss erst einmal nicht wieder, da Dennis es schaffte, sich am falschen Ausgang zu postieren und dabei die Station sogar zu verlassen, während ich ihn verzweifelt im Bahnhof suchte. Im Endeffekt konnten wir Tokio_02_6uns aber wieder finden. Nun hatten wir aber direkt genug von Shibuya. Wir fotografierten noch schnell die berühmte Kreuzung des Stadtteils, welche durch die offenen Regenschirme der Anwesenden besonders imposant wirkte, ehe wir weiterfuhren und uns im Endeffekt in Shimbashi ein paar Udon gönnten, ehe es zurück zum Hotel ging.

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Japan zum Vierten

Da ist er wieder! Nach 16 Stunden Flugzeit setzte Dennis etwas erschöpft erneut seine Füße auf den japanischen Boden. Während andere Leute es noch nicht einmal hierher geschafft haben, um mich zu besuchen, steht für Dennis schon sein vierter Aufenthalt in acht Jahren an. Dabei besuchte er mich zweimal und zweimal reiste er direkt mit mir. Da ich früh noch organisatorisch in Sendai gebunden war, konnte ich leider nicht am Flughafen bereit stehen, um ihn zu empfangen. Aber immerhin schaffte ich es rechtzeitig zum Bahnhof in Nippori, wo wir uns um 13 Uhr trafen. Der erste Schritt war selbstverständlich das Abstellen der Taschen im Hotel. Wobei, das ist gelogen! Erst einmal galt es, Dennis mit dem japanischen Lebenssaft, auch bekannt als Calpis, zu versorgen und dann ging es zum Hotel.

Unser Hotel liegt dieses Mal in Nippori. Nippori ist ein traditioneller Stadtteil von Tokyo, zwei Stationen von Ueno entfernt. Insgesamt hatten wir damit auch viel Glück, da das Zimmer relativ groß ist und für Tokyoter Verhältnisse zudem auch noch billig. Etwas seltsam ist das Ganze aber trotzdem. Um WLAN auf dem Zimmer zu erhalten, bekommt man einen mobilen WLAN-Router von der Rezeption ausgeliehen, welchen man mit dem Lan-Kabel auf dem Zimmer verbindet. Tägliches reinigen des Zimmers gibt es auch nicht. Da wir aber eh nur wenige Tage bleiben und frische Handtücher unten an der Rezeption erhältlich sind, stellt uns das nicht vor Probleme. Dafür gibt es sogar Töpfe und eine mobile Herdplatte, auch wenn mir beim besten Willen nicht einfallen will, wo ich mich hier zum Kochen hinstellen sollte. Insgesamt haben wir es aber ziemlich gut mit dem Zimmer getroffen.

Aufgrund des Jetlags genehmigten wir uns nach der Ankunft auf jeden Fall erst einmal etwas Entspannung, ehe wir uns zum Technik-Mekka Akihabara aufmachten, um Dennis Aufenthalt entspannt zu beginnen. Leider muss man sagen, das Viertel wird immer mehr zum Mainstream. Aber trotzdem genossen wir es, in die Parallelwelt Akihabara einzutauchen.
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Egal, ob Dienstmädchen-, Katzen- oder Butler-Cafés, hier gibt es alles und auf der Straße läuft die halbe Belegschaft in der passenden Kostümierung herum und versucht, Kunden anzuwerben. Dazu prasseln unzählige Farben, Anime und Computerspielmelodien auf einen ein.

Nachdem wir langsam genug davon hatten, ging es in eine Seitenstraße, wo wir uns ein paar Ramen genehmigten und uns erst einmal gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge brachten. So berichtete er zum Beispiel von Martins Hochzeitsfeier, dem ich auf diesem Weg noch einmal alles Gute zur Vermählung wünschen möchte.
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Im Anschluss ging es dann zu Fuß nach Ueno, wo wir noch die Vorräte an Getränken aufstocken wollten, ehe es ins Hotel ging. Was aber wiederum in Ueno abging, das ging gar nicht. In Japan ist Prostitution verboten, aber Waschhäuser, in denen junge Damen die Gäste waschen, Massagesalons oder Themenbars und ähnliches Etablissements stehen auf einem ganz anderen Blatt. Diese bieten dabei gerne ein sogenanntes „Happy End“ an, was wiederum die Gesetzgebung des Landes umgehen soll. Nun war der Anblick von zwei Europäern, welche alleine durch die Straße gingen, wohl genug, um diese penetrant anzuquatschen. Besonders einer ging so weit, dass er uns zwei Ampeln lang folgte und erst durch eine etwas ruppigere Herangehensweise darauf gebracht werden konnte, uns nicht weiter zu verfolgen. Das haben wir nicht nötig, auch wenn wir alleine reisen!

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Tag 3

Puh, der letzte Tag steht an! Für die Kinder war das ein trauriges Ereignis, für die Betreuer offensichtlich ein freudiger Punkt, sahen einige doch schon so aus, als ob sie die nächsten Tage durchschlafen wollten. Für mich als Lehrer bedeutete es dagegen die letzte Chance, das Gelernte der letzten Tage anzuwenden. Deshalb wollten wir einen Wettkampf veranstalten. Deswegen gab es aber erst mal einige Diskussionen mit der Campleitung, weil man ja einen Wettkampf nicht fair gestalten könne und deshalb Kinder als Verlierer traurig seien. Wir konnten dann aber doch unser Programm durchsetzen und begeisterten die Kinder vollends. So gab es als Aufwärmung den Wettkampf, wer Ballons am schnellsten verteilen und dabei alles in Englisch abhandeln kann. Meine Gruppe hatte die Kleinsten und den etwas Vorlauten. Der war heute der Traum eines jeden Lehrers und half den Kindern so, dass sie es viel schneller lernten und im Gegensatz zu den Befürchtungen der Campleitung sogar vor allen anderen gewannen. Auch der Rest begeisterte diesmal wirklich alle und alle Altersklassen hatten ihrem Level entsprechend etwas Neues gelernt. Keines der Kinder wollte wirklich aufhören, als der Unterricht zu Ende war, was für mich schon ein Erfolgserlebnis war.

camp_4_2Im Anschluss ging es dann raus, um eine besondere Art von Nudeln zu essen. Somen sind dünne japanische Nudeln, welche nur im Sommer gegessen werden. Als besonderes Highlight gibt es dazu die Möglichkeit, diese Nudeln zu angeln. Im Kleinen wird dazu ein Strömungskanal im Kleinformat auf den camp_4_4Tisch gestellt, die Nudeln werden dort hineingegeben und die Personen am Tisch können es dann essen. In unserem Fall handelte es sich um drei mehrere Meter lange Bambusrohre, welche an einer Treppe entlang verlegt wurden. Mit Hilfe von Wasser sieht das Ganze dann aus wie eine Regenrinne, an der sich die Kinder entlang aufstellten und dann versuchten, die Nudeln zu fangen. Die camp_4_3gefangenen Nudeln werden dann in eine Sojasoße getaucht und gegessen. Für die Hungrigen und Ungeduldigen mag das zu aufwendig sein, als Abwechslung war es aber genial und auch die Kinder hatten viel Spaß. Während camp_4_1die Mädchen etwas Probleme hatten, hatten die Jungen offensichtlich ihre Erfahrung mit dieser Art des Essens und verfügten alle über perfekte Techniken, um ja auch keine Nudel zu verschwenden. Nachdem jeder satt war, konnte es dann auch nach Hause gehen.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Kinder auf jeden Fall eine schöne Zeit hatten und wir als Lehrer auch nicht so schlecht waren. Dies zeigte sich besonders, als einige Kinder bei der Verabschiedung von uns Tränen in den Augen hatten. Im Gegensatz zum MafuMafu-Camp war auch alles viel besser organisiert. Auch wenn ich einige Entscheidungen der Betreuer als befremdlich einstufte, im Gegensatz zum MafuMafu-Camp würde ich bei einem YMCA-Camp ohne Bedenken wieder mitfahren, da man auch gesehen hat, wie viel es den Kindern gebracht hat.

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Tag 2

Was soll man sagen, wenn man mit Kindern unterwegs ist, werden die Nächte kürzer. Um 5 Uhr waren die Kinder schon auf den Beinen und die Betreuer hingen etwas in den Seilen. Wir Lehrer konnten dank separater Zimmer etwas länger schlafen, aber auch so wurde es eine kurze Nacht. Heute stand also ein kompletter Tag auf dem Zettel und das Wetter meinte es nicht gut mit uns. Ein Sommerregen prasselte vormittags auf uns nieder, so dass die geplanten Aktivitäten ausfallen mussten und unser Unterricht zusammengelegt wurde. Nach der Probe des Vortags verlief dieser aber auf alle Fälle flüssiger und man merkte uns unsere Erfahrung an. Unser Hauptproblem war einzig ein achtjähriger Junge. Dieser hat, seit er zweieinhalb Jahre alt ist, kindgerechten Englischunterricht und war im Gegensatz zu einigen der Älteren unterfordert, wodurch er oftmals Lösungen vorsagte. Auch ansonsten war sein Verhalten ziemlich selbstbewusst und er strahlte dieses auch gegenüber den Lehrern aus. Er erinnerte mich die gesamte Zeit an jemanden und im Endeffekt fiel mir ein, an wen. Er war ein wenig wie ich in dem Alter und nachdem ich ihn behandelte, wie ich es damals gewollt hätte, war er der beste Schüler, den ich mir wünschen konnte. Da er immer relativ schnell mit allem fertig war, fing er auf meine Bitte an, die anderen zu unterstützen und genoss das vollauf. Für mich wiederum war es ideal, weil ich mich so um die Schwächeren genauer kümmern konnte.

camp_2_2Problematisch wurde im Anschluss dagegen eine Mädchengruppe. Insgesamt fiel auf, wie es die Kinder genossen, einfach mal Kinder zu sein, aber diese Gruppe war besonders aufmerksamkeitsbedürftig. Ihre Betreuerin wusste schon nicht mehr, was sie machen sollte, da jede der fünf auf ihr rumsprang, hochgehoben werden wollte oder Umarmungen verlangte. Aus Mitleid hob ich einige von ihnen an und im Endeffekt hatte ich keine Ruhe mehr. Es ging so weit, dass sie sogar versuchten, mir auf die Toilette zu folgen, was nun wahrlich zu weit ging. Trotzdem mochten mich die Kinder, wodurch einige, die vorher kein Wort sagten, auf einmal auftauten. Ein für mich interessanter Sonderfall war unser ADHS-Patient. Er hatte keine Medizin dabei und die Betreuer baten mich deshalb, ein Auge auf ihn zu werfen, aber das war total unnötig. Aus meiner Sicht war er ein ganz normales Kind, das nur etwas mehr Auslauf benötigte, camp_3_5als es zu Hause bekommt. Man konnte überhaupt keinen Unterschied zu den anderen Kindern feststellen. Meine Vermutung war mehr, dass es sich hier um einen Kandidaten handelt, der nicht dem japanischen Standard des ruhigen Kindes entspricht und deshalb krank sein muss, aber das ist nur meine laienhafte Einschätzung.

Nach dem Unterricht hatte sich das Wetter gebessert und die Beschäftigung für den Nachmittag war ein Waldorientierungslauf. Ohne Erklärung erhielten die Kinder eine Karte und sollten auf einem Wanderweg Verstecke finden. Dabei sollten die Betreuer nur vorsichtig lenken und nicht zu viel eingreifen. Die Jungengruppe, bestehend aus 8 Jungen im Alter zwischen 7 und 9, erhielt für diese Wanderung Unterstützung durch die Lehrer, da ihre Betreuerin die Kleinen nicht alleine vom Ausbüchsen abhalten konnte. Die drei Stunden Wanderung wurden interessant. Zum einen ist es einfacher, einen Sack Flöhe zu hüten, als acht kleine Jungen. Immer wieder verschwand einer, entweder wurde die Umgebung interessanter als der Weg und man blieb stehen oder man lief schon mal voraus, so dass man sie nicht mehr sehen konnte. camp_2_1Alle hatten zudem Antiinsektenspray dabei und wo unsereins sich einmal damit bespritzt, folgte uns eine Dampfwolke des Sprays. Japanische Kinder lieben es zwar Käfer zu sammeln, in der freien Wildbahn sind diese aber nicht gerne gesehen. Jedes Lebewesen, was zu nah kam, wurde gnadenlos besprüht. Auf der anderen Seite amüsierte mich die Beeinflussung durch die Betreuerin. Sie hatte keinen echten Plan, wo sie eigentlich war und beeinflusste die Jungs dadurch unbeabsichtigt, den falschen Weg zu gehen. Selbst meinen Einführung zum Thema „wie lese ich eine Karte“ ignorierte sie standhaft. Vielmehr versuchte sie eine falsche Art der Demokratie. Die Jungs entschieden, wie es wohl viele in ihrem Alter machen würden: die Lautesten legten fest und die anderen folgten ihrem Führer ins Verderben. Das sollte den Kindern aber nicht beigebracht werden und deshalb wurden sie, obwohl sie bis auf einmal immer den richtigen Weg wählten, zurückgerufen und sollten demokratisch entscheiden. Das führte in diesem Fall aber dazu, dass sie den Erklärungen der Betreuerin zuhörten und daraus schlussfolgerten, dass sie ja auf dem falschen Weg sein müssen. So war die Demokratie nur scheinbar gegeben. Im Endeffekt fanden wir auf jeden Fall gerade einmal die Hälfte der Ziele, obwohl wir wohl alles gefunden hätten, wenn wir den Jungs den Vortritt gelassen hätten. Trotzdem schafften wir es mit allen acht nach Hause, was nach der Wanderung auch schon einem Wunder gleicht.

camp_3_3Als Belohnung für camp_3_1die Kinder wurde im Anschluss gegrillt. Dazu mussten sie nicht einmal selber Feuerholz besorgen, sondern sie erhielten einen Grill mit Kohle und sollten ihr Essen selber grillen. Der YMCA hatte sich dazu nicht lumpen lassen und wirklich gutes Fleisch aufgefahren. Eines der Grillgüter war dabei Nürnberger Bratwurst am Spieß. Leider wurde diese etwas verschwendet. Die Kinder sollten sie alleine braten und fragten die Betreuer nach dem richtigen Zeitpunkt, der auf jeden Fall zu früh angegeben wurde. So haben fast alle rohe Wurst gegessen. In der zweiten Ladung bei meiner Gruppe hat dann der Vegetarier das Braten der Wurst übernommen und siehe da, die Kleinen bestätigten mir überrascht, dass es ja nun ganz anders schmeckte. Gebratenes Fleisch ist wohl doch besser als rohes. Das restliche Fleisch war aber zum Glück bekannt, so dass es von hier an keine Katastrophen mehr gab. Alle Kinder wurden satt, nur der Vegetarier grummelte etwas über den hohen Fleischanteil, hatte aber trotzdem Spaß. Abgeschlossen wurde camp_3_2camp_1_1der Tag dann mit einem Lagerfeuer, wo ein Scheiterhaufen verbrannt wurde und alle Kinder begeistert den Flammen zuschauten.

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Kidscamp – Tag Nummer 1

Nach dem viel zu frühen Treffen hieß es für uns, den Tag mit der Begrüßung der Kinder zu beginnen. Schon bei der Ankunft der Kinder zeigte sich, warum das Camp auch die Zielstellung hatte, den Kindern Eigenständigkeit beizubringen. Kinder im Alter zwischen 7 und 13 sind von der Körpergröße sowieso nicht so groß, wenn dann aber noch japanische Gene dazukommen, so hat man bei einigen doch das Gefühl, es mit Drei- bis Fünfjährigen zu tun zu haben. Diese schmächtigen Kinder wurden nun von ihren Eltern mit Taschen ausgestattet, welche die Körpergröße einiger überschritten. Wie soll ein schmächtiges achtjähriges Mädchen bitte einen mehrere Kilogramm schweren Rucksack tragen? Im Endeffekt brauchte man doch nur zweimal Sachen und einmal Ersatz und dazu bei Temperaturen um 30 Grad sogar nur leichte Sommerkleidung. Auch ansonsten schien es so, als ob die wenigsten der Anwesenden wirklich Kinder sein durften. Wenn Achtjährige sich wie Zwanzigjährige verhalten, dann ist irgendwo etwas schiefgegangen. Wenigstens ein paar der Jungs waren so, wie man es sich normalerweise vorstellt.

Nach dem Zusammenpacken ging es im Bus auf nach Zao. Das ist eine Wintersportanlage in einem Vulkangebiet, welche im Sommer zum Wandern einlädt. Dort angekommen ging es per Seilbahn weiter zu unserem Hotel. In Anbetracht der Tatsache, dass einige der Kinder zu diesem Zeitpunkt unter der Last ihres Gepäcks zusammenbrachen, hieß es für mich, etwas schwerer bepackt zum Hotel zu wandern und innerlich die verantwortlichen Eltern zu verfluchen. Die Anlage war auf jeden Fall gut gelegen, direkt an einer Wanderroute und an einem netten See.

Nach der Ankunft hieß es erst einmal Essen und die erste Überraschung erwartete mich. Es wurde gebetet. Ich hatte ganz vergessen, dass es sich beim YMCA um eine christliche Organisation handelt und so saß ich da und beobachte, wie die Kinder mehr oder weniger den Bet-Aweisungen folgten und ich hoffte inständig, dass mein fehlendes Beten nicht auffällt. Direkt nach der Stärkung war es auch an der Zeit, meinem Job nachzukommen. Das erste Mal Unterrichten, ohne vorher einen Plan vorgelegt bekommen zu haben, war mir schon etwas unangenehm. Vor allem, weil klar ersichtlich war, dass einige der Anwesenden klar unterfordert und einige überfordert waren. Vorbereitet war ich auf die Situation nicht, besonders da ich nichts von der großen Altersschere wusste. Trotzdem war es interessant zu sehen, dass die Älteste zum Teil schlechter war als die Siebenjährigen. Dies hat den Grund, dass die Schüler in Japan nur Grammatik lernen, aber nie sprechen. Deshalb stand sie bei jeder Frage vor mir und schaute mich an, als wisse sie theoretisch die Antwort, könne sie aber nicht herausbringen. Trotz aller Startschwierigkeiten verlief die erste Stunde aber ziemlich gut.

camp_2_3Da es schon spät wurde hieß es im Anschluss, das Abendessen vorzubereiten. Die Kinder sollten alles selber machen und ein Curry vorbereiten. Zu diesem Zweck wurden ihnen alle Grundzutaten vorgelegt und sie mussten sie selber schneiden. Das wäre ja alles kein Problem gewesen, wenn nicht einige der Gruppenleiter überhaupt keine Ahnung vom Kochen gehabt hätten. Ich habe z.B. camp_2_7noch nie erlebt, dass eine Kartoffel vor dem Schälen, nach dem Schälen und nach dem Würfeln jeweils gewaschen wurde. Wenn der betroffenen Betreuerin jemand erzählt hätte, wie wir als Kinder früher manchmal Kartoffeln aus der Erde geholt haben, mit Taschenmessern geschält und dann gegessen, sie wäre aufgrund der hygienischen Standards wohl in Ohnmacht gefallen.

Witzig wurde es aber erst, als ich nach getaner Arbeit rausging und beobachten durfte, wie man versuchte, Feuer zu machen. Die Betreuer sollten nicht zu viel helfen, was ja auch in Ordnung war, nur manchmal muss man den Kindern auch Ideen geben, wie man es besser macht. So half ich erst einer Gruppe, welche nur dicke Holzspalte in einem Tonnengrill anzünden wollte, ohne auch nur einmal für Luftzufuhr zu sorgen. Die zweite Gruppe bestand dann nur aus Jungs und hatte sich zusammen mit dem Betreuer, welcher auch nicht ganz wusste, was er tat, etwas besonders Tolles ausgedacht. Als ich erschien, sah ich nur einen Grill, gefüllt mit einer zusammengefalteten Zeitung und einem Holzspalt oben darauf. Mit Hilfe von vielen Zeitungsresten versuchten die Kinder
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jetzt, den Spalt zum Brennen zu bewegen, was bei einer Dicke von 10 Zentimetern etwas dauern kann. Nachdem die Kleinen dann schon ohne Resultat drei Zeitungen verfeuert hatten und bei drei anderen Gruppen das Curry bereits auf dem Feuer war, hätte ich doch mal versucht, die Kinder etwas zu lenken. Im Endeffekt übernahm ich dann diese Rolle und nach langen Erklärungen kamen wir überein, doch einmal zu versuchen, Äste mit verschiedenen Größen zu verwenden. Im Endeffekt hatten die Kinder so auf einmal doch noch ihren Spaß und zeigten sich begeistert. Sie mussten aber auch zusehen, wie sie mit Abstand als letztes ihr Essen bekamen und alle schon wehleidig über ihre knurrenden Mägen klagten. Aus Rache aßen sie dann alle Reste der anderen Gruppen gleich mit auf, was mich in meiner Theorie bestätigt, dass Japaner schwarze Löcher in ihrem Magen haben müssen. Man merkte auf jeden Fall, wie selbst die Betreuer es nicht wirklich kennen, in der freien Wildbahn etwas erledigen zu müssen. Wenn man es nicht im 24-Stunden-Supermarkt kaufen kann, dann hört das Wissen ganz schnell auf. So verbrachten wir den Abend beim Curry-Essen und ließen den Tag ausklingen.

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Reik-sensei

So schnell kann es gehen. War ich noch am Wochenende davon ausgegangen, dass ich eine ruhige Woche habe und mich ganz auf den Besuch von Dennis in einer Woche vorbereiten kann, so saß ich am Dienstag um 7.30 Uhr mit 32 japanischen Kindern und 5 Betreuern in einem Bus nach Zao, um als Englischlehrer zu fungieren. Wie konnte es so weit kommen?

Der YMCA hat eine 3-tägige Reise für Kinder organisiert, die auf diesem Weg Grundwerte, Selbstständigkeit und Englisch lernen sollen. Orsolya, als Lehrerin in der Sprachschule des YMCA, wusste deshalb schon seit Wochen, dass sie auf diese Reise gehen würde. Aber trotz vieler Versprechen wurde auf einmal klar, dass sie wohl keine Unterstützung durch andere Lehrer bekommen würde. Wie soll ein Lehrer alleine den Unterricht für 31 Kinder gestalten, wenn ohne Lehrbuch individuell auf alle Kinder eingegangen werden soll? In ihrem Unbehagen über die Situation entschied sie, mich den Verantwortlichen vorzustellen und diese stimmten zu, dass ich der zweite Lehrer werden sollte. Dank meiner Erfahrung als TA an der Uni und durch das Kidscamp des MafuMafu war ich auf solche Situationen wenigstens ein wenig vorbereitet, so dass ich im Endeffekt spontan zusagte.

Im Vergleich zum Camp des MafuMafu konnte ich mich schon von Beginn an begeistert zeigen. Die Vorbereitung war eine ganz andere, als es das MafuMafu macht. Alles war bis ins Detail durchgeplant und nichts wurde dem Zufall überlassen. Unsere Gruppe bestand aus 16 Jungen und 16 Mädchen. Das Alter lag zwischen 7 und 13 Jahren, die Mädchen waren teilweise älter als die Jungen. Die 32 Teilnehmer wurden auf 5 Gruppenleiter verteilt, welche mit ihrem Vornamen und der Endung leader angesprochen wurden. Diese „Leader“ konnten nicht viel mehr Englisch als die Kinder. Ihre Aufgabe bestand darin, sich um die Kinder zu kümmern. Zu diesen 5 Gruppen kamen dann noch wir 2 Lehrer, welche auch mit dem Vornamen + sensei angesprochen wurden. Als Lehrer hatten wir eine Sonderstellung. Wir mussten vier Unterrichtseinheiten für die Kinder veranstalten und ansonsten mit ihnen auf Englisch reden. Da bei Orsolya aufgrund ihrer Lehrertätigkeit in der Schule für die Kinder klar war, dass sie Japanisch spricht, wurde ich direkt als nicht der Sprache mächtig vorgestellt und die Kinder wurden so gezwungen, mit mir auf Englisch zu sprechen. Ansonsten sollten wir den Betreuern noch etwas unter die Arme greifen. Den Betreuer mussten in den Zimmern der Kinder schlafen. Aufgrund unserer Sonderstellung bekamen wir Lehrer jeweils ein Einzelzimmer, wodurch ich ein 4-Personen-Tatamizimmer für mich alleine hatte. Von so etwas hätte ich beim MafuMafu-Camp nur träumen können.

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Tanabata

Ich und meine große Klappe! Da beschwere ich mich einige Tage lang, wie schrecklich das Wetter doch ist und dass man es als normaler Mitteleuropäer einfach nicht aushalten kann und schon geht es von einem zum anderen Extrem. Das heutige Ziel von mir war das Tanabata-Fest in der Innenstadt. Leider war das Erreichen des Festes gar nicht so einfach, wie ich mir das gedacht hatte. Ein Taifun hat sich für das Wochenende angekündigt und das Wetter sendet seine Vorboten. Sendai steht förmlich unter Wasser, aber von so etwas lasse ich mir die Stimmung doch nicht verderben. Kurzerhand ging es mit dem Bus, welcher zum Glück dem Wetter trotzte, in Richtung Innenstadt, wo sich das Fest vom Stadtpark bis unter die Einkaufsstraßen verteilte.

Einmal mehr konnte ich vor dem Aussehen der Tanabata nur den Hut ziehen. Sie waren wirklich beeindruckend. Nun habe ich Tanabata schon zum dritten Mal besucht, aber so habe ich es noch nie erlebt. An jeder Ecke hatten die Geschäfte behelfsmäßige Stände aufgebaut, um den Gästen trotzdem etwas zu bieten. An der einen Ecke konnte man versuchen, mit Papiersieben Fische zu fangen und sie dann „zur Freude der Eltern“ mit nach Hause nehmen. An der nächsten Ecke wurden Lose verkauft, die ansprechende Preise aus dem Sortiment des Geschäftes versprachen. Zwischendrin gab es natürlich immer die obligatorischen Essensbuden, in denen ein armer Angestellter des benachbarten Ladens bei 35 Grad auf Holzkohle etwas für die Kunden grillen musste. Die ganze Atmosphäre erinnerte mich stark an die Weinfeste im Moselgebiet. Es hatte so rein gar nichts mit dem gemein, was man langläufig von Festen in Großstädten erwartet. Alles war entspannter und irgendwie persönlicher, was nicht zuletzt an der japanischen Höflichkeit liegen dürfte. Man kann sagen, wer den stereotypen Japaner, welcher kühl, arbeitsam und unnahbar sein soll, im Kopf hat, wäre von dem Geschehen sehr überrascht gewesen. Mir hat es nur einmal mehr gezeigt, weshalb mir das Land so gefällt.

Kurzfassung für alle, die mit Japanisch und Englisch auf Kriegsfuß stehen: Zum 69. Mal wird an den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki gedacht. Über 1 Millionen Origami-Kraniche aus ganz Japan hat man erhalten. Es wird für eine atomwaffenfreie Welt gebetet!

Kurzfassung für alle, die mit Japanisch und Englisch auf Kriegsfuß stehen: Zum 69. Mal wird an den Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki gedacht. Über 1 Millionen Origami-Kraniche von Leuten aus ganz Japan hat man erhalten. Es wird für eine atomwaffenfreie Welt gebetet !

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Als Anmerkung sei zu diesem Eintrag im Nachhinein noch erwähnt, dass uns die Ausläufer des Taifuns getroffen haben. Im Endeffekt bedeutete das für uns, dass starke Winde und konstanter Regen für einen Tag das Ausgehen ziemlich unmöglich machten. Im Endeffekt ist Sendai aber noch gut davongekommen und wir sind deshalb auch alle in Ordnung.

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