Kidscamp – Tag Nummer 1

Nach dem viel zu frühen Treffen hieß es für uns, den Tag mit der Begrüßung der Kinder zu beginnen. Schon bei der Ankunft der Kinder zeigte sich, warum das Camp auch die Zielstellung hatte, den Kindern Eigenständigkeit beizubringen. Kinder im Alter zwischen 7 und 13 sind von der Körpergröße sowieso nicht so groß, wenn dann aber noch japanische Gene dazukommen, so hat man bei einigen doch das Gefühl, es mit Drei- bis Fünfjährigen zu tun zu haben. Diese schmächtigen Kinder wurden nun von ihren Eltern mit Taschen ausgestattet, welche die Körpergröße einiger überschritten. Wie soll ein schmächtiges achtjähriges Mädchen bitte einen mehrere Kilogramm schweren Rucksack tragen? Im Endeffekt brauchte man doch nur zweimal Sachen und einmal Ersatz und dazu bei Temperaturen um 30 Grad sogar nur leichte Sommerkleidung. Auch ansonsten schien es so, als ob die wenigsten der Anwesenden wirklich Kinder sein durften. Wenn Achtjährige sich wie Zwanzigjährige verhalten, dann ist irgendwo etwas schiefgegangen. Wenigstens ein paar der Jungs waren so, wie man es sich normalerweise vorstellt.

Nach dem Zusammenpacken ging es im Bus auf nach Zao. Das ist eine Wintersportanlage in einem Vulkangebiet, welche im Sommer zum Wandern einlädt. Dort angekommen ging es per Seilbahn weiter zu unserem Hotel. In Anbetracht der Tatsache, dass einige der Kinder zu diesem Zeitpunkt unter der Last ihres Gepäcks zusammenbrachen, hieß es für mich, etwas schwerer bepackt zum Hotel zu wandern und innerlich die verantwortlichen Eltern zu verfluchen. Die Anlage war auf jeden Fall gut gelegen, direkt an einer Wanderroute und an einem netten See.

Nach der Ankunft hieß es erst einmal Essen und die erste Überraschung erwartete mich. Es wurde gebetet. Ich hatte ganz vergessen, dass es sich beim YMCA um eine christliche Organisation handelt und so saß ich da und beobachte, wie die Kinder mehr oder weniger den Bet-Aweisungen folgten und ich hoffte inständig, dass mein fehlendes Beten nicht auffällt. Direkt nach der Stärkung war es auch an der Zeit, meinem Job nachzukommen. Das erste Mal Unterrichten, ohne vorher einen Plan vorgelegt bekommen zu haben, war mir schon etwas unangenehm. Vor allem, weil klar ersichtlich war, dass einige der Anwesenden klar unterfordert und einige überfordert waren. Vorbereitet war ich auf die Situation nicht, besonders da ich nichts von der großen Altersschere wusste. Trotzdem war es interessant zu sehen, dass die Älteste zum Teil schlechter war als die Siebenjährigen. Dies hat den Grund, dass die Schüler in Japan nur Grammatik lernen, aber nie sprechen. Deshalb stand sie bei jeder Frage vor mir und schaute mich an, als wisse sie theoretisch die Antwort, könne sie aber nicht herausbringen. Trotz aller Startschwierigkeiten verlief die erste Stunde aber ziemlich gut.

camp_2_3Da es schon spät wurde hieß es im Anschluss, das Abendessen vorzubereiten. Die Kinder sollten alles selber machen und ein Curry vorbereiten. Zu diesem Zweck wurden ihnen alle Grundzutaten vorgelegt und sie mussten sie selber schneiden. Das wäre ja alles kein Problem gewesen, wenn nicht einige der Gruppenleiter überhaupt keine Ahnung vom Kochen gehabt hätten. Ich habe z.B. camp_2_7noch nie erlebt, dass eine Kartoffel vor dem Schälen, nach dem Schälen und nach dem Würfeln jeweils gewaschen wurde. Wenn der betroffenen Betreuerin jemand erzählt hätte, wie wir als Kinder früher manchmal Kartoffeln aus der Erde geholt haben, mit Taschenmessern geschält und dann gegessen, sie wäre aufgrund der hygienischen Standards wohl in Ohnmacht gefallen.

Witzig wurde es aber erst, als ich nach getaner Arbeit rausging und beobachten durfte, wie man versuchte, Feuer zu machen. Die Betreuer sollten nicht zu viel helfen, was ja auch in Ordnung war, nur manchmal muss man den Kindern auch Ideen geben, wie man es besser macht. So half ich erst einer Gruppe, welche nur dicke Holzspalte in einem Tonnengrill anzünden wollte, ohne auch nur einmal für Luftzufuhr zu sorgen. Die zweite Gruppe bestand dann nur aus Jungs und hatte sich zusammen mit dem Betreuer, welcher auch nicht ganz wusste, was er tat, etwas besonders Tolles ausgedacht. Als ich erschien, sah ich nur einen Grill, gefüllt mit einer zusammengefalteten Zeitung und einem Holzspalt oben darauf. Mit Hilfe von vielen Zeitungsresten versuchten die Kinder
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jetzt, den Spalt zum Brennen zu bewegen, was bei einer Dicke von 10 Zentimetern etwas dauern kann. Nachdem die Kleinen dann schon ohne Resultat drei Zeitungen verfeuert hatten und bei drei anderen Gruppen das Curry bereits auf dem Feuer war, hätte ich doch mal versucht, die Kinder etwas zu lenken. Im Endeffekt übernahm ich dann diese Rolle und nach langen Erklärungen kamen wir überein, doch einmal zu versuchen, Äste mit verschiedenen Größen zu verwenden. Im Endeffekt hatten die Kinder so auf einmal doch noch ihren Spaß und zeigten sich begeistert. Sie mussten aber auch zusehen, wie sie mit Abstand als letztes ihr Essen bekamen und alle schon wehleidig über ihre knurrenden Mägen klagten. Aus Rache aßen sie dann alle Reste der anderen Gruppen gleich mit auf, was mich in meiner Theorie bestätigt, dass Japaner schwarze Löcher in ihrem Magen haben müssen. Man merkte auf jeden Fall, wie selbst die Betreuer es nicht wirklich kennen, in der freien Wildbahn etwas erledigen zu müssen. Wenn man es nicht im 24-Stunden-Supermarkt kaufen kann, dann hört das Wissen ganz schnell auf. So verbrachten wir den Abend beim Curry-Essen und ließen den Tag ausklingen.

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