Die Erde bebt

Ich hoffe, euch geht es gut!? Diese Meldung erreichte mich in den letzten Tagen aus dem Ausland öfter. Die Medien verbreiteten einmal mehr das Märchen der riesigen Erbeben in Japan. Wer meinen Meldungen schon länger folgt, der wird bestimmt wissen, dass Erbeben hierzulande etwas Normales sind und ich diese, solange sie nicht die magische Grenze von 8 bis 9 auf der Richterskala überschreiten, relativ entspannt sehe. Bei dem letzten Beben war es genauso. Zwar melden die Medien ein Erbeben zwischen 6.8 und 7.4er Stärke, ich muss aber ehrlich sagen, bis auf einige Berichte von anderen auf Facebook, habe ich das Erbeben verschlafen. Es ist einfach so, ein Erdbeben ist ein kurzes Ruckeln der Erde, welches man am ehesten dadurch bemerkt, dass die Wände knacksende Geräusche von sich geben und einige Sachen eventuell umfallen. So schnell wie es kommt, geht es auch und da dieses Beben in der Mitte der Nacht vonstatten ging, habe ich es einfach nicht bemerkt. Zum Glück geht es aber nicht nur mir so, auch andere Leute wie Orsolya, können sich an nichts erinnern. Nun gut, als ob Erbeben nicht reichen würden, haben wir gleich auch noch einen zweiten Taifun gehabt, welcher die Stadt zwang, am Samstag früh alle Dienste einzustellen, diesmal war er aber weitaus ruhiger als der vor ein paar Tagen. Trotzdem kann es jetzt erst einmal für eine Weile genug mit den Naturkatastrophen sein, ich brauche sie nicht immer.

regenschirme

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/28-10-2013-die-erde-bebt/

Ich kann so nicht arbeiten

Es ist ein wunderschöner Montag, der Regen der letzten Tage ist endlich vergangen und nach einem erholsamen Wochenende bin ich vollkommen überzeugt, in der Uni weiterzuarbeiten. Leider kommt es wie so häufig und es wird versucht, den ehrenvollen Vorsatz durch nicht beeinflussbare äußere Umstände zum Scheitern zu bringen.

Um zehn Uhr, ich hatte mich gerade anständig in meine Quellen eingelesen, geht auf einmal eine Sirene los und eine japanische Stimme erzählt in sich überschlagenden Worten etwas. Was stört jetzt schon wieder meine Ruhe? Gibt es ein neues Erdbeben, kommt der Taifun zurück, hat Korea uns den Krieg erklärt oder wird Tokyo mal wieder von seltsamen Monstern angegriffen? Wobei, die letzten beiden Punkte sind eigentlich nur beliebte Themen in japanischen Filmen, also kann ich die schon mal ausschließen und sowieso, ich darf nach den Bedingungen für meine deutsche Lebensversicherung ja eh nicht aktiv an Kampfgeschehen teilnehmen. Langsam erheben sich meine Mitstudenten und laufen gelangweilt zur Treppe, wo uns Japaner mit Helmen und übergroßen Armbinden, wie sie in Deutschland seit 50 Jahren verpönt sind, mit großen Aufschriften „Sicherheitsbeauftragter“ den richtigen Weg weisen. Weil es ja so schwer zu verstehen ist, dass man sich bei einem Notfall nach unten bewegt, besonders wenn man eh im 8. Stock studiert. Nachdem sichergestellt war, dass wir auch den Unterschied zwischen hoch und runter wissen, gesellte sich auch gelangweilt einer unserer Professoren zu uns.

uebung2

Es handelte sich um eine Erdbebenübung und es wurde erwartet, dass wir uns alle auf einem großen Platz nahe der Fakultät treffen, wo wir irgendwelche Meldekarten ausfüllen sollten. Von der Idee ja sehr schlau, nur blöd, wenn keiner der Studenten einen Stift hat. Zum Glück hatte ich einen, so dass wir den Handel schlossen, dass ich den Stift gebe und die anderen mein Formular ausfüllen. Endlich, nach langweiligen 45 Minuten, sprach einer der Verantwortlichen in sein Sprachrohr, auch wenn ich wahrscheinlich ohne dieses lauter als er mit diesem gewesen wäre, und gab uns endlich frei – wir waren erfolgreich gerettet.

Nun gut, hoffen wir, dass ich das Wissen nie anwenden muss, aber es war schon ganz anschaulich, wie genau die Rettung hierzulande durchgeplant ist.

uebung1

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/22-10-2013-ich-kann-so-nicht-arbeiten/

Imoni-kai und die Deutschen

Für einen Universitätsstudenten sind natürlich das Forschen und die Qualität der Lehre sehr wichtig. Nach diesem Prinzip werden nicht umsonst jährlich die Bestenlisten der Universitäten erstellt, in denen die Universität Göttingen seit Jahren einen sehr guten Platz erreicht und nur mit den Münchenern um die Vormachtstellung in Deutschland kämpft. Ein Punkt, bei dem die Universitäten in Deutschland meines Erachtens etwas zurückbleiben und den sie zugunsten des Wettkampfes und der Leistungen zurückstellen, ist der Punkt der Gemeinschaft. Man kennt sich natürlich trotz allem, aber die Bekanntschaften sind in der Freizeit zu schließen und in mehr als einem Kolloquium habe ich erlebt, dass sie auch gerne mal nur bis zum Kursraum halten.

Hier in Japan sieht das Ganze etwas anders aus: Wir haben ein Kenkyushitsu, das ist eine Bibliothek, ein Aufenthaltsraum und eigentlich auch gleich das Zentrum des Studiums eines Studienganges. Dabei ist das ganze Leben wie bei einer Familie gegliedert. Die älteren Studenten kümmern sich um die Jüngeren, der Professor ist bestens über alle seine Studenten informiert. Ein Studium, wie es einige Studenten in Deutschland praktizieren, wo kein Professor ihren Namen kennt, wäre hier so nicht möglich. In unserem Büro ist das sogar noch weiter fortgeschritten. Professor Morimoto weiß wirklich alles über seine Studenten, ihre Beziehungen und ihr Privatleben. Sogar über den weiteren Lebensweg von Studenten, die vor 3 Jahren ihren Abschluss gemacht haben, ist er noch auf dem Laufenden.

 

Eines der Elemente, um die Studenten zueinander zu bringen, ist das Imoni-kai. Das ist ein Kochfest am Fluss, wo sich die Studenten und Professoren treffen und eine spezielle Gemüsesuppe kochen und diese je nach Herkunft mit Miso oder Sojasoße verfeinern. Dieses Festival stand nun mal wieder an. Die Zweitsemester, in der Hierarchie des Büros an der untersten Stelle, da man sich erst im zweiten Semester einem Büro anschließen kann, waren mit der Zubereitung beauftragt. Für mich ergab sich erst einmal die ausgezeichnete Möglichkeit, Professor Morimoto über meine Ziele und Erkenntnisse der Forschungen auf dem Laufenden zu halten. Gleichzeitig kam ich auch endlich wirklich mit den neuen und alten Gesichtern des Büros ins Gespräch. Als ausgezeichnete Hilfe erwies sich dabei der gute alte Norihiro. Der Arme, der selber gerade erst nach einem Jahr Göttingen nach Japan zurückgekehrt ist, hatte sich der Aufgabe verschrieben, sich mein gebrochenes Japanisch anzuhören, es zu verbessern und den Japanern zum Verständnis zu erläutern. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei meine Fleischverweigerung. Wie sich herausstellte, gab es eine Vegetarierin in der Gruppe, eine wirkliche Seltenheit. Verwunderlich an der Tatsache waren aber ihre Fragen und ihre Gründe für die Verweigerung von Fleisch und Eiern. Das Konzept, dass es in Deutschland wirklich Menschen gibt, welchen die Tiere leidtun, überraschte und faszinierte sie gleichzeitig. Für sie waren diese Menschen in Deutschland, besonders wenn sie noch Veganer waren, eine Religion. Natürlich gibt es auch unter den Veganern und Vegetariern einige, die es fast wie eine Religion zelebrieren, aber die sind doch bei weitem die Minderheit. Mich betrifft das Ganze aber ja sowieso nicht, schließlich mag ich einfach den Geschmack nicht. Wie es aussieht, gibt es aber auf alle Fälle mittlerweile eine Vegetarierbewegung in Japan, welche kein Fleisch und Ei isst, weil es doch so schlecht für die Haut und die Gesundheit ist und bekanntlich machen Japaner für das Aussehen alles.

Nach dem Imoni ging es dann noch zurück in das Büro und bei Pizza und Alkohol wurde weitergefeiert, auch wenn mir bald nach einer Neuigkeit die Lust verging. Die Insel, auf der Shimizus Verwandtschaft wohnt, wurde von dem Taifun stark beschädigt und es gab einige Tote. Zum Glück war keiner von Shimizus Verwandten betroffen, wie er mir mittlerweile mitteilen konnte. Aber trotzdem ist sein Haus leicht beschädigt und das Hotel von Shimizus Onkel muss komplett erneuert werden. Shimizu sieht das Ganze aber zum Glück sehr gelassen und meinte nur, so wird es wenigstens mal wieder sauber.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/22-10-2013-imoni-kai-und-die-deutschen/

Memo an mich

Es ist ein ganz normaler Dienstag. Da ich am Abend erst um 22 Uhr nach Hause kommen werde entscheide ich spontan, vor der Uni noch Shoppen zu gehen. Eigentlich ist die Idee nicht schlecht, schließlich muss ich noch ein paar Minuten warten, bis die neue Heizung und das neue Sofa heute geliefert werden. Schon bei diesem Shopping hätte mir auffallen sollen, dass sich die Japaner anders verhalten als normal. Es herrschte pures Chaos. Die Japaner deckten sich groß mit Lebensmitteln ein und alle Rentner verließen das Geschäft mit mehreren Körben. Gut, dieses Verhalten könnte man noch auf den Fakt schieben, dass am Vortag Feiertag war und Rentner zu viel Zeit haben, komisch war das Ganze aber schon. Aber was soll es, der Unitag beginnt, das Sofa ist mittlerweile auch da und ich hab eh ganz andere Probleme, als mir darüber Gedanken zu machen!

 

Machen wir einen zeitlichen Sprung: Es ist 17 Uhr und eigentlich hatte ich versprochen, den Leuten im MafuMafu bei einem Problem zu helfen. Außerdem hat ein Laden auf der anderen Seite des Bahnhofs einen Sonderverkauf und 50 Prozent Rabatt auf viele Sachen. Aber auf der anderen Seite ziehen die Wolken zu und ich bin wie immer nur im Hemd unterwegs, was mache ich nur? Egal, ich bin ja nicht aus Zucker und so ging es los zum Laden. Schon mein Großvater ist für kleinste Angebote durch ganz Magdeburg gefahren, da kann ich ja nicht nachstehen. So ging es in die Stadt und auf dem Weg wird sich beim Skypen mit dem Handy noch kurz über die deutsche Verwandtschaft lustig gemacht, welche sich über den anhaltenden Regen in Deutschland aufregt. Hätte ich es mal lieber nicht gemacht! Auf einmal öffneten sich alle Luken und das Unheil nahm seinen Lauf. Ich war mitten in einen Taifun geraten. So kämpfte ich mich durch den Regen zum MafuMafu, wo ich mein Versprechen einlöste. Dies war eigentlich nur möglich, da ich mein Hemd, welches zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zu gebrauchen war, im Handtrockner auf der örtlichen Toilette trocknen ließ. Der Heimweg dauert unter normalen Bedingungen aber auch noch mal 30 Minuten und die Bedingungen waren mittlerweile schon lange nicht mehr normal. Also hielt ich auf halber Strecke trotz nasser Sachen an einem Ramenrestaurant und wärmte mich dort auf. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ohne die warmen Ramen mit Sicherheit eine Lungenentzündung mitgenommen hätte. Jedenfalls fühlte ich mich zu diesem Zeitpunkt so. Glücklicherweise hatte ich als Überraschung gerade ein gebrauchtes Ajax-Trikot geschenkt bekommen, so dass ich im Restaurant erst einmal das Shirt wechselte. Im neuen Trikot und mit den unentwegten Wünschen einer sicheren Fahrt von den drei japanischen Köchen, ging es dann nach Hause. Dort konnte ich nach 3 Stunden im kalten Taifun endlich eine warme Dusche genießen.

Als ich am nächsten Tag aufwachte, hörte ich schon den Regen auf das Dach und meinen Balkon prasseln. Was mache ich nur? So komme ich doch nie trocken zur Uni! Als ich mich mental schon auf ein Rennen zur Uni einstellte, erreichte mich aber schon die Meldung, dass alle Uniaktivitäten für die Zeit des Taifuns eingestellt wurden. Genau so war es auch mit Zügen und den Geschäften in der Innenstadt. Gut vorbereitet und mit genug Calpis blieb ich da doch gerne im gemütlichen Heim, auch wenn ich dank der Abkühlung durch den Regen das erste Mal in diesem Jahr etwas Wärmeres anziehen durfte.

Bleibt die Frage meines Vaters im Raum stehen, ob man wirklich im Taifun Radfahren muss: Natürlich muss man! Ich bin ja kein Weichei und wenn das Memo, das mich ein Taifun erwartet, nicht erreicht, dann passieren halt solche Fehler. Vielleicht sollte ich ab jetzt besser der örtlichen Presse folgen?!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/17-10-2013-memo-an-mich/

Das wandelnde Bild der Japaner

Eine der Tatsachen, die mir seit meiner Rückkehr aufgefallen ist, ist, dass ich mittlerweile unhöfliche Japaner kennengelernt habe. Gut, das übertriebene Bild der immer freundlichen Japaner hatte ich eh noch nie, da ich bei meiner ersten Reise mit Dennis im Jahr 2006 noch regelmäßig auf die Aussage „Ausländer nicht erlaubt“ gestoßen bin. Heute kann man sich das kaum vorstellen, aber bis 2006 oder 2007 gab es hier vor Ort noch genug Geschäfte die es bevorzugten, nur von Japanern besucht zu werden. So aßen wir damals eine Woche lang Bento, was zwar billiger, aber nicht so von uns gewollt war. Seit 2007 hat sich dieses Problem aber eigentlich in Luft aufgelöst und die Japaner bleiben Ausländern gegenüber auch eigentlich immer superfreundlich. Diesmal fallen mir aber diese beiden unterschiedlichen Seiten stärker auf.

Auf der einen Seite hat man die unschlagbar freundlichen Japaner: So passierte es mir in den letzten Tagen, dass ich mit zwei Fahrrädern nach Hause laufen musste. An sich ist das kein Problem und ich bin gut in der Lage, auch das zu bewältigen. Nun fiel mir aber leider mein Kopfhörer runter und um ihn zu retten, stellte ich meine Räder etwas ungeschickt ab. Dieses reichte einer japanischen Rentnerin, ich habe sie auf ca. 80 geschätzt, mir eines der Räder abzunehmen. Ob denn alles in Ordnung sei? Natürlich, ich bin doch fast zu Hause! Nein, also, so geht das ja nicht! Und schon schob die resolute alte Dame das Rad und entschied, es für mich nach Hause zu bringen. Dass sie zu diesem Zweck an ihrem eigentlichen Ziel um mehrere hundert Meter vorbeischoss, störte sie dabei gar nicht. Beim Laufen erzählte sie mir vieles auf Japanisch und ich versuchte, so gut wie möglich zu antworten. Es entstand ein interessantes Gespräch, da sie Geschichte liebt. Was mich aber überraschte, war ihre Geschwindigkeit. Ich bin ja wahrlich nicht der Langsamste, wie meine eigenen Großmütter bestimmt bestätigen können, aber um mit dieser Dame mitzuhalten, musste ich schon mein schnellstes Schritttempo einlegen. Also, japanische Rentner haben auf jeden Fall einige Überraschungen auf Lager! Nach vielen Dankesworten stellte sie am Ziel endlich mein Rad ab und lief zurück zum Supermarkt.

Leider läuft es aber nicht immer so: Am Sonntag fand in Sendai ein großes Tanzfestival statt. Viele Bands versammelten sich, um dem begeisterten Publikum auf mehreren Bühnen ihre Künste zu zeigen. Dabei wurden Abarten traditioneller japanischer Tänze vorgeführt. Das Fest war auf alle Fälle gigantisch! Einige Bands waren unbeschreiblich und würden als Profibands und nicht als Hobbygruppen, die sie waren, durchgehen. Kein Wunder, dass ich aus der Schule nahe meiner Wohnung schon seit Tagen komische Gesänge gehört hatte, nahmen doch sogar Schulgruppen und teilweise auch Kindergartenkinder teil. Eines von diesen raubte dabei der ganzen Gruppe die Show. Die Aufgabe dieses Mädchens war es, in der ersten Reihe eine Laterne hochzuhalten. Leider war diese Aufgabe sehr langweilig, vor allem, wenn man nicht sieht, was die anderen machen und wenn die dann auch noch tanzen dürfen. Als die Kleine sah, dass die anderen tanzen, machte sie deshalb mit und schon hatte die Gruppe alle Aufmerksamkeit verloren. Zwar versuchte der neben ihr postierte Junge noch sie aufzuhalten, so recht gelang es ihm aber nicht.

imgp9918
Aber nun zum eigentlichen Problem: Es gab für das Fest eine große Plane, auf der die Zuschauer sitzen konnten. Dazu gab es noch einige Stühle. Für die Leute, die fotografieren wollten, war dagegen der Platz hinter den Stühlen vorgesehen. In der letzten Reihe sollten dann die Herrschaften Platz nehmen, die mit ihren Trittleitern gekommen waren. Dieses Arrangement hatte aber nicht mit einem großen Ausländer gerechnet. Schon kurze Zeit nach meinem Erscheinen signalisierte mir ein Japaner auf unflätige Weise von seiner Leiter aus, dass ich mich doch gefälligst verziehen soll. Nun, so einfach mache ich es ihm nicht, wenn er nicht erst mal nett fragen kann und so knipste ich fröhlich weiter. Außerdem hatte ich den Platz schließlich von einem der Ordner zugewiesen bekommen, weil ich dadurch den wenigsten Leuten die Sicht genommen habe. Auf einmal stand der „nette Herr“ neben mir und stellte erst einmal die Leiter auf Orsolyas Fuß ab, ohne sich auch nur im Geringsten zu entschuldigen. Das Verhalten fand ich schon frech, als er dann aber noch mit seiner Leiter auf einmal genau vor mir stand, da war der Bogen dann doch schon leicht überspannt. Er versuchte immer genau so zu stehen, um mir den besten Fotorahmen zu nehmen und nahm damit den Leuten hinter uns, die vorher keine Probleme hatten, auch noch die Sicht. Gleichzeitig postierte er noch seine Tasche und sein Prospekt so, um mir damit bei jeder seiner Bewegungen aus Versehen eine zu verpassen. Nun, solch ein Spiel kann ich auch spielen! Der nette Herr hatte bestimmt nicht damit gerechnet, dass ich die Kamera über seinen Kopf halten ich und die Fotos machen konnte, obwohl er auf der Leiter stand. Und wer meint, mich bei meinen Fotos anstoßen zu wollen, dessen Leiter steht auch nicht am stabilsten, wenn er trotz total freier Sicht vor ihm noch auf der obersten Stufe stehen muss. Sagen wir einfach so, wenn mehr als 50 Prozent seiner Fotos etwas geworden sind, dann hat er Glück gehabt. Eigentlich hatte ich keine Lust auf so einen Wettstreit, aber nachdem normale Worte nicht halfen und er sich nicht mal bei den Damen um uns herum für sein rüpelhaftes Verhalten entschuldigte, da musste ich ihm zeigen, dass seine Spiele auch von mir gespielt werden können. Am interessantesten war dann aber der Punkt, dass genau in dem Moment, als ich ging, der werte Herr auch auf einmal nach Hause ging. Er blieb also wirklich nur dort, um mich zu ärgern. Die Japaner um uns herum bestätigten mich mit meiner Meinung.

Egal, nach der Aktion wurde es wieder ein tolles Fest und im Vergleich zu Europa sind solche Fälle doch die absolute Ausnahme.

imgp9777

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/17-10-2013-das-wandelnde-bild-der-japaner/

Bitte die Krankenversicherung

Wer kennt es nicht? Man geht in den Laden, um einen neuen Handyvertrag zu machen und man muss alle seine Unterlagen vorlegen: Kontodaten, Ausweis, Krankenversicherung…. Halt! Krankenversicherung? Diese Frage haben jetzt bestimmt einige Leser im Kopf, aber es stimmt. Hier in Japan benötigt man seine Krankenversicherung, um einen Vertrag abzuschließen. Vermutlich betrifft dieser Fall nur Ausländer, aber trotzdem ist man ohne aufgeschmissen. Wieso das so ist, haben wir leider bis heute nicht so wirklich erfahren können. Meine Vermutung geht aber dahin, dass eine Krankenversicherung der endgültige Beweis ist, dass man wirklich unter seiner Adresse wohnt. Die Alienkarte bekommt man immerhin schon am Flughafen und man kann damit machen, was man will. Aber für die Krankenversicherung muss man sich an einem festen Wohnsitz bei der Stadt anmelden. Für mich, der eine deutsche Auslandskrankenversicherung besitzt und kurz davor war, hier gar keine Versicherung abzuschließen, ist das Vorzeigen der selbigen deshalb immer wieder eine Überraschung.

Wofür benötige ich aber jetzt gerade die Karte? Die Bankkonten habe ich doch schon eröffnet, was könnte ich jetzt noch benötigen? Die Antwort ist einfach: Ich brauche ein neues Handy. Seit meiner Ankunft laufe ich mit meinem alten, kaum noch lesbaren Handy von 2010 herum und habe dafür eine Prepaidkarte. Die Zeiten haben sich aber geändert und ein Smartphone kann ziemlich hilfreich sein. Man verläuft sich seltener, ist immer erreichbar und das Wörterbuch ist auch gleich eingebaut. Außerdem, so teuer kann das doch gar nicht sein…. Doch, kann es, ich bin schließlich in Japan! Die Entscheidung für ein Smartphone fiel für mich ziemlich schnell, und dass es ein Android werden soll, war mir eigentlich auch von Anfang an klar. Zwar ist das iPhone wie in Europa auch hier ein Statussymbol und unglaublich beliebt, aber ich konnte mich nie damit anfreunden. Um mal meinen alten Betreuer Kawamura zu zitieren: „Was gefällt ihnen nicht am iPhone? – Alles!“. Ich würde es zwar nicht so extrem ausdrücken, mit Android komme ich aber besser zurecht. Nach langer Suche entschied ich mich dann auch für zwei Modelle. Die meisten Android Telefone hier besitzen ein fieses Branding, welches dem Telefon alle Funktionen nimmt, die es für mich so besonders interessant machen. Zum Glück fand ich aber zwei Telefone der letzten Generation, die meinen Ansprüchen genügten und dazu auch noch billig (1 Yen à 0.5 Cent oder so) waren. Leider hatte aber in der letzten Woche niemand Zeit für mich und so einen Vertrag schließe ich dann doch nicht alleine ab. Also wurde am Sonntag Orsolya bekniet, mit mir auf Handysuche zu gehen. Aufgrund des schlechten Wetters entschieden wir, in Richtung eines abseits gelegenen Shoppingviertels mi t dem Bus zu fahren. Die Handyläden hierzulande sind alle direkt unter der Kontrolle der Netzbetreiber und selbst in einem großen Elektronikladen haben sich die Betreiber nur eingemietet und betreiben dort  ihren eigenen Laden. In diesem Viertel  befand sich nun ebenfalls ein großer Elektronikladen und der sollte auch Handys haben. Mit dieser Einschätzung hatten wir zwar recht, aber wirklich freundlich waren die Leute dort nicht. Zwei Ausländer, noch dazu an einem Sonntagabend, die kann man doch nur abspeisen. Also das Handy gibt es nur noch bei einem Händler in Sendai und meinen Vertrag, den ich möchte, gibt es sowieso nicht mehr. Man könne mir aber das Handy zu dem Laden, in dem wir jetzt waren, schicken lassen und dann kann ich einen anderen Vertrag abschließen. Zu allem Überfluss wäre ich angeblich mit meinem Visum auch nicht in der Lage, einen Vertrag abzuschließen. Das müsse schon über zwei Jahre sein und nicht genau zwei Jahre, aber ich könne natürlich den ganzen Vertrag mit meiner Visakarte aus Deutschland bezahlen, dann wäre es eventuell doch noch möglich. Die ganze Art der Mitarbeiter regte mich auf jeden Fall richtig auf und wäre ich besser in der Lage, meiner Stimmung auf Japanisch Luft zu machen, hätte ich den Laden wohl unter dem Hinweis verlassen, dass ich sie nicht zwinge, mit mir einen Vertrag zu machen und ich mir einen anderen Anbieter suche. Orsolya beruhigte mich aber und wir entschieden, erst einmal das Handy zu dem Laden liefern zu lassen und dann den Vertrag eventuell zu machen.

Zu meinem großen Glück hatten wir aber am Montag auf einmal doch spontan Zeit und entschieden uns zu einem Treffen in der Innenstadt von Sendai. Dort ging es zum Shoppen zu Labi, einem anderen Elektronikgroßhandel und siehe da, der Laden hatte doch wirklich mein  gewünschtes Handy. Auch das Abschließen eines Vertrages lief einfacher. Den Vertrag erhielt ich natürlich und wozu solle man denn meine Kreditkarte nutzen? Natürlich beeilte ich mich, einen Vertrag abzuschließen und eine Stunde später hatte ich mein Gerät in der Hand. Nur eine Sache störte mich: Ich bin ja ein Freund von Technologie, aber ich finde, einen Vertrag komplett auf einem iPad aufzusetzen, inklusive Unterschriften, geht dann doch etwas zu weit. Die Dokumente wurden mit dem iPad fotografiert und die Unterschrift wurde mit einem Smartphonestift direkt in den elektronischen Vertrag gesetzt. Aber vermutlich ist das eh die Zukunft, ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen.  Auf jeden Fall müssen wir jetzt irgendwie dem ersten Laden erklären, dass wir sein Handy nicht mehr wollen. Aber bei der Freundlichkeit haben sie es auch nicht anders verdient! Am besten gefiel mir aber im Anschluss die Zufriedenheitsumfrage. Es wurde nicht etwa gefragt, wie ich mit dem Provider zufrieden bin, sondern ob ich beim Betreten des Geschäftes begrüßt wurde, die Haare des Angestellten ordentlich lagen und ob er auch genug gelächelt hat. Hier in Japan wird so etwas halt noch großgeschrieben. Da können sich einige Angestellte in den Shops in Deutschland, die sich gelangweilt am Tisch herumflätzen, noch ein paar Scheiben von abschneiden.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/12-10-2013-bitte-die-krankenversicherung/

Reik vs. die falschen Stöcke

Ich gebe es offen zu: Seit ich in Japan lebe, bin ich unvorsichtiger geworden. Das ist auch nicht groß verwunderlich. Kriminalität in Japan ist relativ gering. Diese gibt es zum Beispiel kaum und die meisten verlorenen Gegenstände bekommt man auch  gut erhalten zurück. Auch die Natur hat mich bis dato noch nie enttäuscht. So haben weder meine Reisen mit Dennis zu Vulkanseen und durch die Nationalparks Japans noch meine Wanderungen und Bergsteigeaktionen mit Melanie mich wirklich in Gefahr gebracht. Ok, in der Nachbetrachtung verkläre ich das Besteigen eines Dreitausenders mit Halbschuhen vermutlich, aber eigentlich ist für mich bisher die einzige Gefahr das Radfahren gewesen. Wobei böse Stimmen meiner Fahrweise die Schuld dafür geben, aber dem verweigere ich mich. Apropos Fahrradfahren: Dank einer netten Stiftung durch meinen Großvater werde ich mich demnächst mit einem richtigen Fahrrad ausstatten. Bis es aber soweit ist, muss ich erst einmal meine Finanzen durch mein Stipendium unterstützen, welches wohl in der zweiten Hälfte des Monats auf meinem Konto erscheinen soll. Danke auf jeden Fall noch einmal dem edlen Spender, ich werde das Geld gut anlegen!

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Solange ich dieses Rad noch nicht habe, muss ich mich mit einem von Orsolyas alten Rädern behelfen. Dieses erhielt schon vor einem Jahr von mir den Namen „Kamikaze“, da seine Bremsen alles machen, außer das, was sie sollen. Momentan ist es so, dass es während der Fahrt von sich aus bremst. Da ich aber nur die Wahl zwischen diesem Status oder gar keiner Bremse hatte, entschied ich mich für diese Konfiguration und komme deshalb etwas langsamer voran. Dementsprechend verlangsamt wird mein Fahren aber, weshalb ich mich bisher mit meinen berüchtigten Radtouren zurückhielt. Am Mittwoch ging es aber nicht mehr. Der Winter steht vor der Tür und diese Wohnung ist mehr als schlecht gedämmt. Zwar besitzen wir schon einen elektrischen Heizkörper, die Lösung für den Winter ist dieser aber leider noch nicht. Kurzerhand stieg ich auf mein Rad und machte eine Tour um die Stadt und besuchte die mir bekannten Gebrauchtwarenläden. Auf dem Weg durch Izumi geschah es dann: Ich radelte auf einem schmalen Fahrradweg, rechts von mir eine Schnellstraße und die Ausläufer der Stadt, links von mir Reisfelder und die freie Natur, als vor mir auf dem Weg ein „Ast“ lag. Nun hatte der Weg nur etwa ein Meter Breite und mein Rad ist trotz allem ein Mountainbike und dementsprechend hat es breite Räder. Kurzerhand entschied ich, über den Ast zu fahren. Je näher ich aber nun an ihn herankam, desto höher erschien er und im letzten Moment entschied ich glücklicherweise, doch auszuweichen. Das war die richtige Entscheidung, denn nur aufgrund dieses Schlenkers entging ich dem hochschnellenden Maul des „Astes“. Wie sich herausstellte, hatte ich gerade die erste Begegnung mit einer Schlange in freier Wildbahn gemacht und dazu war es auch noch eine beißende. Erwähnte ich, wie ich Schlangen hasse? Es handelte sich um ein rund ein Meter großes, 6 bis 7 Zentimeter breites, grüngeschecktes Tier. Als das Maul der Schlange auf mich zu schnellte, sah ich mich schon am Telefon und einem Arzt irgendwie erklärend, was gerade geschehen war.   Zum Glück verfehlte sie aber mein Bein um einige Zentimeter. Es ist aber sehr beeindruckend, welche Geschwindigkeit die Viecher haben. Mein Bein hätte ich ohne Rad nicht rechtzeitig wegbekommen. Erste Forschungen bei Japanern ergaben immerhin, dass die Schlange zwar giftig war, aber nicht lebensbedrohend. Trotzdem werde ich ab jetzt wohl die japanische Natur besser vorbereitet betreten, auf derartige Begegnungen kann ich gut verzichten!

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/12-10-2013-reik-vs-die-falschen-stoecke/

Reik, der Donnerpalast, und der „hinterlistige“ Professor

Eines meiner Mottos lautet normalerweise, nie zwei Dinge genau gleich betreiben. Normalerweise bin ich mit dieser Einstellung bisher auch gut gefahren. Für Japan habe ich diesmal aber eine Ausnahme gemacht und gleich zeigt sich die Problematik, die damit einhergeht: Mein Professor kann mich gut einschätzen. Aber fangen wir von vorne an: Wie schon beschrieben, ist die Situation in meinem Kenkyushitsu noch nicht ganz so, wie ich mir das bisher vorgestellt habe. Interessanterweise habe ich für fast jeden meiner alten Freunde jemanden mit exakt den gleichen Charaktereigenschaften gefunden, aber trotzdem könnte es besser laufen. So geschah es nun, dass ich heute später am Tag das Büro betrat. Leider besitze ich immer noch keinen Schlüssel und am Vormittag war das Büro abgeschlossen. So verbrachte ich meine Zeit beim Japanisch-Lernen in der Bibliothek des internationalen Centers.

So betrat ich das Büro und meine Lieblingsprofessorin beehrte mich immerhin mit einem kurzen guten Tag, aber ansonsten geschah nicht viel. Die Japaner sprachen untereinander, besagte deutsche Professorin verschwand kurzerhand aus dem Büro und ich setzte mich in die Ecke. Zum Glück gibt es Sato, einen  jungen Masterstudenten, dessen Deutsch schon nicht schlecht ist. Sein einziges Problem ist, dass er etwas an seinem Selbstvertrauen arbeiten muss. Ausländer, die ihn kennen, vergleichen ihn gerne mit einem erschrockenen Tier, welches sich im Gebüsch versteckt. Die Einschätzung ist noch nicht mal weit hergeholt. So ergab es sich im Mai, dass Shimizu, ein sehr von sich überzeugter Japaner, seine Freundin, Orsolya und ich lautstark beschlossen, die Mensa zu besuchen und auch rumfragten, wer denn noch mit will. Plötzlich, als wir schon gehen wollten, stand Sato hinter uns und fragte mit kaum hörbarer Stimme, ob er denn mitkommen dürfe, wenn es denn keine Umstände mache. Dafür, dass wir gerade lautstark gefragt hatten, war diese Nachfrage natürlich ziemlich befremdlich für uns und wir nahmen ihn gerne mit. Dieses Verhalten beschreibt ihn aber sehr gut und auch im Unterricht wird es durch Professoren als  Nachteil für ihn ausgenutzt. Eines meiner Ziele im Büro ist es deshalb, sein Selbstbewusstsein etwas aufzubauen. Im momentanen Zustand kann ich ihn mir nicht in der Arbeitswelt vorstellen und er ist zu nett, als dass er das verdient.  Auf jeden Fall sprachen wir etwas über sein Masterarbeitsthema „Ökobewegung in Deutschland und in der deutschen Literatur“ und er machte uns erst einmal einen Kaffee. Hier in Japan schmeckt dieser aber zum Glück nicht wie Kaffee, so dass ich ihn auch trinken konnte. So verging die Zeit und auf einmal stand Professor Morimoto in der Tür und erklärte den überraschten Japanern, dass sie mich willkommen heißen sollen, schließlich bin ich Teil des Büros. Scheinbar hatte diese Aussage befreiende Wirkung auf die Anwesenden und ich wurde von mehreren bedrängt und über meine Größe, Herkunft und mein Wissen über Japan und Shimizu ausgefragt.

Nur einer sagte diese Unterhaltung nicht zu, meiner Sekretärin. Diese startete an einem Freitag um 18 Uhr mit ihrer Arbeit und kam genau richtig an, um die Ansage von Professor Morimoto zu vernehmen. Als es Verständigungsprobleme zwischen mir und den Japanern gab, wurde sie befragt und endlich kam heraus, weshalb sie so abweisend zu mir ist. Auf Japanisch erklärte sie den Japanern, dass sie mich nicht verstehe. Sie war für einige Zeit in Bayern und da wo ich herkomme, würde man komisches Deutsch sprechen. So sagen wir angeblich nicht „ich“, sondern „icke“. Nur mit Mühe und Not konnte ich an mich halten und nicht zu einer langanhaltenden Ansprache ansetzen, dass wenn dann die Bayern komisch reden und ich wenn schon Magdeburger Mundart und nicht Berlinerisch rede. Wir sprechen zwar das G nicht richtig aus, aber das ist noch lange nicht das Selbe, was in Berlin gesprochen wird. Auf jeden Fall ist es interessant: Kawamura, Shimizu, Yuki, Sato, Rieko und all die anderen japanischen Studenten haben mich verstanden, aber eine Postdoktorandin, die eine längere Zeit in Deutschland, wenn auch „nur“  in Bayern, gelebt hat, tut es nicht? Na mal schauen, was wir da machen können.

Während ich noch auf eine mögliche Antwort spekulierte, kam auf einmal ein Pizzabote. Professor Morimoto hatte für uns alle Pizza bestellt und als herauskam, dass ich da bin, hatte er kurzerhand das Essen als Willkommensfeier für mich deklariert. Da konnte ich natürlich nicht gehen. Wer jetzt denkt, unser Professor tat dies nur aus reinster Menschenliebe, der hat nur teilweise recht. Als ich nach dem Essen in die Innenstadt wollte, hielt er mich auf einmal auf und verwies darauf, dass einige Erstsemester doch gleich kommen würden. Wenn ich schon mal da wäre, dann könnte ich doch auch etwas Werbung für das Büro machen, schließlich hat sonst keine Sprache einen Muttersprachler als Studenten. Tja, so war es also und da bekannt ist, dass ich als guter Student zu kostenlosem Essen nie nein sagen würde, wurde dies genutzt, mich lange genug dazubehalten, um etwas Werbung zu machen. Wenigstens haben sich die Studenten mal wieder daran gemacht, meinen Namen in Kanji umzuschreiben und ich muss sagen, ich mag das Ergebnis mehr als beim ersten Mal. Nach der neuen Umschrift lautet mein Vorname „Donnerpalast“. Damit kann man schon mal angeben, falls ich in Deutschland mal wieder  nach der Bedeutung meines Namens gefragt werde. Viele Grüße auch an Herrn Pfordte, der einst, weil er meinen Namen als einziges nicht in seinem Bedeutungsbuch finden konnte, behauptete, dass es eindeutig ein Schimpfwort sein müsse. Da muss ich erst 10.000 km reisen, um endlich in der Bedeutung meines Namens jedem Deutschen mit himmlischen Bedeutungen überlegen zu sein.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/05-10-2013-reik-der-donnerpalast-und-der-hinterlistige-professor/

Zeiten ändern sich

Ende 2010, wann immer ich ein Problem hatte, wusste ich, ich brauche nur in das Kenkyushitsu gehen und die Lösung sitzt schon bereit. Für offizielle Dokumente war Kawamura-san immer zur Stelle. Der Sekretär verfügte über sehr gute Deutschkenntnisse, eine sehr soziale Ader und versprühte einen Charme, der es ihm erlaubte, sehr gut mit den Studenten umzugehen. Jeder wusste, gibt es ein Problem steht Kawamura bereit und sei es aus einer Postbox einen Computer zu bauen, er konnte es. War er mal nicht zur Stelle, gab es da noch meinen Tutor Shimizu, der 24 Stunden im Lab zu sitzen schien und sowieso für jeden Spaß zu haben war. Und dann gab es immer noch das Ass im Ärmel in Form von Rieko, die gegen ein Stück Schokolade förmlich als meine Sekretärin zu arbeiten schien.

Kehren wir zurück in das Jetzt, dann hat sich die Situation gewandelt. Kawamura ist mittlerweile ein Professor in  Morioka, Shimizu in Wien Student und Rieko genießt das Leben als Mutter in Akita. Nur ein Punkt hat sich seit damals nicht geändert und zwar, dass ich immer noch einen Haufen Probleme habe, die es zu lösen gilt. Das Rückspiel bei der Bank erwies sich als sehr einfach. Am Morgen verbrachte ich etwa 45 Minuten dort, bis das Bankbuch geändert wurde und der Hinweis kam, dass ich meine Karte einfach mit dem falschen Namen nutzen soll. Man stelle sich das Bild in Deutschland vor, wenn eine falsche Bankkarte herausgegeben würde. Gut, die Karte ist nur zum Abheben gedacht, aber selbst dann hätte ich erwartet, eine neue Karte zu bekommen. Wie soll man bitte bei Nachfragen belegen, dass man berechtigt ist, die Karte zu nutzen? Die meiste Zeit des Wartens in der Post verbrachte ich aber damit, Kinder zu unterhalten. Zwar sind japanische Postfilialen modern und verfügen über Spielzeug und Lesebücher für Kinder, die Eltern sind aber doch immer beschäftigt. So fing neben mir ein Kind im Kinderwagen an zu weinen und jedes Mal, wenn ich mich kurz mit ihm beschäftigte, hörte es auf. Besser war aber eine grobgeschätzte 5 jährige, die sich neben mich setzte und lautstark verlangte, ich solle ihr doch bitte vorlesen. Man stelle sich mal vor, ein Land, in dem viele Erwachsene sich in die Hosen machen, wenn sie einen Ausländer nur sehen und die Kinder stürmen auf einen los und wollen unterhalten werden. Diese Abschottung in den Köpfen der Japaner scheint also erst in der Schule antrainiert zu werden, wie es meine Begegnungen mit jungen Japanern zeigen.

Auf jeden Fall war ein Problem beseitigt. Nun wollte die Verwaltung nur noch einen Zettel haben, in dem mein Forschungsziel  auf Japanisch erklärt werden sollte. So weit – so klar, außer dass ich den Zettel nicht so wirklich verstand. Nun gut, Probleme sind dafür da, gelöst zu werden. Also ging ich ins Kenkyoshitzu, es wird sich schon jemand finden, welcher mir helfen kann. Weit gefehlt!  Erste Ansprechperson war die neue Sekretärin. Diese unterscheidet sich schon in ihrer ruhigen Art und der Abschottung durch Trennwände von den Studenten sehr stark von Kawamura. Noch schlimmer war ihr Abwiegeln. Ich zeigte ihr mein Schreiben und sie stellte nur lapidar fest, sie habe keine Ahnung und ich solle doch gefälligst jemanden anderes fragen. Eventuell wisse die Verwaltung ja mehr. Diese Antwort hatte ich nicht erwartet, also Versuch Nummer 2: Eine junge Studentin saß bereit und ich hielt ihr mein Schreiben unter die Nase. Sie wusste zwar auch nicht wirklich, was gefordert war, übersetzt mit mir zusammen aber die einzelnen Teile, bis zur eigentlichen Beschreibung des Projekts. Das sei doch etwas für die Sekretärin und kurzerhand fragte sie diese erneut, nur um wieder abgewiegelt zu werden. Als ich mich schon langsam fragte, wie ich nur an diesen Teil käme und immer noch eine Standpauke der Sekretärin erhielt, öffnete sich die Tür und vor mir stand die Rettung. Professor Morimoto war aus Yokohama zurückgekommen.  Seine Nachfrage, wie lange ich schon in Japan sei, war in Anbetracht der Tatsache, dass er den Flug organisierte hatte, zwar etwas seltsam, aber er nahm sich gleich meines Problems  an und löste es selber. Auch die Sekretärin erhielt erst einmal den Hinweis, dass ich jetzt Student dieses Kenyoshitsus sei und sie sich um mich kümmern soll. Widerwillig sagte sie zu. So ging es in die Verwaltung, welche höchst erfreut war, alle Unterlagen so stressfrei und schnell zu haben. Studenten, die sich um sich selbst kümmern, sind ihnen doch am liebsten. Bei meiner Rückkehr ins Kenkyoshitzu stand mir dann auch schon die nächste freudige Überraschung bevor. Norihiro war endlich da! Norihiro, Shimizus bester Freund, und teilweise mein Schützling bei seinem einjährigen Göttingenaufenthalt begrüßte mich gleich überschwänglich und auf Deutsch, sehr zur Überraschung der anderen, die ihn nicht so kennen. Mit ihm und Morimoto, welchen ich jetzt schon mehr gesehen habe, als im ganzen Jahr 2010 zusammen, sollte es kein Problem werden, alle Hürden zu überstehen und mir einen neuen Kern an Studenten aufzubauen, mit denen es Spaß macht, im Kenkyushitsu nicht nur zu forschen, sondern auch den Alltag zu verbringen.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/02-10-2013-zeiten-aendern-sich/

Japaner und die Wohnung

Eine schöne Sache an Auslandsaufenthalten ist die Tatsache, dass man am eigenen Leib die verschiedenen Weltanschauungen erlebt, welche je nach Kultur auftreten. So sieht es auch im Moment aus. Orsolya hat im Laufe der Jahre viele Freunde kennengelernt. Viele davon kenne ich ebenfalls schon eine ganze Weile. Aufgrund ihrer Kochkünste waren deshalb Besuche bei ihr auch an der Tagesordnung, aber dies hat sich von einem zum anderen Tag geändert. Der erste Fall war Fumiyo. Fumiyo, eine Mitte dreißigjährige Japanerin, deren genauere Lebensumstände niemand so wirklich kennt, hat nur ein Hobby: Sie verbringt gern Zeit mit Ausländern, besonders gerne mit Nordeuropäern. Mir persönlich erschien sie schon immer etwas seltsam, da man über sie nie etwas erfährt, aber sie im Gegenzug über alle Ausländer in Sendai bestens Bescheid weiß. Im Gegensatz dazu wird Orsolya zwar nicht gerade schlauer aus ihr, ist in diesem Zusammenhang aber toleranter und trifft sich regelmäßig mit ihr, gerne auch zum Kochen in unserer WG hier. Als klar wurde, dass ich es schaffe, nach Japan zu kommen, trat Fumiyo nun mit einer etwas seltsam erscheinenden Bitte an sie heran. Könne sie nicht noch einmal vorbei kommen vor meiner Ankunft und am besten bei ihr übernachten? Auf die Frage, warum unbedingt davor, gab es nur die Antwort, na ja, danach ist doch Reik da. Was man als persönliche und auch vollkommen vertretbare Angst oder Respekt vor mir sehen könnte, erwies sich am Samstag dann als japanische Kultur.

Den Samstag verbrachte Orsolya als Lehrerin. Da ich persönlich nicht so viel zu tun hatte, verbrachte ich etwas Zeit in der Innenstadt und besuchte dann die MafuMafu Sprachschule. Seit meinen Tagen als Englischlehrer beim Kidscamp bin ich dort bekannt und gern gesehener Gast. Nach einigen Gesprächen und dem sachten Hinweis, dass Japaner eventuell nicht ein Buch lesen wollen, welches in ihrer Bibliothek liegt und den Titel „Warum Japaner nerven“ trägt, wurde ich kurzerhand zu einer Geburtstagsfeier einer der Angestellten am Abend im Cafe eingeladen. Zuvor blieb aber an mir die ehrenvolle Aufgabe des Unterrichtens hängen. Eine Gruppe von Studenten hatte Konversationsunterricht und hatte explizit gefragt, ob ich nicht mal kurz mit ihnen sprechen könnte. Kurz war es natürlich nicht, was jedem, der mich kennt, bekannt vorkommen dürfte. Wir sprachen über Gott und die Welt und besonders als ich über meine Doktorarbeit befragt wurde, hielt ich einen kürzeren Monolog, der dazu führte, dass die Japaner freiwillig auf ihre Pause zwischen den Stunden verzichteten und mich mit immer neuen Nachfragen malträtierten. Am Abend war es dann soweit, der Einzug ins MafuMafu Cafe, meiner alten Heimat, für die Geburtstagsfeier stand an. Ich fühlte mich zwar leicht fehl am Platz, kam aber mit einem der führenden Köpfe der Sprachschule ins Gespräch. Wenn ich möchte, könnte ich wohl Kinder unterrichten. Interessanter war aber der Teil über das Cafe. Es schließt! Eine Welt brach für mich zusammen. Das Cafe, in dem ich unzählige schöne Stunden verbrachte, wird geschlossen und neu ausgerichtet, weil es sich nicht rechnet. Kein Wunder, seit Thomas weg ist, sind die Öffnungszeiten nur noch zwei Tage in der Woche und die Preise des Cafés sind für ein heruntergefahrenes Sortiment zu gering. Seit dieser Situation bleiben besonders die japanischen Gäste weg und es rechnet sich nicht mehr. Ich legte gleich mündlich Verbesserungsvorschläge ein, welche man dem obersten Chef mitteilen wolle und meine Chancen, falls es zu der vom obersten Chef angedachten Neuausrichtung kommt, einen Platz als Kellner zu bekommen, sind sehr gut. Leider wäre das wohl erst im nächsten Frühjahr der Fall.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Als das Geburtstagskind sich verabschiedete, sie ist jetzt 26 Jahre alt und lebt noch bei den Eltern und musste deswegen bald nach Hause, wurde von Orsolya das Angebot unterbreitet, man könne ja mal zusammen kochen. Quittiert wurde dies durch eine Nachfrage ihrerseits, ob dies denn überhaupt möglich wäre, da ich jetzt da sei. Es liegt also offensichtlich nicht an meiner Art, die sie nicht wirklich kennenlernen konnte. Angestachelt durch diese Erkenntnis fragte ich in meinem Lab nach und es stimmt wirklich, normalerweise ist es sowieso unüblich, jemanden zuhause zu besuchen. Nun, da ich aber auch in dieser WG lebe, ist die Gefahr, die Ruhe des Hauses zu stören, natürlich noch größer und ein normaler Japaner überlegt sich zweimal, ob er noch zu Besuch kommen kann. Die Aussage, dass die Einladung ja von uns beiden käme und dass dies für Europa total normal sei, wurde mit großen Augen und einem „ohhhh, Europa ist so komisch“ quittiert.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/02-10-2013-japaner-und-die-wohnung/