Reik, der Donnerpalast, und der „hinterlistige“ Professor

Eines meiner Mottos lautet normalerweise, nie zwei Dinge genau gleich betreiben. Normalerweise bin ich mit dieser Einstellung bisher auch gut gefahren. Für Japan habe ich diesmal aber eine Ausnahme gemacht und gleich zeigt sich die Problematik, die damit einhergeht: Mein Professor kann mich gut einschätzen. Aber fangen wir von vorne an: Wie schon beschrieben, ist die Situation in meinem Kenkyushitsu noch nicht ganz so, wie ich mir das bisher vorgestellt habe. Interessanterweise habe ich für fast jeden meiner alten Freunde jemanden mit exakt den gleichen Charaktereigenschaften gefunden, aber trotzdem könnte es besser laufen. So geschah es nun, dass ich heute später am Tag das Büro betrat. Leider besitze ich immer noch keinen Schlüssel und am Vormittag war das Büro abgeschlossen. So verbrachte ich meine Zeit beim Japanisch-Lernen in der Bibliothek des internationalen Centers.

So betrat ich das Büro und meine Lieblingsprofessorin beehrte mich immerhin mit einem kurzen guten Tag, aber ansonsten geschah nicht viel. Die Japaner sprachen untereinander, besagte deutsche Professorin verschwand kurzerhand aus dem Büro und ich setzte mich in die Ecke. Zum Glück gibt es Sato, einen  jungen Masterstudenten, dessen Deutsch schon nicht schlecht ist. Sein einziges Problem ist, dass er etwas an seinem Selbstvertrauen arbeiten muss. Ausländer, die ihn kennen, vergleichen ihn gerne mit einem erschrockenen Tier, welches sich im Gebüsch versteckt. Die Einschätzung ist noch nicht mal weit hergeholt. So ergab es sich im Mai, dass Shimizu, ein sehr von sich überzeugter Japaner, seine Freundin, Orsolya und ich lautstark beschlossen, die Mensa zu besuchen und auch rumfragten, wer denn noch mit will. Plötzlich, als wir schon gehen wollten, stand Sato hinter uns und fragte mit kaum hörbarer Stimme, ob er denn mitkommen dürfe, wenn es denn keine Umstände mache. Dafür, dass wir gerade lautstark gefragt hatten, war diese Nachfrage natürlich ziemlich befremdlich für uns und wir nahmen ihn gerne mit. Dieses Verhalten beschreibt ihn aber sehr gut und auch im Unterricht wird es durch Professoren als  Nachteil für ihn ausgenutzt. Eines meiner Ziele im Büro ist es deshalb, sein Selbstbewusstsein etwas aufzubauen. Im momentanen Zustand kann ich ihn mir nicht in der Arbeitswelt vorstellen und er ist zu nett, als dass er das verdient.  Auf jeden Fall sprachen wir etwas über sein Masterarbeitsthema „Ökobewegung in Deutschland und in der deutschen Literatur“ und er machte uns erst einmal einen Kaffee. Hier in Japan schmeckt dieser aber zum Glück nicht wie Kaffee, so dass ich ihn auch trinken konnte. So verging die Zeit und auf einmal stand Professor Morimoto in der Tür und erklärte den überraschten Japanern, dass sie mich willkommen heißen sollen, schließlich bin ich Teil des Büros. Scheinbar hatte diese Aussage befreiende Wirkung auf die Anwesenden und ich wurde von mehreren bedrängt und über meine Größe, Herkunft und mein Wissen über Japan und Shimizu ausgefragt.

Nur einer sagte diese Unterhaltung nicht zu, meiner Sekretärin. Diese startete an einem Freitag um 18 Uhr mit ihrer Arbeit und kam genau richtig an, um die Ansage von Professor Morimoto zu vernehmen. Als es Verständigungsprobleme zwischen mir und den Japanern gab, wurde sie befragt und endlich kam heraus, weshalb sie so abweisend zu mir ist. Auf Japanisch erklärte sie den Japanern, dass sie mich nicht verstehe. Sie war für einige Zeit in Bayern und da wo ich herkomme, würde man komisches Deutsch sprechen. So sagen wir angeblich nicht „ich“, sondern „icke“. Nur mit Mühe und Not konnte ich an mich halten und nicht zu einer langanhaltenden Ansprache ansetzen, dass wenn dann die Bayern komisch reden und ich wenn schon Magdeburger Mundart und nicht Berlinerisch rede. Wir sprechen zwar das G nicht richtig aus, aber das ist noch lange nicht das Selbe, was in Berlin gesprochen wird. Auf jeden Fall ist es interessant: Kawamura, Shimizu, Yuki, Sato, Rieko und all die anderen japanischen Studenten haben mich verstanden, aber eine Postdoktorandin, die eine längere Zeit in Deutschland, wenn auch „nur“  in Bayern, gelebt hat, tut es nicht? Na mal schauen, was wir da machen können.

Während ich noch auf eine mögliche Antwort spekulierte, kam auf einmal ein Pizzabote. Professor Morimoto hatte für uns alle Pizza bestellt und als herauskam, dass ich da bin, hatte er kurzerhand das Essen als Willkommensfeier für mich deklariert. Da konnte ich natürlich nicht gehen. Wer jetzt denkt, unser Professor tat dies nur aus reinster Menschenliebe, der hat nur teilweise recht. Als ich nach dem Essen in die Innenstadt wollte, hielt er mich auf einmal auf und verwies darauf, dass einige Erstsemester doch gleich kommen würden. Wenn ich schon mal da wäre, dann könnte ich doch auch etwas Werbung für das Büro machen, schließlich hat sonst keine Sprache einen Muttersprachler als Studenten. Tja, so war es also und da bekannt ist, dass ich als guter Student zu kostenlosem Essen nie nein sagen würde, wurde dies genutzt, mich lange genug dazubehalten, um etwas Werbung zu machen. Wenigstens haben sich die Studenten mal wieder daran gemacht, meinen Namen in Kanji umzuschreiben und ich muss sagen, ich mag das Ergebnis mehr als beim ersten Mal. Nach der neuen Umschrift lautet mein Vorname „Donnerpalast“. Damit kann man schon mal angeben, falls ich in Deutschland mal wieder  nach der Bedeutung meines Namens gefragt werde. Viele Grüße auch an Herrn Pfordte, der einst, weil er meinen Namen als einziges nicht in seinem Bedeutungsbuch finden konnte, behauptete, dass es eindeutig ein Schimpfwort sein müsse. Da muss ich erst 10.000 km reisen, um endlich in der Bedeutung meines Namens jedem Deutschen mit himmlischen Bedeutungen überlegen zu sein.

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