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Die Butterknappheit in Japan

Das Ende des Jahres nähert sich unaufhaltsam. Die Märkte färben sich grün und rot, überall werden Weihnachtsmänner und -frauen verkauft und der Europäer in mir entdeckt die Idee, doch mal zu versuchen, etwas zu backen. Zu diesem Zweck braucht man Butter. Butter, das ist hier in Japan von Natur aus etwas komplizierter, als es von vornherein für Ausländer den Anschein hat. Die Butter in Japan ist gesalzen und damit meine ich nicht leicht gesalzen, sondern stark salzig im Geschmack. Wer dagegen normale Butter ohne Salz haben möchte, der muss darauf hoffen, in einem Supermarkt die einzige Sorte zu finden, welche einen extra Vermerk darauf hat, nicht gesalzen zu sein. Im Normalfall hat man in dreißig Prozent der Fälle das Glück und muss im Zweifel dafür schon ziemlich suchen.

Heute habe ich mich also auf die Suche begeben. In sechs Supermärkten fand ich nichts. An sich kann so eine Quote schon einmal vorkommen, dass aber gar keine Butter vorhanden war, das wunderte mich schon sehr und nicht einmal die Verkäufer konnten mir den Grund dafür nennen. Ich begab mich also auf die Suche und entdeckte, dass ich nicht der erste Ausländer mit der Frage war und die Antwort ist verblüffend: Das Hochindustrieland Japan hat im Jahr 2009 entschieden, dass es weniger Kühe braucht, da der Verbrauch an Milchprodukten in Japan gering sei. Seit dem Jahr 2010 ist der Verbrauch aber so stark angestiegen, dass die Kühe überlastet sind und deshalb in diesem Jahr schon im April mit Mühe und einem großangelegten Import aus dem Ausland die Knappheit gerade so verhindert werden konnte. Jetzt im Dezember gelang das wiederum nicht. Grund dafür ist der Anstieg an Butterverbrauch in der Weihnachtszeit, wo traditionell ein Kuchen mit Sahne und Erdbeeren gegessen wird, welcher wiederum viel Butter benötigt. Das erste Mal in meinem Leben erlebe ich deshalb eine echte Mangelsituation an einem Grundprodukt. Die Supermärkte, welche nämlich noch über Butter verfügen, haben diese rationiert und geben nur noch eine Packung pro Familie heraus. Aber was soll´s, ich esse eh wenig Butter!

Auf jeden Fall bekenne ich mich aber eindeutig schuldig. Ein unkalkulierter Anstieg des Milchverbrauchs seit dem Jahr 2010, ich sehe da eine eindeutige Korrelation! Das passt gut in das Bild der Getränkeknappheit, an der mein Supermarkt am Ende einer Woche immer leidet. Immer sind es nur meine Lieblingsgetränke, wo man mir nun schon zum wiederholten Male erklären wollte, dass man seit einer Weile einen Anstieg an Verbrauch von Calpis und Aquarius feststellt, dieser aber das Bestellen von mehr noch nicht rechtfertige. Ich sehe schon, die Probleme in Japan hören erst auf, wenn ich wieder in Deutschland bin!

Nebenbei, noch ein Hinweis in eigener Sache: Es gibt immer wieder mal Bilder oder andere Kleinigkeiten, welche sonst nicht so wirklich in den Blog passen, aber zu schade sind, sie nicht zu veröffentlichen. Zu diesem Zweck präsentiere ich eine neue Blogunterseite, welche es sich zur Aufgabe macht, genau diese Dinge kurz zu präsentieren. Wer also Interesse bekommen hat, der folge bitte einfach dem folgenden Link: https://rj-webspace.de/?cat=11.

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Vegaltas Endspiel

Es ist ein ganz normaler Samstagabend um 19.00 Uhr in Sendai. Die Menschen in der Stadt gehen ihren normalen Beschäftigungen nach und das Leben verläuft in ruhigen Bahnen, als der Stadtteil Izumi von einem lauten kollektiven Aufschrei aus der Ruhe gerissen wird. Minutenlang hört man daraufhin aus dem kleinen Stadion, in dem Vegalta spielt, nur lautes Schluchzen. Wer in diesem Moment im Stadion war, konnte nach diesem Aufschrei nur die Fassungslosigkeit in allen Gesichtern sehen. Was war passiert? Lasst uns dazu etwas zurückgehen:

Der Fußballosten in Deutschland: Viele Vereine mit lautstarken und fanatischen Fans zeichnet diese Region aus, die wirtschaftliche Situation sorgt aber dafür, dass nur südliche und westliche Vereine um die Titel mitspielen. Was sich so in Deutschland abspielt, kann man eins zu eins auch auf Japan übertragen. Yamagata, Sapporo, Aomori oder Akita, das sind Hauptstädte ihrer Regionen, aber im Fußball haben sie einen schweren Stand, da die Sponsoren besonders im zentralen Japan zu finden sind. Das einzige Team aus dieser Region, was sich seit 2009 in der oberen Liga hält, ist Vegalta Sendai. Wer dagegen einmal runter in die zweite Liga geht, hat es schwer, je wieder einen Fuß in die obere Liga zu bekommen. Yamagata und Sapporo sind dafür leuchtende Beispiele. Eine verkorkste Relegation, welche den dritten Aufstiegsplatz aus Relegationsspielen zwischen dem Dritten bis Sechsten der Liga ausspielen lässt, ist der Grund dafür.

Heute stand dabei das wichtigste Spiel der Saison an. Es ist der 33. Spieltag und entweder Sendai schafft heute den Klassenerhalt oder man hat am nächsten Spieltag gegen die spielstarke Mannschaft aus Hiroshima einen sehr schweren Stand. Aber was für eine Saison musste Sendai dieses Jahr durchlaufen: Es wurde ein neuer australischer Trainer eingesetzt, welcher die kampfbetonte Kontertaktik Sendais durch eine Ballbesitztaktik mit einer Spitze ersetzen wollte und dafür nur australische Wundertüten als Spieler verpflichtete. Es gab einen Ultrablock, der in Tränen ausbrach, als der Vorsänger das erste Mal seit der Gründung der Ultras resignierte und sich weigerte, das Team bei der Demontage gegen Urawa noch zu unterstützen. Der Trainers gab nach acht Spielen ohne Sieg und dem letzten Tabellenplatz freiwillig auf, nur um im Nachhinein gegen den Verein nachzutreten und in den Medien den garantierten Abstieg zu prophezeien. Es gab Spieler, die das Management anflehten, den unerfahrenen Co-Trainer zum Trainer zu machen. Nach all dem Chaos folgte dann noch die Flucht der australischen Spieler im Sommer und der erneute Neuaufbau. Hatte man sich in Sendai nach den ersten 8 Spielen und all dem Chaos schon fast an den Gedanken des Abstiegs gewöhnt, so schaffte das Team unter dem neuen Trainer Watanabe, die Hinrunde auf einem Nichtabstiegsplatz zu beenden. Leider konnte man den Schwung nicht aus der Pause mitnehmen und eine Niederlagenserie sorgte für den Verbleib im Abstiegskampf. Trotz allem, oder gerade aus Trotz, standen die Fans hinter der Mannschaft und heute haben wir ein volles Stadion gegen den schon als Absteiger feststehenden Tabellenletzten Tokushima Vortis. Vortis ist aber eine Wundertüte. Mal verlieren sie hoch, nur um im nächsten Spiel stark aufzuspielen. Besonders jetzt, wo der Druck des Klassenerhalts weg ist, weiß man nicht, was passiert.

So schwang ich mich das erste Mal seit meiner dreifachen Verstauchung des Armes wieder aufs Fahrrad. Schon vor dem Stadion konnte man die Nervosität der Fans spüren und alle waren gekommen, um ihren Verein nach vorne zu peitschen. Das Stadion war ausverkauft und selbst Leute wie Kuma, welche eigentlich keine Zeit hatten, haben kurz 2 Stunden Pause auf der Arbeit genommen, um das Spiel zu sehen. Pünktlich, kurz nach Anpfiff, hatte ich es dann endlich auch durch die Menschenmassen ins Stadion geschafft, nur um bei Betreten des Stadions einen gestochen scharfen Freistoß von Vegalta im Strafraum von Tokushima Vortis zu sehen, welches zum 1 : 0 für Sendai führte. Da mein Blockeingang genau beim Ultrablock entlangführt, hatte ich so die halben Ultras am Arm, weil sie abklatschen wollten. Nach Minuten ging es endlich weiter zu meinen eigentlichen Freunden. Von dort konnte ich eine disziplinierte Sendaier Mannschaft betrachten, die sich bald mit einem 2 : 0 belohnte. Ruhig sollte es aber trotzdem nicht werden. Tokushima schaffte noch das 2 : 1, nachdem bei einem Freistoß ein Angreifer von ihnen sträflich frei stand. Es ging ein Raunen durch das Stadion. Nicht schon wieder ein Tor in den Nachspielzeit! Der Sieg musste einfach gehalten werden und so hielt es die letzten zehn Minuten niemanden mehr auf dem Platz. Ein ohrenbetäubendes zehnminütiges „VE GAL TA Sendai“ ging durch das Stadion und wurde lauter und lauter.

Nach 5 Minuten Nachspielzeit sind wir bei dem Moment angekommen, den ich zu Beginn meines Blogeintrags beschrieben habe: Ein langer Ball von Vortis geht in den Strafraum, Zweikampf zwischen einem Sendaier und einem Tokushimaer und der Ball ist geklärt. Aus!!! Sendai hatte gewonnen und Omiya hatte auf dem Abstiegsplatz zudem noch ein Tor kassiert und verloren. Vegalta kann nicht mehr absteigen!!! Ein Urschrei geht durch die Massen und im nächsten Moment ist Ruhe. Jeder wartet, um es noch einmal vom Stadionsprecher zu hören, damit es keinen Zweifel gibt. Dann kommt die Durchsage, dass Sendai ein weiteres Jahr einziger Ostvertreter in der J-League ist und der Ballast fällt von allen Schultern. Frauen und gestandene Männer schluchzen, einige Tränen fließen und die Ultras fangen an ihren „Messias“, das Eigengewächs und den jetzigen Trainer Watanabe zu feiern. Sendai hat es wieder einmal geschafft und kann auch im zwanzigsten Jahr des Bestehens für die erste Liga planen. Die Feierlichkeiten gingen noch fast eine Stunde. Die Bürgermeisterin hielt eine Ansprache, das Stadion ließ Watanabe hochleben und die wichtigsten Spieler wurden gekürt. Aber so wirklich hörte keiner hin, zu sehr hatte diese Saison an den Nerven aller gezerrt.

 

Vegalta Fangesang 1

 

Wir dagegen verabschiedeten uns von den Anderen. Im nächsten Jahr werde ich auf jeden Fall beim Saisonbeginn wieder da sein, aber vielleicht sehe ich sie auch alle vorher noch einmal. In Sieges- und Bierlaune wurde mein Vater für seinen Besuch im Dezember erst einmal von drei der Anwesenden zum Biertrinkduell herausgefordert und vielleicht sieht man sich ja auch mal so. Ich freue mich auf jeden Fall schon darauf. Für Orsolya und mich ging es aber erst einmal noch weiter. Sie mit ihrem Motorroller und ich mit meinem Rad fuhren noch einmal um die halbe Stadt, um dort zur Feier des Tages Sushi zu genießen. Zum Glück ist meinem Rad beim Sturz nichts ernsthaftes passiert, so dass ich mit Mühe mit Orsolyas 30 km/h mithalten konnte, aber so schmeckte das Siegessushi nur noch besser.

 

Vegalta Fangesang 2

Vegalta Fangesang 3

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Die Abenteuer des jungen Shimizu

Ich gebe es ungern zu, aber mein Leben in Sendai hat sich in den letzten Monaten verändert. Niemand hier im Büro spricht wirklich darüber, aber mein alter Kumpel Shimizu ist einfach das Herz des Studienganges. Vor einem halben Jahr wurde ich die meiste Zeit hier entweder ignoriert, oder ein paar Studenten gaben auch schon aus Angst vor mir den PC auf, denn ich könnte ihn ja nutzen wollen, obwohl ich einfach nur in den Raum kam. Es wäre ja kompliziert gewesen, sich mit mir auseinanderzusetzen und zu kommunizieren. Seit Shimizu wieder da ist, hat sich das stark geändert. Wir sprechen alle mehr miteinander und es hat sich ein echtes Gruppengefühl entwickelt. Auf der anderen Seite sehen die Studenten jetzt auch den Vorteil eines Deutschen im Büro und kommen schon mal mit Fragen zu mir, die ich zu gerne beantworte. Bei einer dieser Fragen erfuhr ich auch diese Geschichte, die ich euch nicht vorenthalten will:

Shimizu besucht einen Tagebuchkurs. Diesen hat er schon vor Jahren besucht und ich habe ihm bei besonders komplizierten Formulierungen immer mal geholfen. So war es auch dieses Mal. Sein Tagebucheintrag betraf eine Geschichte seines Europaaufenthaltes, welche er mir bisher noch nicht erzählt hatte. Im Gegensatz zu anderen Japanern hielt sich Shimizu bei diesem Aufenthalt an meine Aufforderung, viel zu reisen, und kam so sehr viel in Europa herum. Eine dieser Reisen führte ihn im Alleingang von Istanbul nach Athen und um diese Reise soll es hier gehen.

Es war Shimizus letzter Tag in Istanbul und bisher hatte er die Stadt bis auf sein Hotelzimmer, welches er als Absteige benennt, genossen. Am letzten Tag sollte es am Abend weiter nach Athen gehen. Aus diesem Grund wollte er sich nicht zu weit weg von seinem Hotel bewegen. Kurzerhand erkundete er die Umgebung einer Moschee in der Nähe, natürlich war das ein Touristenspot. Mit seinem auffälligen Hemd und allgemein als Alleinreisender stach er natürlich aus der Menge heraus und ein Ausländer suchte das Gespräch mit ihm. Ob er denn nicht kurz ein Foto machen könne. Hilfsbereit und vertrauenswürdig, wie es nur Japaner seien können, willigte er ein und ließ sich in ein Gespräch verwickeln. Sein Gegenüber sei aus Abu Dhabi und reise alleine, was ziemlich langweilig sei, ob Shimizu nicht als Dank für das Foto bereit wäre, mit ihm einen Cafe zu trinken. Begeistert von der neuen Bekanntschaft und von einigen Komplimenten an seinem ziemlich seltsamen Hemd, willigte er ein und ließ sich in eine Kneipe in den Gassen Istanbuls führen. Schnell wurde ihm klar, dass hier etwas nicht stimmt. Das Bier, welches serviert wurde, war das Schlechteste, was er jemals getrunken hatte. Aber auch ansonsten wurde es nicht besser. Der Araber versuchte, ihn mit einem Redeschwall in der Bar zu halten und ein paar einheimische Damen gesellten sich zu ihnen an den Tisch und versuchten, Getränke von dem reichen Japaner ausgegeben zu bekommen. Langsam kam selbst Shimizu auf die Idee, dass er in eine Falle geraten war. Jetzt war guter Rat teuer. Geistesgegenwärtig verabschiedete er sich auf die Toilette und versteckte sein Geld in den Ärmeln des Hemdes, welches der Fremde vor kurzen noch so gelobt hatte. So gewappnet bereitete er sich vor, das Eta­b­lis­se­ment zu verlassen.

Wie erwartet, sollte es aber nicht so leicht werden. Die Einladung war aufgehoben und der Barkeeper verlangte über 100 Euro. Ein Glück, dass Shimizu nur 10 Euro bei sich hatte! Dies führte zu Beschimpfungen und der Aufforderung, dass Shimizu einen Vertrag unterschreiben musste, dass er alles Geld abgeben würde, welches man bei ihm finden würde. Erst nach einer Durchsuchung sollte er gehen dürfen. Zu allem Überfluss konnte dazu niemand gut genug Englisch, so dass Shimizu sein eigenes Erpressungsschreiben anfertigen musste. Er hatte aber Glück im Unglück: Nach einer Durchsuchung seiner Schuhe ließ man von ihm ab und er durfte mit dem Geld im Ärmel den Laden verlassen. Die Sonne erschien ihm auf einmal noch heller als sonst und er beeilte sich, Istanbul so schnell wie möglich zu verlassen.

Die Geschichte zeigt einen Punkt an Japanern, der mir immer wieder auffällt. Besonders die jungen Japaner werden hierzulande so lange behütet und von der Welt abgeschirmt, dass viele von ihnen nicht das Schlechte im Menschen sehen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Norihiro in einem zweiwöchigen Urlaub viermal in einem Park beziehungsweise im Bahnhof übernachtet hat oder Shimizu halt solche Dinge passieren. Hier in Japan ist das alles kein Problem. Um so leichter ist es dann für Schwindler, in Japan die Unbedarftheit der Japaner auszunutzen. So gibt es immer wieder die abstrusesten Erpressungsgeschichten, wo Japaner, obwohl sie nichts getan haben, lieber bezahlen, als ihr Gesicht zu verlieren und zur Polizei zu gehen. Wenn ihr also in Europa auf Japaner stoßt, die Hilfe brauchen, dann helft ihnen! Nicht, dass sie auf Leute stoßen, die es schlecht mit ihnen meinen.

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Vegalta 3 – Osaka 3

Ein Blick auf den Kalender lässt mich erstarren. Es ist wirklich schon November? Eindeutig, ich bin schon viel zu lange nicht mehr beim Fußball gewesen und die Saison hört auch bald auf. Eigentlich war nur eine letzte Frage zu beantworten: Darf ich überhaupt hingehen? Beim letzten Spiel, das wir besuchten, überlegte unser Kumpel „Mütze“ schon, ob es nicht eine Korrelation zwischen unserem Erscheinen beim Fußball und den Niederlagen von Vegalta gibt. Die letzten Spieltage zeigten aber eindeutig, dass dem nicht so ist und Vegalta auch gut ohne uns verlieren kann. So stellt sich drei Spieltage vor Schluss der Saison die Situation so dar, dass Vegalta zwei Plätze vor dem Abstiegsrang liegt und mit ganzen drei Punkten Vorsprung in die entscheidende Phase gehen muss. Zwar hat sich das Spiel der Mannschaft unter der Führung des neuen Trainers im Vergleich zum Beginn der Saison stark stabilisiert, trotzdem vermochte es die Mannschaft unter anderem dank mehrerer Last-Minute-Niederlagen und Unentschieden nicht, sich in das gesicherte Mittelfeld zu retten.

Im heutigen Spiel trafen wir auf Cerezo Osaka. Kagawas Ausbildungsverein ist als Favorit auf die Meisterschaft ins Rennen gegangen. Der Vierte der vergangen Saison hatte sein gutes Team noch einmal verstärkt. Unter anderem holte man Diego Forlan als neuen Superstar in die Liga. Selbst die J-League direkt beteiligte sich an diesem Transfer, der weltweit für Aufsehen sorgte. Kaum ein T-Shirt dürfte mehr verkauft worden sein, als das pinke Trikot mit der Nummer 10. Sogar Nicht-Fußballfans wie zum Beispiel Fumiyo, erzählen momentan andauernd von diesem Sport, da sie ja schon immer Fan von Forlan gewesen seien. Auch bei diesem Spiel zeigte sich der Personenkult. Selbst für japanische Verhältnisse war der Frauenanteil größer und manch ein Vegalta-Fan hatte ein Forlan-Trikot unter seinem gelben Vegalta-Trikot. Auch in unserer Gruppe gab es solche Kandidaten. Eines der Kinder musste das Spiel unbedingt sehen, weil ja Forlan dabei war und hatte deshalb auch zwei Trikots dabei. Um so ernüchterter war er, dass Forlan gar nicht dabei war. Sein Vater und ich wiesen ihn aber erst einmal darauf hin, dass man nicht so ins Stadion geht. Wo kommt man denn da hin, wenn man insgeheim den Gegner unterstützt?

Sei es drum, wie schon so manche Mannschaft feststellen musste, bringen alternde Stars nicht unbedingt den gewünschten Erfolg. Zwar schaffte es Forlan bisher immerhin auf 7 Tore, von einem Spieler mit seiner Reputation hatte man sich aber viel mehr erwartet. Auch der Rest der Mannschaft zeigte nur bedingt, was er konnte, so dass man sich zur Sommerpause auf dem 13. Tabellenplatz wiederfand. Obwohl mit Ranko Popovic ein in Japan sehr erfahrener Trainer zur Verfügung stand, entschied das Präsidium, diesen zu entlassen. Ersatzmann wurde Marco Pezzaiuoli. Der Deutsch-Italiener konnte dabei auf die Erfahrung von 18 Spielen als Trainer von Hoffenheim, 23 Spielen in Karlsruhe und Trier und dem Training mehrerer deutschen U-Nationalmannschaften zurückgreifen. Anstatt das Hauptproblem von Osaka zu lösen und die Abwehr zu verstärken, welche durch die Rückkehr von Kacar nach Hamburg noch verschlimmert wurde, lotste dieser erst einmal Cacau aus Stuttgart nach Osaka. Dies ist ein Stürmer, der so ziemlich gar nicht in die möglichen Spielsysteme der Mannschaft passen will. Zwar kommt er schon auf 5 Tore, darf sich aber trotzdem nur in Kurzeinsätzen beweisen. So war die Amtszeit von Pezzaiuoli nach drei Monaten auch schon zu Ende und der dritte Trainer, diesmal ein Japaner, darf versuchen, zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Mittlerweile steht Osaka auf Platz 17 und hat vier Punkte Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze.

Genug Brisanz war also auf jeden Fall vorhanden und so fing das Abstiegsduell auch an. Vegalta spielte einen sauberen Konterfußball im eigenen Stadion, während Osaka kein Mittel fand, um auch nur in Ansätzen gefährlich zu werden. Nach drei Minuten schaffte Vegalta auch direkt das 1 : 0, nur um in der 17. Minute auf 2 : 0 zu erhöhen. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das dritte Tor fallen musste, nachdem Osaka sichtlich geschockt kaum eine brauchbare Szene in der ersten Halbzeit vorweisen konnte. Ihr einziger echter Torschuss führte dann unverdienterweise in der 38. Minute zum Anschlusstreffer, während Vegalta mehrere hundertprozentige Chancen vergab. Für die zweite Halbzeit hatte Osakas Coach aber offensichtlich die richtigen Worte gefunden. Osaka drückte und Vegalta spielte zu unsauber die entstehenden Konterchancen aus. In der 72. Minute passierte dann das, was passiert, wenn man seine Chancen nicht macht und Osaka schaffte den Ausgleich. Angespornt von den Fans auf beiden Seiten, bliesen die beiden Teams zum Angriff. Osaka wechselte dazu Cacau ein, der eigentlich erst einmal nur durchs Provozieren und mit dem Schiedsrichter Hadern herausstach. Auf der anderen Seite brachte Vegalta Lopes, welcher mit einem satten Fernschuss in der 88. Minute Vegalta nach vorne brachte. Jetzt musste es eigentlich entschieden sein. Leider erhielt in der 93. Minute Cacau den Ball und verwandelte unhaltbar, da die Abwehr ihn nicht genug deckte. Schon wieder Punkte in der Nachspielzeit verloren, dieses Problem trifft Vegalta viel zu häufig. Vegalta warf noch einmal alles nach vorn. In der 95. Minute gelang das Unfassbare und ein Standard wurde per Kopf verwandelt. Das Stadion lag sich in den Armen. Leider sah der Schiedsrichter es mal wieder anders und entschied auf Abseits. Das kann man ja vielleicht noch geben, aber schon alleine 5 Minuten nachspielen zu lassen, ohne eine richtige Spielunterbrechung im Spiel, finde ich schon ziemlich fragwürdig. Egal, immerhin hat man wieder einen Punkt mehr gegen den Abstieg! Trotzdem standen wir alle leicht unschlüssig für Minuten im Stadion und wussten nicht so recht, ob wir uns jetzt freuen sollten oder nicht. Zu sehr nagte die späte Entscheidung an uns. Immerhin haben Orsolya und ich aber Tickets fürs nächste Spiel und dann werden wir den Klassenerhalt sichern, dieses Mal auch mit drei Punkten!

Vegalta Fangesang 1

 

Vegalta Fangesang 2

 

Vegalta Fangesang 3

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Das Katzencafe

Kommen wir zu einem Thema, welches mich arg getroffen hat: Jedes Land hat seine guten und seine schlechten Seiten, egal ob es nun Japan oder Deutschland heißt. Im Fall von Japan versuche ich gerne diese Seiten auszublenden, da dies aber nicht immer funktioniert, will ich wenigstens auch davon berichten.

Ich bin nun nicht unbedingt der große Tierliebhaber. Weder einen Hund, noch eine Katze habe ich gehabt und um die Gespensterheuschrecken meiner Verwandtschaft habe ich immer einen Bogen gemacht. Obwohl ich mich also nie um ein Tier kümmerte, habe ich trotzdem eigentlich nichts gegen sie. Sowohl die Hunde der Verwandtschaft, als auch all die Katzen meiner Freunde mag ich soweit. Als mich Orsolya vor einer Weile dazu aufforderte, in ein Katzencafe zu gehen, dachte ich also an nichts Schlimmes. Katzencafe, also ein Cafe, wo ein paar Katzen durch die Gänge streunen und sich im Zweifel von den Gästen streicheln lassen, in Deutschland ist das ja mittlerweile auch angekommen. Was kann daran schon schlimm sein?
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Wieder einmal hatte ich die Rechnung nicht mit den Japanern gemacht. Hierzulande wird das Thema etwas ernster genommen. Bei dem „Cafe“ handelt es sich eher um einen Streichelzoo. Man erhält ein paar Schuhe und kann dann in einen Raum mit ca. 20 Katzen gehen, die aus meiner Sicht auf viel zu kleinem Raum gehalten werden. Der Boden klebt abscheulich und die Katzen sind fett und faul. Schon beim Betreten des Ganzen hatten wir bemerkt, dass wir eindeutig zur falschen Stelle gekommen waren. Während wir das ganze Schauspiel also relativ entsetzt beobachteten, waren eine Vielzahl von Japanerinnen ganz anderer Meinung. So süß seien doch die Katzen, so verschmust und sowieso, das Cafe sei doch ein Traum. Ich hatte die Lage falsch eingeschätzt. Nicht die Katzen waren fett und faul, nein sie wurden genau dazu erzogen, denn faule Katzen lassen sich von den Besuchern verwöhnen und die sollen doch auf ihre Kosten kommen.
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Da wir notgedrungen für eine halbe Stunde gezahlt hatten, entschieden wir, nicht rückwärts herauszugehen, sondern uns ein wenig um die Katzen zu kümmern. Und siehe da, als die Lethargie erst einmal beseitigt war, wollten auf einmal alle spielen. Wir nutzten ein paar billige Kopfhörer, um die Katzen hinterherjagen zu lassen und die freuten sich sichtlich, auch mal ein wenig Bewegung zu bekommen. Für die Japanerinnen war das natürlich gar nicht toll, da so ziemlich alle Katzen auf einmal mir beziehungsweise den Kopfhörern folgten, aber darauf wollte ich keine Rücksicht nehmen. Mein meistes Beileid erhielt aber eine sehr junge Katze, die hinter einem Vorhang entsetzlich darum flehte, herausgelassen zu werden und keiner kam dem nach. Wir konnten leider auch nichts am Vorhängeschloss machen, was uns sehr leid tat.
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Alles in allem waren wir schwer enttäuscht über die gesamte Angelegenheit. Man kann über Deutschland sagen was man will, der Tierschutz funktioniert auf jeden Fall besser als hier. Wie die Japanerinnen daran Spaß haben konnten, ohne vor Mitleid zu zerfließen, erschließt sich mir wirklich nicht. Ich glaube, meine Bekannten aus Göttingen wären Amok gelaufen. Aber so ist das wohl in jedem Land, es gibt nicht immer nur Sonnenschein!

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Schulfestival an der Uni?

Es ist ein normaler Mittwoch und ich unterrichte. Nach dem Skatvortrag vor kurzem geht es diesmal um ziemlich normale Themen. Zu meinem Bedauern wurde das Lehrbuch aber ziemlich fragwürdig gestaltet. Ich verstehe zwar, dass man japanische Begriffe in diesem Lehrbuch verwendet, um auf diesem Weg das Bilden von Beispielen für die Studenten zu erleichtern. Aber nicht immer ist das so einfach, wenn die Begriffe nicht feststehende Geschlechter haben. So kommt es zu den Momenten, in denen ich den Studenten Details über das Leben in Deutschland sagen muss und ihnen erklären, dass selbst hierzulande so beliebte Dinge wie Karaoke singen nicht unbedingt zum Standardrepertoire eines Deutschen gehört. Wenigstens konnte ich dadurch gleich die Skatweisheit meines Onkels einbringen, welche er vor ein paar Tagen als Kommentar hinterließ. Danke dafür! Aber allgemein verstehe ich aber nicht, wieso man als Beispiel für Brettspiele unbedingt Go oder gar Mah-Jongg verwenden muss. Wie häufig wird ein normaler Japaner in Deutschland diese Spielnamen hören? Wenn dann aber Dame, Mühle oder ähnliches kommt, wird er kein Wort verstehen.

Nun gut, ich könnte mich noch lange darüber aufregen, aber am Ende der Stunde kam die eigentliche Information für mich: Die Studenten mögen sich doch bitte erinnern, dass sie noch nicht zwanzig sind und beim Unifestival deshalb nicht trinken sollen. Betrunkene Minderjährige wären immerhin eine Schande für die Uni. Wieder einmal fühlte ich mich alt, als mir bewusst wurde, dass ich fast 10 Jahre jüngere Studenten unterrichte, aber die Information mit dem Festival war interessant. Es nicht gerade so, als ob es jemand als wichtig erachtet, die Ausländer in die uniinternen Abläufe einzuweihen. Aus diesem Grund verpassen wir auch häufig Veranstaltungen, welche nur irgendwo in Kanji angekündigt wurden. Auf jeden Fall hatte ich Interesse.

Unifest2Drei Tage später war es dann so weit und das Festival stand an. Ganz fit nach meinem Sturz war ich zwar noch nicht, aber das ist kein Hindernis. Nur etwas unangenehm ist mir die Tatsache, dass die Kassiererinnen im örtlichen Supermarkt meine Einkäufe vom Kassenbereich in den Einpackbereich tragen, was sonst nur für Rentner gemacht wird. Die Verbände scheinen aber Eindruck zu hinterlassen. Unifest3Auf jeden Fall ging es zum Festival und es war interessant anzuschauen. Wäre die ganze Sache in Deutschland wohl 100-prozentig professionell veranstaltet worden und bis ins Detail durchgeplant, so hat das Fest hier eher einen Schulcharakter. Alles wird in Handarbeit vorbereitet, die Studenten kümmern sich um alles selber und alles hat einen sehr einfachen Charakter, was definitiv etwas anderes ist, wenn man es mit Göttingen vergleicht. Zu sehen bekam man dabei viel. Drei Gebäude der Universität wurden von Studenten in Beschlag genommen, die in den einzelnen Seminarräumen Veranstaltungen durchführten. Besonders stachen dabei die Clubs hervor, die dieses Event zur Eigenwerbung nutzten. Neben japanischen Klassikern wie dem Maidcafe, Crossdressercafe und Geisterhaus, gab es aber auch Unifest4Rollenspielgruppen, der Kunstclub malte seine Gäste und die örtlichen Bands hatten eine Bühne für Auftritte. Auch der Hauptcampus war vollgestellt mit Hütten, welche die verschiedensten Mahlzeiten offerierten. Alles in allem war es ein riesiges Event, was ziemlich viel Spaß machte. Zu kritisieren hätte ich eigentlich nur zwei Dinge: Zum einen ist dies der sehr kindliche Charakter des Festes. Da viele externe den Campus besuchten, fand ich die Frage schon erlaubt, ob es sich bei einen Großteil der Veranstalter wirklich um Studenten handelte oder die ganze Art und Weise nicht eher in die Schule gepasst hätte. Unifest4Mein eigentliches Problem waren aber die Bands. Gerade als ich kam, hatte eine örtliche Girlband einen Auftritt. Normalerweise unterstütze ich lokale Bands zwar, aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme. Es handelt sich um fünf Mädchen, welche letztes Jahr als Sprecherinnen für einen Anime gecastet wurden, in dem es um die Gründung einer Band in Sendai geht. Nachdem sie nun in Animationsform erfolgreich wurden, entschied der Hersteller des Animes, gleich auch eine echte Band daraus zu machen. Es wurde etwas umgecastet, um den Animefiguren vom Aussehen näherzukommen und sie spielen eine sehr generische Gute-Laune-Musik. Mit all dem könnte ich ja noch leben, wenn sie nicht mit Absicht auf ziemlich jung gestaltet worden wären. So stehen halt Mädchen auf der Bühne, welche allesamt Unifest5jünger als 13 aussehen und sich dazu noch aufreizend bewegen sollen. Immerhin, der Erfolg scheint ihnen recht zu geben. Während ihres Auftritts war die Bühne kaum zu sehen, da dort eine riesige Traube von Jungs stand, welche zwar rhythmisch zur Musik ihren Kopf bewegten, klar sichtbar aber eher versuchten, ein Foto von unter den Röcken oder in aufreizenden Posen zu erwischen. Um die Musik ging es den Wenigsten. Das alles fand ich dann doch arg fragwürdig und da das Klientel der Band bekannt ist, hätte ich sie wohl nicht eingeladen, aber wenigstens haben sie wohl für Umsatz gesorgt.

Im Großen und Ganzen hatte ich aber trotzdem meinen Spaß und bin gespannt, was als nächstes ansteht.

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Ein Tag am „Meer”

Es gibt Orte in Sendai, die haben eine spezielle Bedeutung für mich. Einer der wichtigsten Punkte ist wohl ein kleiner Küstenabschnitt am Meer, an dem ich im Jahr 2010 so einige Stunden verbracht habe. Leider sagt die Standortbestimmung schon einiges aus. Er liegt halt am Meer und damit an dem Ort, der am meisten vom Erdbeben 2011 betroffen war. Schon vor zwei Jahren machte ich mich deshalb auf die Spurensuche, um herauszubekommen, wie es um meinen Lieblingsort steht. Damals konnte ich leider nur die Zerstörung der ganzen Umgebung feststellen und nicht einmal in die Nähe des Küstenabschnittes gelangen. Aus Erinnerung an diesen Fehlschlag hatte ich es bis dato auch noch nicht wieder versucht, besonders, da ich ja nun auch für über vier Monate kein Fahrrad zur Verfügung hatte und das eben jene Monate waren, wo das Wetter mitgespielt hätte.

Jetzt habe ich aber wieder ein Rad und SendaiMeer_04das Wetter ist trotz all der Winterjacken und Handschuhe der Japaner noch sehr gut. Mal ernsthaft, muss man wirklich bei 15 bis 20 Grad rumlaufen, als ob der Winter eingebrochen ist? Auf jeden Fall ging es heute für mich zum Meer und es sollte eine interessante Tour werden. Das erste Problem, was sich mir stellte, war, überhaupt den Weg zu finden. Seit 2012 hat sich einiges geändert und besonders in der näheren Umgebung des Meeres sind sogar wieder vereinzelte Häuser zu finden. Die Landmarken von früher sind aber allesamt nicht mehr auffindbar und wenn man ein Bild von früher im Kopf hat, ist das schon deprimierend. So verfuhr ich mich erst einmal, bis ich es kurz vor dem SendaiMeer_02Einbruch der Dunkelheit doch noch zur Fabrik neben dem Strand schaffte. Der Strand selber ist aber im Moment gar nicht betretbar und von der Fabrik aus konnte man sehen, dass er vermutlich gar nicht mehr existiert. Mehrere Schichten an Wellenbrechern stehen jetzt da, wo ich früher noch schwimmen war, beziehungsweise die erste Sonne 2011 gesehen habe.

SendaiMeer_01Schockierender war aber die Fabrik. Wenn man Japan bereist, merkt man zwar noch die Resultate des Erdbebens, aber nur sehr gefiltert. Einige Stationen des Zuges sind noch nicht in Betrieb, was auf die komplette Auslöschung ihres dazugehörigen Ortes zurückzuführen ist. Andersorts zeugen nur Gedenktafeln von der Tragödie, die Japan im Jahr 2011 getroffen hat. Der Flughafen von Sendai war zum Beispiel mehrere Meter unter Wasser, heute zeugt aber nur eine Marke über die Höhe des Wassers davon, der Rest wurde wieder hergestellt. Was nicht wiederhergestellt wurde, sind dagegen die Wohnviertel neben dem Flughafen, welche nur Leute vermissen, die die Gegend vorher kannten. An der Fabrik ist es aber anders. Zwar wird dort auch gebaut, die Schäden sind aber noch zu finden. Man kann sich erst vorstellen, was für eine Kraft auf das Land getroffen sein muss, SendaiMeer_03wenn man die dicken Eisenstützpfeiler des Gebäudes sieht, welche einfach wie Streichhölzer nach außen gedrückt wurden. Betrachtet man dann noch die Arbeitszeiten von Japanern und das Innere der Lobby, so kann man nur hoffen, dass möglichst wenige Leute gerade dort waren. Ein wirklich gruseliger Gedanke, was dort am 11.03.2011 passiert ist.

Nach meiner Ankunft wurde es aber leider dunkel und ich war gezwungen, mich in der Nacht auf den Rückweg zu machen. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, musste ich doch nur geradeaus fahren. Leider nervte man mich auf der Straße, auf der ich fuhr, so dass ich notgedrungen auf dem Gehweg fahren musste. Im Dunkeln konnte man kaum die Straße erkennen, was sich für mich als goldrichtig erwies. So erkannte ich rechtzeitig ein Loch im Weg, um noch ausweichen zu können, nur um bei diesem Manöver in ein nächstes Loch zu geraten, was mich seitlich überkippen ließ. Nicht auszudenken, was bei einer höheren Geschwindigkeit oder beim Fallen auf die andere Seite passieren hätte können! So hatte ich nur einen schmerzenden Arm und eine Schürfwunde am anderen Arm. Das Fahrrad hatte es dankbarerweise bis auf ein paar Kratzer an der Gangschaltung komplett überstanden. So rettete ich mich bis zu einer großen Baustelle, wo ich einige Bauarbeiter fand, die mich verbanden. So konnte ich mich auf den eine Stunde langen Rückweg machen.

Ich konnte meinen linken Arm, auf den das Rad gefallen war, nicht mehr richtig anwinkeln. Deshalb beschloss ich, noch einen kurzen Besuch in der Notfallaufnahme des Krankenhauses zu machen. Diese hat ihren Namen wirklich verdient. Ich erschien sichtlich mit Wunden, welche noch deutlicher sichtbar waren, da der Verband der Bauarbeiter nicht auf eine Stunde Radfahren ausgelegt war und für dreißig Minuten passierte erst einmal nichts. Dann schaffte es immerhin eine Schwester mal zu fragen, was ich denn überhaupt habe. In diesem Moment erschien dann auch Orsolya und als man feststellte, dass wir ja doch Japanisch können, zeigte sich die Erleichterung und man kümmerte sich langsam um mich. Die Qualität war dabei interessant. So wurde meine offensichtlich noch leicht blutende und etwas dreckige Schürfwunde als letztes behandelt, nachdem ich das Röntgen über mich ergehen lassen musste. Ich hätte es wohl andersherum gemacht. Immerhin waren die Ärzte nett. Im Endeffekt war es aber, wie ich schon vermutet habe, nichts Ernstes und in ein paar Tagen soll ich, und besonders der nur unter Schmerzen bewegbare Arm, wieder fit sein. Dann kann es ja bald zur nächsten Tour gehen! Mich ärgern die Kratzer auf der Gangschaltung eh viel mehr als die Wunde am Arm, die schon verheilen wird. Vom Radfahren hält mich das auf jeden Fall nicht ab, maximal werde ich auf dunklen Straßen noch mehr achtgeben.

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Die Nachtschicht

Wer kennt das als Student nicht: Der Unterricht wird länger und länger, während ein Professor mal wieder über die Unterschiede von Schuhleistenkeilen schwadroniert. Geschlafen hat man natürlich ebenfalls nicht genug und eigentlich wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt, um diesen Schlaf nachzuholen oder um mit dem Handy etwas zu surfen. Der Professor an der Tafel wird es schon nicht bemerken, schließlich haben wir alle Tricks drauf und wissen, mit solchen Situationen umzugehen. Soweit die normale Einschätzung von Studenten und natürlich auch zu Schulzeiten im täglichen Katz-und-Maus-Spiel zwischen Lehrkräften und Schülern.

Tja, leider sieht die Lehrkraft halt eigentlich doch alles und man muss von Glück reden, wenn diese aus Freundlichkeit oder Ignoranz nicht reagiert. In meinem Deutschkurs mache ich auch immer wieder die Entdeckung, dass die Studenten denken, ich kenne die Tricks nicht. Besonders betraf das eine Studentin, welche der Meinung war, sie könne die Aufforderung, die letzte Reihe zu räumen und sich nach vorne zu setzen, umgehen, indem sie sich hinter einem großen und breiten Japaner versteckt. Leider hatte sie die Rechung ohne mich und meine Körpergröße gemacht. Bei der Professorin mit ihren 1,60 m hätte es wohl geklappt. Mehr verwunderte mich aber die Gelassenheit, mit der japanische Professoren in solchen Situationen mit den Studenten umgehen. Ich würde einfach aus Prinzip die schlafenden Studenten rannehmen, um von ihnen auf diese Weise eine Besserung zu erzwingen. Dagegen werden hierzulande die Studenten noch entschuldigt. Sie müssen ja so hart arbeiten und deshalb müsse man da auch Rückssicht nehmen. Als jemand, der die japanische Arbeitsweise an der Uni kennt, fand ich die Einschätzung schon fragwürdig, aber am Mittwoch konnte ich am eigenen Leib erfahren, wie hier in Japan gearbeitet wird:

Nach einem langen Tag mit Arbeiten und lab_2Forschen entschied ich mich um 8.00 Uhr, doch einmal nach Hause zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt erschienen Norihiro und Shimizu im Lab. Besonders Norihiro sehe ich in letzter Zeit fast gar nicht und immer wieder erklärt mir Shimizu, der im Lab zu wohnen scheint, dass Norihiro doch täglich da wäre. In der Nacht sollte ich dann erfahren, dass dem wirklich so ist. Es handelt sich nur um etwas andere Arbeitszeiten. In Vorbereitung auf das DFB Pokalspiel am selben Tag um drei Uhr morgens, musste ich feststellen, dass mein Tab, auf dem ich Ticker lesen wollte, zu Hause nicht auffindbar war. Zum Glück habe ich ja wieder ein Fahrrad und zur Uni ist es nicht weit. So ging es um 1.30 Uhr noch einmal schnell los. Entgegen der Erwartung, fand ich aber keine Universität vor, welche komplett verlassen war, sondern überall war noch Licht an. So fand ich also um 1.30 Uhr Shimizu und Norihiro in unserem Lab sitzend vor und sie waren in die Sagen von Troja vertieft. Kein Wunder, dass ich Norihiro nie treffe, wenn er sich zur Geisterstunde im Lab aufhält! Es ist wohl einfach so, dass Japaner zwar sehr arbeitsam sind, aber sich auch leicht ablenken lassen. lab_1Anstatt einfach durchzuarbeiten, gibt es immer Kleinigkeiten, die wichtiger sind und aus diesem Grund braucht alles halt ein wenig länger. In diesem Fall ging es um das Lesen und Übersetzen der Sagen, welches die Beiden für einen freiwilligen Literaturzirkel bearbeiten müssen. Dabei wird von einer griechischen Sage in Versform eine Grammatikanalyse vorgenommen, was ich persönlich eigentlich relativ sinnlos finde. Aber jedem das Seine! Im Endeffekt konnte ich die Beiden nicht leiden sehen und half ihnen noch ein wenig, eh es zum Spiel nach Hause ging. In Zukunft werde ich wohl etwas mehr Verständnis für meine Studenten zeigen müssen, wenn diese ebenso Nachtschichten übernehmen, wie es bei den Beiden der Fall war.

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Der Oktober in Sendai

Orsolya hat ein gutes Leben! Erst hat sie für zwei Wochen eine Tagung in San Franzisco und jetzt auch noch drei Tage in Shizuoka. Ich habe wirklich das Falsche studiert, da ich irgendwie nie Tagungen habe. Wobei, im Endeffekt konnte ich bis jetzt schon zwei Jahre meines Lebens für mein Studium in Japan verbringen, was wohl auch nicht so schlecht ist! Auf jeden Fall sollte man meinen, dass ohne sie und mit dem konstanten Regen, welchem wir seit Wochen ausgesetzt sind, das Leben hier ruhiger wird. Aber weit gefehlt! Seit Shimizu wieder da ist, ist das Leben in Sendai interessanter geworden. Ich bin eingebunden in den Alltag der Japaner und so langsam sehen es auch einige, dass ich so etwas wie ein Senpai bin, also ein älterer Student. Diesem soll zwar Respekt entgegengebracht werden, dafür soll dieser aber auch bereit sein, den jüngeren Studenten zu helfen. Wenn ich also nicht Sachen zu meiner Doktorarbeit lese, bin ich immer mehr in den Uniprozess eingebunden. Eine Mitstudentin will sich zum Beispiel für ein Auslandsjahr in Saarbrücken bewerben und ich sollte ihr die Details dafür herausfinden. Schade nur, dass wir, nachdem ich eine ganze Weile an diesen Unterlagen saß, feststellten, dass sie sich nicht einschreiben will, wie sie erst behauptete. Sie will nur einen Austausch machen, der komplett von der Uni hier organisiert wird. Ein anderer Student möchte nach Wien und hat zu diesem Zweck unser Lab aufgesucht, um mit Norhiro oder Shimizu darüber zu sprechen und die Hilfe für eine Übersetzung zu erbitten. Leider waren beide nicht da und so musste ich ihm Kästners bildhafte Sprache irgendwie erklären. Ich frage mich wirklich, wie der Student in Wien überleben will. Zum einen kann er kein Deutsch und zum anderen ist sein Englisch fast nicht existent. Das wird nie etwas! Aber er soll machen, was er denkt.

Aber auch ansonsten gibt es viel Interaktion zwischen Studenten. Ich habe das Gefühl, es handelt sich um einiges mehr an Interaktion, als sie in Göttingen vorkommt. Während in Göttingen oftmals ein Art Wettbewerbsgedanke existiert und die Leute nur in ihren Gruppen bleiben, so ist hier in Sendai das Ziel das gemeinsame Bestehen, was ich als sehr angenehm empfinde. So philosophiere ich zum Beispiel nur allzu gerne mit einer Bekannten über ihre Masterarbeit über deutsche Glücksbringer, denn woher soll sie es denn sonst auch lernen. Es ist nicht so, als ob die Professoren ihr helfen würden und Bücher sind halt doch sehr theoretisch. Übertrieben wird es nur in gewissen Fällen. Vielen Studenten wird hier beigebracht, internationale Quellen zu lesen. Leider wird dies so interpretiert, dass man auch in der Sprache des Landes lesen muss, über das man schreibt. So hatte eine Bekannte von Mai einen Vortrag über das Bankenwesen in Rotterdam in der frühen Neuzeit und sie wollte dazu Quellen auf Niederländisch lesen. Das wäre an sich ja kein Problem, wenn sie die Sprache könnte. So erschien Mai vor mir und bat mich, doch bitte den Text zu lesen. Niederländisch mag zwar nahe am Deutsch sein, aber trotzdem braucht man viel Fantasie. Besonders beim Chronistenniederländisch aus dem 17. Jahrhundert wird das aber schon leicht fragwürdig. Drei Stunden saß ich an der Übersetzung, nur damit wir später herausfanden, dass in der Quelle gar nicht stand, was die Studentin wissen wollte. Eine Doktorandin hatte wirklich noch nicht gehört, wie Fußnoten in der Forschung funktionieren. Sie hatte eine Fußnote gefunden und daraus geschlossen, dass dort weiterführende Informationen zu ihrem Thema stehen müssen. Leider war es aber nur eine Belegfußnote, welche auf den vollen Beschluss einer Ratssitzung verwies, welche im Fließtext nur in einem Nebensatz erwähnt wurde. So musste ich einer Doktorandin wirklich noch die fundamentalsten Dinge über Forschung erklären und Material ausfindig machen. Ein wenig fragwürdig ist das schon. Die Frage kommt da auf, ob ich nicht gleich die ganze Arbeit hätte hier schrieben sollen, wo augenscheinlich weniger Qualität erwartet wird. Vermutlich ist es aber für die Zukunft eh besser, mehr Mühe investiert zu haben. Immerhin wird mir immer klarer, weshalb meine Methoden in der Anfangszeit meines Aufenthalts nicht fruchten wollten. Es wird von den Studenten einfach nicht erwartet.

Insgesamt mache ich das Helfen aber gerne. Das Gemeinschaftsgefühl hier an der Uni ist wirklich riesig. Nur ein Problem hatte ich vor kurzem: Als einer meiner Schüler mich im Supermarkt erkannte und mich mit „Herrn“ ansprach, fühlte ich mich auf einmal so alt.

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Skat

Wie ich in vielen vorherigen Einträgen ja schon so leicht angedeutet habe, macht mir Deutschunterricht wirklich Spaß. Es gibt aber einen Punkt in der ganzen Sache, mit dem ich so wirklich Probleme habe: Jede zweite Woche soll ich etwas aus Deutschland vorstellen. Dies ist leichter gesagt als getan, wenn man keine Vorgaben bekommt und die Japaner im Äußern ihrer Wünsche auch nicht wirklich hilfreich sind. Das einzige Thema, was ein Student einmal erbat, war, doch bitte über Musik in Deutschland zu reden. Musik in Deutschland, nichts leichter als das! Es ist ja nicht so, als ob man mit dem Thema nicht Bücher füllen könnte. Im Endeffekt schaffte ich es, ein Referat zu erstellen, was halbwegs interessant war, aber leicht war es nicht. Nachdem ich jetzt schon fast jeden der groben Aspekte des Lebens in Deutschland vorgestellt habe, fällt es mir immer schwerer, noch ein Thema zu finden, von dem ich wirklich überzeugt bin.

Letzte Woche ergab es sich aber, dass wir im Unterricht über Spiele redeten. Die Studenten sollten einen Beispielsatz zum Thema Brettspiele sagen. Niemand, nicht einmal unsere Professorin, verstand aber, dass das Go-Brett im Beispielbild nur ein Beispiel für den Begriff Brettspiele sein sollte. Auch bei Kartenspielen wurde nur „Trumpf“, ein bekanntes Kartenspiel in Japan, erwähnt. Während ich also ein paar Kartenspiele aus Deutschland namentlich nannte, musste ich feststellen, dass man hierzulande keins davon kannte. Kein Wunder, denn Japaner spielen nicht mit den typischen Skatkartendecks, sondern mit den großen Rommédecks. Mein Thema war mir damit wirklich in den Schoß gefallen. Ich musste nur entscheiden, ob ich den Leuten Mau-Mau oder Skat zeige. Da Skat aber das wirklich deutsche Spiel ist und zudem noch in Altenburg, also Thüringen, erfunden wurde, war die Entscheidung schnell gefallen und meine Professorin wurde informiert. Leider hörte diese aber nicht wirklich zu und informierte sich vor meinem Vortrag nur kurz über Mau-Mau.

Die Zeit des Unterrichts war also gekommen und ich erklärte Skat, ein Spiel, das viele Deutsche schon kaum verstehen, besonders die Reizregeln. Leider stellte sich heraus, dass die Japaner nicht einmal das Prinzip des Trumpfs verstanden, obwohl sie ein Spiel haben, was eben jenen Namen hat. So wurde der Vortrag zwar interessant für die Studenten, verstanden haben sie es aber nicht wirklich. Das war ein wirklich demütigender Augenblick für mich und dementsprechend gedrückt erreichte ich das Büro. Dort wartete aber die Rettung. Shimizu war da und präsentierte seinen neuen Rockstarbart. In unserem Gespräch klagte ich ihm mein Leid und fragte, ob er Skat in Wien kennengelernt hat. Hatte er natürlich auch nicht, aber er fragte, ob ich es ihm denn nicht zeigen könnte. Keine Frage, so spielten wir eine Runde Offiziersskat und schon nach der ersten Runde hatte er es verstanden. Da ich es ihm nicht anders erklärte, als meiner Klasse, konnte das Problem also nicht nur an mir liegen. Im nächsten Moment betrat Norihiro, welcher schon meine Präsentation Probe gelesen hatte, den Raum. Wie das Referat gelaufen ist, wollte er wissen. Es ergab sich die Gelegenheit, ihn zu überzeugen, alles stehen und liegen zu lassen und Skat mit uns zu spielen. Es dauerte genau ein Spiel und sowohl Norihiro als auch Shimizu hatten alles verstanden. So saßen wir zusammen im Büro und spielten Karten, während andere zuschauten. Als die deutsche Professorin ins Büro kam, konnte sie nur leicht den Kopf schütteln, dass wir einfach mal eines der komplizierteren Kartenspiele Deutschlands fehlerfrei im Lab spielten. Ich hatte so viel Spaß, wie das Ganze Jahr nicht, das ich jetzt schon wieder da bin. Shimizu hat es in den paar Wochen, die er wieder hier ist, geschafft, mich ins Kenkyushitsu einzubinden und das Ganze hier wieder viel lebhafter zu gestalten. Endlich freue ich mich wieder auf jeden Tag, den ich dort verbringen kann. Um mein Glück perfekt zu machen, hatte Shimizu so viel Spaß, dass er gleich erst mal eine Skatapplikation auf seinem Handy installierte. Das erste Mal seit der Schulzeit habe ich also regelmäßig die Chance, das Spiel wieder zu spielen. Auch im Lab ergab es sich, dass nach meinem Kurs ein Student Fragen stellte und ich so ein Thema für das nächste Referat erhielt. Dieses Mal verstehen den Inhalt dann hoffentlich auch wieder alle.

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