Wo bin ich denn jetzt schon wieder reingeraten? Ich sollte wirklich lernen „nein“ zu sagen, wobei, eigentlich hatte ich das ja zuvor gemacht. Wer möchte den Papst spielen? So stand es in mehreren Nachrichten, welche Orsolya und mich direkt nach meiner Ankunft erreichten. Eine Schauspielgruppe aus Japan suchte verzweifelt einen Ausländer, welcher bereit war, in einem Theaterstück als Papst auf der Bühne zu stehen. Meine Begeisterung für die Katholiken oder irgendeine der kirchlichen Fraktionen halten sich bekanntlich in Grenzen und obwohl mehrere Freunde mich fragten, ob ich nicht perfekt für die Rolle wäre, musste ich doch bedauernd ablehnen. Einem Bekannten aus den Niederlanden gelang das Ablehnen dagegen nicht. Er wurde überzeugt, die Rolle anzunehmen und die drei Zeilen der Rolle aufzusagen. Als wir das erfuhren war natürlich klar, dass Orsolya und ich bei der Aufführung nicht fehlen dürfen. Auch eine seiner Arbeitskolleginnen, eine Japanerin mit sehr guten Englischkenntnissen, schloss sich uns begeistert an.
So saß ich nun in einem Theaterstück über japanische Geschichte, ohne mich bei diesem Teil der Geschichte wirklich auszukennen, in einer Sprache, die dank regionaler Dialekte und alter Sprachanleihen selbst für unsere Japanerin kaum zu verstehen war und zu allem Überfluss, wurde auch noch der katholische Glauben glorifiziert. Ich fühlte mich wie in einem falschen Film. Zum Glück gab es aber auch Lichtblicke. Als Gegenpart kommt Orsolya nächste Woche mit zum Fußball und es bestand immer noch die Chance, dass es eine lustige Panne gibt und wir danach Gesprächsstoff haben. Zum Glück trat dies dann aber doch nicht ein, auch wenn der Papst auf einmal mit seiner Robe tanzen musste und dabei mehrmals beinahe über seine Beinkleider stolperte. Es zeigte sich aber der Vorteil von modernen Medien. Unsere kleine Gruppe, bestehend aus drei Leuten, stand in der Halbzeit zusammen und versuchte verzweifelt, einen Sinn aus der Geschichte zu ziehen. Zum Glück gibt es mittlerweile Handys mit Internet, so dass wir endlich etwas davon verstanden, was auf der Bühne ablief und so das Theaterstück sogar ziemlich gut wurde. Tsunenaga war dabei ein wenig bekannter Samurai, welcher um 1600 von Date Masamune, unserem örtlichen wichtigsten Herrscher, auf eine diplomatische Mission über Mexiko nach Spanien und Italien geschickt wurde, um dort mit dem König und dem Papst über die Christianisierung des Landes und einen Handelsvertrag zu beraten. Auf der Reise wurde er zu einem Christen und einige seiner Crewmitglieder blieben in Europa. Das Ganze gilt als erste Mission Japans nach Europa und hat aus japanischer Sicht einiges an Wichtigkeit. Da die Reise aber scheiterte, weil genau während dieser Zeit die absolute Abrieglung Japans begann, ist die Geschichte nur hier in Sendai wirklich präsent. Tsunenaga kehrte daraufhin nach Japan zurück und über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Nur einige Christen behaupteten später, er sei als Märtyrer für den Glauben in Japan gestorben. Diese Variante wurde auch für das Stück angenommen, auch wenn vieles dafür spricht, dass dies christliche Propaganda ist, um die neu einsetzende Christianisierung nach der Öffnung des Landes zu rechtfertigen.
Ich muss sagen, für ein Theaterstück, bei dem ich dank des fiesen Dialektes fast nichts von den Dialogen verstanden habe, hatte ich schon Spaß. Ich bleibe im Großen und Ganzen aber wohl doch lieber bei meinen Sportveranstaltungen. Das sagt mir dann doch mehr zu als japanischer Tanz und Gesang.
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