Eine neue Pagode

30_12_14_01Wie viele von diesen Pagoden gibt es denn noch? Ich glaube, ich muss meinem Vater bei Gelegenheit einen Pagodenführer für Japan besorgen, nachdem es heute früh schon wieder in Richtung einer Pagode außerhalb Tokyos ging. Der Tempel, den wir dabei besuchten, war ziemlich schick, aber leider auch im völligen Chaos, aufgrund des anstehenden Neujahrsfestes. Diese Gefahr ist natürlich immer gegeben. Apropos Neujahrsfest. In Japan begeht man dieses traditionell mit einer Soba- oder Udonsuppe und natürlich stehen an jeder Ecke Menschen, w30_12_14_07elche für diesen Zweck frische Nudeln anbieten wollen. Schon bei der Ankunft am Tempel musste mein Vater etwas warten, was eine Rentnerin ausnutzte, um ihm die Vorzüge ihrer Udon zu erklären. Leider verstand er kein Wort und floh im Endeffekt lieber. Nachdem aber Orsolya und ich eintrafen, konnten wir das Missverständnis klären und sie konnte uns sogar von der Schmackhaftigkeit überzeugen. Jetzt müssen wir nur herausbekommen, wie wir die frischen Nudeln morgen mit unserem 30_12_14_02einzigen Hilfsmittel, einem Wasserkocher, zubereiten. Hoffentlich wirken die Udon auch, wenn wir sie erst später essen können! Wobei, manchmal frage ich mich, ob nach deutschem Recht so einfach auf der Straße ungekühlte frische Pasta verkauft werden dürfte, oder aber ob das Ordnungsamt eingreifen würde? Im Endeffekt ist es aber egal, wir sind in Japan und hier ticken die Uhren anders!

30_12_14_03Im Anschluss ging es für uns nach Akihabara, wo mein Vater sich über die neusten Techniktrends informieren konnte. Interessant war dabei der Besuch einer Brücke in der Nähe von Akihabara. Diese Br30_12_14_04ücke ermöglicht einen Einblick in die anschließende U-Bahn-Station sowie auf eine weitere Bahnstrecke und im Hintergrund hat man den Blick auf die Neonschilder der Elektronikstadt Akihabara. das ist wahrlich ein perfekter Fotoplatz!

30_12_14_08Nachdem es dunkel war, aber eigentlich noch sehr früh, entschieden wir uns für einen kurzen Abstecher ins Amüsierviertel Ikebukuro. Dieser Tokyoter Stadtteil besteht hauptsächlich aus vielen Liebeshotels und Bars, aber man kann hier auch sehr gut Essen. Zu diesem Zweck gab es erst einmal Okonomiyaki. Das wurde aber auch Zeit! Nachdem ich tagelang die ganzen Fleischrestaurants besuchen musste und mich mit den Beilagen bemühte, gab es endlich mein Lieblingsessen und dabei noch in einem der besten Restaurants, welches ich kenne. Nach dem Essen ging es dann30_12_14_06 weiter in die Sunshine City. Das ist ein Einkaufsparadies, welches auch über ein Aquarium und einen der größten Türme Tokyos verfügt. Zu diesem Zweck kann man per Fahrstuhl den Turm zum Observatorium in Höchstgeschwindigkeit herauffahren, welcher für Jahre der höchste Punkt Toykos war. Tokyo sieht bei Nacht natürlich sehr beeindruckend aus, so dass der Besuch sehr lohnt. Aber warum man das halbe Observatorium nutzte, um Werbung für einen japanischen Comic zu machen, erschließt sich mir nicht wirklich. Wer geht bitte extra in ein Observatorium mit Eintritt, nur um dann nachgemachte Trikots von der Serie und ein paar Bilder 30_12_14_05der Serie zu sehen? Nun, mein Problem war es nicht und wir haben jetzt schicke Nachtbilder von Tokyo, was will man mehr. Jetzt heißt es nur zu schauen, was morgen los ist. In Anbetracht des Silvestertages könnte alles zu sein, aber wir finden schon eine Beschäftigung. Falls wir uns vorher nicht mehr lesen, wünsche ich allen Lesern auf alle Fälle schon einmal einen guten Rutsch ins neue Jahr!

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Wo geht es hier zum Hotel?

Es ist soweit! Nach einigen Tagen in Sendai steht ein Umzug an. Zu diesem Zweck geht es mit gepackten Koffern durch Sendai. Besonders beeindruckend ist dabei das Ende des Sternenlichtfestes. War gestern die ganze Hauptstraße noch mit tausenden kleinen Lampen beleuchtet, so haben es die Japaner in einer Nacht-und-Nebel-Aktion geschafft, alles abzubauen und um 9.30 Uhr konnte man nur erahnen, was vor 10 Stunden noch auf der Straße los war.

Die Fahrt nach Tokyo verlief überraschend entspannt. Nach kurzer Fahrt erreichten wir unseren Hotelstandort Shimbashi. Die Frage war nur: Wo ist das Hotel? Der Erste verortete es kurzerhand zum Tokyoter Hauptbahnhof, was zwei Stationen entfernt war. Die zweite Person hatte erst 29_12_14_03gar keinen Plan und Nummer Drei und Vier unserer kleinen Reisegruppe hatten unterschiedliche Orte auf dem Navigationsgerät im Handy gefunden. Nun war guter Rat teuer. Plötzlich erschien ein Japaner und fragte, ob er denn helfen könne. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten und schon standen wir verwirrt an einer Karte und er suchte die Adresse. Die Rettung kam in Form eines Polizeiautos. Kurzerhand sprang der Japaner vor dieses und fragte die verdutzten Polizisten nach dem Weg. Zum Glück ist die Polizei dein Freund und Helfer. So standen vier Europäer auf der Straße, während zwei Polizisten im Navi ihres Autos suchten und ein Japaner mit einem dazugekommenen weiteren Japaner über den Weg stritt. Das ist halt Japan wie es leibt und lebt! Im Endeffekt hatte einer der Handynutzer aber recht und wir fanden sehr schnell das Hotel.

29_12_14_04Nun wurde es Zeit, uns zu trennen. Während Orsolya und ich nach Odaiba fuhren, machten meine Eltern die Umgebung unsicher. Dabei ging es für sie auf den Tokyo-Tower. Zwar war das Wetter nicht so toll, aber die Aussicht ist jeden Besuch wert. Wir machten dagegen in Odaiba eine Convention unsicher, wo Japaner selbstgeschaffene Kunstwerke anbieten können. Diese Ausstellung war schon interessant, besonders da es sich um meinen dritten Besuch handelte und ich langsam die Mechanismen verstehe. Das Einzige, was ich nicht verstehe, sind einige 29_12_14_05der Besucher. Wie verzweifelt muss man sein, um sich wegen den teilweise kunstvoll verkleideten Cosplayern, also als Buch- oder Filmcharakter verkleidete Personen, so zu entwürdigen, um ein Foto von unter dem Rock zu erhaschen? Das Schlimme ist, das waren nicht nur Einzelne. Nein, das waren Massen, welche die Cosplayer nicht wirklich wertschätzten.

Nach der Erfahrung der Convention ging es zurück, um meine Eltern zu treffen. Zusammen ging es29_12_14_01 dann nach Yokohama in die China Town. Dieser Abschnitt von Yokohama ist seit über hundert Jahren vollkommen in chinesischer Hand. Als ersten geöffneter Hafen war Yokohama schon immer die Stadt, in der besonders viele Ausländer zu Hause waren, welche sich wiederum in Enklaven zusammentaten. China Town ist davon die bekannteste und bis heute mit unzähligen chinesischen Restaurants und Läden gefüllt. Besonders in der Nacht kommen diese bei der farbenfreudigen Beleuchtung natürlich besonders gut zur Geltung. Obwohl wir ja eigentlich Urlauber in Japan zu Gast haben, entschieden wir einstimmig, eines der Lokale hier aufzusuchen und einmal die chinesische Küche zu probieren. Dabei gab es Tausendjährige Eier, welche P1230292schlimmer aussehen, als sie schmecken und zwei kochende Soßen, in die unsere Fleischesser rohe Sachen schmeißen konnten, um diese damit fertig zu garen. Das war ein großer Spaß, welchen man in Deutschland und besonders außerhalb der Großstädte so rein gar nicht finden würde. Eigentlich ist das schade, denn es schmeckte. Trotzdem bleibe ich dem japanischen Essen treu, welches für mich dem chinesischen Essen trotzdem noch weit überlegen ist!

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Die zwei Pagoden

28_12_14_01Jeder hat seine Hobbys. So wie die einen zum Fußball gehen, spielen andere zum Beispiel ein Instrument. Wieso sollte es in Urlauben anders sein? Nun ist es so, dass mein Vater eine Vorliebe für eine ganz besondere Tempelart hat. Die fünfstöckigen Pagoden sind seine Lieblingswerke, das sind Tempeltürme, deren 28_12_14_03fünf Stockwerke für die fünf Elemente stehen sollen. Natürlich ist es Ehrensache, dass wir Vaters Hobby unterstützen und so ging es heute zum Johgi Nyorai Saihoji. Nicht nur der Name hört sich kompliziert an. Zur Anreise hieß es über eine Stunde mit dem Bus durch die Bergwelt um Sendai zu fahren, nur um im tiefsten Schnee einen Tempel in der Abgeschiedenheit aufzusuchen.

Die Fahrt sollte sich aber lohnen. 28_12_14_02Johgi wurde vor Jahrhunderten von einem japanischen Clan gegründet, welcher ein buddhistisches Bild zur Verwahrung hatte und die Abgeschiedenheit in den Sendaier Bergen wählte, um dieses zu schützen. Die Tempelanlage ist in einem sehr guten Zustand und der Schnee tauchte die Anlage in ein malerisches Weiß. Besonders angetan hatte mir das kleine Museum. Der Eintritt war frei und die Aussteller vermochten es, den Aufenthalt kurzweilig und interessant zu geschalten, so dass jedem im Anschluss an den Besuch die Bedeutung des Tempels klar sein musste. Besonders gefiel mir eine 3-D-Projektion, bei der zwei Schauspieler in ein Modell projiziert wurden und die Sage des Tempels auf erfrischende Art vorstellten. Eigentlich ist es schade, dass deutsche Museen sich bis heute mit solchen Dingen noch so schwer tun.

28_12_14_04Im Anschluss an die Tempelreise galt es, erst einmal aufzuwärmen und wie könnte man das besser, als mit einem heißen Tee und sehr leckerem Onigiri. Hier zeigte sich, wie selten Ausländer in dieser Region sein müssen. Während wir auf Japanisch gerade am Bestellen waren, fing ein Gast auf einmal auf Englisch an, uns unbedingt helfen zu wollen. Obwohl dies nicht nötig war, nahmen wir die Hilfe der Frau dankend kurz in Anspruch, wir wollten ja nicht unhöflich sein. So gestärkt ging es dann zurück nach Sendai. Was macht man nun mit den angebrochenen Tag? In Japan ist es so, dass die Sonne leider schon um 16.30 Uhr 28_12_14_05untergeht, was viele Erkundungsmöglichkeiten ausschließt. Kurzentschlossen griffen wir also zur U-Bahn-Karte und zeigten meinem Vater noch eine Pagode, welche über einen örtlichen Friedhof wacht. Es ist schon witzig, während in Sendai an jeder Ecke nutzlos Licht brennt, wird hier eine zentral gelegene Pagode nicht beleuchtet. Trotzdem konnte mein Vater anständige Bilder machen.

28_12_14_06Den Abschluss des Abends bildete der Verzehr von gutem japanischen Fleisch. In dem gewählten Restaurant sind Orsolya und ich schon so etwas wie Stammgäste, was insofern witzig ist, weil ich Vegetarier bin. Das Essen war aber laut der Aussage meiner Eltern sehr gut. Es gab verschiedene Fleischsorten und als es an das besonders gute Sendaier Fleisch ging, trauten die Japaner es uns nicht mehr zu, selber grillen zu können. Kurzerhand stand der Chef des Ladens vor unserem Tisch und beobachtete jeden Schritt von uns. Wir mussten das Fleisch die ganze Zeit ständig auf dem Grill wenden, bis es fertig war. Im Endeffekt mussten wir28_12_14_07 für diesen Hinweis aber dankbar sein, denn dieses Fleisch war laut Aussage der Fleischesser wohl so zart und perfekt, dass sie am liebsten noch mehr davon gehabt hätten. So gestärkt ließen wir den Abend ausklingen. Wobei, das Restaurant zu verlassen war nicht so einfach. Beim ersten Versuch wurden wir mit kostenloser Ananas aufgehalten und beim zweiten mit Eis auf Kosten des Hauses.

Man mag uns halt.

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Shiroishi

27_12_14_01Das mit der Planung hat schon mal besser funktioniert! Aufgrund eines Kommunikationsfehlers, welchen ich wohl zumindest in großen Teilen auf mich nehmen muss, schafften wir es heute, den Bus zu verpassen, welcher uns eigentlich zu einem Tempel bringen sollte. Nun war guter Rat teuer. Wir entschieden uns für eine Fahrt nach Shiroichi, einem kleinen Ort südlich von Sendai. Dieser Ort hat sich insbesondere auf die Herstellung traditioneller Puppen und einer bestimmten Nudelsorte verschrieben. Eigentliches Highlight ist aber ein Schloss. Miyagi, die Präfektur von Sendai, ist die einzige Präfektur, welche mehr als ein 27_12_14_04Schloss besaß. Zum einen gab es eines in Sendai, welches leider zerstört wurde und aufgrund von Geldmangel nicht wieder errichtet werden konnte und zum anderen eines im eben genannten Shirochi. Von diesem ist auch nur ein Teil erhalten, aber damit immerhin mehr als in Sendai. Der erhaltene Wachturm ist dabei auf jeden Fall sehenswert. Man hat eine schöne Aussicht auf die Berge um die Stadt und man hat außerdem die Möglichkeit, traditionelle japanische Gewandungen anzuprobieren. In unserem Fall waren das bei den Frauen schwere Kimonos. Zwar beschwerten sie sich über das Gewicht, in Anbetracht der Raumtemperatur zeigte sich aber der Vorteil des dicken Stoffes und man blieb überraschend warm. Zu unserem Glück 27_12_14_03freute sich der örtliche Rentner so sehr über das Kommen von uns Ausländern, dass er uns gleich eine Privatführung ermöglichte. Im Anschluss an das Schloss ging es dann noch weiter in eine Samuraibehausung, welche nach traditionellem Vorbild erhalten ist und einen schönen Einblick in das Leben in Japan vor mehreren Jahrhunderten ermöglicht.

Nach der Kultur ging es dann ans Schlemmen. Vor mehreren Jahrhunderten erkrankte der Sage nach ein Vater an Magenschmerzen und keine Medizin wollte helfen. Sein Sohn versuchte alles, um das Leiden seines Vaters zu lindern, wobei er auf ein Rezept für leicht bekömmliche Nudeln stieß. 27_12_14_05Diese Nudeln ermöglichten die Gesundung des Vaters und als der Herrscher von der Geschichte erfuhr, erließ er das Dekret, dass von nun an nur Shiroishi diese Nudeln herstellen soll, welche als Umen bekannt wurden. Über den Wahrheitsgehalt der Sage kann ich zwar nichts sagen, aber die Nudeln schmecken nachweislich.

 

Im Anschluss an das Essen musste es aber schnell gehen. Es galt zurück nach Sendai zu fahren, wo uns ein Mitglied unserer Fußballfreunde schon mit ihrem Kind erwartete. Sie war leider bei unserem Treffen krank, wollte meinen Eltern aber wenigstens 27_12_14_06noch eine Kleinigkeit schenken, weshalb diese von nun an mit einem neuen Lehrbuch und viel gutem Papier Origami üben müssen.

 

Leider blieb dieses Treffen aber viel zu kurz, denn wir waren schon wieder verabredet. Die Mutter, von der ich vor kurzem über den Schulaustausch ihrer Tochter nach Deutschland berichtete, hatte uns eingeladen. Sichtlich nervös wartete sie schon auf uns, merklich angespannt, ob meine Eltern auch Spaß an dem Treffen haben würden. Es fühlte sich so an, als ob sie extra deswegen schon den ganzen Tag in der Küche gestanden hatte. Es wurde aber ein lustiger Abend, wobei Orsolya und ich viel Übersetzungsarbeit leisten mussten. Unsere Gastgeberin hatte noch die Leiterin der Sprachgruppe eingeladen, wodurch wir viele Gesprächsthemen fanden und selbst meine Eltern es etwas leichter hatten zu kommunizieren. Zum Essen gab es leckeren Nabetopf, frittierten Fisch und viel zu viel Nachtisch. Es war ein schöner Abend, den wir gerne einmal wiederholen können. Auf jeden Fall hatten wir die Möglichkeit, auch noch mal ein paar Missverständnisse und Sorgen ihrerseits bezüglich ihrer Tochter zu beseitigen und meine Eltern konnten endlich einmal echtes japanisches Familienleben erleben.

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Tag Drei – Sendai bei Tag und Nacht

Ach, was waren das für Zeiten, als vor ein paar Monaten Dennis mit mir durch Sendai reiste! Laufen, was das Zeug hält, Strecken werden nur in der Entfernung bis zum nächsten Kombini berechnet und auch ansonsten verlief alles ohne großes Gemeckere und Stöhnen über die Entfernungen, welche wir zurücklegten. Ok, meine Eltern stöhnen nicht wirklich, aber sie sehen überraschend erschöpft aus, wobei man ihnen für den Altersunterschied zu Dennis trotzdem eine generelle Fitness bescheinigen muss. Ziel des heutigen Tages war auf jeden Fall Sendai zu besichtigen und da gibt es noch ein paar Sachen, welche sie bisher noch nicht gesehen haben. Zu diesem Zweck ging es mit einem Sehenswürdigkeitenbus einmal quer durch Sendai – vom Bahnhof bis zum Mausoleum von Date Masamune, dem bekanntesten Herrschers der Stadt. Wenn man es so will, ist er sogar die einzige geschichtliche Berühmtheit, welche japanweit aus Sendai bekannt ist.

Der F26_12_14_02eudalherr, welcher um 1600 herum lebte, war für die Blüte der Stadt verantwortlich. Im Endeffekt errichtete er die Stadt um seine Festung und machte sie erst zu dem, was sie heute darstellt. Trotzdem geriet er relativ in Vergessenheit, ehe zwei glückliche Umstände aufeinandertrafen. Das waren eine Werbeoffensive der Stadt Sendai, welche die Mondsichel auf Masamunes Helm als Werbeelement verwendete und eine TV-Serie, welche einen jungen Date Masamune als Hauptcharakter wählte. In einem Land wie Japan, das nach Samurai verrückt ist, war dies natürlich ein gefundenes Motiv für die Jugend, welche den doch relativ betagten Feldherren nun als jungen, athletischen Kämpfer mit Samuraiidealen stilisierte. Gerade sein26_12_14_01 Mausoleum zeigt aber auch, dass sich Masamune durchaus auch selber der Bedeutung von Repräsentation für die Erinnerung bewusst war. Sein Grabmal braucht sich in keinster Weise vor vergleichbaren Gräbern in Kyoto verstecken und ist auf jedem Fall eine Reise wert, wenn man bereit ist, ein paar Stufen zu erklimmen.

Im Anschluss an dieses Museum passierte uns leider ein verhängnisvoller Fehler: Durch einen Lesefehler gingen wir davon aus, dass der nächste Bus erst in mehr als einer halben Stunde kommen würde. Da dies in der Abgeschiedenheit des Mausoleums natürlich viel zu lang war, schlug ich vor, doch zum nächsten Ziel zu laufen. Das alte Wasserkraftwerk am Fuße des Hiroseflusses ist mit dem Fahrrad in zehn bis fünfzehn Minuten zu erreichen, ich vergaß aber, unsere Geschwindigkeit zu Fuß einzurechnen, wodurch wir weit länger brauchten und ich glaube, meine Eltern waren in Anbetracht des in der Tasche steckenden Tagestickets für den Bus nur bedingt erfreut. Immerhin konnte ich ihnen so meinen Campus zeigen. Der Abstecher ins Stadtmuseum dagegen lohnte sich nicht, da dieses für die nächsten drei Monate leider geschlossen ist. Im Endeffekt erreichten wir dann aber das alte Wasserkraftwerk. Das Museum selber ist interessant, da es mit Hilfe von Franzosen in meinem Forschungszeitraum errichtet wurde und da sich kaum einmal Ausländer dorthin verirren. Eigentlich ist das schade, da sogar Otto von Guericke, und damit ein Magdeburger, in ihm Erwähnung findet.

26_12_14_03Nach all der Wanderung konnte es nun endlich mit dem Bus weitergehen. Unser nächstes Ziel war der Pageant of Starlight. Die komplett beleuchtete Straße ist alleine eine Reise wert und für jeden Besucher beeindruckend. Nach mittlerweile vier Jahren macht er auf mich weniger Eindruck, 26_12_14_04aber meinen Eltern schien es sehr zu gefallen. Dazu hatte ich die Möglichkeit, ihnen endlich einmal echtes Festivalessen zu zeigen, welches wirklich abwechslungsreich ist. Gegrillte Austern in der Schale zum Beispiel können locker mit deutschem Festessen konkurrieren und heiße Sake ist ein idealer Glühweinersatz.

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Nach dem Pageant ging es dann noch Oden essen. Oden, gekochtes Gemüse und Fleisch, sind eine japanische Spezialität im Winter und schmeckten wieder einmal sehr gut. Das einzige Problem war der Tisch. In unserem streng traditionellen Restaurant hieß es, auf dem Boden an einem 30 cm hohen Tisch zu sitzen. Für die kleinen Japaner mag das ja noch angehen, mir persönlich und meinem Vater war es aber etwas zu klein und unbequem. Im Endeffekt sind wir aber in Japan und da sollte man sich an die anderen Sitten gewöhnen und sie befolgen, besonders solange es schmeckt.

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In der Onsen

Tag Zwei des elterlichen Aufenthaltes steht an und für heute haben wir etwas sehr Spezielles im Plan: Es geht in die Onsen, welche unser Sushimeister für uns besorgt hatte. Was uns erwartet und wie es aussieht, ist zwar nicht ganz klar, aber wen stört das schon? Augen zu und durch heißt es im Sprichwort und seitdem ich Japan bereise, bin ich damit immer gut gefahren. Mit einem kostenlosen Bus ging es erst einmal für eine Stunde in die Richtung des Onsenortes Akiu, wo wir direkt vor dem Onsenhotel abgesetzt wurden. Dort erwartete man uns schon und nach kurzer Orientierung stand auch schon das Mittagessen auf dem Tisch.

25_12_14_03Das Essen gestern war schon genial, aber das heutige Essen konnte es mit ihm aufnehmen! Es gab Sashimi, Tempura, Fisch, Gemüse, Tofu und vieles mehr und alles war sehr gut zubereitet. Wer in Japan Essen geht, sollte auf jeden Fall traditionelles Essen in einer japanischen Ryokan oder Onsen probieren. Von der Qualität ist es mit Sterneessen vergleichbar und für das Gebotene auch noch ziemlich günstig. Im Anschluss schwitzten wir im vierzig Grad heißen Wasser der Onsen das zu uns genommene Essen wieder aus. Es war ein rundum gelungener Aufenthalt. Auch meinem Vater schien es sichtlich zu gefallen, da es wirklich mal was anderes war und es schon interessant ist, bei leichtem Schneerieseln im Freien in einer heißen Quelle zu sitzen. Der Tipp hatte sich auf jeden Fall gelohnt und wir müssen dem Sushimeister bei Gelegenheit unbedingt einmal danken.

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Eigentliches Ziel des Tages war aber ein Treffen am Abend. Wir waren mit Kuma und einigen der anderen Fußballbekanntschaften verabredet. Dazu ging es in ein Akita-Restaurant, wo die örtlichen Spezialitäten der genannten Region angeboten werden. Besonderes Highlight sind aber die Namahages. Namahage ist der örtliche Dämon von Akita, der in ganz Japan bekannt ist. In der Mitte des Restaurantbesuches wird deshalb der Raum abgedunkelt und die Namahages besuchen den Gastraum. Das ist jedes Mal ein großer Spaß, besonders für jüngere Gäste. Aber auch das Essen ist gut.

25_12_14_07Zu Gast waren diesmal Kuma und seine Frau sowie Ota und sein Sohn. Es wurde ein witziger Abend, auch wenn besonders Ota und meine Eltern nur mit Handzeichen kommunizierten. Einfach mal mit Japanern einen Abend zu verbringen, ist immer ein Erlebnis. Es gab Nabe, einen heißen Eintopf, der am Tisch zubereitet wird. Da bis auf Kumas Frau niemand wirklich einen Plan zur Zubereitung hatte, musste sie dies übernehmen und gab uns anderen Befehle. Es ist schon beachtlich, wie bei den Japanern wirklich nur Frauen kochen können. Das Vorurteil stimmt wirklich.

Ota und SohnKuma und Frau25_12_14_05

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Nachdem bei unserem letzten Aufenthalt die Fußballfreunde meine Eltern mit kleinen Geschenken versorgt hatten, war es diesmal an uns, uns zu revanchieren. Für jeden der Vier und die dazugehörigen Familienmitglieder hatten meine Eltern ein kleines Weihnachtsgeschenk aus Deutschland mitgebracht und sie zeigten sich begeistert. Besonders die Tatsache, dass Vegalta keine Flaschenöffner wie der 1.FCM im Angebot hat, wurde dabei als Manko erkannt und muss laut unseren männlichen Fußballfans unbedingt beim Verein moniert werden. Es machte auf jeden Fall viel Spaß, nur die Sprachbarriere ist wirklich ärgerlich. Sowohl in Japan, als auch in Deutschland sollte jeder froh sein, der die Möglichkeit hat, Englisch zu lernen. Ohne diese Sprache als Vermittler verliert man einfach zu viel Kontext. Zum Glück verstanden Orsolya und ich aber genug Japanisch, um dieses Manko ein wenig auszugleichen. Ich freue mich aber auf den Tag, wenn Spracherkennung eine direkte Übersetzung ermöglicht. Jeder sollte wenn möglich versuchen, solche interkontinentalen Freundschaften zu pflegen. Ich werde auf jeden Fall meinen Bekannten auch nach Japan weiterhin schreiben.

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Weihnachten 2014

Frohe Weihnachten liebe Leser! Jetzt ist es also so weit und aus den besinnlichen Tagen, welche einem die Weihnachtsfeiertage versprechen, wird nichts, da sich Besuch angemeldet hat: Meine Eltern waren zwar im April schon einmal da, ihnen hat es aber so gut gefallen, dass sie gleich noch einmal kommen, um dem Trubel der Weihnachtsfeiertage in Deutschland zu entgehen und sich Japan im Winter anzuschauen. Es ist zu befürchten, dass sie bei einem weiteren Aufenthalt wohl im Sommer kommen würden, weil sie dann erfolgreich alle vier Jahreszeiten in Japan erlebt hätten.

Der erste Tag sollte aber relativ ruhig angegangen werden, es sind ja schließlich Feiertage. Um Mittag herum erhielt ich die Nachricht, dass sie Tokyo erreicht haben und sich nun direkt auf den Weg nach Sendai machen. Für mich war dies eine gute Nachricht, denn sie bedeutete, dass ich mich nicht um das Abholen kümmern brauchte. Wenn sie schon in Tokyo zurechtkommen, würde die Suche des Hotels direkt in Bahnhofsnähe kein Problem darstellen. Vielmehr verabredeten wir uns zu einem Treffen bei mir zu Hause, wo ich Orsolya schon verrückt machte, dass Deutsche ja immer pünktlich sind. Nur um meine Worte Lügen zu strafen, erreichten meine Eltern die Wohnung natürlich dreißig Minuten zu spät, da ihr Taxi im Stau stand. Nach der Bescherung ging es dann „ganz weihnachtlich“ zum örtlichen Sushigroßmeister.

Dieser kennt uns schon ziemlich gut und war bestens auf uns vorbereitet. Zum Einstieg erhielten wir erst einmal sehr guten Weihnachtssekt, ehe er uns mit einer Selektion von Sashimi, Seegurke, gebratenem Fisch in Misomarinade, besonderen Garnelen und zur Abrundung natürlich mit Sushi versorgte. Das Essen war göttlich und besonders die Seegurke sagte mir zu. Ihm selber gefiel es auch, konnte er doch endlich einmal einige seiner Spezialitäten an Ausländern versuchen. Seegurken hatte er zum Beispiel noch nie Ausländern zum Essen gegeben. Als gute Stammkunden waren wir aber natürlich auch auf ihn vorbereitet. Nachdem wir bei einem unserer letzten Besuche Fotos von Gästen an der Wand entdeckt hatten, erhielt er von uns ein neues Bild für die Sammlung, welches 24_12_14_03ihn und uns bei dem letzten Besuch meiner Eltern zeigte. Kurz entschlossen holte er begeistert eine Signaturtafel heraus, welche Restaurants in Japan für VIP-Gäste bereithalten, um Autogramme zu sammeln. Auf dieser mussten wir uns nun verewigen. Zum Abschluss des Abends holte er dann noch eine Weihnachtstorte heraus. In Japan wird zu Weihnachten traditionell eine Erdbeer-Sahne-Torte gegessen und er hatte eine besonders gute davon vorrätig. So konnten wir den Abend aus japanischer Sicht ganz traditionell begehen.

24_12_14_04Was soll man zu diesem Sushimeister noch sagen? Das Essen ist über jeden Zweifel erhaben und wer immer noch behauptet, alles Sushi wären doch das Gleiche, der hat noch nie bei echten Profis gegessen. Aber auch ansonsten hatten wir einen tollen Abend. Als akzeptierte Stammgäste zeigte er uns so einiges Neues und auch ansonsten war er sehr gesprächig. Highlight war aber sicherlich die Beratschlagung, was man denn nun in Sendai alles machen könne. Wir hatten schon vor Monaten versucht eine Onsen für meine Eltern zu mieten, sind aber kläglich gescheitert. Unser Sushimeister kannte aber natürlich jemanden und innerhalb von zehn Minuten hatten wir die Beschäftigung für den nächsten Tag gefunden. Über Beziehungen geht in Japan wirklich alles und ich bin schon gespannt, wie es wird. Er betonte auch extra, seinen Namen zu erwähnen, um besonders gute Behandlung zu erfahren, wobei ich keinen Zweifel habe, dass dies auch ohne diesen der Fall sein wird. Als Ausländer hätte man es aber hierzulande wirklich schwerer.

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Weihachten mit der Familie

Weihnachten ist die Zeit der Weihnachtsfeiern. Hier in Japan ist das meistens etwas anders. Normalerweise feiert man sogenannte Jahresendpartys, welche im Prinzip genau wie unsere Weihnachtsfeiern verlaufen. Neben den Sprachschulen gibt es aber noch eine Ausnahme und das ist der Hippo Family Club. Zu dieser Gruppe von Familien, welche versuchen, Sprachen auf kindliche Weise zu lernen, wurden wir am 23.12. eingeladen, um an ihrer Weihnachtsfeier teilzunehmen. Die Einladung erhielten wir allerdings nicht von der Leiterin, sondern von der Mutter eines Mädchens, welchem wir bei der Vorbereitung eines Austauschjahres nach Deutschland geholfen hatten. Dies ist schon ungewöhnlich, da normalerweise die Leiterin einlädt.

Schon kurz nach der Ankunft erfuhren wir auch, dass irgend etwas ganz und gar nicht stimmt. Besagte Mutter wollte uns sprechen und die Leiterin uns am liebsten vor der Mutter auch. Nach einer Weile hatten wir den Grund herausgefunden: Anstelle einer Gastfamilie in Freiburg im Breisgau, hatte die Tochter eine neue Familie zugeteilt bekommen und diese lebt in einem 140-Einwohner-Dorf irgendwo zwischen Eisenach und Nordhausen. Das Stadtkind aus der Millionenstadt muss also in die Thüringer Pampa und die Mutter hatte erst zwei Monate nach ihrer Ankunft überhaupt davon gehört. Nun standen wir also zwischen den zwei Seiten. Auf der einen Seite die Mutter, welche von uns Details erfahren wollte und auf der anderen Seite die Leiterin, welche versuchte, mit uns zuerst zu sprechen, um uns klar zu machen, dass es doch gar keine Probleme gäbe.

Die gab es aber wirklich zur Genüge. Wie wir erfuhren, hatte die Japanerin etwas rebelliert, soweit man das von einer Japanerin behaupten kann. Sie war natürlich über die Lage etwas schockiert und Dorfbewohner im Osten sind wahrscheinlich auch nicht gerade die Zugänglichsten. Da sie nun nicht schnell genug Freunde fand und sie einen Kulturschock erlitt, erhielt die Mutter erst einmal einen Brief mit einer Verwarnung an die Tochter, welche bei einer weiteren Verwarnung im Januar zurück nach Japan geschickt werden soll. Unter Druck gesetzt, wie man nach so etwas ist, hatte die Tochter dann einen endgültigen Kulturschock, worauf hin die deutsche Betreuung erst einmal den kompletten Kontakt mit Japan verbot. Eine Sechzehnjährige darf also über Weihnachten nicht mit ihren Eltern sprechen und die Mutter darf auch nicht einmal nach Deutschland fliegen, um ihre Tochter während des Aufenthaltes zu besuchen. Auch die Internetnutzung, wie Facebook, wurde der Tochter erst einmal entzogen.

Ich bin kein Fachmann, aber mir gefallen die Regeln nicht und ich hätte in dem Alter garantiert rebelliert. Für die Japaner war aber klar, die Tochter bemüht sich nicht richtig. Wenn in Japan eine höhere Gewalt etwas sagt, dann muss die Meinung stimmen. Während ich also Versagen bei den Gasteltern feststellte, welche anscheinend nicht genug versuchen, auf eine Sechzehnjährige einzugehen, versuchte Japan zu erklären, dass sie zu wenig Mühe in die Assimilation der deutschen Kultur investiert. Man kann sich vorstellen, dass es ein langer Abend wurde. Die Mutter beruhigten wir, dass die Situation ganz klar nicht alleine von der Tochter verursacht wurde und fünf weitere Japaner, inklusive der Leiterin, welche als einzige Kontakt mit dem Mädchen hat, erklärten wir erst einmal überhaupt die Situation. Immer wieder mussten wir bildlich darstellen, worum es eigentlich geht und dass Jugendliche nun einmal keine Roboter sind. Das fünf Menschen mit eigenen Kindern nicht in der Lage sind, sich solche Gedanken von alleine zu machen, ist schon ziemlich traurig. Im Endeffekt schafften wir es, sie zu überzeugen und Verbesserungsvorschläge für die Tochter zu machen. Selber eingreifen, um den Gasteltern vielleicht einmal die Situation der Japanerin darzustellen, dürfen wir aber auch nicht, da solche Dinge ohne die Zustimmung der nächst höherer Stelle natürlich nicht gemacht werden dürfen. Japanischer Obrigkeitsglauben ist einfach genial. Trotzdem glaube ich, wir konnten etwas bewegen und ich hoffe wirklich, dass die Tochter wegen falscher Betreuung nicht den Aufenthalt abbricht, wie sie schon plant, denn es wäre zu schade, wenn sie einen falschen Eindruck von Deutschland zurückbehalten würde. Wir bleiben aber auf jeden Fall an der Sache dran!

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Weihnachten an der Uni

Es ist wieder einmal so weit und zum vierten Mal in mittlerweile fünf Jahren werde ich das Weihnachtsfest nicht in Deutschland verbringen. So wirklich vermissen tue ich es eigentlich auch nicht, das Chaos in Deutschland um Weihnachten ist mir nur zu bekannt und ich brauche es nicht wirklich. Das heißt aber nicht, dass ich gar keinen Trubel habe. Erst einmal standen die Weihnachtsvorlesungen an und natürlich wollte jeder meiner drei Kurse genau über das Weihnachtsfest in Deutschland unterrichtet werden. Eigentlich sollte die ganze Sache für mich sehr entspannt verlaufen, hatte doch schon vor zwei Jahren eine Lehrassistentin eine Präsentation angefertigt, mit der die Studenten auf Weihnachten eingestimmt werden sollten. Ich sollte einfach die Präsentation vorstellen, dann würde das schon alles werden. So einfach kann es natürlich für mich nicht laufen. Die Erstellerin der Präsentation war Österreicherin und so wurde Weihnachten als extrem christlich vorgestellt und der spaßige Teil der Geschenke zum Beispiel blieb komplett außen vor. Auch die Aktivitäten waren zumindest fragwürdig: Jedes Kind würde zum Beispiel in Deutschland Christengel basteln und so sollten unsere Studenten das ebenfalls machen. Eine Gruppe 20jähriger Buddhisten bastelte so also fleißig Engel. Als weiteres Beispiel sei das obligatorische Weihnachtslied genannt. Meine Studenten lernen seit 10 Monaten Deutsch und aufgrund des japanischen Unterrichts sind sie bei weitem noch nicht so weit in der Sprache, wie sie es sein könnten. Anstatt ihnen nun ein einfaches Lied wie „O Tannenbaum“ beizubringen, sollten sie mithilfe einer CD des Thomanerchors „O du fröhliche, o du selige“ nachsingen. Das war ein riesiges Fiasko! Viele Sachen musste ich leider so hinnehmen und konnte sie nicht ändern, die Präsentation dagegen konnte ich aber erweitern. So blieb zwar die Hälfte des Ganzen christliche Propaganda, welche in dieser Form ziemlich sicher auf Süddeutschland und Österreich, also die katholischen Gebiete, zutreffen mag, ein anderer Teil wurde aber protestantisch sowie auch atheistisch geprägt und merklich horchten die Studenten hier auf. Anstelle einer Religionsstunde erhielten sie auf einmal Allgemeinwissen. „Wie wird gefeiert?“ und vor allem „Wie stelle ich Glühwein her?“ sind natürlich viel interessanter als die Frage, nach welchen Richtlinien Sternsinger auftreten müssen. Meine Studenten hatten auf jeden Fall ihren Spaß und ich hatte das Gefühl, dass sie sehr dankbar waren, etwas Abwechslung zu erhalten. Vielleicht schaffe ich es ja doch noch wenigstens bei ein paar Leuten, die süddeutsche Prägung zu verhindern.

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Weihnachten in Sendai

Wir schreiben Dezember 2014. Das Jahr neigt sich dem Ende zu und das Wetter wird kälter. Wobei, so kalt ist es eigentlich gar nicht. Leider sehen das die Japaner anders. Während ich kurzärmlig zum Supermarkt um die Ecke renne, starren mich wildfremde Menschen an, als ob ich ein Außerirdischer wäre. Das wäre ja noch hinnehmbar, stellt es doch das allgemeingültige Verhalten vieler Japaner dar. Aber mittlerweile finde ich es gar nicht mehr so lustig, weil die Sendaier Rentner in den letzten Tagen anfangen, mich regelmäßig anzufassen, um dadurch zu überprüfen, ob ich wirklich nicht friere. Da fragt man sich doch so leicht, was diese Handlung bezwecken soll. Wollen sie sicher gehen, dass ich menschliche Haut habe oder erwarten sie gar ein Roboterskelett anstelle von Knochen?

Solche kleinen Sachen können mich aber nicht aus der Ruhe bringen. Immerhin bin ich in Japan, was wiederum bedeuten sollte, dass es keine Weihnachtsmänner ab August zu kaufen gibt und nicht die gesamte Gesellschaft dem Weihnachtsfieber verfällt. Früher war das auch so, aber leider hat Hollywood es geschafft, diese Enklave der Ruhe zu vernichten. Zwar fängt Japan nicht so frühzeitig mit der Festvorbereitung an wie Europa, dieses Manko versucht man im Dezember dann aber durch um so mehr Elan auszugleichen. Aus allen Lautsprechern wird man durch schlechte japanische Coverversionen von Weihnachtsliedern beschallt und die Geschäfte wandeln sich in ein rot-grünes Wunderland, wo an jeder Ecke junge Japanerinnen stehen, welche in hohen Stimmlagen ein quietschendes „KAWAIIIIIIIIIIII“ von sich geben, was so viel wie ein langgezogenes „oh süß“ bedeutet. Aber auch abseits des Konsums hat man keine Ruhe. Im Unterricht muss ich über das Weihnachtsfest in Europa berichten und alle Sprachschulen haben zum Weihnachtsfest geladen. Immerhin, für mich hat es den Vorteil des kostenlosen Essens, welches ich als Ausländer bei diesen Feiern genießen kann.

Eine dieser Feiern fand gerade statt: Das MafuMafu hatte geladen. Damit habe ich mittlerweile meine vierte MafuMafu Weihnachtsfeier miterlebt und was soll ich sagen? Sie werden immer komischer. Die Sprachschule hat so ihre Probleme. Zu Thomas Zeiten gab es jemanden, der wirklich organisieren konnte und das Café zog immer neue Schüler an. Diese Zeit verblasst aber immer mehr. Obwohl die Mitarbeiter noch immer sehr bemüht sind, sieht der Chef seine Zukunft wohl mehr in Tokyo, wo vor einer Weile eine Zweigstelle der Schule eröffnete und wohin nun alle Ressourcen fließen. Bei der Weihnachtsfeier merkt man dies stark. Waren es vor 4 Jahren noch hunderte Teilnehmer, so dürften es diesmal um die fünfzig gewesen sein. Dazu war die Organisation ziemlich fragwürdig. So sollten an jedem Tisch zwei bis drei Ausländer als Gesprächspartner sitzen. In unserem Fall waren dies ein Russe und ich. Leider schien aber niemand den Russen gebrieft zu haben, was dazu führte, dass er alle Gesprächsversuche auf Englisch direkt in Japanisch beantwortete. Das ist natürlich toll, dass sein Japanisch so gut ist, den Japanern bringt es aber nichts und meine Beschwerden ignorierte er einfach. Es ging so weit, dass meine englischen Antworten von ihm direkt ins Japanische übersetzt wurden, obwohl ich das nicht wirklich wollte. Von den Mitarbeitern der Sprachschule traute sich aber auch keiner einzugreifen, weil man seit der Schließung des Cafés auch viel zu wenig Ausländer als Gesprächspartner zur Verfügung hat und deswegen auf jeden Einzelnen angewiesen ist.

Aber nicht nur die Ausländer waren seltsam. An meinem Tisch saß noch eine junge Japanerin, welche alle aktuellen Klischees erfüllt. Disneys letzter Film Frozen ist hierzulande ein unbeschreiblicher Erfolg und das besonders in der Altersklasse 20 bis 30. Einige meiner Mitstudentinnen haben diesen Film drei bis vier Mal im Kino gesehen und überall gibt es entsprechende Fanartikel zu kaufen. Diese junge Dame war nun ein extremer Fall dieses Phänomens. Sie erschien schon in einem Kleid des Films und schaffte es sogar, im Gespräch zu singen. Wer also mit seinen Kindern Disneyfilme schaut und die Singerei befremdlich findet, dem sei versichert, in der Realität ist so eine Situation noch surrealer. Nach langen Kommunikationsversuchen schaffte ich es, immerhin einige Informationen aus ihrem Gesinge/Gestammel zu entnehmen. Es handelte sich um eine 25-jährige Studentin, welche den Film schon unzählige Male geschaut hat. Das Verlangen, die Originalversion zu verstehen, überzeugte sie, sich einer Sprachschule anzuschließen, um die Sprache zu lernen. Irgendwo dazwischen muss sie wohl ihren Sinn für die Realität verloren haben. Es ist schon traurig, wenn das 3-jährige Kind am Tisch reifer erscheint, als eine 25-Jährige. Aber auch ansonsten war unser Tisch seltsam: So hatten wir eine Rentnerin, die die 3-Jährige am liebsten adoptiert hätte und ein Arztpaar, welches sich mit Rotwein volllaufen ließ. Zusammen mit den „spaßigen“ Spielen, welche die Veranstalter zu spielen versuchten, ohne dass jemand wirklich verstand, was zu tun war, war der Tag für mich auf jeden Fall nicht so überzeugend und es erschien mir als die schlechteste Weihnachtsparty bisher in Sendai. Wenigstens schafften wir es aber, eines der Spiele zu gewinnen, wodurch wir ein wenig Süßkram gewannen, wobei ich meinen Anteil aber bereitwillig an das wichtigste Teammitglied, unsere 3-Jährigen, abgab. Eines kann ich auf jeden Fall sagen, von Frozen habe ich erst einmal genug und Sprachschul-Weihnachtsfeiern brauche ich erst einmal auch nicht mehr.

Ansonsten verlief diese Woche aber ziemlich ruhig. Unsere Masterstudenten haben Abgabetermin für ihre Masterarbeiten und das große Chaos fängt an. Die Einen haben noch sechs Tage Zeit, um 55 Seiten zu schreiben und die Anderen geben mir auf einmal kurzfristig zwei Tage vor der Angst 20 Seiten zum Korrigieren. Es ist beachtlich, welche Schwankungen der Qualität Masterarbeiten hierzulande unterliegen. Ich kenne einige richtig gute und aber auch wirklich schlechte. So handelte es sich bei den 20 Seiten um eine Abschlussarbeit im Fach Englische Literatur. Jeder Satz hatte Fehler und mehr als die Hälfte der Arbeit war nicht verständlich. Trotzdem wird am Ende aber doch wieder jeder bestehen. Das Gerücht, dass jeder, der einmal an der Uni in Japan aufgenommen wurde, am Ende auch einen Abschluss macht, erscheint mir nach solchen Texten immer mehr plausibel. Auf jeden Fall hält mich der Kram gut auf Trab und obwohl ich selber keinen Abgabetermin habe, freue ich mich, wenn die Deadline vorüber ist, weil auch ich dann wieder etwas mehr Zeit für dieses schöne Land und natürlich für meine Arbeit habe.

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