Tag Drei – Sendai bei Tag und Nacht

Ach, was waren das für Zeiten, als vor ein paar Monaten Dennis mit mir durch Sendai reiste! Laufen, was das Zeug hält, Strecken werden nur in der Entfernung bis zum nächsten Kombini berechnet und auch ansonsten verlief alles ohne großes Gemeckere und Stöhnen über die Entfernungen, welche wir zurücklegten. Ok, meine Eltern stöhnen nicht wirklich, aber sie sehen überraschend erschöpft aus, wobei man ihnen für den Altersunterschied zu Dennis trotzdem eine generelle Fitness bescheinigen muss. Ziel des heutigen Tages war auf jeden Fall Sendai zu besichtigen und da gibt es noch ein paar Sachen, welche sie bisher noch nicht gesehen haben. Zu diesem Zweck ging es mit einem Sehenswürdigkeitenbus einmal quer durch Sendai – vom Bahnhof bis zum Mausoleum von Date Masamune, dem bekanntesten Herrschers der Stadt. Wenn man es so will, ist er sogar die einzige geschichtliche Berühmtheit, welche japanweit aus Sendai bekannt ist.

Der F26_12_14_02eudalherr, welcher um 1600 herum lebte, war für die Blüte der Stadt verantwortlich. Im Endeffekt errichtete er die Stadt um seine Festung und machte sie erst zu dem, was sie heute darstellt. Trotzdem geriet er relativ in Vergessenheit, ehe zwei glückliche Umstände aufeinandertrafen. Das waren eine Werbeoffensive der Stadt Sendai, welche die Mondsichel auf Masamunes Helm als Werbeelement verwendete und eine TV-Serie, welche einen jungen Date Masamune als Hauptcharakter wählte. In einem Land wie Japan, das nach Samurai verrückt ist, war dies natürlich ein gefundenes Motiv für die Jugend, welche den doch relativ betagten Feldherren nun als jungen, athletischen Kämpfer mit Samuraiidealen stilisierte. Gerade sein26_12_14_01 Mausoleum zeigt aber auch, dass sich Masamune durchaus auch selber der Bedeutung von Repräsentation für die Erinnerung bewusst war. Sein Grabmal braucht sich in keinster Weise vor vergleichbaren Gräbern in Kyoto verstecken und ist auf jedem Fall eine Reise wert, wenn man bereit ist, ein paar Stufen zu erklimmen.

Im Anschluss an dieses Museum passierte uns leider ein verhängnisvoller Fehler: Durch einen Lesefehler gingen wir davon aus, dass der nächste Bus erst in mehr als einer halben Stunde kommen würde. Da dies in der Abgeschiedenheit des Mausoleums natürlich viel zu lang war, schlug ich vor, doch zum nächsten Ziel zu laufen. Das alte Wasserkraftwerk am Fuße des Hiroseflusses ist mit dem Fahrrad in zehn bis fünfzehn Minuten zu erreichen, ich vergaß aber, unsere Geschwindigkeit zu Fuß einzurechnen, wodurch wir weit länger brauchten und ich glaube, meine Eltern waren in Anbetracht des in der Tasche steckenden Tagestickets für den Bus nur bedingt erfreut. Immerhin konnte ich ihnen so meinen Campus zeigen. Der Abstecher ins Stadtmuseum dagegen lohnte sich nicht, da dieses für die nächsten drei Monate leider geschlossen ist. Im Endeffekt erreichten wir dann aber das alte Wasserkraftwerk. Das Museum selber ist interessant, da es mit Hilfe von Franzosen in meinem Forschungszeitraum errichtet wurde und da sich kaum einmal Ausländer dorthin verirren. Eigentlich ist das schade, da sogar Otto von Guericke, und damit ein Magdeburger, in ihm Erwähnung findet.

26_12_14_03Nach all der Wanderung konnte es nun endlich mit dem Bus weitergehen. Unser nächstes Ziel war der Pageant of Starlight. Die komplett beleuchtete Straße ist alleine eine Reise wert und für jeden Besucher beeindruckend. Nach mittlerweile vier Jahren macht er auf mich weniger Eindruck, 26_12_14_04aber meinen Eltern schien es sehr zu gefallen. Dazu hatte ich die Möglichkeit, ihnen endlich einmal echtes Festivalessen zu zeigen, welches wirklich abwechslungsreich ist. Gegrillte Austern in der Schale zum Beispiel können locker mit deutschem Festessen konkurrieren und heiße Sake ist ein idealer Glühweinersatz.

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Nach dem Pageant ging es dann noch Oden essen. Oden, gekochtes Gemüse und Fleisch, sind eine japanische Spezialität im Winter und schmeckten wieder einmal sehr gut. Das einzige Problem war der Tisch. In unserem streng traditionellen Restaurant hieß es, auf dem Boden an einem 30 cm hohen Tisch zu sitzen. Für die kleinen Japaner mag das ja noch angehen, mir persönlich und meinem Vater war es aber etwas zu klein und unbequem. Im Endeffekt sind wir aber in Japan und da sollte man sich an die anderen Sitten gewöhnen und sie befolgen, besonders solange es schmeckt.

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