In „Nicht-Hiroshima“

2015 01 04_05Es ist natürlich in Japan nicht nur alles Gold, was glänzt. Einen Ort hatte ich 2015 01 04_02von meiner persönlichen Japankarte schon vor mittlerweile 9 Jahren gelöscht: Osaka, Japans große Stadt im Westen, hat mir bei meinem ersten Besuch so rein gar nicht zugesagt. Weder war die Stadt sonderlich schön, noch gab es viele Dinge zu sehen. Eindrücke können natürlich auch trügen und nachdem so viele Menschen von dieser Stadt schwärmen, entschied ich, der Stadt noch eine Chance zu geben. Das war auch der eigentliche Grund der Reise nach Hiroshima. Hiroshima ist eine Stunde von Osaka entfernt und wenn ich schon in diese Umgebung hier fahre, dann will ich auch mein Lieblingsessen essen. Heute früh ging es aber deshalb gleich weiter mit dem Zug in Richtung Osaka. Leider muss ich sagen, meine Eindrücke von damals wurden wieder bestätigt. Nachdem ich mich schon schweren Herzens von Hiroshima verabschiedete, erwarteten mich in Osaka erst einmal schäbige und dreckige Straßen und unfreundliche Japaner. Man möge sich das einmal auf der Zunge zergehen lassen: „Unfreundliche Japaner“, noch nirgendwo sonst habe ich sie bisher getroffen! Auch Regeln, wie an der Ampel bei Rot zu halten, welche jeder Japaner in jeder Situation befolgt, werden hier reihenweise gebrochen. Das alles ist aber nicht so schlimm, ich bin ja da, um die Stadt noch einmal neu zu entdecken. Dazu ging es erst einmal zu einem örtlichen Tempel, ganz in der Nähe unseres Hotels. Leider hatten wir die Rechnung ohne den Tempel gemacht, schloss dieser doch schon um vier Uhr. So blieb uns nichts anderes ü2015 01 04_03brig, als in Gedanken an meinen Vater aus der Entfernung ein Foto von der örtlichen Pagode zu machen. Es tut mir auch sehr leid, dass ich sie ihm nicht persönlich zeigen konnte, aber vielleicht lindert das Foto die Enttäuschung. Im Anschluss ging es noch nach Electronic Town, das ist ein Bereich der Stadt namens Nipponbashi, welcher sich durch eine immense Anzahl an verkramten Computerläden auszeichnet. Der Stadtteil soll mit Akihabara in Tokyo vergleichbar sein und es stimmt. Ich gehe sogar noch weiter, der Stadtteil ist mit Akihabara vor zehn Jahren zu vergleichen, als es noch kein In-Gebiet war, sondern richtig schön verkramt. Ich war auf jedem Fall im Paradies!

Im Anschluss gab es dann noch einen Vergleichstest: Seit Jahren kann sich keiner vorstellen, warum die Hiroshima-Variante des Okonomiyaki mir lieber ist, als die in Japan weiter verbreitete Version aus Osaka. Um endlich dieser Frage nachzukommen, was besser ist, habe ich Orsolya mitgenommen und in einem überfüllten Restaurant, welches laut Aussage der Gäste zu einem der Besten in Osaka gehört, endlich mal echtes Osaka-Okonomiyaki gegessen. Was soll ich sagen, Hiroshima hat geschmacklich um Weiten gewonnen, obwohl die Osaka-Variante eigentlich ok war. Besonders Orsolya zeigte sich dabei begeistert, wie viel besser die Hiroshima-Variante dabei war.

Insgesamt hat mich aber der erste Tag in meinen Beobachtungen nur bestätigt. Wenn ich in der Zukunft zwischen Hiroshima und Osaka die Wahl habe, meine Entscheidung steht fest: Osaka ist halt kein Hiroshima. Bevor ich aber diesem Gedanken nachgehen konnte, musste ich noch einmal Retter in der Not spielen. Am Hotel haben wir eine U-Bahn-Station, welche eine leicht beschwipste Dame in hohen Lackleder-Highheals entlang marschieren wollte. Wir hatten sie schon vorher gesehen und gerade festgestellt, dass sie eher aussah, als ob sie gerade in einem der örtlichen Lovehotels gearbeitet hat, als dass sie eine Geschäftsfrau ist, als wir plötzlich ein lautes Klatschen hörten. Japaner sammelten sich sofort an der Treppe, um zu beobachten, wie die Frau der Länge nach auf den Stufen lag und auch nicht wieder hoch kam. Anstelle zu helfen, ging man aber lieber weiter, so dass ich schnell hineilte und der Dame aufhalf. Kurzerhand brachte ich sie zu einem U-Bahn-Angestellten, den ich instruierte, sich um sie zu kümmern. Ich konnte es gar nicht weiter, da sie mich nur ungläubig anstarrte, als sie endlich bemerkte, dass ich kein Japaner bin. Ich glaube, in dem Moment, wo sie dies merkte, da sah sie so aus, als ob sie dachte, sie hätte Wahnvorstellungen. So schlimm sehe ich ja nun auch nicht aus! Im Endeffekt hat sie aber hoffentlich alles gut überstanden und ich habe meine gute Tat des Tages vollbracht, was will man mehr.

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