Ich kann so nicht Arbeiten! Dennis ist jetzt erst fünf Tage da und schon muss ich ihn durch Sendai mit dem Rollstuhl rumfahren. Er ist auch nicht mehr, was er mal war…! Nein, so schlimm ist es nicht! Heute früh ging es für uns in die Innenstadt und dort fanden wir ein Stadtfest, veranstaltet durch einen TV-Sender. Dieser feiert jährlich seit 37 Jahren sein Bestehen. Als eine der Attraktionen traten regelmäßig ortsansässige Chearleader-Gruppen auf. Diese waren vermutlich alle Mitglieder der Unterstützergruppen ihrer High-Schools und sie waren ziemlich gut. Etwas fragwürdig waren nur die Benennungen der Gruppen, was aber ein allgemeines japanisches Problem ist. Ein weiteres Highlight war ein Medizinstand. Dieser wurde durch ein Medizinbüro der Universität betreut und sollte den Menschen ein Verständnis geben, wie es ist behindert, zu sein. Uns als Ausländer hatten sie dabei besonders im Blick, weil bei unserer Teilnahme natürlich auch die Japaner genauer hinschauen, ob man nicht auch mitmachen sollte. Erster im Bunde war dabei Dennis, der sich schwer begeistert von einem Rollstuhl zeigte und sich entweder selber rollte oder sich von mir schieben ließ. Am liebsten hätte er ihn behalten, im Endeffekt war auf der Teststrecke aber kein Hindernis, weshalb ihm das Ganze wohl leichter vorkam, als es für die Betroffenen sein wird. Weiterhin ließen er und Orsolya es sich nicht nehmen, den Schwangerschaftsbauch auszuprobieren, auch wenn Dennis damit nur wie ein leicht Übergewichtiger aussah und damit in Deutschland wohl noch nicht einmal auffallen würde. Als besonders interessant wäre dann wohl noch die Art des Spendens zu nennen, welche sich die Veranstalter ausgedacht hatten. Auf dem Boden hatte man ein Bild gezeichnet und verschiedene Stellen mit Zahlen gekennzeichnet. Wenn die Stellen mit Münzen dieser Art ausgefüllt wurden, konnte man im Anschluss eine farbliche und imposante Variante des Bildes sehen. Familien kamen so mit ganzen Kisten an Kleingeld, um das Bild zu legen und im Endeffekt kam so wohl einiges an Spenden zusammen, ohne dass es den Beteiligten wirklich auffiel, da vielen die wertlosen 1 Yen Stücken nicht wehtaten und die Meisten sich mehr über fertige Elemente des Bildes freuten.
Im Anschluss an das Fest ging es für uns dann aber weiter zu etwas weitaus Wichtigerem. Vegalta spielte gegen Yokohama. Dennis zeigte sich vorher wenig begeistert, denn Fußball sei ja langweilig. Zum Glück habe ich ja Vegalta, um seine Meinung zu ändern. Fußball in Japan ist bekanntlich anders als in Deutschland und im singenden Fanblock zu stehen, ist sowieso etwas anderes. Dank Kuma und den Anderen hatten wir das Glück, uns nicht um unseren Sitzplatz kümmern zu müssen und wir wurden wie immer sehr nett aufgenommen. Leider verlief das Spiel selber nicht ganz so sehr, wie ich es mir erhofft hatte. Vegalta ist nach dem Trainerwechsel immer noch in der Findungsphase. Das Team ist stabiler als in der Hinrunde, aber an die Siegesserie am Ende der Hinrunde konnte man noch nicht anknüpfen. Yokohama auf der anderen Seite geht es auch nicht besser. Mit dem Wunsch in die Saison gegangen, dieses Jahr Meister zu werden, war die Hinrunde ziemlich enttäuschend. Erst in der Rückrunde hat sich das Team stabilisiert und langsam wieder etwas seiner Angriffsstärke wiederentdeckt. Genauso zeigte sich das heutige Spiel. Als eines der besseren J-League Spiele, welches ich dieses Jahr gesehen habe, schenkten sich beide Teams nichts. Es entstand ein interessantes Spiel, welches bis zum Sechszehner von Yokohama bestimmt wurde, welche ihre individuelle Klasse des Öfteren ausspielten und technisch einfach stärker als Sendai waren. Sendai auf der anderen Seite machte seine Fehlpässe und Schwächen durch puren Kampf weg, weshalb Yokohama ab dem Sechszehner kaum Chancen generierte. Es kam, wie es kommen musste, und das erste Tor entstand durch eine Standardsituation. Shunsuke Nakamura, der 36jährige Spielmacher Yokohamas brachte eine butterweiche Ecke auf den Kopf eines Mitspielers, der gar nicht mehr anders konnte, als einzunicken. Wenn es um Standards geht, ist Nakamura halt doch noch auf Weltklasseniveau. Vegalta ließ sich aber nicht lange bitten und aus einer schön herausgespielten Chance, bei der endlich mal alle Pässe ankamen, entstand der 1:1 Halbzeitstand. Bis auf 2 Lattentreffer von Yokohama, welche aus Standards generiert wurden, und mehrere Chancen von Vegalta-Spielern, welche nach Kontern alleine vorm Torwart standen und diesen anschossen, sah es in der zweiten Halbzeit so aus, als ob es beim 1:1 bleiben sollte. Wenn, dann war Vegalta dem Sieg näher, als es Yokohama war. Leider kam es wie so häufig, wenn man das Tor nicht trifft: Yokohama hatte in der neunzigsten Minute die erste Chance seit 15 Minuten, welche zu einer Ecke führte. Diese wurde mal wieder vom alten Nakamura getreten und führte zum Siegtreffer von Yokohama. Enttäuscht mussten die Sendai-Fans nach Hause, während die Yokohama-Fans ihrem berühmten Regenschirmsiegesritual frönten.
Erwähnenswert ist übrigens noch einer unserer Zwischenstopps: In einer Spielhalle erinnerten Dennis und ich uns, dass wir ja Musik bis hoch in die Kursstufe hatten. Dementsprechend gut ausgebildet sollten doch simple Tanz- und Instrumentenspiele für uns kein Problem sein. So ging ich in einer Jamsession an der Gitarre als Sieger hervor, was aber auch nur daran gelegen haben könnte, dass ein einfaches Folgen von Farben nötig war und ich dafür über bessere Reflexe verfügte. Im Tanzwettbewerb wurden wir dagegen beide von Orsolya abgekocht, welche einfach mehr Eleganz aufs Parkett zauberte, als wir es je könnten. Viel mehr erinnerten unsere Versuche an Jean Reno aus Wasabi und genauso schnell endeten sie auch. Nach all der körperlichen Ertüchtigung entschieden wir, den Besuch der Spielhalle mit sinnlosen Zombiekämpfen ausklingen zu lassen. So viel kann ich verraten, das Spiel erlaubt kein Friendly Fire, wie ich schmerzhaft erfahren musste, als Dennis unser Spiel durch mangelnde Koordinierung scheitern ließ.
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