Es gibt Dinge in Japan, die will mein Verstand nicht verarbeiten. Wieso man unbedingt in vierzig Grad heißem Wasser oder wärmer baden muss, steht dabei mit ganz vorne auf der Liste. Trotzdem handelt es sich dabei etwas, dass Dennis und ich noch nie zusammen gemacht haben. Da Orsolya heute eh zur Uni musste, entschieden wir uns kurzerhand, einen Zug zu besteigen und die nahen Onsen in den Bergen um Sendai zu besuchen. Dabei ging es um genau zu sein nach Sakurami. Das ist ein Ort, der etwa 30 Minuten von Sendai entfernt liegt. Sakunami hat nicht viel mehr zu bieten, als ein paar Hersteller von traditionellen japanischen Puppen, welche hier per Hand bemalt werden, und drei Onsenhotels. Die Bedeutung des Ortes wird schon dadurch offenbart, dass der örtliche Bahnhof keine Mitarbeiter hat. Jeder noch so kleine Ort in Japan hat mindestens drei Mitarbeiter, da diese auch die automatischen Tore und die Fahrkartenautomaten überwachen müssen, nur Sakunami hat keinen einzigen. Noch nicht mal ein Automat ist zu finden, weshalb man an seinem Ziel erst einmal erklären muss, wieso man kein Ticket hat.
Am Bahnhof warten dann zwei Autos, welche die Besucher zu den örtlichen Onsen fahren. In den Onsen bekommt man dann erst einmal eine Yukata und muss sich umziehen. Hier schon beginnt eine Glaubensfrage: Lässt man die Unterwäsche an oder nicht? Eigentlich ist es jedenfalls nicht vorgesehen, aber die europäischen Gene wehren sich schon dagegen, nur in einem besseren Bademantel durch ein Hotel zu laufen. Im Erdgeschoss gibt es dann drei Bäder. Eines ist ein großes Indoorbad, welches zur Zeit unserer Ankunft nur durch Frauen nutzbar war. Das war uns ziemlich recht, denn dieses Bad bietet bis auf Platz auch rein gar nichts. Für die Männer standen dagegen zwei Außenbäder bereit. Eines davon war nur in einem Bereich mit dem Außenbereich verbunden und hatte mittlere Temperaturen. Vor dem Betreten des Bades muss man sich mit dem warmen Wasser reinigen und dann kann es schon losgehen. In Anbetracht meiner ganzen kleinen Mückenstichwunden war das Betreten schon eine Sache für sich. Gefühlt konnte ich jeden einzelnen Mückenstich, den ich dieses Jahr bekam, fühlen, aber der Körper gewöhnt sich doch schnell an die Hitze. Nur dass man das Bad nur nackt betreten kann, ist etwas ungewohnt, aber das gibt es in Saunas ja auch. Das zweite Bad war im Gegensatz zum ersten komplett im Freien und lag noch dazu direkt an einer Steilwand. Es schlägt einem schon beim Betreten des Areals eine Rauchwolke entgegen, welche durch das Treffen zwischen heißem Wasser und normaler Luft unweigerlich entsteht. Das Wasser hier war noch um einiges wärmer und nur Dennis schaffte es, dies für längere Zeit zu genießen, während ich mir eine kalte Dusche wünschte und nur noch die Beine ins Wasser halten konnte. Entspannend war das Ganze aber doch, auch wenn der Kreislauf nach einer Weile wirklich im Eimer war. Onsen sind also auch im Sommer eine Erfahrung und eigentlich empfehle ich es jedem, da es doch nicht mit deutschen Solebädern oder Ähnlichem zu vergleichen ist.
Nach einigen Stunden in der Onsen ging es zurück in die Stadt, wo wir dann erst einmal für Chaos sorgten. In einem Supermarkt war unser Calpis falsch im System hinterlegt und wir wagten es, die Verkäuferin darauf anzusprechen. 40 Yen sind schließlich auch Geld, wenn auch nur um die 30 Cent. Entsetzt schaute man uns an und rief verzweifelt nach dem Chef des Ladens, der aber beschäftigt war. Es entstand eine minutenlange Hektik, bei der die Verkäuferin ihre eigene Kasse demolierte und sie nicht wieder zusammengesetzt bekam. Erst mit meiner Hilfe gelang es, das Nummernpad der Kasse wieder an der selben zu befestigen. Das einfache Stornieren wurde zu einem reinen Chaos, da man mehr Angst vor uns hatte, als eigentlich nötig war. Ich vermute, die Verkäuferin fürchtete, dass sie uns etwas erklären müsse, wenn sie nicht schnell agiert und so verzettelte sie sich total und ließ die Prozedur immer länger dauern. Im Endeffekt mussten für die 40 Yen genau fünf Rechnungen ausgefüllt werden, ehe wir das Geld wiedererhalten konnten.
Im Anschluss an dieses Chaos, welches durch viele entschuldigende Verbeugungen beendet wurde, ging es für uns nach Hause. Auf dem Weg trafen wir auf eine rüstige Rentnerin in den Achtzigern, welche uns ansprach. Während Dennis aus unerfindlichen Gründen Fotos von einem langweiligen Hochhaus machte, fragte sie mich, was er denn da tue. Ich erklärte, keine Ahnung zu haben, und dass er ein seltsamer Deutscher sei. Diese Erklärung leuchtete ihr ein und wurde mit einem lauten Lachen quittiert. Im Anschluss liefen wir zusammen etwas in die selbe Richtung, was sie animierte, etwas mit uns zu reden. Dabei wurde sie immer schneller, weil ihr Bus gleich kommen sollte. Dennis staunte nicht schlecht, als die Dame auf einmal an ihm vorbeizog. Er behauptet zwar, dass er mit ihr mitgehalten hätte, wenn er gewollt hätte, aber im Endeffekt wurde er trotzdem kurz abgehängt. Während wir also so liefen, fiel der Dame auf einmal etwas auf: Wir sind ja riesig. Besonders ich müsse ja von meiner Mutter als Kind viel und gutes Essen gekocht bekommen haben, um solche Größe zu erreichen. Ich bestätigte ihre Ansicht, auch wenn ich darauf bestand, dass die Milch einen gewissen Anteil hatte. Sie lachte laut los und es war schade, dass wir bald die Haltestelle erreichten, denn mit der Dame zu scherzen hatte Spaß gemacht. Zu Hause angekommen ging es für uns dann noch in den Sushiladen. Bald will ich Dennis das beste Sushi von Sendai zeigen und dafür musste ich ihm erst einmal einen Vergleichswert bieten. Aber auch das einfache Sushi fand er sehr gut, was nicht verwunderlich ist, ist es doch besser als vieles Sushi, welches man in Deutschland erhalten kann.
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