Februar 2015 Archiv

Freizeit in Japan

Es ist wieder einmal passiert: Der dritte Computer hat seine Arbeit eingestellt, während ich in Japan war. Langsam wird es auffällig! Liegt es am Klima, am Benutzer oder einfach daran, dass PCs nicht allzu lange überleben sollen? Vermutlich ist es ein Mix von all dem. Nun könnte der geneigte Leser einwerfen, du bist in Japan, wozu brauchst du überhaupt einen PC? Eine gute Frage den in Deutschland hat man natürlich eine vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten, besonders im Sportbereich. Wie aber sieht das Ganze hierzulande aus?

Um Japans Freizeitgestaltung zu verstehen, muss man sich erst einmal die Kultur des Landes vor Augen führen: Ab der Schulzeit leben die Japaner in einer Ganztagsbetreuung. Schüler haben lange Schule und im Anschluss wird gesellschaftlich erwartet, sich einem Club anzuschließen. Clubs organisieren sich eigenständig innerhalb der Schule und handeln ein breites Spektrum ab. Egal ob Sport, Kunst oder Gesellschaft, solange man genug Mitglieder für seinen Club gewinnen kann und die Schule den Sinn anerkennt, kann man sich derartig organisieren. Ganz vorne sind dabei natürlich die Sportclubs. Selbst wenn man nicht sportbegabt ist, hat man die Möglichkeit, sich hier einzubringen, sei es als Manager (nicht mit dem Beruf gleichzusetzen, sondern ein Mädchen für alles, besonders aber für das Waschen) oder als Anfeuerer. Dieses System wird im Anschluss eins zu eins auf die Universität übertragen. Eine Vielzahl der japanischen Sportler haben nicht wie in Deutschland bei einem Sportverein ihr Talent gezeigt, sondern in ihrem Schulteam. Im Anschluss besteht dann die Möglichkeit, direkt in die Liga zu wechseln oder aber in einem Unisportverein zu spielen. Diese Entschidung wird dabei sehr gerne gesehen, da die Spieler dann später mit noch mehr Erfahrung direkt in der Profiliga anfangen können, aber auch Spätzünder so noch entdeckt werden können. Aufgrund dieser Entwicklung findet man weder im Baseball noch im Fußball hierzulande wirklich viele junge Starter. Ein paar sind natürlich dabei, ein Großteil fängt aber erst mit ca. 21 Jahren in der Liga an. Einen Jugendwahn wie in Deutschland, mit immer mehr 17- oder 18-jährigen Profis, sucht man hierzulande also auch vergebens.

Ist man nun nicht begabt genug, um das Hobby zum Beruf zu machen, fangen die Japaner ihren Beruf an. Wir reden dabei von Menschen, welche regelmäßig Überstunden schieben, 14-Stunden-Tage haben und auch von der Regierung aufgefordert werden müssen, um wenigstens fünf Tage im Jahr Urlaub zu nehmen. In Anbetracht dieses Druckes gibt es also auch nur wenige Arbeitnehmer, welche noch die Möglichkeit haben, neben der Arbeit ein derartiges Hobby zu betreiben. Viele Firmen haben darauf reagiert und bieten selber Sport an. So sieht man zwischen 5 und 6 Uhr morgens in Tokyo regelmäßig die Abteilungsleiter, welche mit ihren Angestellten zum Morgensport durch die Parks der Stadt joggen. Aber auch Werkssport wird betrieben. Viele mittlere Firmen haben durch die Firmen gesponsorte Vereine. Lebhaftestes Beispiel dürfte dafür die J-League sein. 90 Prozent der Teams wurden durch Firmen als Firmenmannschaft gegründet und heutzutage ins Profitum überführt.

Das größte Problem der Freizeitgestaltung in Japan ist also die Freizeit selbst, weshalb viele Clubs auch direkt mit der Arbeit verbunden sind. Ein weiteres Problem ist der Anspruch Japans. Wenn man etwas macht, dann sollte man es richtig machen. Schon in der Schule wird an 7 Tage in der Woche, zweimal am Tag in den Sportvereinen trainiert. Der jeweilige Verein wird damit gleichzeitig der Familienersatz und man bleibt ihm ein Leben lang verbunden. Aber auch bei anderen typischen Beschäftigungen merkt man den japanischen Hang zur Perfektion. Wenn man mit Japanern wandern gehen möchte kann man sicher sein, dass sie in perfekter Profi-Wanderausrüstung erscheinen. So wurden einer Bekannten von mir aus Mitleid bei Ihrem Aufstieg auf den Fuji von wildfremden Wanderern, welche ihr von der Bergspitze entgegenkamen, erst einmal Wanderstöcke geschenkt, weil mit ihrer Ausstattung der Aufstieg ja nicht zu schaffen gewesen wäre. Egal bei was, der Japaner wird immer perfekt ausgestattet erscheinen. Ein anderes Beispiel ist das Tanzen. Wie viele bedauernswerte Jungen wurden in ihrer Jugend zu Tanzkurzen geschickt? Vor Kurzem sprach ich in Japan mit Bekannten und die konnten sich gar nicht vorstellen, dass man nur so Tanzen lernt. Ihrer Meinung lernt man Tanzen, um dann auch an Wettbewerben teilzunehmen.

Im Endeffekt gibt es hier also nicht solches Vereinsleben wie in Deutschland. Wenn sie einmal Freizeit haben, verbringen die Japaner diese deshalb meist mit Kurzweil. Sehr beliebt sind das Essen gehen oder Picknicks im Park. Ansonsten verbringen die meisten Japaner ihre Wochenenden noch beim Shoppen oder es geht ins Kino. Beliebtester Ort zur Beschäftigung für Leute in meinem Alter, aber auch für viel Ältere, ist aber die Spielhalle. Ein Wirrwarr aus Lichtern erlaubt es dort, in Welten abzutauchen, welche man sonst nicht sieht. Wettspiele sind in Japan nicht erlaubt, weshalb man halt anstatt zur Pferderennbahn in die Spielhölle geht und ein Rennen auf einem riesigen Display anschaut und das Rennen durch Karten beeinflusst. Keine Zeit für Fußball im Stadion? Dann setzt man sich vor den nächsten Display und spielt eine Saison mit Karten und bis zu zwanzig andere Leute, welche die Aufstellung ihrer Teams durch Fußballkarten auf einem Display einstellen können, spielen mit. Neben den normalen Glücksspielen, wo man aber nur kleine Metallbälle gewinnen kann, welche sich in kleine Preise eintauschen lassen, sind es aber besonders die Kranspiele, welche den meisten Gewinn abwerfen. Alles, was man haben möchte oder auch nicht, findet man hier. Vom Plüschtier, über ein Teeservice bis zum Verlobungsring mit Diamant, wenn man genug Talent hat, findet man es hier. Es stellt sich nur die Frage, welche Frau es romantisch findet, den Verlobungsring aus einem Kranspiel zu bekommen. Aber es ist nun mal so: Andere Länder, andere Sitten.

Es gibt also eine Reihe von Freizeitbeschäftigungen hierzulande. Wer aber als Europäer und besonders als Deutscher hierher kommt und plant, auf dem Weg über einen Verein eine Freizeitbeschäftigung und damit Anschluss an die Japaner zu bekommen, der läuft Gefahr, eine böse Überraschung zu erleben.

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Wohnungen im Winter

Nach 5 Jahren, davon 4 mit Aufenthalt in Japan, habe ich endlich die Lösung gefunden, um eine Wohnung im Winter bedingt warm zu halten! Japan geht bis heute normalerweise davon aus, dass es ja eh nicht kalt wird. Aus diesem Grund gibt es keine Isolierung oder Zentralheizung in den Wohnungen, sondern es wird erwartet, sich mit Stromfressern wie der Klimaanlage mit Heizfunktion, Heizdecken oder mobilen Ölheizungen zu behelfen. Bisher habe ich viele Methoden davon ausprobiert, die Lösung waren sie aber alle nicht. Meine deutsche Lösung, ohne Heizung zu bestehen, ist bei Aufwachtemperaturen von 3 bis 6 Grad in der Wohnung schon einmal nicht praktikabel, wie mir andere Leute nahegelegt haben. Schade eigentlich, ich hätte wohl bald meinem Großvater mit seinen Geschichten über gefrorenes Waschwasser Konkurrenz machen können. Die elektrische Heizung dagegen erzeugt einen mittleren Heizeffekt, reagiert aber sehr träge und verursacht eine Verzehnfachung der Stromrechnung und dies immer unter der Voraussetzung, dass man daran denkt, die Heizung auszustellen. Aus diesem Grund war diese Lösung auch nur bedingt praktikabel. Letztes Jahr versuchte ich deshalb die Lösung der Heizölheizung. Diese ist sehr warm und angenehm, eine offene Flamme in der Wohnung erscheint aber bedingt gefährlich und auch der Gestank hat es in sich. Dieses Jahr entschied ich mich deshalb für die Lösung mit einem elektrischen Heizöllüfter. Dieser hat sich endlich bewehrt! Zwar schaltet sich die Heizung nach drei Stunden aus, was manchmal ziemlich nervig sein kann, in der Kosten-Nutzen-Kalkulation steht der Heizöllüfter aber weit über allen anderen Geräten. Die Wohnung bleibt warm und die Wärme, welche bei der normalen Heizölheizung normalerweise nur in direkter Nähe zur Heizung ausgestrahlt wird, breitet sich angenehm in der gesamten Wohnung aus.

Endlich schaffe ich es, die Wohnung für einen normalen Preis weitestgehend warm zu halten. Trotz allem stellt sich aber die Frage, wieso die Japaner sich das antun. Japan ist so ein modernes Land, aber trotzdem kommt niemand auf die Idee, sich einmal anständig um die heutigen Temperaturen zu kümmern. Die modernste Lösung ist da noch der Heizöltransporter, welcher einmal die Woche Heizöl nach Hause zu den Leuten liefert. Es wird aber Zeit, dass es etwas wärmer wird. Das ewige Auffüllen der kleinen Heizertanks geht mir doch schon arg auf die Nerven.

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Wofür gibt es Professor Google?

Sprachen lernen ist nicht jedermans Sache. Japanisch, Deutsch, das sind alles Sprachen, für die man in vielen Ländern belächelt wird, denn das Erlernen gilt als anstrengend und aufwendig. Wenn man nun jemanden hat, der solche Sprache an der Uni erlernt, dann sollte der Fall natürlich ganz anders aussehen. Ohne die notwendigen Sprachkenntnisse einfach einen Studiengang besuchen, das wäre in Europa wohl unmöglich. Mehr als einen Studenten habe ich erlebt, welcher fast aus seinem Studiengang geflogen wäre, da er den notwendigen Sprachtest beinahe nicht bestanden hat. Hier in Japan ticken die Uhren aber bekanntlich anders. Bisher habe ich die Studenten in meinem Büro immer verteidigt. Ach, sprechen können sie nicht, aber die anderen Dinge lernen sie ja immerhin dafür um so besser. Seit dieser Woche muss ich mein Fazit wohl etwas revidieren, denn die Abschlußprüfungen standen an.

Abschlussprüfungen bedeutet dabei, dass neben der Abschlussarbeit noch eine mündliche Prüfung und die Verteidigung der Arbeit erfolgt. Die Arbeit wird grundsätzlich auf Japanisch geschrieben, unter den drei Professoren ist aber auch einer aus Deutschland. Da dieser kein Japanisch spricht, ist es nun die Aufgabe der Studenten, neben ihrer Arbeit noch eine fünf Seiten lange Zusammenfassung zu schreiben. Fünf Seiten, das ist im Allgemeinen gar nichts. Und auch wenn Abschlussarbeiten hier weniger Seiten als in Deutschland umfassen, so ist es trotzdem ohne Weiteres möglich, diese zu füllen. Um die Sache noch einfacher zu machen, können die Studenten ihre Arbeiten auch noch bei ihrem deutschen Professor abgeben und eine Korrektur des Textes mit Anmerkungen erhalten, welche ihnen die Vorbereitung auf die Prüfung erleichtern soll. Durchfallen soll zu diesem Zeitpunkt meines Erachtens eh kein Student mehr, weshalb ihnen das Leben sehr leicht gemacht wird. Sogar mögliche Prüfungsfragen werden an die Studenten im Voraus abgegeben, so dass sie eigentlich nur noch die Antworten auf fünf Fragen auswendig lernen müssen, um zu bestehen. Nun sollte man meinen, fünf Seiten auf Deutsch sind für Studenten dann ein Leichtes, aber dem ist nicht so.

Es war ein ganz normaler Tag und ich hing gerade über neuem Material, welches ich vor Kurzem zu meinem Thema gefunden hatte. Auf einmal kam eine Bachelorstudentin auf Shimizu und mich zu und fragte, ob wir ihren Text mal kurz gegenlesen könnten. Nichts leichter als das. Wie lange kann das schon dauern? Lange, wie ich feststellen musste! Der Text war ein riesiges Chaos, in dem mit Begriffen um sich geworfen wurde, deren Zusammenhang sich mir verschloss. Zugegeben, ihre Arbeit war über Kafka und dieser ist nicht unbedingt die leichteste Kost, aber irgend etwas stimmte hier nicht. Ich begann also mit der Korrektur und hierbei stieß ich auf den Grund meiner Probleme: Die junge Dame hatte es geschafft, ihre Zusammenfassung der Abschlussarbeit in google Translator einzugeben und sich auf dessen Kräfte zu verlassen. Google Translator ist ein mächtiges Mittel, welches ich nicht missen möchte, aber für wissenschaftliche Texte ist er dann doch nicht geeignet. So saßen Shimizu und ich also am Computer und er fasste die japanische Version für mich so zusammen, dass ich einen deutschen Text daraus entwerfen konnte. Wie kann man bitte nicht merken, dass das Wort Trick, welches als Schlüsselwort des Textes ihre deutsche Übersetzung zierte, so rein gar nichts mit dem Wort Hunger, welches gemeint war, zu tun hat? Es war ein Trauerspiel, aber ich helfe ja gerne. Diese Mühe wurde auch gewürdigt, indem der deutsche Professor am nächsten Tag den Text als am leichtesten verständlich wertete. Als aber am nächsten Tag dann die nächsten Studenten erschienen, um Erklärungen und Übersetzungen zu erhalten, entschied ich mich dann doch, lieber für diese Woche in der Bibliothek zu arbeiten, zum Forschen wäre ich sonst wohl nicht gekommen.

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Der Einfluss eines Auslandsaufenthaltes auf den Charakter

Eine gewisse Zeit im Ausland verändert einen Menschen schon ziemlich, meist ohne dass man es selber genau merkt. Bestes Beispiel ist das Verbeugen. In Japan muss man dies bei jeder Gelegenheit tun und es geht irgendwann ins Blut über. Als ich nach meinem ersten Studienaufenthalt in Japan zurück in Deutschland war, merkte ein entnervter Professor an, dass ich mich beim Entschuldigen nicht immer verbeugen muss, ich bin schließlich nicht mehr in Japan. Ich fiel aus allen Wolken, denn ich hatte es nicht einmal bemerkt, dass ich mich leicht verbeugte, wie ich es aus Sendai gewohnt war.

Neben meinen Studien helfe ich im Moment gerade einer Studentin, um für ihre Doktorarbeit wieder nach Deutschland zu kommen. Ich helfe ihr gerne, schließlich kenne ich sie schon aus Göttingen und Freunden hilft man nun mal immer. Leider versteht sie dabei nicht so wirklich die deutsche Mentalität und scheitert deshalb bei ihren Bemühungen, mit einem Austausch erfolgreich zu sein. Ihre Professoren hier in Japan versuchen wirklich alles, um sie zu unterstützen. Nur genau dabei stehen wir vor einem Problem: Die Professoren und ich haben unterschiedliche Ansichten und da einer der Professoren Italiener ist, welcher seit 10 Jahren in Japan lebt und lehrt, vertraut die Studentin im Zweifel natürlich eher ihm als mir. Wer würde das auch nicht machen? Nur leider kommt sie dadurch nicht weiter, da die deutschen Professoren, welche sie kontaktiert, nicht so reagieren, wie sie es erhofft hat..

Nun hätte ich natürlich leicht sagen können „Mach deine Sache alleine, du brauchst ja nicht auf meine Ratschläge zu hören“, ich entschied mich aber anders: Erst einmal sprach ich mich mit einem anderen ihrer Freunde ab, was sie denn nun eigentlich genau möchte und wie man ihr helfen könnte. Der nächste Schritt war ein Treffen mit dem italienischen Professoor und das wurde wirklich interessant. In der Mitte unseres Gespräches erinnerte er sich wieder an seine Studienzeit in Italien. Er war schon so verwurzelt in dem japanischen System, dass er vorher nur Ratschläge gab, wie der Kontakt in Japan klappen würde. Erst nachdem ich ihn darauf hinwies, dämmerte es ihm auf einmal, dass wir es ja mit Deutschen zu tun haben. Zusammen konnten wir so endlich eine Strategie entwerfen, welche hoffentlich zum Erfolg führen wird.

Ich bin auch schon gespannt wie es sein wird, wieder direkt auf die deutsche Mentalität zu stoßen. So wirklich möchte ich eigentlich noch nicht weg aus Japan, aber wir werden sehen. Es wird ja eh früher geschehen, als es mir recht ist. So lange werde ich aber den Aufenthalt hier genießen! Und im Endeffekt ist es dann ja eh nicht an mir sondern an euch zu entscheiden, ob und falls ja wie mich Japan verändert hat und ob ich als Halbjapaner zurückkehre.

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Der Lehrplan

Ich dachte nie, dass es soweit kommen würde, aber ja, Unterrichten kann wirklich Spaß machen! Wobei, eigentlich bin ich vermutlich der falsche Typ von Lehrer, aber zum Glück unterrichte ich ja nicht an einer Schule, sondern Studenten. Dabei muss man nicht genau dem Lehrplan folgen. So geschieht es immer wieder, dass wir vom Lehrplan und den Büchern abweichen, nur um einen besseren Einblick in die Gedankenwelt der Deutschen zu bekommen. Meiner Überzeugung nach lernt man dabei doch so einiges mehr, als man das unter normalen Umständen tun würde. Denn was bringt uns das oft übliche Lernen von Worte und Themen, wenn man sie dann trotzdem nicht versteht?

Allgemein finde ich, dass der Unterricht in Japan viel zu eingefahren verläuft. Der Lehrer steht vor der Klasse und wenn dieser spricht, haben alle ruhig zu sein. Er sagt nun ein Wort oder einen Satz und alle wiederholen dies und so vergeht die Stunde. Verbessern des Aufgesagten oder eventuell eine Erklärung, das wäre aber auch wirklich zuviel verlangt. Im Prinzip ist dies die gleiche Art von Unterricht, welche mir schon das Kanji-Studium verdorben hat.

Wozu dies führt, durfte ich erst kürzlich bei der Korrektur einer E-Mail erfahren: Eins zu eins wurden von dem Studenten die Worte ins Deutsche übersetzt, dabei wurde die bekannte Höflichkeit der Japaner verwendet. Wieso, so erhielt ich als Frage, antwortet der deutsche Professor, der diese E-Mail erhielt, nun nicht auf die E-Mail? Tja, nach kurzer Akteneinsicht war alles klar: Der Schreiber hatte es geschafft, die eine Frage, die er hatte, indirekt zu stellen und in 1,5 Seiten Text zu verstecken. Kein Wunder also, dass nie eine Antwort auf die eigentliche Frage kam. In solchen Momenten frage ich mich dann schon, wie es möglich ist, dass ich vor kurzem belehrt wurde, dass einer meiner Kurse aus Juristen besteht und wenn die die Grammatik und Wörter kennen, dann reicht das vollkommen. Zwischen den Zeilen lesen und ähnliches lernt man da meines Erachtens dann nicht.

Persönlich habe ich aus dieser ganzen Problematik nun Konsequenzen gezogen: Noch mehr als zuvor versuche ich, den Studenten Details näherzubringen. Zwar sind diese jedes Mal wieder überrascht, wenn ich wirklich Fragen an sie stelle, aber immerhin lernen sie dabei etwas. Bestes Beispiel war diese Woche ein Lehrbuchtext über die Kindererziehung. Eindeutig Süddeutsch geprägt, wurde dabei ein Loblied auf die Hausfrau und den Vater in Elternzeit gesungen, während durch Zeichnungen und gewisse Ausdrücke klar gemacht wurde, dass die Kinder, die alleine nach der Schule nach Hause müssen, also sogenannte Schlüsselkinder, eine sehr schlechte Kindheit haben. Keiner meiner Juristen schaffte es, diese Beeinflussung zu erkennen. Dabei war dies sehr einfach: Schon in den Karikaturen zum Text waren klar ersichtlich farbig gestaltete glücklich lachende Kinder mit ihren Eltern zu sehen, während das Schlüsselkind alleine und in grau gehalten war und einen sehr gedrückten Gesichtsausdruck hatte. Meine Studenten waren auf jeden Fall sehr überrascht über ihr neues Wissen, aber auch sichtlich erfreut, dass so etwas mal neben dem drögen Vokabellernen drankam. Falls also jemand von meinen geneigten Lesern einmal auf Asiaten stößt, die solche Dinge nicht beherschen, so nehmt euch Zeit und erklärt die Sachen. Es bringt nichts, einfach nur zu sagen, dass es so ist, sondern auch warum. Denn die japanische Ausbildung ist nicht unbedingt dafür gedacht, solche Dinge an den Mann zu bringen und nicht viele Japaner hatten das Glück bzw. das Pech, an mich als Lehrer zu geraten.

Leider neigt sich aber meine Lehrerzeit auch dem Ende entgegen. Ein wenig wehmütig wurde ich ja schon, meinen ersten Kurs in die Semesterferien zu entlassen. Und gleichzeitig war ich auch ein wenig besorgt, ob die Studenten nun froh waren, mich endlich los zu sein oder ob es ihnen doch ein wenig gefallen hat. Meine Sorgen waren aber unbegründet! Mehrere von ihnen kamen noch einmal zu mir, um sich für das Jahr zu bedanken. Dieser Jahreskurs mit 40 Studenten wird mir bestimmt ganz besonders in Erinnerung bleiben. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal sagen kann, dass ich über 80 Studenten unterrichtet habe.

Als Fazit bleibt zu sagen, dass ich viel Spaß hatte und mir so etwas nun auch in Deutschland vorstellen könnte. Im Zweifel bevorzuge ich aber Japan und da ich meine Sache gut gemacht habe, wurde mir auch gleich eine Neuanstellung bei einer Rückkehr angeboten. Nur zu gerne würde ich diese in Anspruch nehmen!!!

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