Es ist wieder einmal passiert: Der dritte Computer hat seine Arbeit eingestellt, während ich in Japan war. Langsam wird es auffällig! Liegt es am Klima, am Benutzer oder einfach daran, dass PCs nicht allzu lange überleben sollen? Vermutlich ist es ein Mix von all dem. Nun könnte der geneigte Leser einwerfen, du bist in Japan, wozu brauchst du überhaupt einen PC? Eine gute Frage den in Deutschland hat man natürlich eine vielzahl an Beschäftigungsmöglichkeiten, besonders im Sportbereich. Wie aber sieht das Ganze hierzulande aus?
Um Japans Freizeitgestaltung zu verstehen, muss man sich erst einmal die Kultur des Landes vor Augen führen: Ab der Schulzeit leben die Japaner in einer Ganztagsbetreuung. Schüler haben lange Schule und im Anschluss wird gesellschaftlich erwartet, sich einem Club anzuschließen. Clubs organisieren sich eigenständig innerhalb der Schule und handeln ein breites Spektrum ab. Egal ob Sport, Kunst oder Gesellschaft, solange man genug Mitglieder für seinen Club gewinnen kann und die Schule den Sinn anerkennt, kann man sich derartig organisieren. Ganz vorne sind dabei natürlich die Sportclubs. Selbst wenn man nicht sportbegabt ist, hat man die Möglichkeit, sich hier einzubringen, sei es als Manager (nicht mit dem Beruf gleichzusetzen, sondern ein Mädchen für alles, besonders aber für das Waschen) oder als Anfeuerer. Dieses System wird im Anschluss eins zu eins auf die Universität übertragen. Eine Vielzahl der japanischen Sportler haben nicht wie in Deutschland bei einem Sportverein ihr Talent gezeigt, sondern in ihrem Schulteam. Im Anschluss besteht dann die Möglichkeit, direkt in die Liga zu wechseln oder aber in einem Unisportverein zu spielen. Diese Entschidung wird dabei sehr gerne gesehen, da die Spieler dann später mit noch mehr Erfahrung direkt in der Profiliga anfangen können, aber auch Spätzünder so noch entdeckt werden können. Aufgrund dieser Entwicklung findet man weder im Baseball noch im Fußball hierzulande wirklich viele junge Starter. Ein paar sind natürlich dabei, ein Großteil fängt aber erst mit ca. 21 Jahren in der Liga an. Einen Jugendwahn wie in Deutschland, mit immer mehr 17- oder 18-jährigen Profis, sucht man hierzulande also auch vergebens.
Ist man nun nicht begabt genug, um das Hobby zum Beruf zu machen, fangen die Japaner ihren Beruf an. Wir reden dabei von Menschen, welche regelmäßig Überstunden schieben, 14-Stunden-Tage haben und auch von der Regierung aufgefordert werden müssen, um wenigstens fünf Tage im Jahr Urlaub zu nehmen. In Anbetracht dieses Druckes gibt es also auch nur wenige Arbeitnehmer, welche noch die Möglichkeit haben, neben der Arbeit ein derartiges Hobby zu betreiben. Viele Firmen haben darauf reagiert und bieten selber Sport an. So sieht man zwischen 5 und 6 Uhr morgens in Tokyo regelmäßig die Abteilungsleiter, welche mit ihren Angestellten zum Morgensport durch die Parks der Stadt joggen. Aber auch Werkssport wird betrieben. Viele mittlere Firmen haben durch die Firmen gesponsorte Vereine. Lebhaftestes Beispiel dürfte dafür die J-League sein. 90 Prozent der Teams wurden durch Firmen als Firmenmannschaft gegründet und heutzutage ins Profitum überführt.
Das größte Problem der Freizeitgestaltung in Japan ist also die Freizeit selbst, weshalb viele Clubs auch direkt mit der Arbeit verbunden sind. Ein weiteres Problem ist der Anspruch Japans. Wenn man etwas macht, dann sollte man es richtig machen. Schon in der Schule wird an 7 Tage in der Woche, zweimal am Tag in den Sportvereinen trainiert. Der jeweilige Verein wird damit gleichzeitig der Familienersatz und man bleibt ihm ein Leben lang verbunden. Aber auch bei anderen typischen Beschäftigungen merkt man den japanischen Hang zur Perfektion. Wenn man mit Japanern wandern gehen möchte kann man sicher sein, dass sie in perfekter Profi-Wanderausrüstung erscheinen. So wurden einer Bekannten von mir aus Mitleid bei Ihrem Aufstieg auf den Fuji von wildfremden Wanderern, welche ihr von der Bergspitze entgegenkamen, erst einmal Wanderstöcke geschenkt, weil mit ihrer Ausstattung der Aufstieg ja nicht zu schaffen gewesen wäre. Egal bei was, der Japaner wird immer perfekt ausgestattet erscheinen. Ein anderes Beispiel ist das Tanzen. Wie viele bedauernswerte Jungen wurden in ihrer Jugend zu Tanzkurzen geschickt? Vor Kurzem sprach ich in Japan mit Bekannten und die konnten sich gar nicht vorstellen, dass man nur so Tanzen lernt. Ihrer Meinung lernt man Tanzen, um dann auch an Wettbewerben teilzunehmen.
Im Endeffekt gibt es hier also nicht solches Vereinsleben wie in Deutschland. Wenn sie einmal Freizeit haben, verbringen die Japaner diese deshalb meist mit Kurzweil. Sehr beliebt sind das Essen gehen oder Picknicks im Park. Ansonsten verbringen die meisten Japaner ihre Wochenenden noch beim Shoppen oder es geht ins Kino. Beliebtester Ort zur Beschäftigung für Leute in meinem Alter, aber auch für viel Ältere, ist aber die Spielhalle. Ein Wirrwarr aus Lichtern erlaubt es dort, in Welten abzutauchen, welche man sonst nicht sieht. Wettspiele sind in Japan nicht erlaubt, weshalb man halt anstatt zur Pferderennbahn in die Spielhölle geht und ein Rennen auf einem riesigen Display anschaut und das Rennen durch Karten beeinflusst. Keine Zeit für Fußball im Stadion? Dann setzt man sich vor den nächsten Display und spielt eine Saison mit Karten und bis zu zwanzig andere Leute, welche die Aufstellung ihrer Teams durch Fußballkarten auf einem Display einstellen können, spielen mit. Neben den normalen Glücksspielen, wo man aber nur kleine Metallbälle gewinnen kann, welche sich in kleine Preise eintauschen lassen, sind es aber besonders die Kranspiele, welche den meisten Gewinn abwerfen. Alles, was man haben möchte oder auch nicht, findet man hier. Vom Plüschtier, über ein Teeservice bis zum Verlobungsring mit Diamant, wenn man genug Talent hat, findet man es hier. Es stellt sich nur die Frage, welche Frau es romantisch findet, den Verlobungsring aus einem Kranspiel zu bekommen. Aber es ist nun mal so: Andere Länder, andere Sitten.
Es gibt also eine Reihe von Freizeitbeschäftigungen hierzulande. Wer aber als Europäer und besonders als Deutscher hierher kommt und plant, auf dem Weg über einen Verein eine Freizeitbeschäftigung und damit Anschluss an die Japaner zu bekommen, der läuft Gefahr, eine böse Überraschung zu erleben.
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