November 2014 Archiv

Die Abenteuer des jungen Shimizu

Ich gebe es ungern zu, aber mein Leben in Sendai hat sich in den letzten Monaten verändert. Niemand hier im Büro spricht wirklich darüber, aber mein alter Kumpel Shimizu ist einfach das Herz des Studienganges. Vor einem halben Jahr wurde ich die meiste Zeit hier entweder ignoriert, oder ein paar Studenten gaben auch schon aus Angst vor mir den PC auf, denn ich könnte ihn ja nutzen wollen, obwohl ich einfach nur in den Raum kam. Es wäre ja kompliziert gewesen, sich mit mir auseinanderzusetzen und zu kommunizieren. Seit Shimizu wieder da ist, hat sich das stark geändert. Wir sprechen alle mehr miteinander und es hat sich ein echtes Gruppengefühl entwickelt. Auf der anderen Seite sehen die Studenten jetzt auch den Vorteil eines Deutschen im Büro und kommen schon mal mit Fragen zu mir, die ich zu gerne beantworte. Bei einer dieser Fragen erfuhr ich auch diese Geschichte, die ich euch nicht vorenthalten will:

Shimizu besucht einen Tagebuchkurs. Diesen hat er schon vor Jahren besucht und ich habe ihm bei besonders komplizierten Formulierungen immer mal geholfen. So war es auch dieses Mal. Sein Tagebucheintrag betraf eine Geschichte seines Europaaufenthaltes, welche er mir bisher noch nicht erzählt hatte. Im Gegensatz zu anderen Japanern hielt sich Shimizu bei diesem Aufenthalt an meine Aufforderung, viel zu reisen, und kam so sehr viel in Europa herum. Eine dieser Reisen führte ihn im Alleingang von Istanbul nach Athen und um diese Reise soll es hier gehen.

Es war Shimizus letzter Tag in Istanbul und bisher hatte er die Stadt bis auf sein Hotelzimmer, welches er als Absteige benennt, genossen. Am letzten Tag sollte es am Abend weiter nach Athen gehen. Aus diesem Grund wollte er sich nicht zu weit weg von seinem Hotel bewegen. Kurzerhand erkundete er die Umgebung einer Moschee in der Nähe, natürlich war das ein Touristenspot. Mit seinem auffälligen Hemd und allgemein als Alleinreisender stach er natürlich aus der Menge heraus und ein Ausländer suchte das Gespräch mit ihm. Ob er denn nicht kurz ein Foto machen könne. Hilfsbereit und vertrauenswürdig, wie es nur Japaner seien können, willigte er ein und ließ sich in ein Gespräch verwickeln. Sein Gegenüber sei aus Abu Dhabi und reise alleine, was ziemlich langweilig sei, ob Shimizu nicht als Dank für das Foto bereit wäre, mit ihm einen Cafe zu trinken. Begeistert von der neuen Bekanntschaft und von einigen Komplimenten an seinem ziemlich seltsamen Hemd, willigte er ein und ließ sich in eine Kneipe in den Gassen Istanbuls führen. Schnell wurde ihm klar, dass hier etwas nicht stimmt. Das Bier, welches serviert wurde, war das Schlechteste, was er jemals getrunken hatte. Aber auch ansonsten wurde es nicht besser. Der Araber versuchte, ihn mit einem Redeschwall in der Bar zu halten und ein paar einheimische Damen gesellten sich zu ihnen an den Tisch und versuchten, Getränke von dem reichen Japaner ausgegeben zu bekommen. Langsam kam selbst Shimizu auf die Idee, dass er in eine Falle geraten war. Jetzt war guter Rat teuer. Geistesgegenwärtig verabschiedete er sich auf die Toilette und versteckte sein Geld in den Ärmeln des Hemdes, welches der Fremde vor kurzen noch so gelobt hatte. So gewappnet bereitete er sich vor, das Eta­b­lis­se­ment zu verlassen.

Wie erwartet, sollte es aber nicht so leicht werden. Die Einladung war aufgehoben und der Barkeeper verlangte über 100 Euro. Ein Glück, dass Shimizu nur 10 Euro bei sich hatte! Dies führte zu Beschimpfungen und der Aufforderung, dass Shimizu einen Vertrag unterschreiben musste, dass er alles Geld abgeben würde, welches man bei ihm finden würde. Erst nach einer Durchsuchung sollte er gehen dürfen. Zu allem Überfluss konnte dazu niemand gut genug Englisch, so dass Shimizu sein eigenes Erpressungsschreiben anfertigen musste. Er hatte aber Glück im Unglück: Nach einer Durchsuchung seiner Schuhe ließ man von ihm ab und er durfte mit dem Geld im Ärmel den Laden verlassen. Die Sonne erschien ihm auf einmal noch heller als sonst und er beeilte sich, Istanbul so schnell wie möglich zu verlassen.

Die Geschichte zeigt einen Punkt an Japanern, der mir immer wieder auffällt. Besonders die jungen Japaner werden hierzulande so lange behütet und von der Welt abgeschirmt, dass viele von ihnen nicht das Schlechte im Menschen sehen. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Norihiro in einem zweiwöchigen Urlaub viermal in einem Park beziehungsweise im Bahnhof übernachtet hat oder Shimizu halt solche Dinge passieren. Hier in Japan ist das alles kein Problem. Um so leichter ist es dann für Schwindler, in Japan die Unbedarftheit der Japaner auszunutzen. So gibt es immer wieder die abstrusesten Erpressungsgeschichten, wo Japaner, obwohl sie nichts getan haben, lieber bezahlen, als ihr Gesicht zu verlieren und zur Polizei zu gehen. Wenn ihr also in Europa auf Japaner stoßt, die Hilfe brauchen, dann helft ihnen! Nicht, dass sie auf Leute stoßen, die es schlecht mit ihnen meinen.

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Vegalta 3 – Osaka 3

Ein Blick auf den Kalender lässt mich erstarren. Es ist wirklich schon November? Eindeutig, ich bin schon viel zu lange nicht mehr beim Fußball gewesen und die Saison hört auch bald auf. Eigentlich war nur eine letzte Frage zu beantworten: Darf ich überhaupt hingehen? Beim letzten Spiel, das wir besuchten, überlegte unser Kumpel „Mütze“ schon, ob es nicht eine Korrelation zwischen unserem Erscheinen beim Fußball und den Niederlagen von Vegalta gibt. Die letzten Spieltage zeigten aber eindeutig, dass dem nicht so ist und Vegalta auch gut ohne uns verlieren kann. So stellt sich drei Spieltage vor Schluss der Saison die Situation so dar, dass Vegalta zwei Plätze vor dem Abstiegsrang liegt und mit ganzen drei Punkten Vorsprung in die entscheidende Phase gehen muss. Zwar hat sich das Spiel der Mannschaft unter der Führung des neuen Trainers im Vergleich zum Beginn der Saison stark stabilisiert, trotzdem vermochte es die Mannschaft unter anderem dank mehrerer Last-Minute-Niederlagen und Unentschieden nicht, sich in das gesicherte Mittelfeld zu retten.

Im heutigen Spiel trafen wir auf Cerezo Osaka. Kagawas Ausbildungsverein ist als Favorit auf die Meisterschaft ins Rennen gegangen. Der Vierte der vergangen Saison hatte sein gutes Team noch einmal verstärkt. Unter anderem holte man Diego Forlan als neuen Superstar in die Liga. Selbst die J-League direkt beteiligte sich an diesem Transfer, der weltweit für Aufsehen sorgte. Kaum ein T-Shirt dürfte mehr verkauft worden sein, als das pinke Trikot mit der Nummer 10. Sogar Nicht-Fußballfans wie zum Beispiel Fumiyo, erzählen momentan andauernd von diesem Sport, da sie ja schon immer Fan von Forlan gewesen seien. Auch bei diesem Spiel zeigte sich der Personenkult. Selbst für japanische Verhältnisse war der Frauenanteil größer und manch ein Vegalta-Fan hatte ein Forlan-Trikot unter seinem gelben Vegalta-Trikot. Auch in unserer Gruppe gab es solche Kandidaten. Eines der Kinder musste das Spiel unbedingt sehen, weil ja Forlan dabei war und hatte deshalb auch zwei Trikots dabei. Um so ernüchterter war er, dass Forlan gar nicht dabei war. Sein Vater und ich wiesen ihn aber erst einmal darauf hin, dass man nicht so ins Stadion geht. Wo kommt man denn da hin, wenn man insgeheim den Gegner unterstützt?

Sei es drum, wie schon so manche Mannschaft feststellen musste, bringen alternde Stars nicht unbedingt den gewünschten Erfolg. Zwar schaffte es Forlan bisher immerhin auf 7 Tore, von einem Spieler mit seiner Reputation hatte man sich aber viel mehr erwartet. Auch der Rest der Mannschaft zeigte nur bedingt, was er konnte, so dass man sich zur Sommerpause auf dem 13. Tabellenplatz wiederfand. Obwohl mit Ranko Popovic ein in Japan sehr erfahrener Trainer zur Verfügung stand, entschied das Präsidium, diesen zu entlassen. Ersatzmann wurde Marco Pezzaiuoli. Der Deutsch-Italiener konnte dabei auf die Erfahrung von 18 Spielen als Trainer von Hoffenheim, 23 Spielen in Karlsruhe und Trier und dem Training mehrerer deutschen U-Nationalmannschaften zurückgreifen. Anstatt das Hauptproblem von Osaka zu lösen und die Abwehr zu verstärken, welche durch die Rückkehr von Kacar nach Hamburg noch verschlimmert wurde, lotste dieser erst einmal Cacau aus Stuttgart nach Osaka. Dies ist ein Stürmer, der so ziemlich gar nicht in die möglichen Spielsysteme der Mannschaft passen will. Zwar kommt er schon auf 5 Tore, darf sich aber trotzdem nur in Kurzeinsätzen beweisen. So war die Amtszeit von Pezzaiuoli nach drei Monaten auch schon zu Ende und der dritte Trainer, diesmal ein Japaner, darf versuchen, zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Mittlerweile steht Osaka auf Platz 17 und hat vier Punkte Rückstand auf die Nichtabstiegsplätze.

Genug Brisanz war also auf jeden Fall vorhanden und so fing das Abstiegsduell auch an. Vegalta spielte einen sauberen Konterfußball im eigenen Stadion, während Osaka kein Mittel fand, um auch nur in Ansätzen gefährlich zu werden. Nach drei Minuten schaffte Vegalta auch direkt das 1 : 0, nur um in der 17. Minute auf 2 : 0 zu erhöhen. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das dritte Tor fallen musste, nachdem Osaka sichtlich geschockt kaum eine brauchbare Szene in der ersten Halbzeit vorweisen konnte. Ihr einziger echter Torschuss führte dann unverdienterweise in der 38. Minute zum Anschlusstreffer, während Vegalta mehrere hundertprozentige Chancen vergab. Für die zweite Halbzeit hatte Osakas Coach aber offensichtlich die richtigen Worte gefunden. Osaka drückte und Vegalta spielte zu unsauber die entstehenden Konterchancen aus. In der 72. Minute passierte dann das, was passiert, wenn man seine Chancen nicht macht und Osaka schaffte den Ausgleich. Angespornt von den Fans auf beiden Seiten, bliesen die beiden Teams zum Angriff. Osaka wechselte dazu Cacau ein, der eigentlich erst einmal nur durchs Provozieren und mit dem Schiedsrichter Hadern herausstach. Auf der anderen Seite brachte Vegalta Lopes, welcher mit einem satten Fernschuss in der 88. Minute Vegalta nach vorne brachte. Jetzt musste es eigentlich entschieden sein. Leider erhielt in der 93. Minute Cacau den Ball und verwandelte unhaltbar, da die Abwehr ihn nicht genug deckte. Schon wieder Punkte in der Nachspielzeit verloren, dieses Problem trifft Vegalta viel zu häufig. Vegalta warf noch einmal alles nach vorn. In der 95. Minute gelang das Unfassbare und ein Standard wurde per Kopf verwandelt. Das Stadion lag sich in den Armen. Leider sah der Schiedsrichter es mal wieder anders und entschied auf Abseits. Das kann man ja vielleicht noch geben, aber schon alleine 5 Minuten nachspielen zu lassen, ohne eine richtige Spielunterbrechung im Spiel, finde ich schon ziemlich fragwürdig. Egal, immerhin hat man wieder einen Punkt mehr gegen den Abstieg! Trotzdem standen wir alle leicht unschlüssig für Minuten im Stadion und wussten nicht so recht, ob wir uns jetzt freuen sollten oder nicht. Zu sehr nagte die späte Entscheidung an uns. Immerhin haben Orsolya und ich aber Tickets fürs nächste Spiel und dann werden wir den Klassenerhalt sichern, dieses Mal auch mit drei Punkten!

Vegalta Fangesang 1

 

Vegalta Fangesang 2

 

Vegalta Fangesang 3

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Das Katzencafe

Kommen wir zu einem Thema, welches mich arg getroffen hat: Jedes Land hat seine guten und seine schlechten Seiten, egal ob es nun Japan oder Deutschland heißt. Im Fall von Japan versuche ich gerne diese Seiten auszublenden, da dies aber nicht immer funktioniert, will ich wenigstens auch davon berichten.

Ich bin nun nicht unbedingt der große Tierliebhaber. Weder einen Hund, noch eine Katze habe ich gehabt und um die Gespensterheuschrecken meiner Verwandtschaft habe ich immer einen Bogen gemacht. Obwohl ich mich also nie um ein Tier kümmerte, habe ich trotzdem eigentlich nichts gegen sie. Sowohl die Hunde der Verwandtschaft, als auch all die Katzen meiner Freunde mag ich soweit. Als mich Orsolya vor einer Weile dazu aufforderte, in ein Katzencafe zu gehen, dachte ich also an nichts Schlimmes. Katzencafe, also ein Cafe, wo ein paar Katzen durch die Gänge streunen und sich im Zweifel von den Gästen streicheln lassen, in Deutschland ist das ja mittlerweile auch angekommen. Was kann daran schon schlimm sein?
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Wieder einmal hatte ich die Rechnung nicht mit den Japanern gemacht. Hierzulande wird das Thema etwas ernster genommen. Bei dem „Cafe“ handelt es sich eher um einen Streichelzoo. Man erhält ein paar Schuhe und kann dann in einen Raum mit ca. 20 Katzen gehen, die aus meiner Sicht auf viel zu kleinem Raum gehalten werden. Der Boden klebt abscheulich und die Katzen sind fett und faul. Schon beim Betreten des Ganzen hatten wir bemerkt, dass wir eindeutig zur falschen Stelle gekommen waren. Während wir das ganze Schauspiel also relativ entsetzt beobachteten, waren eine Vielzahl von Japanerinnen ganz anderer Meinung. So süß seien doch die Katzen, so verschmust und sowieso, das Cafe sei doch ein Traum. Ich hatte die Lage falsch eingeschätzt. Nicht die Katzen waren fett und faul, nein sie wurden genau dazu erzogen, denn faule Katzen lassen sich von den Besuchern verwöhnen und die sollen doch auf ihre Kosten kommen.
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Da wir notgedrungen für eine halbe Stunde gezahlt hatten, entschieden wir, nicht rückwärts herauszugehen, sondern uns ein wenig um die Katzen zu kümmern. Und siehe da, als die Lethargie erst einmal beseitigt war, wollten auf einmal alle spielen. Wir nutzten ein paar billige Kopfhörer, um die Katzen hinterherjagen zu lassen und die freuten sich sichtlich, auch mal ein wenig Bewegung zu bekommen. Für die Japanerinnen war das natürlich gar nicht toll, da so ziemlich alle Katzen auf einmal mir beziehungsweise den Kopfhörern folgten, aber darauf wollte ich keine Rücksicht nehmen. Mein meistes Beileid erhielt aber eine sehr junge Katze, die hinter einem Vorhang entsetzlich darum flehte, herausgelassen zu werden und keiner kam dem nach. Wir konnten leider auch nichts am Vorhängeschloss machen, was uns sehr leid tat.
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Alles in allem waren wir schwer enttäuscht über die gesamte Angelegenheit. Man kann über Deutschland sagen was man will, der Tierschutz funktioniert auf jeden Fall besser als hier. Wie die Japanerinnen daran Spaß haben konnten, ohne vor Mitleid zu zerfließen, erschließt sich mir wirklich nicht. Ich glaube, meine Bekannten aus Göttingen wären Amok gelaufen. Aber so ist das wohl in jedem Land, es gibt nicht immer nur Sonnenschein!

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Schulfestival an der Uni?

Es ist ein normaler Mittwoch und ich unterrichte. Nach dem Skatvortrag vor kurzem geht es diesmal um ziemlich normale Themen. Zu meinem Bedauern wurde das Lehrbuch aber ziemlich fragwürdig gestaltet. Ich verstehe zwar, dass man japanische Begriffe in diesem Lehrbuch verwendet, um auf diesem Weg das Bilden von Beispielen für die Studenten zu erleichtern. Aber nicht immer ist das so einfach, wenn die Begriffe nicht feststehende Geschlechter haben. So kommt es zu den Momenten, in denen ich den Studenten Details über das Leben in Deutschland sagen muss und ihnen erklären, dass selbst hierzulande so beliebte Dinge wie Karaoke singen nicht unbedingt zum Standardrepertoire eines Deutschen gehört. Wenigstens konnte ich dadurch gleich die Skatweisheit meines Onkels einbringen, welche er vor ein paar Tagen als Kommentar hinterließ. Danke dafür! Aber allgemein verstehe ich aber nicht, wieso man als Beispiel für Brettspiele unbedingt Go oder gar Mah-Jongg verwenden muss. Wie häufig wird ein normaler Japaner in Deutschland diese Spielnamen hören? Wenn dann aber Dame, Mühle oder ähnliches kommt, wird er kein Wort verstehen.

Nun gut, ich könnte mich noch lange darüber aufregen, aber am Ende der Stunde kam die eigentliche Information für mich: Die Studenten mögen sich doch bitte erinnern, dass sie noch nicht zwanzig sind und beim Unifestival deshalb nicht trinken sollen. Betrunkene Minderjährige wären immerhin eine Schande für die Uni. Wieder einmal fühlte ich mich alt, als mir bewusst wurde, dass ich fast 10 Jahre jüngere Studenten unterrichte, aber die Information mit dem Festival war interessant. Es nicht gerade so, als ob es jemand als wichtig erachtet, die Ausländer in die uniinternen Abläufe einzuweihen. Aus diesem Grund verpassen wir auch häufig Veranstaltungen, welche nur irgendwo in Kanji angekündigt wurden. Auf jeden Fall hatte ich Interesse.

Unifest2Drei Tage später war es dann so weit und das Festival stand an. Ganz fit nach meinem Sturz war ich zwar noch nicht, aber das ist kein Hindernis. Nur etwas unangenehm ist mir die Tatsache, dass die Kassiererinnen im örtlichen Supermarkt meine Einkäufe vom Kassenbereich in den Einpackbereich tragen, was sonst nur für Rentner gemacht wird. Die Verbände scheinen aber Eindruck zu hinterlassen. Unifest3Auf jeden Fall ging es zum Festival und es war interessant anzuschauen. Wäre die ganze Sache in Deutschland wohl 100-prozentig professionell veranstaltet worden und bis ins Detail durchgeplant, so hat das Fest hier eher einen Schulcharakter. Alles wird in Handarbeit vorbereitet, die Studenten kümmern sich um alles selber und alles hat einen sehr einfachen Charakter, was definitiv etwas anderes ist, wenn man es mit Göttingen vergleicht. Zu sehen bekam man dabei viel. Drei Gebäude der Universität wurden von Studenten in Beschlag genommen, die in den einzelnen Seminarräumen Veranstaltungen durchführten. Besonders stachen dabei die Clubs hervor, die dieses Event zur Eigenwerbung nutzten. Neben japanischen Klassikern wie dem Maidcafe, Crossdressercafe und Geisterhaus, gab es aber auch Unifest4Rollenspielgruppen, der Kunstclub malte seine Gäste und die örtlichen Bands hatten eine Bühne für Auftritte. Auch der Hauptcampus war vollgestellt mit Hütten, welche die verschiedensten Mahlzeiten offerierten. Alles in allem war es ein riesiges Event, was ziemlich viel Spaß machte. Zu kritisieren hätte ich eigentlich nur zwei Dinge: Zum einen ist dies der sehr kindliche Charakter des Festes. Da viele externe den Campus besuchten, fand ich die Frage schon erlaubt, ob es sich bei einen Großteil der Veranstalter wirklich um Studenten handelte oder die ganze Art und Weise nicht eher in die Schule gepasst hätte. Unifest4Mein eigentliches Problem waren aber die Bands. Gerade als ich kam, hatte eine örtliche Girlband einen Auftritt. Normalerweise unterstütze ich lokale Bands zwar, aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme. Es handelt sich um fünf Mädchen, welche letztes Jahr als Sprecherinnen für einen Anime gecastet wurden, in dem es um die Gründung einer Band in Sendai geht. Nachdem sie nun in Animationsform erfolgreich wurden, entschied der Hersteller des Animes, gleich auch eine echte Band daraus zu machen. Es wurde etwas umgecastet, um den Animefiguren vom Aussehen näherzukommen und sie spielen eine sehr generische Gute-Laune-Musik. Mit all dem könnte ich ja noch leben, wenn sie nicht mit Absicht auf ziemlich jung gestaltet worden wären. So stehen halt Mädchen auf der Bühne, welche allesamt Unifest5jünger als 13 aussehen und sich dazu noch aufreizend bewegen sollen. Immerhin, der Erfolg scheint ihnen recht zu geben. Während ihres Auftritts war die Bühne kaum zu sehen, da dort eine riesige Traube von Jungs stand, welche zwar rhythmisch zur Musik ihren Kopf bewegten, klar sichtbar aber eher versuchten, ein Foto von unter den Röcken oder in aufreizenden Posen zu erwischen. Um die Musik ging es den Wenigsten. Das alles fand ich dann doch arg fragwürdig und da das Klientel der Band bekannt ist, hätte ich sie wohl nicht eingeladen, aber wenigstens haben sie wohl für Umsatz gesorgt.

Im Großen und Ganzen hatte ich aber trotzdem meinen Spaß und bin gespannt, was als nächstes ansteht.

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Ein Tag am „Meer”

Es gibt Orte in Sendai, die haben eine spezielle Bedeutung für mich. Einer der wichtigsten Punkte ist wohl ein kleiner Küstenabschnitt am Meer, an dem ich im Jahr 2010 so einige Stunden verbracht habe. Leider sagt die Standortbestimmung schon einiges aus. Er liegt halt am Meer und damit an dem Ort, der am meisten vom Erdbeben 2011 betroffen war. Schon vor zwei Jahren machte ich mich deshalb auf die Spurensuche, um herauszubekommen, wie es um meinen Lieblingsort steht. Damals konnte ich leider nur die Zerstörung der ganzen Umgebung feststellen und nicht einmal in die Nähe des Küstenabschnittes gelangen. Aus Erinnerung an diesen Fehlschlag hatte ich es bis dato auch noch nicht wieder versucht, besonders, da ich ja nun auch für über vier Monate kein Fahrrad zur Verfügung hatte und das eben jene Monate waren, wo das Wetter mitgespielt hätte.

Jetzt habe ich aber wieder ein Rad und SendaiMeer_04das Wetter ist trotz all der Winterjacken und Handschuhe der Japaner noch sehr gut. Mal ernsthaft, muss man wirklich bei 15 bis 20 Grad rumlaufen, als ob der Winter eingebrochen ist? Auf jeden Fall ging es heute für mich zum Meer und es sollte eine interessante Tour werden. Das erste Problem, was sich mir stellte, war, überhaupt den Weg zu finden. Seit 2012 hat sich einiges geändert und besonders in der näheren Umgebung des Meeres sind sogar wieder vereinzelte Häuser zu finden. Die Landmarken von früher sind aber allesamt nicht mehr auffindbar und wenn man ein Bild von früher im Kopf hat, ist das schon deprimierend. So verfuhr ich mich erst einmal, bis ich es kurz vor dem SendaiMeer_02Einbruch der Dunkelheit doch noch zur Fabrik neben dem Strand schaffte. Der Strand selber ist aber im Moment gar nicht betretbar und von der Fabrik aus konnte man sehen, dass er vermutlich gar nicht mehr existiert. Mehrere Schichten an Wellenbrechern stehen jetzt da, wo ich früher noch schwimmen war, beziehungsweise die erste Sonne 2011 gesehen habe.

SendaiMeer_01Schockierender war aber die Fabrik. Wenn man Japan bereist, merkt man zwar noch die Resultate des Erdbebens, aber nur sehr gefiltert. Einige Stationen des Zuges sind noch nicht in Betrieb, was auf die komplette Auslöschung ihres dazugehörigen Ortes zurückzuführen ist. Andersorts zeugen nur Gedenktafeln von der Tragödie, die Japan im Jahr 2011 getroffen hat. Der Flughafen von Sendai war zum Beispiel mehrere Meter unter Wasser, heute zeugt aber nur eine Marke über die Höhe des Wassers davon, der Rest wurde wieder hergestellt. Was nicht wiederhergestellt wurde, sind dagegen die Wohnviertel neben dem Flughafen, welche nur Leute vermissen, die die Gegend vorher kannten. An der Fabrik ist es aber anders. Zwar wird dort auch gebaut, die Schäden sind aber noch zu finden. Man kann sich erst vorstellen, was für eine Kraft auf das Land getroffen sein muss, SendaiMeer_03wenn man die dicken Eisenstützpfeiler des Gebäudes sieht, welche einfach wie Streichhölzer nach außen gedrückt wurden. Betrachtet man dann noch die Arbeitszeiten von Japanern und das Innere der Lobby, so kann man nur hoffen, dass möglichst wenige Leute gerade dort waren. Ein wirklich gruseliger Gedanke, was dort am 11.03.2011 passiert ist.

Nach meiner Ankunft wurde es aber leider dunkel und ich war gezwungen, mich in der Nacht auf den Rückweg zu machen. Normalerweise wäre das kein Problem gewesen, musste ich doch nur geradeaus fahren. Leider nervte man mich auf der Straße, auf der ich fuhr, so dass ich notgedrungen auf dem Gehweg fahren musste. Im Dunkeln konnte man kaum die Straße erkennen, was sich für mich als goldrichtig erwies. So erkannte ich rechtzeitig ein Loch im Weg, um noch ausweichen zu können, nur um bei diesem Manöver in ein nächstes Loch zu geraten, was mich seitlich überkippen ließ. Nicht auszudenken, was bei einer höheren Geschwindigkeit oder beim Fallen auf die andere Seite passieren hätte können! So hatte ich nur einen schmerzenden Arm und eine Schürfwunde am anderen Arm. Das Fahrrad hatte es dankbarerweise bis auf ein paar Kratzer an der Gangschaltung komplett überstanden. So rettete ich mich bis zu einer großen Baustelle, wo ich einige Bauarbeiter fand, die mich verbanden. So konnte ich mich auf den eine Stunde langen Rückweg machen.

Ich konnte meinen linken Arm, auf den das Rad gefallen war, nicht mehr richtig anwinkeln. Deshalb beschloss ich, noch einen kurzen Besuch in der Notfallaufnahme des Krankenhauses zu machen. Diese hat ihren Namen wirklich verdient. Ich erschien sichtlich mit Wunden, welche noch deutlicher sichtbar waren, da der Verband der Bauarbeiter nicht auf eine Stunde Radfahren ausgelegt war und für dreißig Minuten passierte erst einmal nichts. Dann schaffte es immerhin eine Schwester mal zu fragen, was ich denn überhaupt habe. In diesem Moment erschien dann auch Orsolya und als man feststellte, dass wir ja doch Japanisch können, zeigte sich die Erleichterung und man kümmerte sich langsam um mich. Die Qualität war dabei interessant. So wurde meine offensichtlich noch leicht blutende und etwas dreckige Schürfwunde als letztes behandelt, nachdem ich das Röntgen über mich ergehen lassen musste. Ich hätte es wohl andersherum gemacht. Immerhin waren die Ärzte nett. Im Endeffekt war es aber, wie ich schon vermutet habe, nichts Ernstes und in ein paar Tagen soll ich, und besonders der nur unter Schmerzen bewegbare Arm, wieder fit sein. Dann kann es ja bald zur nächsten Tour gehen! Mich ärgern die Kratzer auf der Gangschaltung eh viel mehr als die Wunde am Arm, die schon verheilen wird. Vom Radfahren hält mich das auf jeden Fall nicht ab, maximal werde ich auf dunklen Straßen noch mehr achtgeben.

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