Es ist ein normaler Mittwoch und ich unterrichte. Nach dem Skatvortrag vor kurzem geht es diesmal um ziemlich normale Themen. Zu meinem Bedauern wurde das Lehrbuch aber ziemlich fragwürdig gestaltet. Ich verstehe zwar, dass man japanische Begriffe in diesem Lehrbuch verwendet, um auf diesem Weg das Bilden von Beispielen für die Studenten zu erleichtern. Aber nicht immer ist das so einfach, wenn die Begriffe nicht feststehende Geschlechter haben. So kommt es zu den Momenten, in denen ich den Studenten Details über das Leben in Deutschland sagen muss und ihnen erklären, dass selbst hierzulande so beliebte Dinge wie Karaoke singen nicht unbedingt zum Standardrepertoire eines Deutschen gehört. Wenigstens konnte ich dadurch gleich die Skatweisheit meines Onkels einbringen, welche er vor ein paar Tagen als Kommentar hinterließ. Danke dafür! Aber allgemein verstehe ich aber nicht, wieso man als Beispiel für Brettspiele unbedingt Go oder gar Mah-Jongg verwenden muss. Wie häufig wird ein normaler Japaner in Deutschland diese Spielnamen hören? Wenn dann aber Dame, Mühle oder ähnliches kommt, wird er kein Wort verstehen.
Nun gut, ich könnte mich noch lange darüber aufregen, aber am Ende der Stunde kam die eigentliche Information für mich: Die Studenten mögen sich doch bitte erinnern, dass sie noch nicht zwanzig sind und beim Unifestival deshalb nicht trinken sollen. Betrunkene Minderjährige wären immerhin eine Schande für die Uni. Wieder einmal fühlte ich mich alt, als mir bewusst wurde, dass ich fast 10 Jahre jüngere Studenten unterrichte, aber die Information mit dem Festival war interessant. Es nicht gerade so, als ob es jemand als wichtig erachtet, die Ausländer in die uniinternen Abläufe einzuweihen. Aus diesem Grund verpassen wir auch häufig Veranstaltungen, welche nur irgendwo in Kanji angekündigt wurden. Auf jeden Fall hatte ich Interesse.
Drei Tage später war es dann so weit und das Festival stand an. Ganz fit nach meinem Sturz war ich zwar noch nicht, aber das ist kein Hindernis. Nur etwas unangenehm ist mir die Tatsache, dass die Kassiererinnen im örtlichen Supermarkt meine Einkäufe vom Kassenbereich in den Einpackbereich tragen, was sonst nur für Rentner gemacht wird. Die Verbände scheinen aber Eindruck zu hinterlassen. Auf jeden Fall ging es zum Festival und es war interessant anzuschauen. Wäre die ganze Sache in Deutschland wohl 100-prozentig professionell veranstaltet worden und bis ins Detail durchgeplant, so hat das Fest hier eher einen Schulcharakter. Alles wird in Handarbeit vorbereitet, die Studenten kümmern sich um alles selber und alles hat einen sehr einfachen Charakter, was definitiv etwas anderes ist, wenn man es mit Göttingen vergleicht. Zu sehen bekam man dabei viel. Drei Gebäude der Universität wurden von Studenten in Beschlag genommen, die in den einzelnen Seminarräumen Veranstaltungen durchführten. Besonders stachen dabei die Clubs hervor, die dieses Event zur Eigenwerbung nutzten. Neben japanischen Klassikern wie dem Maidcafe, Crossdressercafe und Geisterhaus, gab es aber auch Rollenspielgruppen, der Kunstclub malte seine Gäste und die örtlichen Bands hatten eine Bühne für Auftritte. Auch der Hauptcampus war vollgestellt mit Hütten, welche die verschiedensten Mahlzeiten offerierten. Alles in allem war es ein riesiges Event, was ziemlich viel Spaß machte. Zu kritisieren hätte ich eigentlich nur zwei Dinge: Zum einen ist dies der sehr kindliche Charakter des Festes. Da viele externe den Campus besuchten, fand ich die Frage schon erlaubt, ob es sich bei einen Großteil der Veranstalter wirklich um Studenten handelte oder die ganze Art und Weise nicht eher in die Schule gepasst hätte. Mein eigentliches Problem waren aber die Bands. Gerade als ich kam, hatte eine örtliche Girlband einen Auftritt. Normalerweise unterstütze ich lokale Bands zwar, aber in diesem Fall machte ich eine Ausnahme. Es handelt sich um fünf Mädchen, welche letztes Jahr als Sprecherinnen für einen Anime gecastet wurden, in dem es um die Gründung einer Band in Sendai geht. Nachdem sie nun in Animationsform erfolgreich wurden, entschied der Hersteller des Animes, gleich auch eine echte Band daraus zu machen. Es wurde etwas umgecastet, um den Animefiguren vom Aussehen näherzukommen und sie spielen eine sehr generische Gute-Laune-Musik. Mit all dem könnte ich ja noch leben, wenn sie nicht mit Absicht auf ziemlich jung gestaltet worden wären. So stehen halt Mädchen auf der Bühne, welche allesamt jünger als 13 aussehen und sich dazu noch aufreizend bewegen sollen. Immerhin, der Erfolg scheint ihnen recht zu geben. Während ihres Auftritts war die Bühne kaum zu sehen, da dort eine riesige Traube von Jungs stand, welche zwar rhythmisch zur Musik ihren Kopf bewegten, klar sichtbar aber eher versuchten, ein Foto von unter den Röcken oder in aufreizenden Posen zu erwischen. Um die Musik ging es den Wenigsten. Das alles fand ich dann doch arg fragwürdig und da das Klientel der Band bekannt ist, hätte ich sie wohl nicht eingeladen, aber wenigstens haben sie wohl für Umsatz gesorgt.
Im Großen und Ganzen hatte ich aber trotzdem meinen Spaß und bin gespannt, was als nächstes ansteht.
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