Mein armes Fahrrad

Zwei Computer, mehrere Klamotten, eine Uhr und noch so einiges mehr, habe ich in den zwei Jahren, die ich bisher in Japan lebte, bereits zerstört. Eine Sache, die aber bisher jedes Problem überstand, waren meine Fahrräder. Dies sollte sich diesem Monat ändern. Im Februar war es endlich so weit, ich erhielt mein neues Fahrrad. Nach einem kurzen Test des durch den Verkäufer bereits erfolgten Zusammenbaus, schwang ich mich auf das Rad, um mit ihm Sendai zu erkunden und es machte wirklich Spaß. Mit den 26 Gängen kommt man gut voran, das Rad lief sehr gut, die Scheibenbremsen zeigten starke Wirkung und man hörte kein Geräusch. Man könnte sagen, ich war wunschlos glücklich. Als Ausgleich pflegte ich mein Fahrrad so sehr, dass Orsolya sich schon lustig machte, dass ich es übertreiben würde. Als ich aber vor ein paar Wochen mit dem Rad auf einer Rundtour durch Sendai war, passierte es. Das Hinterrad eierte leicht und dank dieses Eierns schlug die Scheibenbremse bei jeder Umdrehung gegen die Bremsklötze. Dies führte zu sehr nervigen Geräuschen, die meilenweilt zu hören waren. Noch dachte ich an eigenes Verschulden und versuchte, die Fehler ausfindig zu machen. Im Endeffekt musste etwas passieren und ich suchte einen örtlichen Fahrradladen auf. Der Verkäufer schaute sich das Rad an und stellte nach weniger Augenblicken trocken fest, dass es schlecht zusammengebaut ist. Wie konnte mir das nur entgehen? Während ich noch an mir zweifelte, zeigte er mir, wie viele der Speichen zum Beispiel null Spannung vorwiesen. Ich hatte es beim Testen geschafft, genau die anderen Speichen zu berühren. Aufgrund dieser Probleme war es dann aber auch kein Wunder, dass sich das Rad selbst bei normaler Nutzung leicht verbog.

Im Endeffekt blieb ich leicht ratlos und mit einem Kostenvoranschlag für fast hundert Euro zurück. Für diesen Preis sollte das Rad komplett neu zusammengebaut werden, irgend welche Ersatzteile waren darin nicht eingerechnet. So kann das ja auch nicht gehen und so entschloss ich mich, den Verkäufer zu kontaktieren und mich auf meine Jahresgarantie zu berufen. Da für so etwas Japaner doch besser geeignet sind, bat ich eine Japanerin um Hilfe. Sie rief kurz an und teilte mir die schlechten Nachrichten mit: Der Laden weigerte sich, auch nur den kleinen Finger zu rühren. Ich sei ja wohl eindeutig viel zu schwer für ein Fahrrad, welches maximal für 65 Kilo geeignet wäre. Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Meine japanische Bekannte hat sich wirklich leicht abwürgen lassen – in Japan kann man doch kein Faß aufmachen. Ein Fahrrad für 1,80 – 1,85 Meter Körpergröße, in den Staaten gebaut, soll maximal für 65 Kilo ausgelegt sein? Mein Kampfgeist war geweckt und ich überlegte, wie ich zurückschlagen könnte. Mein Büro und meine Professoren fielen raus, diese waren eindeutig zu nett und wagen es nicht auch nur eine leichte Diskussion zu führen. Sie sind einfach zu sehr Japaner. Eigentlich kenne ich nur eine Person in Japan, welche in dieser Situation helfen könnte. Rieko, meine alte Freundin, hätte aus dem Laden in kürzester Zeit verbales Kleinholz gemacht, aber die ist leider in Akita und führt ihre Kämpfe dort weiter. Die rettende Idee kam von Orsolya. Monti, eine ihrer Bekannten vom MafuMafu, ist nur Halbjapanerin und hat dadurch nicht die Zurückhaltung geerbt, wie es eigentlich alle Japaner im Blut haben. Ein Telefonat von ihr später und endlich lenkte der Radladen ein. Das Fahrrad sollte Ende der Woche abgeholt und repariert werden. Für mich bedeutete dies eine Grundreinigung und das Rad soweit zurückzubauen, dass es reisefertig war. So kam der Samstag und es geschah… nichts.

Der Fahrradladen hatte mich, vermutlich absichtlich, versetzt. Langsam wurde ich ungemütlich und überlegte schon, den Herren mal meine Meinung auf Englisch zu geigen. Aber erst einmal sollte Monti es noch einmal versuchen. Was dann geschah, war ein reines Schauspiel. In den höflichsten Worten, die ich jemals von einem verärgerten Kunden gehört habe, nahm Monti den Chef des Ladens auseinander. Nach tausenden Entschuldigungen versprach er uns, das Rad auf jeden Fall zu holen und diesmal erschienen sie auch wirklich. Jetzt bleibt mir nur zu hoffen, dass ich es bald wie neu zurückbekomme, denn bis auf dieses Problem war das Fahrrad genial und ohne Rad macht es in Sendai nur halb so viel Spaß. Und die Moral von der Geschichte ? Wenn es ein Problem und Kritik gibt, werde ich nie wieder versuchen, es über einen Japaner zu lösen. Wenn nicht wenigstens ein Elternteil Ausländer ist, ist die angeborene Zurückhaltung der Japaner so extrem, dass sie sich alles gefallen lassen. Und die japanischen Firmen nutzen das schamlos aus!

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