Immer diese Vorurteile gegen Deutsche …

2006, 2010 und 2014, irgendwie habe ich es geschafft, die letzten drei Fußballweltmeisterschaften zu verpassen und stattdessen einen Aufenthalt in Japan einzuschieben. Selbst als Fußballfan stört mich die Tatsache nicht sonderlich, schließlich war ich nie der größte Fan von Nationalmannschaften. Im Endeffekt warte ich mehr darauf, dass Vegalta und der FCM endlich wieder spielen, als dass ich die Weltmeisterschaft verfolge. Trotzdem verfolgt mich das Turnier sondersgleichen. Man geht hier davon aus, dass man als Ausländer auf jeden Fall adäquater Ansprechpartner für das Thema ist. Jeder Japaner und auch die anderen Ausländer fragen zuerst, ob Deutschland denn nun Weltmeister wird oder warum Gomez zuhause geblieben ist und ein Klose nicht von Anfang an spielt. Bin ich Bundestrainer? Im Endeffekt stört mich die Situation nicht sonderlich. Ich bin im Fußball bewandert genug, um die Tatsache zu überspielen, dass ich bisher noch kein einziges Spiel gesehen habe.

In einer Situation wurde ich dann aber doch sprachlos hinterlassen: Wie bekannt ist, unterrichte ich mittlerweile seit zwei Monaten arme Japaner in den Freuden der deutschen Sprache. Der Unterricht macht auch viel Spaß und es ist interessant, die Situation des Unterrichts einmal von der anderen Seite zu erleben. Man bekommt aus der Lehrerposition wirklich alles mit, wenn man das möchte. Ich sehe zum Beispiel das Flüstern mit dem Nachbarn oder unerlaubte Hilfsmittel beim Test, wo man als Schüler eventuell dachte, das fällt niemandem auf. Es gibt Studenten, die zu wenig Schlaf hatten und nun versuchen, im Unterricht wachzubleiben oder den Klassenstreber, welcher nach jeder Stunde zu mir kommt, um noch mehr über die deutsche Kultur zu lernen. Ich ließ auch schon meinen ersten Test schreiben. Aber auch abseits davon habe ich meinen Spaß und den Studenten scheint es auch zu gefallen. Zum Glück hatte ich während des Studiums noch nie Probleme mit Präsentationen und dem freien Sprechen und kann dieses Wissen jetzt nutzen, um die Stunden zu halten. Von Mal zu Mal lerne ich dann auch noch neue Kniffe, um die Zuhörer bei Laune zu halten, welche wiederum bei Vorträgen von Nutzen sein können. Nur an Eines muss ich mich noch gewöhnen: Auf offener Straße auf einmal mit einem lautstarken „Guten Tag, Herr Lehrer“ begrüßt zu werden, lässt mich ungewollt immer umblicken, ob nicht jemand anders gemeint ist, den ich ebenfalls grüßen sollte.

Der Unterricht verläuft im Ganzen ziemlich frei und besteht aus einer Symbiose aus Ideen der anwesenden Professorin und mir. Letzte Woche war ich deshalb erfreut, dass sich niemand so wirklich für das Thema Fußball zu interessieren schien und ich problemlos durch den Stoff kam, den ich mir für die Stunde vorgenommen hatte. Während ich gerade erklärte, wie man seinen Fachbereich vorstellt, erklang aus dem Hintergrund auf einmal eine Stimme: Wie hat eigentlich Deutschland gespielt? Während ich noch überlegte, wer so rüde meinen Unterricht stört, bemerkte ich, dass die Frage von der Professorin kam. So viel zum Lehrplan… Im Endeffekt musste ich Auskunft über Resultat und Torschützen geben. Die Studenten, welche allesamt nicht unbedingt sportbegeistert erscheinen, schauten mich an, als ob ich es verursacht hatte, dass wir auf dieses leidliche Thema gekommen sind. Das erste Mal in acht Stunden fühlte ich mich fehl am Platz. Im Endeffekt konnte ich das Thema dann aber doch noch ganz gut nutzen. Da meine Aufgaben alle zwei Wochen einen Vortrag über Deutschland beinhalten, berichtete ich in der nächsten Stunde über den echten deutschen Fußball, besonders in der vierten Liga.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/immer-diese-vorurteile-gegen-deutsche/

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.