Es gibt Zeiten im Leben, wo man vor der Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten steht und sich so richtig in die Nesseln setzt und die falsche Wahl trifft. Als ich im Januar vor so einer Wahl bezüglich meines Fahrrads stand, habe ich wohl so eine falsche Wahl getroffen. Im Mai ging es kaputt und am 21. Juni holte der Fahrradladen, der mir das Rad per Internet verkauft hat, es endlich ab, um es im Rahmen der Garantie zu reparieren. Seit dem ersten Anruf sind jetzt vier Monate vergangen und es hat sich nichts geändert. Aber am besten von vorn:
Alles fing am 02. Juni an. Der Verkäufer erklärte einer Mitstudentin beim ersten Telefonat, dass ich ja eh zu schwer für das Rad wäre. 65 kg, mehr dürfe man nicht wiegen, wenn man so ein Fahrrad nutzen würde, das übrigens für Menschen der Körpergröße 1.80 – 1.95 Meter ausgelegt ist. Na ja, bei dieser Größe wiegt man ja auch maximal 65 kg – schon klar! Nun, ich mag ja zugenommen haben, aber so schlimm ist es dann auch noch nicht. Von diesem Zeitpunkt an übernahm dann Orsolyas Freundin Monti die Telefonate. Das Ergebnis ihres ersten Telefonates war, dass man sich das Fahrrad anschauen werde, man garantiert aber keine Reparatur. Und wirklich, drei Wochen nach diesem Telefonat und eine Beschwerde später holte man das Fahrrad dann auch wirklich ab. Manch einer wird sich noch an den Bericht von mir erinnern. Wie ging es aber nun weiter in der Geschichte?
Mehrere Wochen später hatte ich immer noch nichts von meinem Rad gehört. Wird es nun repariert und ist es überhaupt schon angekommen? Wieder einmal musste Monti anrufen und erfuhr, dass man auf Teile aus den Staaten wartet. Ihr wurde erklärt, dass solche Schäden ja eigentlich gar nicht möglich wären und dass ich das Rad eindeutig außerhalb des Stadtverkehrs gefahren haben muss. Auf derartige Weise versuchte man Monti ein Dankbarkeitsgefühl einzureden, denn man kümmert sich ja trotzdem um das Rad, ich müsse nur noch ein oder zwei Wochen bis Ende Juli warten. Ende Juli, das hörte sich gut an, schließlich stand eh noch Bali auf meinem Reiseplan. Ich informierte die Vermieterin, doch bitte mein Rad anzunehmen wenn es kommt und fuhr beruhigt in den Urlaub. Es kam, wie es kommen musste und das Rad stand natürlich nicht da, als ich Anfang August wieder in Sendai erschien. Schlimmer noch, Monti war auch nicht wirklich überzeugt, dort noch einmal anzurufen. Da sie eh mehr Orsolyas Freundin ist, fragte ich die einzige Person, der ich zutraue, solche Probleme zu lösen: Meine alte Freundin Rieko musste anrufen und tat dies auch prompt. Wieder einmal wartete man noch auf das Teil aus den Staaten und sowieso, das Fahrrad hat nur Garantie, wenn der Käufer es nie verleiht. In Ermangelung eines eigenen Amazonsaccounts hatte ich es aber auf Orsolyas Namen gekauft. Also wurde erklärt, dass ich dankbar sein könnte, dass man es überhaupt repariert und solle nicht so einen Druck aufbauen. Wieder einmal ließ ich es darauf beruhen und bereitete mich auf den Besuch von Dennis vor. Ende August sollte das Rad schließlich da sein und immerhin wird es gemacht.
Mittlerweile schrieben wir Mitte September, Dennis hatte sich wieder in Richtung Deutschland aufgemacht und ich stand immer noch ohne fahrbaren Untersatz rum. Orsolyas altes Rad hatte ich entnervt wieder hergerichtet, es ist aber schon bei der ersten Ausfahrt am Ende seiner Lebensphase angekommen. Zum Glück braucht Orsolya ihr noch funktionierendes Rad seit ein paar Tagen nicht mehr, worüber ich demnächst berichten werde. Aber diesem Rad fehlen mindestens 10 cm am Rahmen und ich habe eigentlich keine Lust, dieses mit den Füßen zu steuern. Das Fass war jetzt langsam voll und besonders, als ich auf der Seite des Ladens Werbung für das Radfahren im Sommer sah, war mein Geduldsfaden endgültig geplatzt. Die Adern auf meiner Stirn fingen schon beim Gedanken daran an zu pulsieren und ich nahm mir vor, endlich selber das Problem mit den Herren zu besprechen. Monti erklärte sich bereit, jetzt die Sache mit uns durchzuziehen und rief deshalb noch einmal für mich an. Zu meiner Überraschung brauchte ich mich aber gar nicht aufzuregen. Es wurde mitgeteilt, dass das Fahrrad fertig ist und nur noch nicht dem Lieferdienst übergeben wurde. Ich solle doch am Samstag zu Hause warten und es in Empfang nehmen, die Zeit kann man mir aber nicht nennen.
So verbrachte ich den Samstag und Montag nahe meiner Wohnung und es passierte….. nichts. So kann das doch nicht angehen!!! Wieder rief Monti an und wollte mir das Telefon weiterreichen und wieder gab es tausende Ausreden, die sie erweichen. Man hat es nicht geschafft das Rad am Samstag zum Lieferdienst zu bringen und hat es heute abgeschickt. Schon das kam mir spanisch vor. Am Samstag sollte es da sein und nicht versendet werden und sowieso ist der Laden am Samstag geschlossen. Nun gut, wieder einmal hieß es warten. Zu allem Überfluss war am Dienstag ein Feiertag und erst am Mittwoch sollte es ankommen. Wieder einmal saß ich zu Hause und einmal mehr war das Ergebnis ernüchternd. Ich hatte sogar schon ein schlechtes Gefühl, dass ich an diesem Tag als Lehrer eingesprungen war, aber da eh nichts gekommen ist, war das ziemlich egal. Wieder einmal rief Monti an und endlich klang selbst sie etwas entnervt. Im höflichsten Japanisch schlug sie der Firma rhetorische Fragen um die Ohren, welcher Tag denn sei und wo denn nun das Rad bleibe. Eine Antwort erhielten wir nicht, man würde uns in ein paar Minuten zurückrufen und sich beim Lieferdienst erkundigen. Nach 2 Stunden reichte Monti das Warten und sie schickte ein Fax, dass wir eine Antwort erwarten und doch geschah erst einmal nichts. Ich hatte währenddessen einen Termin bei einer alten Freundin in der Uni und musste los. Kurz vor der Uni kam der erste Rückruf. Man habe das Fax gesehen und würde gerne mir Orsolya reden. Die ist gerade beschäftigt und man solle doch bitte mit mir vorlieb nehmen. Nein, das war unmöglich, man verstehe mich nicht und deshalb solle ich doch meine Faxnummer geben oder Orslya ranholen. Ein rangewunkener Japaner konnte leider das Problem auch nicht lösen, da die Anruferin ihn behandelte, als ob er kein Japanisch kann. Im Endeffekt legte sie auf und ich erreichte mein Lab. Dort kam der zweite Rückruf und diesmal war er vom verantwortlichen Menschen. Mai, meine Freundin, nahm den Anruf an und auf einmal wollte man Orsolya nicht mehr sprechen. Ihr wurde erklärt, dass das Rad am 29. September da sein würde. Mai, die leicht überfordert war, übersetzte dankbarerweise meine Kommentare eins zu eins ins Japanische. Ob es denn diesmal wirklich kommt oder ob es wie in den letzten 17 Wochen nicht kommt, wollte ich wissen. Natürlich, diesmal kommt es wirklich und sowieso, die Firma ist unschuldig! In Wirklichkeit hat der Lieferdienst das Rad seit 3 Wochen und nur nicht geliefert. Wie das mit seinen vorherigen Kommentaren zusammenpasst, konnte er aber auch nicht erklären. Wir hätten ihn falsch verstanden, schließlich sind wir Ausländer. Nun hatte er es wirklich getan. Er gab mir die Schuld! Wir erklärten ihm, wenn es diesmal nicht kommt, wird er mich kennenlernen.
Mittlerweile schreiben wir den 29. September und muss ich überhaupt noch sagen, dass ich immer noch auf Orsolyas Minirad durch Sendai gondele? Beim letzten Telefonat hatten wir die Nummer des Lieferdienstes erfahren. Sie haben uns aber keine Sendenummer gesagt, die bräuchten wir doch eh nicht. Trotz allem hat uns am Morgen der Lieferdienst versichert, dass es keine Post nach Sendai geben wird. Jetzt reichte es! Monti sollte ein Ultimatum stellen und ich wollte die Liefernummer. Ein Telefonat später, wo Monti noch einmal erklärte, dass sie als Japanerin der japanischen Sprache schon mächtig sei, wurde uns ein Rückruf versprochen. Man wolle sich beim Lieferdienst erkundigen und in der nächsten Stunde oder spätestens Dienstag morgen würde ein Rückruf erfolgen.
Auf diesen Rückruf warte ich noch heute, aber mir reichte es jetzt. Monti und andere Japaner meinten zwar, ich solle noch weiter anrufen, nach zehn Anrufen und mehreren Faxen habe ich aber genug und heute morgen ging ich zur Polizei. Nach 18 Wochen hätte ich mein Rad oder das Geld doch gerne wieder. Die Polizei kann zwar noch nichts machen, aber ich erhielt die Nummer des Verbraucherschutzes, die mehr Macht haben, als es in Deutschland der Fall ist. Morgen habe ich einen Termin bei denen und ich werde mal schauen, was dabei herauskommt. Wenn nichts hilft, melde ich mein Rad bei der Polizei als gestohlen, inklusive der Adresse, wo es wohl gelagert wird. Nur weil ich Ausländer bin, kann man diese Versuche von schlechtem Kundenservice mit mir nicht ewig machen. Jetzt werden andere Geschütze aufgefahren!
Natürlich ist das alles nicht allgemeingültig für Japan. Der normale Kundenservice in Japan ist sehr gut, nur Garantie gibt es hierzulande nur in seltenen Fällen, wenn es wie hier der Radhersteller vorschreibt oder man eine Zusatzversicherung abgeschlossen hat. Wenn es dann mal zur Nutzung dieser kommt, dann versucht man, sich nur zu gerne darum zu drücken und wie in diesem Fall die eigenen Fehler zu vertuschen. In Sendai wurde mir von Fachwerkstätten bestätigt, dass das Rad schlecht zusammengebaut war. Aber der Händler betonte trotzdem, dass es falsch gefahren wurde und sowieso muss ich ja über die Freundlichkeit des Ladens dankbar sein. Bei Japanern wirken diese Erklärungen und es gibt viele, die dann aufgeben. Die meisten Japaner haben mein Rad auch aufgegeben und ich konnte mich beim Anrufen nur auf Monti verlassen. Mit der Sturheit eines Deutschen haben die Herrschaften in Nagoya aber nicht gerechnet!
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