Vegetarier im Fleischrestaurant

Gut, ich vermeide in Deutschland Restaurants sowieso immer aus Prinzip. Irgendwie erscheint es mir zu dekadent, als Student regelmäßig auswärtig essen zu gehen. Hier in Japan ist das aber etwas anderes. Schon aufgrund der Grundkosten für Lebensmittel ist es fast günstiger essen zu gehen, als spät abends noch zu kochen. Trotz allem erlebe ich aber immer noch Überraschungen. So geschah es am Samstag. Nachdem die feuchten Wände unserer Wohnung unseren hölzernen Schuhschrank in ein Paradies für Schimmel verwandelt hatten, verbrachte ich den Tag damit, die Stadt nach Alternativen zu erforschen. Dies kam mir auch so sehr gelegen, denn eine Einladung zum Karaoke von Maryam war eingetroffen und ich suche bekannterweise immer Gründe, nicht vor wildfremden Leuten singen zu müssen, solange es sich nicht um ein Fußballstadion handelt. Orsolya dagegen liebt Karaoke und so entschieden wir, uns nach dem Singen vor dem Laden zu treffen. Da die meisten Beteiligten es eilig hatten, blieben so nur Thiago, ein alter brasilianischer Freund, seine japanische Verlobte und wir beide übrig, als ich sie endlich gefunden hatte. Da wir uns lange nicht mehr gesehen hatte entschieden wir, essen zu gehen. Samstagabend und spät essen ist in Sendai so eine Sache. Man muss schon Glück haben, um etwas Anständiges zu finden. Dazu stand es den Beteiligten auch noch nach Yakiniku, übersetzt heißt das „selbst gebratenes Fleisch“. selber-grillen
Zum Glück wusste der Vegetarier der Runde Rat. In der Nähe befindet sich ein Restaurant, das ich das erste Mal vor über drei Jahren mit meinen Eltern besuchte und in dem ich seitdem als Stammkunde gelte. Zum Glück wissen die nichts darüber, dass ich eigentlich nicht mal ihr Hauptessen – nämlich Fleisch – esse. Wie der Zufall so wollte, wurde auch just in dem Moment ein Tisch frei, als wir ankamen und das Essen konnte beginnen. Obwohl wir ein Menü für zwei Personen zu viert verspeisten, war das Essen sehr gut und ich freute mich über das gebratene Gemüse und die Beilagen, welche an mir hängenblieben. Die „Fleischfresser“ wissen halt die Soßen und Salatblätter gar nicht richtig zu würdigen! Aber auch ansonsten bestellten wir ein paar vegetarische Sachen, so dass für jeden etwas dabei war. Als wir gehen wollten, stand dann auch die Kellnerin bereit, welche uns noch eine Kugel Eis auf Kosten des Hauses ausgab.

sendai-beef

Bis zu diesem Zeitpunkt war auch noch alles normal und nicht berichtenswert. Beim Bezahlen fiel uns dann aber etwas ganz anderes auf. Man kennt das ja, dass in Deutschland die Rechnung zuerst beim Mann landet. Diesen Punkt hätten wir ja noch verstanden, aber dass, nachdem der Mann bezahlt hat, die Frau das Rückgeld erhält, das war dann doch reichlich ungewohnt! Wie sich herausstellte, erhalten in Japan die Männer von ihrem Lohn nur ein Taschengeld, während die Frauen für die Familienfinanzen zuständig sind. Aus diesem Grund gehen die Kellner davon aus, dass die Frau dem Mann vor dem Bezahlen das Geld gegeben hat und dann auch das Rückgeld gleich wieder in Verwahrung nimmt. Nun wollten wir es natürlich genauer wissen und wirklich, wenn man mal darauf achtet stellt man fest, dass dieses Verhalten hierzulande wirklich gang und gäbe ist, wir es aber immer nur auf Sprachprobleme geschoben haben. Wer als Mann also mit seiner Freundin oder Frau nach Japan kommt und nicht am Ende mittellos dastehen möchte, der sollte eventuell auf diese Eigenheit der japanischen Gesellschaft achten.

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://rj-webspace.de/vegetarier-im-fleischrestaurant/

1 Kommentar

    • Dieter auf März 6, 2014 bei 5:35 pm
    • Antworten

    Hallo Reik!
    Deine gemachten Erfahrungen bzgl. der japanischen Familiengeldverteilungspraktiken (welch ein Wort…)
    sollen hie und da auch in Europa verbreitet sein. Annegret jedenfalls lasse ich besser Deinen Bericht hierzu lieber nicht lesen (Selbstschutz!!! ).

    Ansonsten (Stichwort Vegetarier) freuen wir uns jetzt schon auf die Stadionbratwurst in MeckPom (haben über e-tix noch drei Karten für Neustrelitz organisiert).

    Viele Grüße vom Großonkelchen

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.