Upgrade Fahrrad 3.0

Vor drei Jahren leistete mir ein Gegenstand hier in Sendai unsagbare Dienste: Obwohl Sendai eine Millionenstadt ist, ist das Fahrrad eines der wichtigsten Gegenstände, die ein Austauschstudent besitzen kann. Der Weg zur Uni, in die Innenstadt oder die Außenbezirke, ohne Fahrrad sind dies alles weite Wege, die kostbare Zeit beanspruchen. Vor drei Jahren entschied ich mich für eine relativ teure Variante eines Gebrauchtrades. Während die meisten Austauschstudenten Räder kauften, welche schon vom Ansehen zusammenbrachen, entschied ich mich für ein Alltagsrad mit vergleichsweise hohem Rahmen und einem gepflegteren Zustand. Dass das Rad blau war, half mir bei der Entscheidung natürlich auch.

Während in dem Jahr ein Rad nach dem anderen kaputt ging und ich mehr als einmal als Mechaniker einspringen musste, hielt mein Rad durch. Es fuhr die meisten Kilometer gegenüber den Rädern aller meiner Kommilitonen und trotzdem hielt es bis zum Schluss. Dank einer längeren Sattelstange aus Deutschland wurde das Rad zwar nicht sicherer, aber es erreichte eine Größe, welche für mich geeignet war. Dieses Rad, mit der passenden Aufschrift „Reisender“ wurde aus Shimizu Verwahrung gestohlen, als ich mich schon wieder in Deutschland befand. Dass ich noch bis heute auf Parkplätzen meinen Blick schweifen lasse, ob ich es nicht doch noch einmal erblicke, sagt wohl alles über seine Qualität aus.

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Nach einem kurzen Abstecher auf ein anderes Allerweltsrad, welches schon beim Anschauen zusammenbrach, erhielt ich die Schlüssel zu meinem jetzigen Rad. Es ist ein silbernes Mountainbike, welches seine besten Tage schon vor Jahren hatte. Der Rahmen ist schwer, die Gänge funktionieren schon lange nicht mehr und ich möchte gar nicht wissen, auf wen das Rad eigentlich registriert wurde. Ich erhielt das Rad aus den Beständen eines alten Freundes aus Schweden, der vor drei Jahren hier mit mir in Sendai war. Aber die Vermutungen gehen davon aus, dass es sich um ein typisches Rad handelt, welches von Generation zu Genration von Ausländer zu Ausländer weitergereicht wurde. Trotz vieler Zuwendung, regelmäßigen Reparaturen und viel Pflege werden dieses Rad und ich wohl keine Freunde mehr. Nachdem die Bremsen trotz regelmäßiger Erneuerung sehr schnell den Geist aufgeben, habe ich dem Rad schon den Spitznamen „Kamikaze“ gegeben. Nicht, dass dieser Fahrstil nicht sowieso angeblich meinem sehr nahe stehen soll! Doch fände ich es sehr angenehm, an Bergen mein Rad auch zum Stehen zu bringen.

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Es half alles nichts, es wurde Zeit, wieder auf die Suche zu gehen und ein neues Rad zu finden. Dank freundlicher Spenden aus Deutschland entschied ich mich, es dieses Mal richtig zu machen. Keine halben Sachen, sondern ein Rad, das halbwegs meiner Größe entspricht und mich für das anstehende Jahr auf meinen Wegen begleiten wird. Nach langer Suche ist es jetzt endlich da! Darf ich vorstellen: Das GT Transeo, ein Stadtfahrrad mit Bergqualitäten, 24 Gängen und Aluminiumrahmen, der fast meiner Größe entspricht. Und muss ich noch erwähnen, dass es blau ist? Ich hoffe, dass es mir so gute Dienste erweist, wie es seine Vorgänger taten!

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Der Weg zu diesem Rad war aber ein sehr holpriger. Man sollte meinen, ein Fahrrad zu kaufen kann doch gar nicht so schwer sein. Tja, dachte ich auch. Schon am Anfang meines Aufenthaltes hatte ich begonnen, mich nach Rädern umzuschauen. Aber nicht einmal ein normales Rad wie ich es 2010 hatte, was auch nur halbwegs meiner Größe entsprochen hätte, konnte ich finden. Zu meinem Glück traf ich Mohammed. Mein alter Doktor und Kumpel hatte sich gerade ein neues Rad gekauft und empfahl mir dieses sofort weiter. Am Abend wollte er mir die Adresse senden. Leider wurden aus dem Abend mehrere Monate und ich suchte weiter nach einem Rad. Nicht zuletzt auf Druck von Orsolya, die meine Flüche auf meinem Ersatzrad nicht mehr hören konnte und meinte, man bräuchte zum Radfahren Bremsen, intensivierte ich im Dezember meine Suche. Ich erreichte auch endlich Mohammed, der nach einigen Reisen mal wieder in Sendai weilte. Das Rad seiner Empfehlung gab es zwar online nicht mehr, aber einige größere Räder von dieser Marke. Da mir die Verarbeitung zusagte, begab ich mich in Sendai auf die Suche. Ganz ohne die Räder live gesehen zu haben, wollte ich dann doch nicht kaufen.

So begann meine Tour de Sendai. Ich besuchte jeden Radladen, den ich finden konnte und das Ergebnis war ernüchternd. Weder hatten sie auch nur in Ansätzen Räder in meinen Größen noch wollten sich die Mitarbeiter in einigen Läden mit mir beschäftigen. Die größte Enttäuschung war dabei der größte Sendaier Radladen in der Innenstadt. Dort hatte man zu meiner Überraschung eines der Räder, welches ich suchte. Das Problem ist dabei aber, dass die Rahmen trotz gleichem Hersteller unterschiedliche Beschriftungen haben. Einige Radtypen haben Größen zwischen S – M und L, während andere noch XL haben. Aber als Körpergröße für die XL-Räder werden die gleichen Werte angeben, wie für die L-Räder. Also ging ich zu einem Angestellten und erkundigte mich freundlich auf Japanisch, welches Rad denn nun bei meiner Größe angemessen wäre. Die Antwort überraschte mich, denn im gebrochenen Englisch erklärte mir der Herr, dass ich doch bitte Japanisch sprechen soll, er würde kein Englisch können. Ich stand da wie vor den Kopf geschlagen. Zwar versuchte ich es erneut und er verstand meine Frage. Die Antwort war aber so unbefriedigend, dass ich mir schwor, nie etwas in diesem Laden zu kaufen. Sowieso passiert mir derartiges öfter. Japaner sehen mich und gehen instinktiv davon aus, dass ich nur Englisch könnte und versuchen deshalb, mein Japanisch als Englisch zu verstehen. Zum Glück blieb dies bei der Radsuche aber ein Einzelfall und in anderen Läden entstanden interessante Gespräche, wie das Folgende, welches ich nicht vorenthalten möchte:

R: Ich brauche ein Rad in meiner Größe.

V: Mhhh, kein Problem, wir haben hier Räder in L, das geht bis 190.

R: Ich bin 194 cm.

V: 194, sage ich ja, gar kein Problem….. (Zu sich selber: 194… welches wäre da gut…)…. [überrascht] 194?

R: 194 cm.

V: Wer wird denn so groß? Ähmmmmm, ich muss dringend telefonieren…… [5 min später] Ich habe unseren Großhändler angerufen, das wird schwer. Sie sind wirklich 194 cm groß?

Nach langem hin und her hatte ich mich Anfang Januar aber endlich entschieden und wollte ein Rad kaufen. Zufällig gab es seit diesem Tag aber das Rad nicht mehr, welches ich eigentlich wollte. Die Situation stand also wieder auf Anfang. Während mich mehrere, ebenfalls nicht immer radkundige Menschen berieten, wofür ich mich hiermit noch einmal ausdrücklich bedanken möchte, kristallisierten sich zwei Räder heraus, welche interessant waren. Das eine verfügte dabei über konventionelle Bremsen und das andere über Scheibenbremsen. Beide Typen haben Vor- und Nachteile. Ich hatte mich aber natürlich noch nie mit dem Für und Wider beschäftigt. Erneut gingen Wochen ins Land, ehe ich mich (mehr oder weniger auch durch die Feststellung aller Beteiligter, dass ich mir langsam kein neues mehr kaufen muss, wenn ich mit der Geschwindigkeit weitermache) endlich für mein jetziges Rad entschied. Hoffentlich war es die richtige Entscheidung, aber jetzt ist sie nicht mehr zu ändern. Danke noch einmal an alle Gönner und Berater und entschuldigt mich bitte, es wird Zeit, mein Rad einzufahren und die Stadt weiter zu erkunden!

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1 Kommentar

    • Sven auf Januar 30, 2014 bei 8:35 pm
    • Antworten

    Na dann immer genug Luft im Reifen und funktionierende Bremsen! Und denk daran, in Japan ist Linksverkehr angesagt!

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