Harajuku, die Nennung dieses Stadtteils lässt mich normalerweis erschaudern. Es handelt sich um den Treffpunkt und die Einkaufsmeile japanischer Jugendlicher, welche normalerweise so überfüllt ist, dass ein Vorankommen gegen die Strömung rein unmöglich wird. Umso überraschter war ich, als ich durch meinen Vater etwas über das „Harajuku für Omas“ hörte, wo heute Jahrmarkt sein sollte. Wie soll ich mir das bitte vorstellen? Geschäfte für Menschen in dem Alter meiner Eltern oder gar eine Einkaufsstraße für Rentner? So ganz erschloss sich das Bild nicht, schließlich können Ältere doch nie so schlimm sein, wie es die Jugend in besagter Straße ist. Oh, lag ich falsch!
Schon auf dem Weg zu dieser Straße wurden wir aufgeklärt, dass es sich wirklich um ein Rentnerparadies handelt. Zur sprachlichen Unterstützung hatten wir Orsolya mitgenommen, welche kurzerhand in der Metro von einer alten Dame am Rücken gepackt wurde und ihre Sachen gerichtet bekam. Richtig so! Wenn man mit uns reist, sollte man auch anständig angezogen sein! Die Dame erklärte uns auf dem Weg zum Ausgang dann auch schon einmal, was uns erwartet. So wirklich vorbereiten konnte sie uns aber trotzdem nicht. Die Straße ist fast einen Kilometer lang und wirklich überrannt von Rentnern. Diese sind dabei noch nicht mal frische Rentner, sondern ein Großteil der Anwesenden steckte meine Großeltern locker in die Tasche und maximal meine Urgroßmütter hätten wohl da konkurrieren können. Die Geschäfte waren aber auch dementsprechend angepasst. Es gab lange Unterwäsche, Gehstöcke oder Medizin, alles was das Rentnerherz begeistern könnte war vorhanden und wurde wiederum von Rentnern vertrieben. So genehmigten wir uns auf der Straße ein Tayaki, eine mit roter Bohnenpaste gefüllte Teigtasche. Diese Teigtaschen habe ich schon zu Hunderten gegessen und noch nie haben sie so geschmeckt wie in diesem Laden, welcher vom Aussehen wohl schon seit der Eröffnung in den Fünfzigern nicht renoviert wurde und noch immer die Erstbesitzer als Köche hatte. Dafür wurde die beste Paste verwendet und der Teig war perfekt. Kein Wunder also, dass es eine ewig lange Schlange gab und viele der alten Rentner gleich zwanzig bis dreißig Stück kauften.Es war ein Schauspiel zu beobachten, wie fit die Anwesenden noch waren und mit welchem Elan sie die Zeit in der Straße genossen. Trotzdem war es uns etwas unangenehm, das Alter so zu senken. Als Ausgleich ging es im Anschluss in das echte Harajuku, welches wirklich bis auf die Altersklasse der Anwesenden dem für die Alten in nichts nachsteht. Der in Harajuku liegende Meijitempel konnte von uns dagegen nicht besichtigt werden, da der gerade über uns einfliegende Präsident Obama leider die gleiche Idee hatte. Aus diesem Grund ging es für uns erst noch zu einem Blumenfest in einen Tempel und auf die 350 Meter hohe Plattform des Skytrees. Ein Tag mit so vielen Gegensätzen ist wohl auch nur in Tokyo möglich.
Neueste Kommentare