Es ist geschafft, der Krieg ist vorbei! Gut, so wirklich vorbei ist er noch nicht, aber vor meiner Haustür steht ein Fahrrad, was schon mal ein guter Start ist. Wie kam es aber dazu? Wie in meinem letzten Bericht vom 129-Tage-Krieg mit Nagoya beschrieben, versuchte der Fahrradladen in Nagoya aus unerfindlichen Gründen, mein Rad zurückzuhalten. Seit einem Monat vereinten sich am Telefon Ausreden über Ausreden mit Behauptungen, dass man ja sowieso unschuldig sei und ich eigentlich dankbar sein müsse, da mein Fahrrad schließlich repariert wurde. Letzte Woche hatte ich nun endgültig genug davon und da kein Japaner mich die werten Herren am Telefon anschreien lassen wollte, machte ich den nächstbesten Schritt und besuchte die Polizei. Japan ist in diesem Zusammenhang einzigartig. An jeder Straßenecke gibt es ein kleines Polizeirevier, wo zwei bis drei Polizisten ihren Dienst verrichten. Früher, und in einigen Gegenden wohl noch heute, war es sogar so, dass sich die Polizisten bei neu hinzugezogenen Personen persönlich vorstellten. Das Problem war nun, dass die Polizei in diesem Bereich keine Weisungsgewalt hatte. Zwar hätte ich das Fahrrad als gestohlen melden können, diese Meldung hätte aber nur für Sendai gegolten. Als Ausgleich gaben Sie mir aber die Telefonnummer des Verbraucherschutzes der Stadt Sendai, welcher einen weitaus höheren Einfluss hat, als sein Gegenstück in Deutschland.
Am Mittwoch war es dann endlich soweit, mit einer Liste unserer Anrufe, mit Zeugenaussagen und all den anderen Dokumenten ging es zum Verbraucherschutz. Dieser konnte aber auf Anhieb auch nichts machen. Obwohl ich schriftlich schon Fristen gesetzt hatte, musste dieser erst einmal selber anrufen und er bekam natürlich das Gleiche wie wir zu hören: Ausreden. „Ja, das Fahrrad wurde ausgeliefert, kam aber wieder zurück. Natürlich verschicken wir es erneut und natürlich umsonst!“ Als ob das für mich nach 18 Wochen noch eine Frage war! Ich sollte also einmal mehr warten. Zwei Tage würde es dauern, maximal drei, bis ich mein Rad wieder in den Händen halten würde. Aber wie immer kam es anders. Mittlerweile war es Dienstag geworden. Eine Woche war also fast schon rum und wie so oft hatte ich natürlich nichts von meinem Rad gehört. Entnervt machte ich mich mit der Forderung nach meinem Geld oder einer gesicherten Liefernummer, mit welcher ich den Lieferstatus selber nachvollziehen kann, erneut auf den Weg zum Verbraucherschutz. Ein Anruf im Radladen ergab, dass das Rad verschickt wurde und morgen bei mir ankommen müsste. Eine Liefernummer bekam ich nicht. Also war wieder Geduld angesagt.
Es kam der Mittwoch und ich wartete immer noch auf das Ergebnis meiner Forderung. So langsam hatte ich mich allerdings damit abgefunden, das Rad nie wieder zu sehen, was auch ok wäre, solange ich mein Geld zurückbekomme. Im Zweifel hätte ich mir dann ein Billigrad gekauft und damit die letzten Monate überstanden. Wie immer kam es aber anders als gedacht. Ich hatte den Vormittag zu Hause verbracht, um mich auf meinen Unterricht vorzubereiten. Als ich gerade meine Schuhe anzog, um zu meinem Kurs zu gehen, klingelte es an der Tür: „Lieferservice! Freuen sie sich, wir haben ihr Fahrrad, bitte unterschreiben Sie hier!“. So freudestrahlend der junge Herr mir dies sagte, umso mehr überraschte ihn meine Reaktion. So einfach kommt er mir nicht davon! Jemand muss leiden und wenn es der Fahrradladen nicht ist, dann wenigstens der Lieferservice. Ich ließ mir das Rad bringen und mit bloßen Händen riss ich das Paket auf. Bevor ich auch nur einen Strich setze, wollte ich das Rad in Augenschein genommen haben. Dem Fahrer war das zwar eigentlich überhaupt nicht recht. Das konnte man an seinem immer mal wieder auftretenden Jammern, doch bitte den Lieferschein zu unterschreiben, unschwer erkennen. Er ergab sich aber seinem Schicksal. Es war nicht so, als ob ich mit mir auch nur einen Schritt verhandeln lassen hätte. Bei meiner Erfahrung mit dem Laden hätte es mich nicht überrascht, wenn das Rad nicht repariert worden wäre. In dem Fall hätte ich das Rad gleich zurückgesendet. Er hatte aber Glück, es schien aber alles in Ordnung zu sein, deshalb durfte er gehen und ich musste mich zum Unterricht sputen.
Das Rad ist also wieder da. Und waren die 129 Tage begründet? Nicht wirklich. Die Felge des Hinterrades wurde durch eine nicht baugleiche, laut dem Internet aber bessere Felge ausgetauscht, ansonsten geschah nicht wirklich etwas mit dem Rad. Die Felge, die ich als Ersatz erhielt, kostet nebenbei gemerkt im Internet knapp 20 Euro. Das ist also wahrscheinlich kein Teil, was vom Fahrradhersteller aus Amerika geliefert wurde. Der Fahrradhersteller hat keinen Vertrag mit diesem Felgenhersteller und man hätte sie auch in Japan gefunden. Um genau zu sein, hat mein Radladen auf der anderen Straßenseite die gleiche Felge im Angebot. Das Warten auf die Lieferung aus Amerika war also eine klare Lüge und hinzu kommt, dass sie das Rad laut Lieferschein auch wirklich erst am Vortag abgesendet haben, als die Verantwortliche vom Verbraucherschutz noch einmal angerufen hat. Vermutlich hat sie mit Geld zurück gedroht und das hat zum Einlenken geführt. Das Gespräch mit dem Lieferservice ergab auch, dass das Rad garantiert nicht vorher versendet wurde. Was soll es, erst einmal fährt es, was ich auf 100 km Strecke in zwei Tagen herausfinden konnte. Ein wenig an den Einstellungen muss ich noch arbeiten, aber ich habe ein großes Fahrrad, was ein echtes Plus ist. Dem Radladen habe ich aber immer noch nicht verziehen und mehr als einmal musste ich mich davon abhalten, nicht einen kleinen Radtrip nach Nagoya zu unternehmen.
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