Es ist einfach nicht zum Aushalten, als Fußballfan im Ausland zu sein ist grausam! Entweder nur am Liveticker zu sitzen und auf Meldungen zu warten oder, wenn man Glück hat, wird das Spiel online übertragen und der Stream bricht regelmäßig zusammen. Wirklich Spaß macht das nicht! Zu allem Überfluss muss man sich dann noch anhören, man würde zu laut jubeln und nach Niederlagen zu niedergeschlagen sein. Es wurde Zeit, etwas zu ändern und zu diesem Zweck entschied ich am Mittwoch, dass ich schon zu lange Vegalta ferngeblieben bin.
Mein Fernbleiben hat dabei mehrere Gründe. Neben den normalen Gründen wie zum Beispiel Zeitproblemen, erhöhten Kartenpreisen und dem Wetter, lag es aber auch nicht zuletzt an Vegalta selber. Seit dieser Saison hat der Verein einen neuen Trainer, ein Australier, und mit ihm ist das Unglück bei Vegalta eingetreten und man schießt kaum Tore und verliert meist mit einem Gegentreffer. Solche Umstellungsprobleme sind nicht so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Spieltaktik von Vegalta für sechs Jahre darin bestand, aus einer felsenfesten Abwehr heraus den Gegner auszukontern. Mittlerweile versucht der neue Coach, das Team mit einer modernen 4-2-3-1er Taktik auflaufen zu lassen. Bei Spielern der japanischen Größe ist das eine ziemlich gewagte Entscheidung, wenn man sieht, dass man versucht bis zur Grundlinie durchzubrechen und dann per Flanke den Kopf des Stürmers zu treffen. Da ich aber diesmal auftauchen wollte, hoffte ich natürlich auf eine Steigerung und den ersten Sieg in der Saison.
Nach einer schönen Tour durch die Außenbezirke der Stadt erreichte ich das Stadion und war erst einmal etwas überrascht. Vegalta, ein Verein mit sehr treuen Anhängern, schaffte es an einem Mittwoch nicht einmal, das halbe Stadion zu füllen. Das ist ein eindeutiges Zeichen, dass die japanischen Arbeitszeiten so hart sind, wie es immer in den Vorurteilen berichtet wird. Natürlich waren aber meine Freunde komplett da. Kuma und die anderen kenne ich jetzt mittlerweile schon seit über 3 Jahren und das macht sich stark bemerkbar: Die Kinder werden immer größer. Für mich ist das immer sehr bemerkenswert, merkt man doch sonst den Zeitverlauf von immerhin 4 Jahren seit meiner Ankunft 2010 sonst äußert selten. Natürlich wurde ich aber freundlich wie immer aufgenommen und man besprach gleich die Entwicklung in den Familien und die Entwicklung des Vereins. Ohne Kuma und die anderen hätte ich beim Fußball in Sendai auf jeden Fall nicht mal halb so viel Spaß. Wie sich herausstellte, blieb das Stadion auch nicht so leer wie es anfänglich aussah, denn die Sendaier machten stark Gebrauch von der Halbzeiteintrittskarte, mit der ebenfalls Orsolya auftauchte, welche dann auch eine wertvolle Verständigungshilfe mit der Familie war.
Zum Spiel selber war in der ersten Halbzeit nicht viel zu sagen. Vegalta und auch Tokyo spielten schlechter, als ich es jemals von ihnen gesehen hatte. Wenn in Magdeburg auf unser Mittelfeld geschimpft wird will ich nicht sehen, was die Leute bei diesem Spiel gesagt hätten. Kaum ein Ball erreichte mal mehr als zwei Stationen und die neuen australischen Spieler reihten sich in dieses Festival nahtlos ein. Nur der Torwart wusste zu gefallen, schaffte er doch punktgenaue Abstöße in die gegnerische Hälfte, aber die Spieler konnten daraus leider nichts machen. Als Fußballfan bin ich immer überrascht, wie selbst talentierte Spieler es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit wie Amateurspieler auszusehen. Zwar dachte ich, ich wäre überkritisch, wenn aber selbst Orsolya feststellt, dass das Spiel nicht viel mit dem Sport gemein hat, dann liegt wirklich etwas im Argen. Und dabei hat sich das Spiel in der zweiten Halbzeit sogar etwas verbessert. Da auch von Tokyo noch weniger kam als von Vegalta, fiel aus einem Freistoß, welcher im Gewühl ins Tor geköpft wurde, in der zweiten Halbzeit das 1:0 für Vegalta. Wenn es keine Mannschaft schafft, den Ball weiter als 2 Stationen zu spielen, ist es auch kein Wunder, dass man Standards benötigt. Zu keinem Zeitpunkt sah es in der Folgezeit so aus, als ob noch ein Team etwas am Spiel drehen würde oder überhaupt noch einmal gefährlich vor dem Tor auftauchen würde. Dann schafften es fünf Vegalta-Verteidiger nicht, zwei Tokyo-Spielern den Ball ohne Foul abzunehmen. Da das Foul im Strafraum stattfand, schaffte der FC Tokyo den Ausgleich durch einen in Deutschland sehr bekannten Spieler, den Ex-Schalker Edu. So trennten sich die Mannschaften mit einem verdienten Unentschieden, wobei Vegalta immerhin noch in der letzten Minute so etwas ähnliches wie eine Torchance hatte. Dabei war es eigentlich schwerer, den Ball am Tor vorbei zu schießen, als das Tor zu treffen. Aber wenn es schlecht läuft, läuft ja garantiert alles schlecht und so war es kein Wunder, dass es der Spieler schaffte.
Trotz allem war es ein schöner Tag. Wir hatten viel Spaß auf der Tribüne, auch wenn mir keiner glauben wollte, dass man bei den Temperaturen schon ohne Jacke, nur im Trikot, rumlaufen kann. Immerhin habe ich meine Eltern jetzt schon bei allen angemeldet und gegen Kobe gibt es in einem Monat dann ein Familientreffen. Hoffentlich gibt es dann aber auch einen Sieg!
1 Kommentar
Man nennt mich auch den Glücksbringer, was soll da schief gehen! 😉 Obwohl, das Hinspiel 2010 (was wir live gesehen haben in Kobe) hat auch Kobe 2:0 gewonnen.
Aber mehr freue ich mich auf das Familientreffen!