Es gibt einige Sachen, da bin ich ziemlich eigen. Eine der größten Problemstellen dürfte dabei wohl mein Haar sein. Seit ich das Vergnügen hatte, dass ein Friseur kurz vor meinem Abitur die Haare trotz meiner gegenteiligen Wünsche auf Minimallänge stutzte und darauf auch noch stolz war, vermeide ich es, zu unbekannten Friseuren zu gehen oder überhaupt einen zu besuchen. Ergebnis dieser Abneigung waren grob geschätzte 70 cm lange Haare. Einige Wenige hatten ihre Probleme damit, ich war aber ziemlich zufrieden und auch hier in Japan waren meine Haare ein Alleinstellungsmerkmal. Noch heute werde ich hier auf offener Straße von fremden Menschen angesprochen, wo meine Haare geblieben sind, sie hätten sie doch so gemocht. Nun ergab sich aber mit dem Beginn des neuen Studiums mein Wunsch, etwas zu ändern und die Haare mussten daran glauben. Mit dieser Entscheidung entwickelten sich neue Probleme. Zuallererst ist es auf dem Kopf im Winter nun viel kälter. Aber das wirkliche Problem ist nun, dass ich mich das erste Mal hier in Japan mit dem Thema Friseur auseinandersetzen muss.
Zu dem Thema muss man wissen, hier in Japan wird das Haar offensichtlich höher geschätzt. Preise um die 100 Euro für einen Friseurbesuch sind weniger die Ausnahme, als die Regel. Dafür findet man Friseure an allen Ecken und die Angestellten sind durch das Fenster betrachtet zumeist männlich. Die größte Überraschung war aber vor meinem Aufenthalt eine Umfrage eines japanischen Freundes, welcher sich später einmal eine Existenz als Friseur aufbauen möchte. In dieser Umfrage wurde gefragt, wie oft das Haar schamponiert werden muss, damit der Befragte mit seinem Friseurbesuch zufrieden ist. Einmal oder gar nicht, war dabei nicht als Antwortmöglichkeit vertreten. Man merkt, für jemanden, der Friseure meidet, waren die ganzen Punkte schon extrem abschreckend. Zudem haben fast alle Japaner den gleichen Haarschnitt, welchen man in Deutschland für ein Zehntel des Preises erhalten würde.
Betrachtet man die Situation, so dürfte es den geneigten Leser nicht verwundern, dass ich den Gang zum Friseur verzögerte. Mittlerweile ist es aber nun so akut geworden, dass ich meine weiblichen Bekanntschaften ausfragte, welchen Friseur sie empfehlen würden. Die einzige hilfreiche Antwort kam dabei von Masami, welche mir einen Herrn im gleichen Gebäude wie die Japanisch-Deutsche Gesellschaft vorschlug. Entsprechend ihrer Empfehlung ging es also mit Orsolya und guten Wörterbüchern bewaffnet am späten Abend dort hin. Der Friseur schließt um 19 Uhr und ich erreichte seinen Laden um 18.30 Uhr. Dreißig Minuten, das sollte ja eigentlich reichen, dachte ich. Tja, fast. Dankbarerweise nahm man mich dran und ein vorheriger Kunde, welcher in England gelebt hat und perfektes Englisch sprach, übersetzte gleich für mich. Zu diesem Zweck blieb er die ganzen zwei Stunden meines Friseurbesuchs im Laden und verwickelte Orsolya und mich in ein Gespräch. Ohne ihn wäre es aber auch wohl nichts geworden. Der Friseur sah sich angesichts meines Eierkopfs ziemlich unter Druck gesetzt. Den ganzen Schnitt über verglich er für die anderen Anwesenden den europäischen Kopf mit dem japanischen Gegenstück. Seines Erachtens ist der japanische Kopf viel einfacher zu schneiden. Das mein Kopf dabei nicht unbedingt ein Maßstab sein muss, das fiel ihm dabei nicht auf. Ist ein Friseurbesuch in Japan nun anders als in Europa? Auf jeden Fall! Das fängt schon mit dem Umhang an, welcher Armlöcher hat, und geht mit der Schnitttechnik weiter. Zuerst wird der Kopf dabei trocken vorgeschnitten, um ihn im Anschluss zu waschen und danach die letzten Feinheiten zu erledigen. Dazu ist das gesamte Ambiente eher an einen Beautysalon angelehnt, als an einen Friseur. Für Europäer ist das wiederum weniger etwas, da die Stühle nicht immer unbedingt europäische Mindestmaße haben. Aber ich fühlte mich gut betreut, wenn auch etwas vorgeführt durch die ewigen Vergleichen der Köpfe. Nur etwas zu kurz hat der Herr für meinen Geschmack geschnitten, was aber auch an Orsolyas ewigen „kürzer, kürzer“ Rufen gelegen haben mag. Nach zwei Stunden waren wir dann endlich fertig und der sichtlich erschöpfte Friseur gab uns noch Rabatt auf den Haarschnitt, da er gerade kein Wechselgeld hatte. Zum Abschied versicherte ich ihm aber auf jeden Fall, dass er noch Übung beim Schneiden von europäischen Köpfen bekommen wird, da ich wiederkomme. Ach und wer glaubt, dass ich mich aufgrund der Sprache nicht verständigen konnte, der liegt falsch. Schnell stellten wir fest, dass wir beide Fußball mögen und so verbrachten wir die Zeit damit, über Fußball zu reden und natürlich, um Werbung für den besten deutschen Verein, den ersten Fußballclub Magdeburg, zu machen.
1 Kommentar
Hallo Reik, ich gratuliere zu deinem neuen Haarschnitt. Sieht gut aus.
Schön kurz 😉