Die ganze Nacht über schüttete es in Sendai. Nachdem diese Woche schon ein Ausläufer eines Taifuns Sendai traf, hat uns jetzt auch noch so eine Regenfront getroffen und das auch noch passend zum größten Stadtfest, dem Abo-Festival. Aber, was sage ich? Solche Kleinigkeiten können mich gar nicht treffen, denn für mich geht es ab in eine andere Stadt: Vor 5 Jahren sind Dennis und ich zufällig in einem Ort gelandet, den ich vorher noch nie auf der Karte hatte. Hachinohe, am nordöstlichen Teil der Hauptinsel gelegen, ist ein relativ kleiner, beschaulicher Ort ohne viele ausländische Touristen und mit vielen malerischen Küstenstreifen. Aufgrund des Mangels an Ausländern in der Stadt entschieden Dennis und ich schon vor fünf Jahren, dass Hachinohe unser geheimes Versteck wird, hier findet uns niemand. In Anbetracht der Tatsache, dass es in wenigen Wochen wieder zurück nach Deutschland gehen soll, war es natürlich keine Frage, dass ich einmal nachschaue, wie es um meinen „Geheimort“ so bestellt ist. Aus diesem Grund ging es am frühen Nachmittag mit dem Zug und Orsolya im Anhang hinauf in den Norden.
Schon unsere Ankunft zeigte uns, dass meine Erinnerungen mich nicht getäuscht haben. Hachinohe macht es den Touristen nicht leicht, es auf den ersten Blick zu mögen. Nach dem modernen Shinkansenbahnhof sieht man sich gezwungen, mit einer Regionalbahn in einen ziemlich verkommenen Kleinbahnhof zu fahren, um von dort den nicht ausgeschilderten Weg in die Innenstadt zu suchen. Auf dem Weg dorthin kommt man an geschlossenen Geschäften und heruntergekommenen Häusern vorbei, so dass man sich schon langsam die Frage stellen kann, wo man denn nun gelandet ist. Erst ab der Innenstadt verbessert sich die Lage. Sie ist zwar auch nicht umwerfend und ein Tokyo oder Sendai braucht man nicht erwarten, aber immerhin füllt sich der Stadtteil mit Leben und es gibt sogar unvernagelte Geschäfte. Trotz fünf Jahren kam auch meine Erinnerung schnell wieder und es wurde kein Problem, unser Hotel zu finden, in dem wir schon erwartet wurden. Wie es aussah, spekulierte man schon, wieso auf einmal Ausländer kommen und der Portier war sichtlich bemüht, sein Schulenglisch aufzupolieren. Auch ansonsten sahen wir den ganzen Tag keine Ausländer, was mich aber überhaupt nicht störte. In Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde galt es für uns, etwas Essbares aufzutreiben. Das Meer, der eigentliche Höhepunkt der Stadt, können wir immer noch morgen besuchen.
Für das leibliche Wohl wird in Hachinohe in einer Essensmeile gesorgt. In kleinsten Läden mit 6 bis 8 Sitzplätzen servieren Japaner aller Altersgruppen eine reichhaltige Auswahl von Speisen. Als Hafenstadt bestimmt dabei besonders der Fisch die Speisekarten, aber auch Nudeln und Oden sind vielerorts zu finden. Es ist gar keine leichte Entscheidung, bei all den Ständen den richtigen Stand zu finden. Unsere Entscheidung fiel im Endeffekt auf einen kleinen Eckladen, in dem schon drei ältere Herrschaften zusammen mit einer gleichaltrigen Besitzerin saßen. Man konnte richtig deren Erbleichen bemerken, als wir den Laden betraten. Ihre Karte war doch nur auf Japanisch und Englisch kann sie doch erst recht nicht. Erst als wir auf Japanisch loslegten, atmete sie lautstark auf und war erleichtert. Die drei Männer waren dagegen von vornherein Feuer und Flamme. Sie stellten sich als Schulfreunde vor, die heute als Rentner regelmäßig auf „Angeltrips“ gehen. Jedenfalls erzählen sie das ihren Frauen und wenn sie dann manchmal noch einen Fisch fangen, dann glauben diese Ihnen das auch. Ausländer, so etwas trifft man ja selten und so wurde aus unserem kurzen Abendbrot ein zweistündiger Aufenthalt, bei dem wir die drei durch Sake gut angeheiterten Herrschaften unterhielten. Leider war es schwer, alles zu verstehen, aber im Unterricht wurde leider nie betrunkenes Japanisch unterrichtet, eigentlich eine Marktlücke. Aber neben dem Spaß erhielten wir auch immer wieder Essen von ihnen serviert, da sie der Überzeugung waren, wir müssen doch traditionelles japanisches Essen kennenlernen. Zu unserer Rettung erschienen dann nach der ersten Stunde noch zwei Freunde, welche immerhin eine Betrunkenjapanisch – Japanisch – Übersetzung für uns vornahmen. Da unsere Umeshu (das ist ein japanischer Likör aus der Ume-Aprikose) sich zu diesem Zeitpunkt dem Ende näherte, versorgten sie uns auch gleich noch mit ihren Sakevorräten, welche man in diesem Laden auf den eigenen Namen lagern kann. So wurde es ein lustiger Abend, auch wenn wohl viel in der Übersetzung verloren ging. Wir haben jetzt auch Kontaktnummern, um die drei Herrschaften wiederzutreffen, falls wir einmal Morika bereisen. Wer weiß, wozu das mal gut ist. Mit ihnen zum Karaoke zu gehen, wollten wir dann überraschenderweise doch nicht. Man muss es ja nicht übertreiben, auch wenn sie alles versuchten, um uns zu überzeugen.
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