Das Bankenwesen

Der Alltag hat mich wieder! Nach all dem „Urlaub“, wurde es Zeit, sich endlich um das zu kümmern, für das ich eigentlich hergekommen bin. Ohne Studentenausweis kann ich nichts machen und viele Formalitäten wollen auch noch erledigt werden. So besitze ich meine Aliencard zwar schon, die seit neustem umbenannt wurde, weil Alien ja falsch verstanden werden könnte. Aber trotzdem muss ich mich bei der Stadt und der Uni anmelden. Gleich nach Christophs Abreise ging es deshalb zum Ummelden, was überraschend problemlos vonstattenging. Besonders in Anbetracht der Tatsache, was für einen Stress das Einwohnermeldeamt in der Börde gemacht hat,  nur weil ich mich in die Wohnung meiner Eltern ummelden wollte. Ohne schriftliche Bestätigung, dass dies von ihnen auch erlaubt wird, ging dort nichts. Hier musste ich einfach nur die Adresse aufschreiben und alles ging seinen Gang.

Leider hatte ich dabei nicht mit meiner Uni gerechnet. Wie schon angedeutet, bin ich für die Philosophische Fakultät der erste Mombusho Kandidat und damit wollen sie sich natürlich genau an das Protokoll halten. Für mich bedeutet dies viel Bürokratie und dass sie sich nicht so um mich kümmern, wie es normal ist. So hatten Orsolya und die anderen damals genaue Hilfestellungen und Terminpläne bekommen, während ich genau ein Schreiben habe, dass ich Student bin und dieses hätte ich eigentlich am Flughafen abgeben müssen, nur der Kontrolleur wollte es nicht. Tja, das ist ein Grund und kein Hindernis. Wenn man es richtig machen will, sollte man es eh alleine machen. Also ging ich direkt zur Verwaltung und wollte mit denen absprechen, was ich machen sollte. So einfach ist das aber nicht, denn diese verwiesen mich auf Professor Morimoto, der ja bekanntlich nicht in Sendai weilt. So lange kann ich aber nicht warten, also ging es am nächsten Tag mit Übersetzer noch einmal hin. Vielleicht erzählen sie jemandem, der in Japanisch besser bewandert ist  als ich es bin, ja mehr. Gesagt, getan und wirklich, endlich erhielt ich eine Liste der notwendigen  Erledigungen. Unter anderem fehlte mir natürlich ein Schrieben der Stadt und ich brauche zwei Konten. Eines für das Stipendium und eines einfach so, auch wenn ich noch nicht ganz weiß, wofür das gut sein soll.

Gut, mein Übersetzer hatte keine Zeit, aber selbst ist der Mann. Das Schreiben der Stadt erhielt ich ohne Probleme, bei der Bank sah es dann aber doch anders aus. Ob ich denn das Konto auch auf Japanisch eröffnen könnte? Klar! Trotzdem erhielt ich keine Hilfe, da alle englischsprachigen Angestellten beschäftigt seien,  sondern ich sollte morgen wiederkommen. Immerhin füllte eine Dame auf Japanisch mit mir alle Unterlagen aus. Als ich mich noch wunderte, wieso ich nicht einfach alles auf Japanisch machen konnte, wie es neben mir bei einem Herrn offensichtlich ging, tauchte schon die Erklärung für die Beschäftigung der Übersetzer auf: Frau Omori, auch bekannt als „der Don von Sendai“, da sie wirklich jeden kennt. Group Mori führte eine Gruppe von Ausländer zum Kontoeröffnen und Frau Omori entdeckte mich natürlich sofort. Ein breiter Schwall von Fragen flog auf mich zu. Wieso hatte ich mich nicht schon längst bei ihr gemeldet? Was mache ich hier? Wie geht es einigen meiner alten Freunde? Wie lange bleibe ich? Habe ich schon ein neues Telefon? Und ich soll sie doch so schnell wie möglich kontaktieren! Dann wurde ich zu jedem Group Mori Vertreter geführt und dieser jeweils  gefragt, ob ich wiedererkannt werde, was zu einem großen Prozentsatz auch gelang. Gut, damit dürfte ganz Sendai von meiner Rückkehr gehört haben, aber es gibt noch viel zu tun.

Am nächsten Tag kam ich wieder zur Bank. Wenn ich extra auf englischsprachige Mitarbeiter warten muss, dann erwarte ich auch etwas Leistung. Tja, leider kommt es aber immer anders, als man denkt. Natürlich gab es keinen Übersetzer, aber ich könne doch bestimmt alles in Japanisch machen. Leicht verwundert willigte ich ein, nur um alle Dokumente noch einmal ausfüllen zu müssen. Ich hatte auf dem englischen Zettel die Adresse in Englisch angegeben, bei dem japanischen dagegen in Kanji. Das geht doch nicht! Man beachte dabei, dass es sich um einen doppelseitigen Zettel handelte. Bei diesem Ausfüllen blieb es aber leider nicht. Beim ersten Mal war ihnen mein G nicht nah genug an Druckbuchstaben auf der Tastatur dran, da ich es gewagt hatte, noch einen Strich nach unten zu führen. Dann sah meine Unterschrift beim zweiten Versuch bei einem Dokument angeblich zu unterschiedlich aus, auch wenn es exakt die gleiche Art meiner Unterschrift war. Als sie beim dritten Mal noch monierten, ich hätte bei einem Dokument einmal die Kanjis für Nummer wie auf meinem Ausweis ausgeschrieben, bei den anderen aber, wie sie mir gesagt hatten, nur Bindestriche gesetzt, war ich langsam leicht genervt. Zu ihrem und meinem Glück ließen sie es aber diesmal durchgehen und so erhielt ich nach fast zwei Stunden doch wirklich mein Bankbuch. Wenn ich daran denke, dass wir mit Rodrigo in Göttingen ganze 20 Minuten für die Kontoeröffnung brauchten, kann ich immer noch nur den Kopf schütteln!

Als nächstes ging es zur Postbank, um den ganzen Spaß zu wiederholen. Seit dem Treffen mit Frau Omori war mein Ehrgeiz geweckt und ich wollte jetzt auf jeden Fall den Mist alleine und auf Japanisch hinter mich bringen. War ich überrascht, wie einfach alles doch gehen kann! Zwar unterschrieb ich mehrere Zettel mit langer japanischer Erklärung (bei der ich mutmaßlich einem anderen Land den Krieg erklärt habe oder mein Erstgeborenes verkauft habe), aber ich hielt am Ende ein Bankbuch in der Hand und das „schon“ nach einer Stunde. Blöd nur, dass ich nicht lesen kann und mir nicht jeder Teil des Bankbuchs gezeigt wurde. Zwar steht mein Name vorne groß richtig drauf, drinnen aber hat man aus meinem Vornamen ein Ranoku gemacht. Natürlich fiel das meiner Verwaltung sofort auf und jetzt darf ich den Spaß noch mal neu machen. Hoffentlich passt es dann aber endgültig und das erste Stipendium kann kommen, so billig ist Japan jetzt auch nicht.

Zu allem Überfluss erhielt ich bei der Abgabe der Bankbücher in der Verwaltung noch einiges an Papierkram. Für meine Bewerbung vor nicht mal 6 Monaten musste ich alle meine Ziele hier und meinen Lebenslauf ganz genau angeben und jetzt wollen sie ihn schon wieder? Manchmal verzweifele ich an ihnen! Immerhin hat sich jetzt eine Mitarbeiterin als der englischen Sprache mächtig geoutet. Die Ausrede, man verstehe mein Englisch und Japanisch nicht, zieht jetzt nicht mehr und wenigstens sie konnte meine Abneigung gegen die Zettelwirtschaft vollkommen verstehen.

So kann es dann halt in die zweite Runde Reik vs. japanische Bürokratie gehen. Jedem, der sich in Deutschland um sowas kümmern muss, kann ich nur sagen, es könnte noch viel schlimmer sein. Jetzt gibt es für mich aber erst mal ein Wochenende, um abzuschalten und endgültig hier anzukommen.

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Der erste Gast

Heimat, dieser Gedanke prägte meine Gedanken, als der Shinkansen in Sendai einfuhr. Die Neonlichter von Loft, der Fernsehturm und der Blick Richtung Innenstadt. Ja, so kenne und liebe ich diese Stadt! Leider kommt es bekanntlich ja immer anders als man denkt und aus diesem Grund blieb es nicht lange bei dem gemütlichen Gefühl, den ganzen Stress hinter mir zu haben.

Nachdem ich früher regelmäßig die Taxis verweigert habe und meine Füße bevorzuge, muss ich ja so langsam eingestehen, dass man nicht jünger wird und mit knapp 55-60 kg Gepäck, verteilt auf zwei Personen, muss das Wandern ja nicht sein. Kurzerhand wurde ein Taxi gerufen und der Fahrer vor das logistische Problem des Transports gestellt. Schlussendlich wurde der größte Koffer auf den Beifahrersitz gestellt und so gefahren. Dieses ungesicherte Arrangement wäre in Deutschland durch jede Sicherheitskontrolle gefallen, aber hier machte man sich keinen Kopf darüber. Kein Wunder, Taxifahren ist hier eh anders, als man es in Deutschland gewöhnt ist. In Japan ist der Taxifahrer von seinem Navi abhängig. Das Fahren von Abkürzungen oder anderen Wegen ist nicht gewollt, schließlich könnte man so den Kunden um sein Geld betrügen. Dementsprechend unbedarft sind die Taxifahrer auch, wie wir kurze Zeit später erfahren mussten. Zwar kamen wir gut in unserer Wohnung an, doch war damit der Tag noch nicht gelaufen.

Christoph, ein Bekannter aus Göttingen, befand sich auch auf Reisen in Japan und erbat Asyl in Sendai. Kurz nachdem wir ankamen, gab es einen verzweifelten Anruf, wo man uns denn nun finden könnte. Kurzerhand nannte ich die Adresse, vergaß aber, eine Zahl zu erwähnen. Normalerweise sollte das kein Problem sein, für Christoph war es aber eines, denn der Taxifahrer verfuhr sich. Einen verzweifelten Anruf bei uns später fand er aber noch in die Wohnung. Nachdem gerade dieses Problem gelöst war, kam auch schon der nächste Anruf: Shimizu verweilte extra einen Tag länger in Sendai, um mich noch vor seinem Flug nach Wien zu treffen. Wie es sich gehört, verpassen wir guten Freunde uns natürlich mit unseren Auslandsaufenthalten! Während ich 18 Monate in Japan bin, verbringt er 12 Monate in Wien. Zwar ist dies ein herber Verlust für mich, auf der anderen Seite schadet es aber nicht, neue Menschen kennenzulernen. Auf jeden Fall hatte Shimizu kurz Zeit für mich. Also Christoph in Empfang nehmen, Orsolya mit ihm betrauen und rüber zu Shimizu, der zum Glück nur um die Ecke wohnt. In dem Fall musste ich leider Prioritäten setzten. Bei Shimizu erwartete mich schon seine Mutter, welche die Wohnung für das Jahr verwalten wird, und eine große Portion selbst gemachte Misosuppe und bestelltes Sushi. So hatten wir noch mal für eine Stunde Zeit, uns zu unterhalten und auf den neuesten Stand zu bringen. Ich werde ihn auf jeden Fall vermissen, soviel ist klar!

Nun aber zurück zu Christoph. Dankbarerweise wohne ich in einem etwas älteren Apartment, welches zwar im Winter sehr kalt wird, dafür aber zwei große und für japanische Verhältnisse bezahlbare Zimmer besitzt. Aus diesem Grund ist im Wohnzimmer auch immer Platz für Gäste. So wurde ihm der Futon ausgerollt und der nächste Tag geplant. Da Christoph hier niemanden kennt fragte er, ob ich nicht doch eventuell etwas mehr Zeit für ihn aufbringen könnte. Kein Problem, Shimizu hatte gerade berichtet, dass Professor Morimoto in Yokohama bei seiner kranken Mutter verweilt und sich deshalb im Lab keiner um mich kümmern kann. So entstand der erste Plan: Vor 2 Jahren hielt ein japanischer Professor an der Universität in Göttingen einen Vortrag über Strahlung und lud Christoph und mich ein, ihn doch unbedingt mal in seinem Lab zu besuchen. Nichts leichter als das. So ging es mit Wein bewaffnet in sein Lab. Leider war er selber nicht da, aber wir hinterließen eine kurze Nachricht und den Wein. Tage später sollte uns ein ausführliches Dankschreiben von ihm in unseren E-Mail Accounts erwarten und der Hinweis, dass, wenn wir in Sendai studieren wollen, sein Lab immer für uns offen steht. Gut, das ist etwas zu spät, aber wer weiß, wann man sowas mal braucht. Wie heißt es so schön: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

Bei den weiteren Planungen fiel mir ein, dass ich Christoph vor drei Jahren ja durch Masami kennengelernt hatte. Kurzerhand wurde diese angerufen und überzeugt, früher mit der Uni aufzuhören. Dies fiel ihr als japanische Studentin schwerer, als es bei deutschen wohl der Fall gewesen wäre. Wir entschieden, gemeinsam nach Matsushima zu fahren. Zwar hatten die meisten Sachen schon geschlossen, trotzdem konnte uns Masami einiges zeigen, was noch nicht mal ich bis dato gesehen hatte. Manchmal sollte man sich doch an die Japaner halten! So wurde es ein sehr lustiger Tag, der bis in die späten Abendstunden weiterging. Am nächsten Tag ging es noch rauf zum Sendai Castle, wo uns ein freundlicher Wachmann noch für eine Weile in ein Gespräch über Gott, die Welt und Sendai verwickelte. Das erste Mal, dass Christoph es so extrem erlebte, da die Tokyoter Japaner doch etwas unterkühlter sind, als es in Sendai oftmals der Fall ist. Gegen Mittag stieg Christoph dann in den Zug. Der Kurzaufenthalt  war lustig und ich freue mich über jeden Besucher. Nach der stressigen Abfolge der Ereignisse erhielt ich jetzt zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Japan nun wirklich die Möglichkeit durchzuatmen, wenigstens für eine kurze Zeit.

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Tokyoter Berichte

Endlich bin ich da. 14 Stunden Flug sind nie schön, auch wenn ich ANA wirklich empfehlen kann. Der Flug hatte zum ersten Mal auch in der sogenannten Holzklasse sowas ähnliches wie Beinfreiheit und japanische Mitflieger sind um einiges entspannter als zum Beispiel die brasilianischen Fußballfans vom letzten Mal. Gut, Hauptsache heil angekommen.  Aber wie geht es weiter? Zwar hatte ich mich informiert, dass es einen Bus zum Hotel geben sollte, nur wo kommt der an? Auf einmal stand ich mit 2 Koffern und zwei Taschen in den Häuserschluchten von Tokyo, in Gebieten, die ich noch nie gesehen hatte. Über eine Stunde später war klar, ich hatte mich verfranzt und die Information online war falsch. Egal, selbst ist der Mann und letztendlich erreichte ich das Hotel, nur, um gleich wieder fortgeschickt zu werden. Einchecken so früh ist dann doch leider nicht möglich. So verbrachte ich 6 Stunden mit Laufen durch Tokyo und der Hoffnung, ein schönes Zimmer zu bekommen. Dies war der Anfang eines kleinen Tiefs, denn so recht wollte in Tokyo nicht alles gelingen. Der von mir eingeplante Vortrag fiel aus, der Besuch eines Vergnügungsparkes ebenfalls, so dass es hauptsächlich zum Shoppen ging und noch zu einem Besuch eines Sir Lanka Festivals, inklusive Kokosnusstrinken. Das Highlight war noch der spontane Beschluss, das Tokyo Rathaus bei Nacht zu besichtigen. Dank meines Vaters bin ich mittlerweile stolzer Besitzer einer Spiegelreflexkamera und es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich nicht endlich mal anständige Bilder mit dieser von Tokyo bei Nacht schaffen sollte.

So stehe ich also auf dem Rathausdach und kämpfe mit den Gläsern. Diese verdammte Spiegelung, das muss doch auch ohne gehen! Plötzlich erscheint ein alter Mann neben mir und schreit nur „damme, damme“. Frei übersetzt entspricht dies einem „halt stopp, falsch“! Und das ist noch eine freundliche Übersetzung. Meine Gedanken kreisen: Was hast du schon wieder angestellt? Freundlich wie die Japaner sind, erscheint auch gleich einer neben mir und übersetzt mir die Aussage als „nein, nein“. Aber schon spricht der Opa mit Handzeichen und Körpereinsatz weiter. Der dumme Ausländer nutzt die Kamera falsch. Die Blende muss weg und dann die Linse ans Glas gehalten werden, dann gibt es auch keine Spiegelungen. Erst als er ganz sicher war, dass ich es auch begriffen hatte und die Bilder besser sind, verschwand er so schnell, wie er gekommen war auch schon wieder. So konnten die Bilder endlich was werden und ich war wieder einmal erstaunt, wie schnell sich hier unter den kontaktscheuen Japanern einer findet, der mich sofort anspricht. Diese freundlichen Japaner sind genau eine der Sachen, die Japan ausmachen und so langsam gewöhnte ich mich wieder an Japan. Nur halt die Menschenmassen, besonders im angeblichen In-Viertel von Harajuku, mit all seinen T-Shirts im falschen Deutsch, werde ich jetzt aber wohl an Feiertagen meiden.

So vergingen die wenigen Tage in Tokyo doch schneller als gedacht. Besonders ein japanisches Restaurant für Kushiage, frittierten Fisch und Gemüse, wusste zu überzeugen. Ein Fehler, aus dem ich von 2010 lernen musste, war der, dass für mich die ganzen Nudelrestaurants und Billigrestaurants echte Restaurants waren. Letztendlich sind es doch nur Fastfood-Restaurants auf Japanisch und wenn man wirklich ausgezeichnet essen möchte, muss man manchmal schon 1.000 Yen mehr investieren und dafür dann auch etwas geboten bekommen. Nur für den Europäer mögen diese Art von Restaurants seltsam erscheinen, da man anstelle einer Rechnung mit allen Posten nur einen Zettel mit dem Endpreis erhält und sich auf die Ehrlichkeit des Kochs verlassen muss. Praktischerweise sind die Gesamtpreise aber meist noch unter dem Kartenpreis.

Am Montag war es dann aber soweit, der Zug wurde bestiegen und es ging nach Sendai. Schon als ich die ersten Lichter meiner zweiten Heimat erstrahlen sah, erschlich sich in mir ein Hochgefühl und der ganze Stress der letzten Wochen war von meinen Schultern verschwunden. Ich war zuhause und der Umzug war endlich hinter mir!

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Morgens um 6 Uhr in Deutschland

Wir schreiben Mittwoch, den 18. September 2013, weniger als 24 Stunden verbleiben bis zu meinem Flug und ich erhalte eine E-Mail: Bitte checken sie online für ihren Lufthansa Flug ein. Lufthansa? So war das eigentlich nicht geplant!

Nachdem die Verantwortlichen der Tohoku Universität auch erfuhren, dass sie mir den Flug suchen sollten, überließ  man mir die Wahl, welches Datum und welchen Flug ich bevorzugen würde. Als Datum war schnell der 19. September 2013 ausgemacht, weil an diesem Tag noch jemand in der Lage war, mich zum Flughafen zu bringen. Nur welchen Flug nehme ich und wie teuer darf dieser werden? Morimoto-Sensei schrieb mir, ich könne ja einen Flug nach Sendai nehmen und Shimizu würde mich sogar am Flughafen abholen. Gesagt, getan: ein guter Flug wurde gefunden, mit welchem ich um 10 Uhr morgens in Sendai ankommen würde. Umsteigen war dabei nur in Tokyo nötig. So aber nicht mit der japanischen Regierung. Es wird nur die erste Landung in Japan bezahlt, ansonsten hätte ich aber freie Wahl und freie Preise. Das lasse ich mir doch nicht zweimal sagen! Kurzerhand suchte ich einen 2.500 Euro Flug direkt nach Sendai heraus.  Die Zwischenlandung wäre dabei in Korea gewesen. Wohlwissend, dass einige Japaner in Anbetracht des Preises wohl ins Koma fallen, legte ich noch einen Flug nach Tokyo bei. Dieser wurde von ANA angeboten, dies ist eine der besten Fluglinien der Welt, und ermöglichte, Tokyo von Frankfurt aus ohne Umsteigen zu erreichen. Zwar war sie dadurch nicht so billig wie Aeroflot, aber wenn man mir schon so einen Ärger wegen Sendai macht, können sie wenigstens mal bei der Fluglinie klotzen. So kam es auch, auch wenn sich die Uni erst weigerte, den Flug von Hannover zu zahlen, da ich bei meiner Bewerbung als Abflugort nach Japan Frankfurt als nächsten internationalen Flughafen einordnete. Wer rechnet Hannover mit seinen Kurzstreckenflügen schon als internationalen Flughafen? Erst eine Intervention von Professor Morimoto, welcher sehr erbost über das Gebären seines Arbeitsgebers war, ermöglichte mir diesen Flug. So erhielt ich also einen Flug mit Lufthansa nach Frankfurt und von da aus mit ANA nach Tokyo.

Nun sollte ich also bei der Lufthansa für diesen Flug einchecken. Bei dem Versuch wurde ich gleich für den ANA Flug mit eingecheckt. Moment, sagte mein Ticket nicht aus, dass es zwei getrennte Flüge sind? Aber ANA bietet doch gerade an, dass man 2 Gepäckstücke mit je 23 Kilo nach Japan mitnehmen kann. Lufthansa hat ein ähnliches Angebot, also was machen? Kurzerhand rief ich Lufthansa an und fragte nach. Die sehr hilfsbereite Mitarbeiterin versicherte mir, dass sie sofort nachfragt. Sie  schmiss mich durch einen Fehler aber aus der Leitung. Mein Rückruf verband mich mit  einem Herren, der die Antwort natürlich genau wusste: Wir sind da doch nicht dafür zuständig, das ist nur von ANA abhängig und die geben ihnen nur einen Koffer kostenlos. Kein Einspruch half und ich wurde abgewiegelt. Wenn alles nur von ANA abhängt, dann müsste man doch eigentlich auch nur deren Erlaubnis einholen und dann damit Lufthansa beeindrucken. Nach einem Anruf bei ANA später war die Verwirrung komplett. Die Dame wusste auch nicht wie es funktioniert und telefonierte erst einmal 30 Minuten rum, um eine Lösung zu finden. Das Endergebnis war ein Schreiben von ANA, welches mir die 2 Gepäckstücke ermöglichte aber wo unklar war, ob Lufthansa dieses annimmt. Egal, ich habe etwas in der Hand, also rief ich wieder bei der Lufthansa an. Diese Dame war endgültig durch die Situation überfordert. Mittlerweile hatte die Nachfrage der ersten Dame wohl ergeben, dass ich nur eines mitnehmen kann, aber so änderten sich durch das Schreiben von ANA ja die Voraussetzungen. Ein Rundrufmarathon startete, dem die Aussage folgte, wir wissen es auch nicht, sie sind leider ein Sonderfall. Wie oft habe ich das nun schon in meinem Leben gehört? Nun gut, ich erhielt gut gemeinte Hinweise, wie ich weiter vorgehen könnte. Eventuell könne mir das Reisebüro in Japan helfen oder im Zweifel soll ich das Gepäckstück nach Frankfurt zahlen und da neu einchecken. Im Endeffekt könne mir aber nur der Check-in Schalter helfen. Die Nacht und Nebelaktion, mein Reisebüro in Japan zu kontaktieren, schlug wie zu erwarten natürlich ganz fehl. Wer hat auch schon mal gehört, Japaner seien flexibel? 2 Gepäckstücke, nein das lasse ja nicht mal die japanische Regierung zu und das gibt es auf keinen Fall.

So leicht lässt sich ein Reik aber nicht einschüchtern, wer die Bürokratie des Siemens Gymnasiums, der Georg-Augusta und der Tohoku übersteht, der übersteht auch das. So stand ich 6 Uhr morgens am Check-in mit 2 Koffern, welche am Vortag kurzerhand noch umgefüllt wurden und mit Schokolade für Japan ergänzt wurden. Der Check-in ist natürlich voll und es ergibt sich bei den 3 Schalterangestellten ein erschütterndes Bild: Eine Dame erscheint sehr arrogant und wiegelt alle Kunden ab, eine zweite erscheint unsicher und weiß bestimmt nicht unbedingt, wie sie vorgehen soll und ein Herr mit Krawatte, welcher aussieht, als ob er einen höheren Posten hat. Jetzt gilt es Daumen drücken und den Herren zu erhalten. Natürlich bekommt der Kunde vor mir den Herren und ich werde leicht nervös. Bloß nicht die Arrogante, welche ihren Kunden fast fertig hat! Zum Glück schafft es der Herr, seinen Kunden eine Sekunde früher zu bearbeiten und ich renne rüber. Zwar meint er, ich muss für einen zusätzlichen Koffer bis Frankfurt  bezahlen, ein leidendes Gesicht später checkt er aber beides ein und wünscht mir auf Japanisch viel Spaß. Es ist doch immer gut, wenn die eigene Menschenkenntnis nicht ganz verkehrt läuft.

Japan mit 46 Kilo Gepäck, hier komme ich! Die 18 Monate können beginnen!

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Warum einfach, wenn es auch schwer geht?

Juni 2013: Ich hatte meine Stipendiumszusage mündlich erhalten, aber seitdem hatte sich nicht viel getan. Sollte ich nicht irgendwie mal etwas Schriftliches erhalten? Wie funktioniert der Teil des Stipendiums mit dem kostenlosen Flug nach Japan? Fragen über Fragen und keine wirklichen Antworten. Die Verwaltung an der Tohoku Universität war froh, wenn sie mir nicht antworten brauchten und Professor Morimoto war auch nicht mehr informiert als ich. Als endlich Mitte des Monats ein Brief in Göttingen ankam, mit dem mir das Stipendium bestätigt wurde und die Bitte geäußert wurde, mir möglichst zügig das Visum zu sichern, war klar, dass ich schnell handeln wollte. Ein Visum wenige Tage vor der Abreise zu besorgen, war schon letztes Mal zu einem größeren Akt geworden und mit dem Visum erhalte ich vielleicht auch mehr Informationen über den Flug, man möchte ja planen. So kam es zu einem denkwürdigen Telefonat mit dem für mich zuständigen Konsulat in Hamburg.

R: Hallo, ich habe hier einen Brief, der mir sagt, ich sol ein Visum beantragen, da ich das Mombusho Stipendium erhalte. Welche Unterlagen benötigen sie und wann kann ich kommen?

K: Ähm, das können sie noch gar nicht haben, es gibt noch gar keine Ergebnisse, wer das das Stipendium bekommen wird.

R: Doch, hören sie, ich lese ihnen kurz den Brief vor….

K: Also, das muss ein Fehler sein, rufen sie doch mal ihren Verantwortlichen in der Botschaft an, bei dem sie den Test hatten.

R: Also, den habe ich nicht. Ich hab den Test in Japan gemacht und mein Verantwortlicher hat mir nur den Zettel gegeben.

K: Das geht? Also sie müssten dann mehrere Zettel haben.

R: Nein, ich hab nur den einen Zettel und soll damit das Visum erhalten.

K: Ok, das hatten wir noch nicht. Können sie bald mal vorbei schauen?

Gesagt, getan, am nächsten Morgen um 5 Uhr saß ich im Zug nach Hamburg. Ich überreichte meine Unterlagen, wobei mir noch einmal versichert wurde, ich könne noch gar keine Ergebnisse haben und man wüsste auch nicht, wie man mit mir umgehen solle. Ich ließ alle meine Unterlagen dort, wobei es sich als praktisch erwies, dass ich die Prozedur schon kannte und zur Überraschung der Dame alle Unterlagen schon dabei hatte. Ich war also ein nicht vorgesehener Fehler, ein Umstand, der mich auf dieser Vorbereitung noch verfolgen sollte.

Es blieb nun ruhig für über einen Monat, ehe mich das Konsulat kontaktierte: Man habe die Unterlagen nun und mein Visum sei fertig, ich könne natürlich jederzeit vorbei schauen. So etwas soll man nicht auf die lange Bank schieben und kurze Zeit später befand ich mich erneut im Zug nach Hamburg, um meinen Pass abzuholen. So schwer kann das ja nicht werden…. Bei meiner Ankunft begrüßte man mich mit großen Augen und stammelte, man müsse dringend mit dem Konsul über mich reden. Mein Visum hatte den Vermerk „Gespräch mit dem Konsul benötigt“ und ohne dieses sollte ich meinen Pass nicht wiedererhalten. Warum man mir das nicht am Telefon schon so gesagt hatte, erschließt sich mir nicht. Aber es kam, wie es kommen musste und der Konsul war beschäftigt. Wie sich herausstellte, muss dieser mich auf das Leben in Japan in einem Gespräch vorbereiten und da er dies noch nie gemacht hatte, brauchte er mehr Zeit. Ich wurde gebeten, doch noch mal wiederzukommen oder dieses Gespräch per Telefon zu führen. In der anschließenden Belehrung durch das Konsulat kam heraus, dass die Uni Sendai für den Flug zuständig ist, ohne es zu wissen und dass die anderen Studenten eigentlich erst 5 Tage nach meinem Abholen des Visums in den Konsulaten und Botschaften erwartet werden. Ich war also schneller als die Japaner überhaupt ahnen konnten. Der Flug sollte noch eine Sache für sich werden, aber dies ist eine Geschichte für später.

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Auftakt eines Rückspiels

Wir schreiben den 19.09.2013 und für den geneigten Blogger ergibt sich die Chance, erneut in die Tasten zu hauen. Zugegebenermaßen, der über 300 Einträge lange Blog des Jahres 2010/2011 hat seine Spuren hinterlassen. Japan ist ein exotisches Land und es gibt sehr viel zu entdecken. Nach einem Jahr überraschen einen aber nur noch die wenigsten Dinge. In meinem Fall gehe ich so weit, Sendai als meine zweite Heimat zu bezeichnen. Ok, es hat eine komische Sprache und der Fußballverein ist nur in Ansätzen mit dem ruhmreichen 1. FC Magdeburg zu vergleichen. Aber trotzdem habe ich mich selbst in mittlerweile 6 Jahren Göttingen dort nie so heimatlich gefühlt.

Seit meinem Auswärtsspiel hat sich viel ereignet. Ein Jahrhunderterdbeben hat das Leben in Japan grundlegend verändert. Viele Freunde sind wieder in ihren Heimatländern und am 25.07.2012 habe ich den Master der Geschichte in Göttingen mit einer Abschlussarbeit über Japan in den deutschen geografischen Zeitschriften des neunzehntens Jahrhundert erfolgreich abgeschlossen.

Was also tun mit meinem Leben? Sollte ich den Ratschlägen einiger folgen und mir doch langsam mal einen Job suchen? Man wird ja nicht jünger – das ist vermutlich gar nicht so eine falsche Einschätzung. Auf der anderen Seite ist Geschichte vermutlich das Ding in meinem Leben, welches ich am besten beherrsche und einige Professoren scheinen davon auch überzeugt worden zu sein und rieten mir zu einer Doktorarbeit. Dies ist ein Unterfangen, welches meinem Fernziel,  der Übernahme eines Museums, wohl entgegenkommen würde. Nur welches Thema sollte man für diesen Zweck auswählen? Eine feste Konstante zieht sich durch mein Studium: nie ein Thema doppelt wählen, weil sonst die Motivation leiden könnte. Auf der anderen Seite sollte man sich im Rahmen einer Dissertation wohl doch langsam mal wirklich spezialisieren. In all diese Überlegungen kamen im August 2012 Dennis und meine Reise in das Land der aufgehenden Sonne. Alte Wirkungsstätten wurden besucht, alte und neue Freunde gefunden und irgendwie kribbelte es doch in den Fingern, noch einmal in eine andere Welt einzutauchen. Wurden die ersten Gedanken, eine Doktorarbeit zur Hälfte in Japan und zur anderen in Deutschland zu schreiben, anfänglich noch als Spinnerei oder unrealistisch abgetan, so ergab sich dank meiner Kontakte nach Sendai bald ein anderes Bild und der Gedanke zu einem Rückspiel vertiefte sich. Das Mombusho Stipendium, welches schon Menschen wie Orsolya, Christian und Mohammed die Reise nach Japan ermöglichte, hat neben der Bewerbung über die japanische Botschaft im jeweiligen Heimatland  noch die Möglichkeit einer direkten Universitätsempfehlung. Diese ist zwar noch schwerer zu erhalten, aber dann hat man eine erhöhte Chance, dieses Stipendium zu bekommen. Mit dem Segen einer Professorin aus Göttingen, einem Exposé über ein Thema, welches ich schon zu meiner Masterarbeit gerne bearbeitet hätte und etwas vorfühlen in Japan durch Freunde, reiste ich also im Dezember 2012 erneut in das Land der aufgehenden Sonne. In einem engen Zeitfenster schaffte ich es, einen japanischen Zweitbetreuer für die Arbeit zu gewinnen und dank meines ehemaligen Professors Morimoto die Empfehlung der Uni zu erhalten. Das Projekt Rückspiel war damit angelaufen.

Noch stand das Stipendium aber noch nicht und das Stipendium alleine ermöglicht noch nicht direkt Forschungsergebnisse. Nach langer Überzeugungsarbeit erhielt ich deshalb im Mai 2013 einen Reisekostenzuschuss durch eine Stiftung. In Anbetracht der Tatsache, dass ich erst offiziell seit einem Monat als Doktorand angenommen war und damit  forschen konnte, war das eine Besonderheit und ich bin immer noch dankbar, dass es am Ende funktionierte. Auf dieser Reise sicherte ich mir durch Kontakte die Unterstützung der Japanisch-Deutschen Gesellschaft, welche mir die Türen zu so ziemlich jedem Forschungsinstitut in Japan öffnete. In Japan läuft vieles über Kontakte und Namen. Frau Wilhelms Name, also der der Leiterin der Japanisch-Deutschen Gesellschaft in Sendai, ist dabei ziemlich bekannt und einflussreich. Mit dieser Voraussetzung und der freudigen Meldung, das Stipendium zu bekommen, erhielt ich erste Einblicke in die von mir benötigten Materialien und konnte mich endgültig auf das Rückspiel in Japan vorbereiten. Aus der Erkenntnis, wie kurz ein Jahr sein kann, reifte die Verlängerung der Dauer auf 18 Monate.

Nach dieser langen Vorrede sind wir also im Heute angekommen. Es ist Donnerstag der 19.09.2013,  ich sitze in Frankfurt auf dem Flughafen und bin bereit, es wieder mit dem täglichen Wahnsinn in Japan aufzunehmen. Die Hindernisse auf dem Weg dorthin waren vielseitig und werden ganz bestimmt weitere Einträge nach sich ziehen.  Jetzt wünsche ich aber allen geneigten Lesern erst einmal viel Spaß und einen schönen Tag noch. Ich hoffe, ihr bleibt mir auch auf dem weiteren Weg gewogen. Auf jeden Fall werde ich versuchen, ein wöchentliches Update zu geben oder auch mal ein zusätzliches, wenn sich etwas Berichtenswertes ereignet.

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