April 2015 Archiv

Der Abschied von den Fußballfreunden

Es ist Mittwochabend und nachdem seit Wochen eigentlich kaum einmal ein Treffen Misaki und COmit anderen Leuten stattfand, habe ich heute natürlich gleich zwei Veranstaltungen am gleichen Tag. Auf der einen Seite verabschieden sich heute einige meiner Kommilitonen von ihrem Universitätsleben und haben zusammen mit meinen Professoren ein Essen, auf der anderen Seite wollen mich meine Freunde vom Fußball treffen. Während ich noch darüber sinniere, was ich jetzt am besten mache, nimmt Shimizu mir die Entscheidung unfreiwillig ab. Schon vor Wochen hatte ich dem Essen mit meinen Kommilitonen bei ihm als Organisator zugesagt, nur um einen Tag vor dem Essen eine Nachricht zu erhalten, in der ich bei der Anwesenheitsliste nicht auftauche. Da darum gebeten wurde, noch am gleichen Tag zuzusagen, falls man noch erscheinen möchte, und ich die Nachricht nicht schnell genug sah, löste sich mein Zwiespalt in Luft auf und ich traf meine Fußballfreunde. Da es ein Mittwochabend war, hatte ich dabei eigentlich nur mit den Männern der Runde gerechnet, man erschien aber in kompletter Stärke. 13 Leute und sehr viel Essen fanden sich so in einem traditionellen Sendaier Restaurant ein.

Kuma und Co

Besonders, dass sogar die Kinder unbedingt kommen wollten, bedeutete mir sehr viel, da ich die Freundschaft ja anfänglich besonders dank Kumas Tochter Misaki geschlossen hatte. Aber auch der ganz Kleine war zum Beispiel da, bei dem man besonders sieht, wie die Zeit vergangen ist. War er vor vier Jahren mit seinem einem Jahr noch regelmäßig auf dem Bauch der Mutter festgebunden, so kommt er jetzt bald in die Schule. Es wurde ein sehr witziger Abend, der so nie in deutschen Restaurants geschehen könnte. Es gab viel zu Essen und für jedes einzelne Stück gab es dreizehn Teller, damit auch jeder probieren konnte. Dementsprechend hatten wir eine riesige Auswahl an sehr leckeren lokalen Spezialitäten. Ich hoffe wirklich, dass wir den Kontakt so aufrecht erhalten können und wer weiß, vielleicht kommen die anderen ja einmal Mützenach Deutschland, um sich ein Spiel vom 1. FC Magdeburg anzuschauen. Damit ich Sendai auch ja nicht vergesse, gab es dann auch noch eine typische Verabschiedung. In Japan erhält jemand, der abreist, von den Zurückbleibenden eine japanische Flagge, mit Nachrichten von allen Freunden. Diese Tradition lässt sich noch auf die Kriege zurückführen und war früher eine Soldatenverabschiedung. Natürlich muss aber ein Fußballfan anders verabschiedet werden und so erhielt ich ein Trikot von Vegalta mit Nachrichten von allen Anwesenden. Selbst der Kleinste, der selber noch kaum schreiben kann, bemühte sich sichtbar, mir etwas Nettes als Nachricht zu hinterlassen. Ich werde sie alle vermissen und hoffe, dass ich noch oft die Möglichkeit bekommen werde, mit ihnen zusammen Fußball zu schauen!

                  

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Ein beschäftigtes Wochenende

Ist es nicht immer so: Kaum wird die Zeit knapp, schon findet man neue Dinge, welche man unbedingt für die Arbeit benötigt. Genau so erging es mir in den letzten Wochen. In Tokyo, an der Todai, der Eliteuniversität des Landes, haben sich drei neue Bücher gefunden, welche ich unbedingt benötigte. Es kam, wie es kommen musste, per Mail wurde mir erklärt, dass ich zwei der drei Unterlagen gerne anschauen dürfte, dazu müsse ich aber schon nach Tokyo kommen. Fernleihe oder ähnliches sei nicht vorgesehen und meine eigentlich interessanteste Quelle darf ich natürlich gar nicht erst anschauen, da die Bibliothek sich gerade im Umbau befindet. So stand ich etwas unglücklich vor der Wahl, ob ich noch einmal kurz einen Abstecher nach Tokyo mache. Zeitlich gesehen war das eigentlich nicht vorgesehen, aber immerhin befindet sich eine alte Bekannte gerade in Tokyo und man könnte den Aufenthalt gleich mit etwas Spaß verbinden. Kurzentschlossen entschied ich, die Chance zu nutzen, da es sich um nützliche Werke handeln könnte und es ging zusammen mit Orsolya per Nachtbus nach Tokyo. Zwar ist der Shinkansen um einiges schneller, im Endeffekt bezahle ich mit dem Bus aber ein Sechstel des Zugtickets, was ein entscheidender Vorteil ist. Leider sind Nachtbusse aber wohl nichts mehr für mich, denn die Fahrt war anstrengend und unbequem. Wenn ich noch einmal in die Lage komme, dann werde ich wohl mein Glück mit einem Tagbus versuchen und im Anschluss ein Hotel buchen.

Todai

Das berühmte Hauptgebäude der Uni.

Tor zur Todai

Der Eingang zur Uni.

Aber was bringt das Meckern? Im Endeffekt fand ich mich um sechs Uhr morgens in Tokyo ein und während Orsolya Kanayo traf, ging es für mich zur Eliteuniversität. Eliteuni, das weckt bei dem Hörer natürlich Erwartungen und auch bei mir stellten sich diese Erwartungen ein, nachdem jeder Japaner, den ich auf die Todai ansprach, mir mit leuchtenden Augen antwortete. Ich muss aber festhalten, die Todai ist nichts besonderes.  Ja, die Gebäude sind im Pseudoklassischen Stil gehalten, wodurch die Uni etwas heraussticht, aber die Begeisterung, mit der japanische Touristen Fotos der Uni machten, wollte sich bei mir nicht so recht einstellen. Nein, vielmehr fand ich sogar den klassischen Baustil nicht sonderlich praktisch, da Japaner bei der Errichtung Ende des neunzehnten Jahrhunderts sicherlich in der Lage gewesen wären, weniger unpraktisch zu bauen und das fängt schon bei den sehr kleinen Räumen an. Auch, dass jedes Gebäude gleich aussieht und die Suche nach Gebäuden dadurch unverhältnismäßig schwer erscheint, finde ich zumindest fragwürdig. Auch die Studenten scheinen zwar intelligent zu sein, aber sie werden behandelt wie kleine Kinder. Wieso muss man zum Beispiel Studenten auffordern, keinen Alkohol zu trinken? Immerhin 16 Tote waren wohl in den letzten Jahren zu verzeichnen gewesen, weil die Studenten kein Maß kannten.

Auf den Inhalt kommt es aber bekanntlich an und dabei erwies sich eine der Quellen als sehr vielversprechend. Zwar erhielt ich noch nicht einmal die Erlaubnis, Kopien der Quellen anzufertigen, aber immerhin konnte ich mir eine Vielzahl von nützlichen Informationen zusammensammeln und ein paar Kopien erhielt ich immerhin dank meines Handys. Ich fühlte mich ja schon ein wenig wie ein Spion, wie ich mit meinem Körper das Dokument verdeckte und per Trick den Kamerasound meines Handys überbrückte, um unerlaubt ein paar Fotos der Texte zu erstellen. Da ich aber sowieso nicht verstehe, wieso das Fotografieren verboten ist, da dies in Deutschland immer erlaubt ist, blieb mir keine andere Möglichkeit.

So verbrachte ich den Vor- und Nachmittag an der Uni. Im Anschluss ging es dann zu meinem Treffen mit Orsolya und Kanayo. Dies war das eigentliche Highlight des Tages. Kanayo ist mittlerweile Studentin in England und hat sich schon stark an den westlichen Lebensstil gewöhnt. Um so mehr Spaß hatten wir, Tokyo gemeinsam zu erkunden und zu sehen, wie sehr sich ihr Blick auf die eigene Kultur gewandelt hat. Abends ging es dann noch sehr gut essen, wobei es unzweifelhaft half, dass Kanayo noch viel besser die Karten versteht, als das Orsolya oder ich jemals könnten. So verbrachten wir einen schönen Abend, ehe es am nächsten Tag frisch erholt mit dem Tagbus zurück in die Heimat ging.

Essen 2 Knoblauch Essen 1

Tokyo ist zwar etwas Schönes, aber im Endeffekt ist es zu Hause doch am schönsten und so waren wir froh, Sendai wieder erreicht zu haben. Das Leben in Tokyo ist doch noch einmal etwas ganz anderes, im Vergleich zum Rest von Japan. Alles ist schneller, lauter und stressiger, aber auch immer gefüllt mit neuen Eindrücken. Ich bin überzeugt davon, dass man dies nicht mehr sieht und auch wertschätzt, wenn man erst einmal in Tokyo lebt und deshalb bin ich froh, wenn ich es bei kurzzeitigen Aufenthalten belassen kann. Wenn ich die Todai sehe, bin ich eh froh darüber, die Tohoku Universität als Lehrstätte zu haben, welche mir vom Universitätsgelände viel mehr zusagt.

Und nur um noch einmal für mich zu belegen, was ich eigentlich an Sendai habe, erhielten wir auf der Rückreise auch gleich noch eine Einladung zum Hippo Family Club, welcher mich unbedingt noch einmal treffen wollte. So hatten wir gar keine Zeit, um uns in Sendai zu akklimatisieren, sondern gingen tags darauf gleich zu ihrer Veranstaltung und anschließend zum Essen beim Vorsitzenden. Dabei kam heraus, dass die von mir unterstützte Japanerin es im Endeffekt endlich geschafft hatte, ihre Gastfamilie in Thüringen hinter sich zu lassen und nun ihre Zeit wirklich genießt. So ist sie jetzt in Paderborn und nicht mehr nur an einer Sekundarschule, sondern direkt an einem Gymnasium. Es wurde ein schöner Abend und alle verabschiedeten sich von mir mit den Worten, dass sie ja so froh sind, dass wir freundlich genug gewesen sind, immer wieder zu kommen. Normalerweise kommen Ausländer wohl nur einmal und dann haben sie genug gesehen. Wir dagegen sind bei den Kindern aber sehr beliebt und kommen immer wieder, da wir Spaß daran haben, das wirkliche Japan kennenzulernen. Am meisten beeindruckte mich aber, wie zur Verabschiedung der eine Vierjährige kam und mich fragte, was denn „Auf Wiedersehen“ auf Deutsch heißt, damit er sich von mir auch richtig verabschieden kann. Bei den Kindern des Clubs haben wir es also wirklich geschafft und ihnen die Angst vor Ausländern genommen. Nur so kann es gehen und ich bin mir sicher, dass dies Japan nicht schaden wird. Nur persönlich tat mir das Treffen nicht gut, da mir erst jetzt wirklich bewusst wurde, dass es bald wieder nach Deutschland geht und ich habe eigentlich noch so viel, was ich in Japan erleben möchte. Nun gut, bald kommen dann die wirklich schmerzlichen Verabschiedungen, aber davon beim nächsten Mal mehr.

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